Unter den Pehuenchen - Friedrich Gerstäcker - E-Book

Unter den Pehuenchen E-Book

Friedrich Gerstäcker

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Beschreibung

Dieser Roman des Weltreisenden Friedrich Gerstäcker entstand nach einer Reise quer durch Südamerika. Durch Unwetter gezwungen, verbrachte er längere Zeit in einem Dorf der Pehuenchen, wo die Idee zu diesem ungewöhnlichen und spannenden Roman entstand. Gibt es immer wieder Geschichten um und mit Indianern - so ist zum Beispiel der Indianer Assowaum aus den *Regulatoren* ein Vorbild für Karl Mays Winnetou - so ist doch eigentlich dieser Roman der einzige Indianerroman Gerstäckers. Ungewöhnliche Schauplätze, eine spannende Romanhandlung und die beschriebenen Charaktere machen das Werk auch für den heutigen Leser zu einer interessanten Lektüre.

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Friedrich Gerstäcker

Unter den Pehuenchen.

Chilenischer Roman

Volks- und Familienausgabe, 2. Serie

Band 6 der Ausgabe

Hermann Costenoble, Jena

Friedrich-Gerstäcker-Gesellschaft e.V., Braunschweig

Ausgabe letzter Hand, ungekürzt, mit den Seitenzahlen der Vorlage

Gefördert durch die Richard-Borek-Stiftung und Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz

Friedrich-Gerstäcker-Gesellschaft e.V. und Edition Corsar, Braunschweig,

Herausgegeben von Thomas Ostwald nach der von Friedrich Gerstäcker

eingerichteten Textausgabe für H. Costenoble

Geschäftsstelle: Am Uhlenbusch 17, 38108 Braunschweig

Alle Rechte vorbehalten! © 2016 / © 2023

Vorwort.

Die Pehuenchen1 sind jener große indianische Volksstamm, der seinen Aufenthalt in Südamerika auf der Ostseite der Cordilleren, und zwar südlich von dem bei Carmen in den Atlantischen Ocean mündenden Cusu leufu oder schwarzen Fluß hat. Sie streifen wohl zu Zeiten auch nördlich darüber hinaus, aber sie beanspruchen das Gebiet nicht. Südlich werden sie von den eigentlich patagonischen Stämmen begrenzt, mit denen sie aber nicht in großem Verkehr stehen. Allerdings besteht ihr Hauptstamm aus verschiedenen Horden, die auch für sich andere Namen führen; da sie aber einen einzigen erblichen Ober-Häuptling oder Kaziken, den sogenannten Apo, anerkennen, nennen sie sich gemeinsam Pehuenchen und werden besonders auch von den Nachbarn so genannt. Die Pehuenchen kommen nur auf ihren Wanderungen nach der Westseite der sie von den Araucanos und Huilliches trennenden Cordillere.

Der Verfasser.

1. Das Lager im Dickicht.

Ueber die Cordilleren sandte die Sonne ihre ersten Strahlen und beleuchtete, hoch in den Bergen drinnen, ein so eigenthümliches als wildes Bild.

Inmitten eines weiten Rohrbruchs, der sich über den ganzen Hang zog, und aus welchem mächtige Buchen- und Lorbeerbäume2 emporwuchsen, lagerte ein Schwarm von trotzigen braunen Gestalten um fünf oder sechs Feuer, die an verschiedenen Stellen angezündet, aber jetzt schon fast niedergebrannt waren, wenigstens nicht mehr mit dem überall umhergestreuten trockenen Holz genährt wurden. Die Schaar richtete sich auch augenscheinlich zum Aufbruch, und gedachte wohl kaum eine zweite Nacht an dieser Stelle zu verbleiben.

So wild verwachsen war das Dickicht, daß man es nicht einmal für nöthig befunden, die Pferde weiter zu sichern, die ungesattelt und ungezäumt überall das saftige Schilflaub abweideten.

Nur die Stelle, wo ein schmaler Pfad in die natürliche Lichtung ein- und an der andern Seite wieder ausmündete, war durch querüber gezogene Lassos „geschlossen“, und keins der Thiere hätte die starre Hecke von Schilf und Unterholz nach irgend einer Richtung hin durchbrechen können.

/2/ An der westlichen Seite des Platzes, wo sich das Land allmälig der Niederung zusenkte, war ein Einschnitt zwischen den Bäumen durch den Sturz eines der Waldriesen in das Laubmeer gerissen. Dorthin konnte der Blick weit ausschweifen, bis er den nebelumflorten Horizont des Stillen Meeres traf – und diesem Einschnitt gerade gegenüber, an einem hellbrennenden Feuer und auf ein paar Guanakofelle ausgestreckt, lag der Häuptling und Kazike dieses Trupps.

Es war eine schlanke, kräftige, ja noch jugendliche Gestalt, dieser wilde Krieger, wie er dort neben der Flamme und auf den linken Ellbogen gestützt finster brütend lehnte. Sein Haupt, von dem das lange schwarze Haar straff niederhing, war unbedeckt, der Oberkörper trotz des ziemlich rauhen Morgens nackt. Nur ein paar kurze und enganliegende blaue Hosen trug er und die aus roher Pferdehaut verfertigten Botas an den Füßen. Neben ihm aber lag der buntgewirkte Poncho, lagen die großen, schweren silbernen Sporen und der aus feinen Streifen roher Haut kunstvoll geflochtene Zaum und Lasso. Die Bolas, das tödtliche Wurfgeschoß der Pampas-Indianer, trug er wie alle die Uebrigen, um den Leib gewunden, das lange Messer stak im Gürtel, und hinter ihm an einem Baum lehnte die wohl vierzehn Fuß lange, mit scharfem Messer als Spitze bewehrte Colihue-3Lanze – Alles zum augenblicklichen Dienst bereit und im Griff des Kriegers.

Und was wollten die dunkeln Gestalten hier in der unmittelbaren Nähe von Ansiedelungen der Weißen, und doch tief verborgen im schützenden Wald? Hatten sie wirklich Böses im Sinn? – Es war schon viel Blut geflossen von beiden Seiten, und Indianer wie Chilenen hatten ihre Kraft mit einander gemessen. – Aber noch verrieth kein Zeichen, daß /3/ diese Schaar über das friedliche Land hineinbrechen wolle, denn höher und höher stieg die Sonne, und nichts deutete darauf hin, daß die wilden Gestalten an einen Aufbruch dachten.

So verging Stunde um Stunde, und der Häuptling regte sich nicht von seinem Platz, wenn auch die Ungeduld an ihm nagte. Sein langes Messer mit Silber und Elfenbein verziertem Griff hatte er schon lange gefaßt und aus der Scheide gezogen, und er vertrieb sich die Zeit, die gelben um ihn hergestreuten Blätter damit aufzuspießen – aber er sprach kein Wort, und selbst die übrigen Krieger unterhielten sich nur flüsternd mit einander.

Da endlich tönte ein scharfer Schrei aus dem Dickicht heraus, wie ihn der graue Habicht ausstößt, wenn er über dem Wald die raschen Kreise zieht, und der Häuptling fuhr aus seiner ruhenden Stellung empor. – Noch einmal ertönte der Ruf, und jetzt zum dritten Mal – es war einer der ausgesandten Kundschafter, der zum Lager zurückkehrte, und gleich darauf brachen und raschelten die Büsche, und ein junger Krieger hielt auf seinem fröhlich aufwiehernden Pferd vor den ausgespannten Lassos des innern Pfades, die jetzt rasch von geschäftigen Händen beseitigt wurden, um ihm Einlaß zu geben.

Im nächsten Augenblick schon sprengte er in den offenen Plan, aber nicht gleich zu dem ihn ungeduldig erwartenden Häuptling hin, denn vor allen Dingen galt seine Sorge dem Thier, das ihn getragen. Er sprang aus dem Sattel, den er abschnallte, worauf er mit einer Hand voll ausgerissenen Grases den nassen Rücken seines Rappen sorgfältig abrieb; dann zog er ihm den Zaum über die freudig gespitzten Ohren und ließ das also befreite Thier hinüber zu seinen Gefährten traben. Erst dann schritt er auf den Häuptling zu, der sich ebenfalls aufgerichtet hatte, aber mit keiner Silbe die nothwendige Wartung des Pferdes beeilte. Das Thier gehörte zum Mann und verlangte oft sorgfältigere Pflege als dieser selber, besonders jetzt, wo sie sich auf feindlichem Boden befanden.

Der junge Kundschafter näherte sich seinem Führer. Er war schlank gewachsen und die Haut kaum mehr gebräunt als man den heißen Strahlen der Sommersonne hätte zuschreiben können. Den Oberkörper trug er nackt wie der /4/ Häuptling, die Beine staken in enganschließenden dunkelblauen Hosen, und um die Hüften war noch ein schmales blau- und rothgewirktes Tuch geschlungen, in dem hinten im Gürtel das lange Messer stak. Um den Leib hatte er aber auch noch außerdem die mit zwei eingenähten Kugeln bewehrte Bola geschlagen, sonst führte er keine Waffen. Die großen eisernen Sporen waren über den nackten Fuß geschnallt und hinderten ihn etwas im Gehen, weil sie klirrend nachschleiften. All’ diese Völker sind ja auch nur auf den Sattel angewiesen und dort daheim. Zu Fuß zeigen sie sich meistens hülflos und ungeschickt.

„Und was bringst Du, Allumapu?“ sagte der Häuptling endlich, als der junge Mann mit finsteren Blicken vor ihm stand, „kehrst Du unverrichteter Sache zurück, und war Dein Fuß nicht im Stande, ihre Fährten zu kreuzen.“

„Sie sind breit genug,“ erwiderte der junge Indianer, während ein halb trotziges, halb verächtliches Lächeln um seine Lippen spielte, „ein Halbblinder könnte ihnen folgen – doch in großen Schwärmen bedecken sie das Land, und ihre Feuerrohre blitzen überall in der Sonne.“

„Und unsere Thiere?“ sagte der Häuptling ungeduldig.

„Eine weite Staubwolke zeichnet die Bahn, aus der sie dem Norden entgegengetrieben werden, und nach Osten zu flohen die Araukaner und ließen ihre Habe im Stich. An allen Punkten brennen ihre Hütten, sind ihre Felder verwüstet, und was sich von Rindern und Pferden nicht in den Wäldern versteckt hat, ist Beute der Sieger.“

„Und die Soldaten?“ frug der Häuptling, während sich seine Stirn in düstere, Unheil drohende Falten zog, „wie viele sind ihrer?“

„Wer kann sie zählen?“ war die Antwort, „auf allen Pfaden ziehen sie daher, und ein Schwarm, stärker als der unsere und nur aus ihren Häuptlingen bestehend, lagert dort unten im Thal bei einem Huinca4, wo sie Musik und Tanz haben und ein Gelag halten.“

„Dort unten im Thal?“

/5/ „Von diesem Hügelrücken aus, wo ein Felsenvorsprung die Tiefe überhängt, kannst Du die Lichtung sehen.“

„Ich kenne den Platz,“ rief der Häuptling rasch – „der Weiße dort war von je ein Freund der Pehuenchen. Es ist gut – er wird uns helfen. Du, Allumapu, kehrst dorthin zurück.“

„Allein und unbewaffnet?“

„Der Abgesandte des Häuptlings Jenkitruss ist sicher.“ entgegnete der Wilde stolz – „wer will ihn schädigen? Du forderst unsere Thiere zurück. – Wir sind nicht im Krieg mit den Weißen – wir haben keinen Theil an ihren Kämpfen. Friedlich bin ich in dies Land gekommen, friedlich will ich es wieder verlassen. Wir haben ihre Heerden geschont. Wir haben nicht ein einziges Mal die Hand nach ihrem Eigenthum ausgestreckt, und als die Araukanos unsern Beistand verlangten, haben die Häuptlinge der Pehuenchen es abgelehnt, die Lanze gegen die Brust der Weißen zu richten. – Geh, die Sonne steigt höher, und bis sie wieder sinkt, müssen wir auf dem Heimweg sein.“

„Und wenn sie sich weigern?“ sagte der junge Krieger.

„Weigern?“ rief der Häuptling emporfahrend, „bei Pilian’s5 Zorn! sie wagen’s nicht. Sag’ ihnen dann, daß Jenkitruss mit seiner Schaar im Walde lagert und mit Gewalt hinwegführen würde, was sein ist. Sag’ ihnen, sie hätten bis jetzt nur den freundschaftlichen Druck seiner Hand gefühlt, aber seine Lanze sei scharf und seine Bolas fehlten nie ihr Ziel.“

„Und wie handelten sie oben bei Antuko mit den Boten, die bittend und in Freundschaft zu ihnen kamen?“ frug der junge Krieger vorsichtig. – „Sie sehen nie die heimischen Pampas wieder!“

Das Auge des Häuptlings blitzte.

„Fürchtest Du Dich, Allumapu, meine Botschaft auszurichten?“

Der junge Indianer erwiderte kein Wort, aber seine ganze Gestalt hob sich, sein dunkles Auge glühte, und sich abwendend, schritt er zu einem der frischen Pferde hinüber, /6/ das er an der Mähne faßte und zu seinem Zaumzeug führte.

In wenigen Minuten war es gesattelt und zum Aufbruch bereit; aber nicht wie vorher gedachte er diesmal in das niedere Land hinab zu steigen. Aus einem Lederbeutel, der neben dem Gepäck der Genossen lag, nahm er zwei himmelblaue, großperliche Glasschnüre, die er sich um den Nacken hing; ein buntgewebtes wollenes Band knüpfte er sich um die Stirn, um das lange, schwarze, straffe Haar damit zurück zu halten; dann nahm er Farbe und zeichnete sich Wangen und Stirn mit blauen und rothen Streifen, und nun erst hing er den mit gelbroth und blauen Arabesken verzierten Poncho um die Schultern. So endlich gerüstet, griff er die Lanze auf, die getrennt von den übrigen an einem Baum lehnte, sah nach dem Lasso, ob er geordnet an seinem Gurt befestigt hing, und schwang sich dann mit einem kecken Satz, und fast ohne die Croupe seines Thieres mit der Hand zu berühren, in den Sattel.

„Allumapu!“ rief die ernste, aber nicht unfreundliche Stimme des Häuptlings, der schweigend seinen Vorbereitungen zugesehen.

Der junge Krieger lenkte ihm sein Pferd zu und hielt neben ihm, des neuen Befehls gewärtig.

„Reite,“ nickte ihm der Kazike zu, „aber – hab’ Acht auf Dich, unsere Herzen sind mit Dir.“

„Allumapu fürchtet die Huincas nicht.“

„Ich weiß es,“ sagte der Häuptling freundlich – „aber er weiß auch, daß er sie nicht zu fürchten braucht, denn starke Arme liegen im Hinterhalt und offene Augen bewachen seine Schritte.“

Eine leise Bewegung mit der Hand gab ihm das Zeichen zum Abschied, und der junge Krieger wandte ohne Zögern sein Pferd und sprengte schon im nächsten Augenblick über die Lichtung hinüber dem schmalen Pfad zu, hinter dessen Rohrwänden er im Nu verschwunden war.

Aber düstere Wolken fuhren über das Antlitz des Kaziken Jenkitruss, denn der Verdacht, den sein junger Kundschafter – über die Treue der „Fremden“ geäußert, war nicht spurlos an ihm vorüber gegangen. Dort unten im Lande lagen die /7/ Hütten und Gehöfte seiner rothen Brüder zerstört. Hunderte ihrer jungen Männer waren erschlagen, ihre Familien in die Gebirge gejagt, ihre Heerden fortgetrieben, ihre Wintervorräthe verbrannt oder geraubt, und wenn auch sein eigenes Volk an der Otra Banda6 in diesen Streitigkeiten keine Hand gehabt und die Weißen weder bedroht hatte, noch von ihnen bedroht war, so kannte er doch nur zu gut die Leidenschaften der Menschen, die, mit einmal erregtem Blut und die Waffe in der Faust, schwer in ihr altes ruhiges Geleis zurück zu bringen sind. Aber hätten sie es gewagt, auch ihn zu reizen? – Boten waren vor Ausbruch des Kriegs zu ihm hinüber gesandt, um sich seine Neutralität zu sichern – Geschenke waren ihm geschickt, um den Pehuenchen zu beweisen, daß die Chilenen nichts Feindseliges gegen sie beabsichtigten – daß sie nur die Einfälle der Araukaner bestrafen, aber mit ihren rothen Brüdern im Osten in Frieden und Freundschaft leben wollten; mußte er ihnen nicht trauen? – und doch wie oft schon hatten sie ihn getäuscht – wie oft hatten die Kaziken der Weißen ihm ihren Freundschaftsgruß gesandt, während trotzdem ihre eigenen Leute über die Berge schlichen und seine Pferde hinwegtrieben, ja einzelne seiner Leute erschlugen oder verjagten. Und war ihm je Recht – je Genugthuung für solchen Friedensbruch geworden? Nie. – „Nenne die Verbrecher,“ hatten die Weißen gesagt, „und sie sollen ihre Strafe erhalten; wir selber aber können sie nicht suchen.“ – Wo aber einer der rothen Söhne des Landes einen Friedensbruch beging – wie dies jetzt bei den Araukanern der Fall gewesen, – da überschwemmten sie in Waffen mit all‘ ihren neuen Zerstörungsmaschinen das Land, und der Unschuldige mußte dem Schuldigen leiden.

Solche dunkle Gedanken zuckten ihm durch’s Hirn, wie er mit untergeschlagenen Armen, den Blick fest am Boden haftend, dasaß und vor sich niederstarrte. Aber der kecke, wilde Häuptling der Pehuenchen war wahrlich kein Grübler, und plötzlich den Kopf emporwerfend, ließ er den Blick über seine Krieger /8/ schweifen, die, noch ungewiß, welcher Befehl ihnen werden würde – ob zum Aufbruch, ob zur längeren Rast hier, leise miteinander plaudernd in verschiedenen Gruppen umherstanden.

„Saman!“ rief der Häuptling, und aus der einen Gruppe löste sich eine kleine, schmächtige Gestalt los, die wie ein Pfeil über den Boden auf ihn zuglitt – „Du bist rasch und geschickt,“ fuhr Jenkitruss ohne weitere Vorbereitung fort, „folge Allumapu’s Fährte, aber kein Weißer darf Dich sehen. Nahst Du Dich ihren Wohnplätzen, so laß Dein Pferd im Dickicht. Du kehrst mit Allumapu zurück, oder – meldest mir, was aus ihm geworden. Hast Du mich verstanden?“

Der Indianer antwortete gar nicht – geräuschlos glitt er zu seinem Pferd hinüber, warf ihm den Zügel über, und auf den nackten Rücken desselben springend war er im nächsten Augenblick schon im Wald verschwunden. Jenkitruss aber warf sich neben seinem Feuer nieder, und die anderen Wilden, die jetzt wohl sahen, daß für die nächste Zeit nichts unternommen wurde, lagen bald auf dem Boden, um die Ruhe zu suchen. Sie Alle wußten, daß sie den Moment benutzen mußten; denn wenn es zum Kampfe kam, wurden ihre Kräfte auch nicht geschont.

2. Das Fest auf der Hacienda

Aus dem araukanischen Gebiet – jenem weiten, herrlichen Landstrich, auf welchem die Horden der chilenischen Indianer noch bis zum heutigen Tag ihre Unabhängigkeit gewahrt und ihr Land gegen jeden Feind verteidigt haben – kehrten die chilenischen Regierungstruppen zum ersten Mal siegreich zurück. Den wilden braunen Burschen war es nämlich in ihren fruchtbaren Thälern und mit süßen Weiden bedeckten Hügelhängen zu wohl geworden, so daß sie anfingen, ihre /9/ weißen nördlichen Nachbarn zu belästigen. Ob die Häuptlinge selber damit in Verbindung standen, ließ sich allerdings nicht ermitteln, ja es war sogar unwahrscheinlich, denn sie konnten nicht gut ein Interesse dabei haben, ihre Nachbarn zu erbittern und zu reizen. Nichtsnutziges, raublustiges Gesindel, aufgestachelt von weißen Vagabonden, die sich der chilenischen Justiz durch Flucht unter die Indianer entziehen, mochte wohl die alleinige Schuld an den immer häufiger vorkommenden Viehdiebstählen tragen. Aber die Häuptlinge mußten dafür verantwortlich gemacht werden, wenn sie solchem gesetzlosen Treiben nicht Einhalt thun konnten oder wollten, und als diese Grenzverletzungen kein Ende nahmen, rückten die chilenischen Soldaten in geschlossener Macht hinüber in das araukanische Gebiet und übten, wie sie es nannten, Vergeltungsrecht.

Den eigentlichen Feind trafen sie dort allerdings nicht; denn wenn sich ihnen auch einzelne Schwärme junger Krieger entgegenwarfen, so mußten diese doch bald den überlegenen Feuerwaffen und der vernichtenden Wirkung mitgeführter Kanonen weichen. Sie konnten nicht Stand halten; das weite Land lag den Feinden offen, und während die Familien jetzt in wilder Hast in die Berge flüchteten, um dort – und wenn nicht dort, auf der Otra Banda Schutz zu finden, trieben die Männer, was sie in der Eile von ihren Heerden zusammenbringen konnten, ihnen nach und ließen ihre Gehöfte und Felder in der Gewalt der Weißen.

Vernünftiger wäre es gewesen, wenn diese einen gemäßigten Gebrauch von dem erlangten Vortheil gemacht und sich damit begnügt hätten, den Indianern nur ihre Macht zu zeigen; denn mächtig genug waren sie doch nicht, das für den Augenblick gewonnene Gebiet zu behaupten. So aber wirthschafteten sie nicht viel besser, als es die Indianer selber gethan haben würden, wenn sie in Feindesland eingebrochen wären. Sie zerstörten die Wohnungen der Araukaner und brannten sie nieder, verwüsteten ihre Felder und hetzten die armen Frauen und Kinder in die unwirthbaren Berge hinein. Dann sammelten sie an Vieh und Pferden, was sie noch irgendwo finden konnten, und trieben alles so rasch als mög/10/lich nach Norden, in ihr eigenes Land hinauf. Sie wollten nämlich nicht warten, bis sich die wilden, kriegstüchtigen Horden sammeln konnten, und trauten eben so wenig den Nachbarn über den Bergen drüben, ob diese nicht doch bewogen werden konnten, ihren Brüdern Hülfe und Beistand zu leisten und durch die Engpässe der Cordilleren über sie herein zu brechen. An Zahl wären ihnen die Indianer dann jedenfalls überlegen gewesen, und die Tapferkeit jener wilden Stämme war bekannt genug.

Unangefochten erreichten die Chilenen indessen ihre Grenze wieder, deren Insassen aber nicht besonders erfreut über das Resultat schienen, denn bei solcher Kriegführung – wenn ihre Freunde auch augenblicklich den Sieg davon getragen, – waren ihnen die Indianer doch überlegen, und gerade die an der Grenze wohnenden Colonisten blieben in einem Vergeltungszug der gereizten Eingeborenen deren Rache am ersten ausgesetzt. Aber solche Bedenken kamen jetzt zu spät; das tapfere Heer kehrte siegreich und mit Beute beladen wieder heim, und den Hacendados blieb nichts übrig, als sich in das Unvermeidliche zu fügen und das Kommende geduldig zu erwarten. Liegt es ja doch überhaupt nicht in der Natur des Südamerikaners, sich über die Zukunft Sorgen zu machen oder über das Vergangene nachzugrübeln. Was ist, hat ein Recht zu sein, darin besteht ihre ganze Lebensphilosophie – und das Kommende mag eben kommen, wenn es an der Zeit. Wer kann’s ändern.

So herrschte auch heute in dem Hause des Señor Enrique Rimas oder Don Enrique, wie er nach der dortigen Sitte gewöhnlich genannt wurde, reges, munteres Leben, und die Militärmusik des letzten Batallions durchziehender Truppen sollte nicht umsonst in seinen Außengebäuden die Nacht gelagert haben.

Don Enrique hatte aber auch alle Ursache, den Zufall zu benutzen, denn gerade heute war seine älteste Tochter Elisa mit einem benachbarten und sehr reichen Hacendado verheirathet worden, und noch heut Abend wollte dieser mit seiner jungen Frau auf sein eigenes Landgut hinüberreiten. Der Tag mußte deshalb der vollen Freude gewidmet sein, und Er/11/wünschteres hätte dem neuen Paar nicht begegnen können, als das Eintreffen einer solchen Zahl junger, lebens- und tanzlustiger Officiere mit einer ganzen Musikbande in Uniform. Was Küche und Keller hergeben wollte, wurde aufgeboten, und der Platz wimmelte von fröhlichen, jubelnden Menschen.

Don Enrique’s Hacienda lag reizend auf einem kleinen Plateau mitten in den Hügeln, gerade nahe genug bei der Hauptstadt des Districts, „Concepcion,“ um in einem Tage einen Ritt dorthin und zurück machen zu können, und doch auch wieder weit genug entfernt, um vollkommen die ländliche Einsamkeit zu genießen. Der Eigenthümer hatte auch keine Kosten gescheut, um sein Grundstück nicht allein nutzbringend, sondern auch freundlich herzurichten, und die Natur begünstigte ihn dabei in reichem Maße.

Inmitten des Plateaus erhob sich das nicht hohe, aber lange und mit zwei Seitenflügeln versehene Gebäude, denn der Boden ist in Chile lange nicht sicher genug, um viele Stockwerke aufzusetzen, die ein plötzliches Erdbeben vielleicht über den Haufen werfen könnte. – Hinter dem Haus zog sich ein weiter Weinberg hin, der mit einer Unzahl von Lauben und schattigen Gängen bedeckt war, in denen die vollen und schweren Trauben niederhingen (die Gegend von Concepcion ist ja ihres herrlichen Weines wegen berühmt), während weiter zurück die Keltergebäude und Pressen lagen. Vor dem Haus aber befand sich ein reizender Garten, den die herrlichsten Obstbäume füllten:Aprikosen, Pfirsiche, Aepfel, Birnen, Feigenbäume von mächtiger Größe, Granatäpfel und Orangen in Hülle und Fülle. Selbst ein paar Palmen waren an geschützter Stelle angepflanzt und gaben dem Ganzen etwas Tropisches. Aber das Klima selber war doch nicht tropisch genug, um ihre Früchte zur Reife zu bringen, und sie dienten mehr zur Zierde als zum wirklichen Nutzen. Daß sie aber nur hier im Freien wuchsen, bewies, wie mild die Temperatur das ganze Jahr hindurch sein müsse, während der Boden an Fruchtbarkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Don Enrique Rimas bewohnte diesen Platz mit seinen beiden Töchtern Elisa und Irene, die erste achtzehn, die zweite kaum sechzehn Jahre alt. Elisa war heute vermählt worden. /12/ So blieb ihm denn nur die Jüngste, ein liebes, herziges Kind mit langen schwarzen Locken, tief dunkelbraunen Augen und drei schelmischen Grübchen in Wangen und Kinn. Aber der Schelm saß ihr auch im Nacken, und wenn auch etwas verzogen vom Vater, der dem Liebling im Haus eben Alles hingehen ließ, und mit einem kleinen Trotzkopf begabt, hatte sie sich doch einen ziemlich festen Charakter bewahrt, und ihre unendliche Herzensgüte ließ schon nie zu, daß ihr Eigenwille je einem Menschen – und wären es ihre niedrigsten Untergebenen gewesen – wehe gethan hätte. Da gab es aber auch keinen Guaso7 in der ganzen Nachbarschaft, bei dem sie nicht die willkommenste Erscheinung gewesen wäre, die je den Eingang seiner Hütte verdunkeln konnte; da gab es keinen Peon auf dem ganzen Gut, vom niedrigsten Stalljungen an, der nicht für sie durch’s Feuer gelaufen wäre, und als sie einst – eine etwas zu tollkühne Reiterin – mit dem Pferde gestürzt war und Wochen lang das Bett hüten mußte, schien es ordentlich, als ob die ganze Nachbarschaft nach Don Enrique’s Hacienda wallfahrten gegangen wäre, so strömten sie täglich von allen Seiten herbei, um sich nach dem Befinden des allgemeinen Verzugs zu erkundigen.

So wuchs Irene, welche die Mutter schon früh verloren hatte, fast mehr wie ein Knabe als ein Mädchen erzogen, auf, und wenn sie sich wenig mit weiblichen Handarbeiten befaßte, so war sie dafür im Stande, ein Pferd zu tummeln, einen Lasso zu werfen und mit der Pistole nach der Scheibe zu schießen, wie irgend ein junger Bursche ihres Alters. Aber trotzdem hatte sie sich doch jene schüchterne Weiblichkeit in ihrem ganzen Benehmen gewahrt, die gerade einen so unbezwingbaren Zauber über das Wesen einer Jungfrau ausgießt, und wenn ihr Vater behauptete, sie sei die Perle aller chilenischen Töchter, so war das ein Satz, über welchen vielleicht sämmtliche chilenische Mütter die Achseln zuckten, der aber von keinem Sohn des weiten Landes bestritten worden wäre.

Trotz ihrer Jugend hatte sie auch schon Bewerber genug /13/ gehabt, und keine liebere Schwiegertochter würde irgend ein Glücklicher seinen Eltern haben in’s Haus führen können. Wenn sie sich aber auch Allen lieb und freundlich zeigte, bevorzugen mochte sie Keinen, und wer sich am meisten darüber freute, war ihr eigener Vater. Wie hätte er auch das Mädchen aus seinem Hause missen mögen – es wäre ihm ja von da an nur todt und öde vorgekommen.

An dem heutigen Tage schien aber auch fast die ganze Nachbarschaft hier versammelt, und aus dem Bereich einer Tagereise war Alles gekommen, was noch die Füße zu einem Tanze regen konnte. Wer hätte auch die Sambacueca (den Lieblings- und Nationaltanz der Chilenen) im Hause Don Enrique’s bei solcher Gelegenheit versäumen mögen! Wer war gastfreier im ganzen Lande, und wo sonst durfte man so viel Vergnügen, so viele der verschiedensten Genüsse zugleich erwarten?

Die jungen chilenischen Officiere fanden sich plötzlich in einem wahren Himmel voll Engel, so strömten von allen Seiten auf schnaubenden, wiehernden Pferden reizende Gestalten herbei, und das muntere Völkchen ließ sich auch kaum für kurze Zeit an den Mittagstisch bannen, der doch mit allen nur aufzutreibenden Delicatessen bedeckt war, denn Jeder drängte, den Tanz zu beginnen.

Der innere Raum des Hauses – so weitläufig diese Wohnungen auch gebaut sind – genügte gar nicht mehr für die Schaaren von Tanzlustigen, und vor der Veranda war deshalb der Kies glatt und eben gekehrt und dadurch ein ganz ausgezeichneter Tanzboden extemporirt. Auf der Veranda saßen nun, gerade in der Mitte, die Musici, und rechts und links davon hatten die Zuschauer herrlichen Platz, während vor dem Haus, in einem wahren Duftmeer von Orangenblüthen, das lustige junge Volk zum Tanz antrat und in der zierlichen Sambacueca die Tücher schwenkte und einander floh und suchte.

Erfrischungen wurden dazu fortwährend herumgereicht, und das eigentliche Volk (die Diener oder Peons und ärmeren Guasos der Nachbarschaft) ward ebenfalls nicht vergessen. Im Hof, auf der andern Seite des Gebäudes, hatte man /14/ zuerst eine lange Tafel für sie gedeckt, ein Rind war geschlachtet worden, und Wein gab’s im Ueberfluß. Mitten im Hof auf einer Art von hoher „Schleife“ oder Schlitten, einem Fuhrwerk mit Kufen, das in diesen Gegenden ziemlich häufig ist, lag ein Weinschlauch von riesigen Dimensionen – ein wahres Heidelberger Faß unter den Schläuchen. Das ganze Fell eines mächtigen Stieres (die gewöhnliche Art, auf welche man den Wein dort verschickt) war nämlich abgestreift, inwendig von allem Blut gereinigt und dann wieder so vollkommen an allen Oeffnungen vernäht worden, daß auch kein Tropfen aussickern konnte. - Auf den Kufen lag jetzt die Haut, so vollgefüllt von einem vortrefflichen Landwein, den Señor Rimas auf seinem Grund und Boden gezogen, daß selbst die kurzgeschnittenen Beinstümpfe emporstanden und dadurch einen ganz eigenen Anblick gewährten. Drei von den Beinen waren fest umschnürt, das vierte aber hatte man offen gelassen, um als Hahn beim Ausschenken zu dienen, und einer der Peons stand, mit einem tüchtigen Ochsenhorn in der Hand, oben auf dem Schlitten neben dem Fell, um jeden zu bedienen, der danach verlangen sollte. Viele der Guasos führten übrigens ihre eigenen Hörner bei sich, die sie unterwegs gewöhnlich an einer Schnur am Sattelknopf tragen. Kreuzen sie dann auf ihrem Ritt einen Bach und wollen einmal trinken, so brauchen sie nicht deshalb abzusteigen. Sie lassen nur das Horn hinab, das sie gefüllt wieder heraufziehen, und können ungesäumt ihren Weg fortsetzen.

Kamen diese nun mit einem Horn oder einem im Haus gefundenen Gefäß zu dem Weinfell, so hielt ihnen der Ausschenker einfach das offengelassene Bein entgegen und setzte sich dann auf das Fell selber. Durch sein Gewicht ward der Wein in einem Strahl in’s Freie und in das untergehaltene Gefäß gepresst.

Die Chilenen sind übrigens – wie fast alle Abkömmlinge der spanischen Race – nur in höchst seltenen Fällen unmäßig im Genuß von geistigen Getränken, und wenn sie jetzt der Wein auch heiterer stimmte, so gab es doch den ganzen Tag nicht einen Betrunkenen unter ihnen. /15/ Aber beim Trinken blieb es nicht allein; denn zu verlockend tönte die Musik durch das überall offene Haus auch nach dem Hof herüber. Welche „Guasita“ hätte den Lauten nicht widerstehen können! So formten sich denn nicht so bald vor dem Haus im Garten die Paare der Gesellschaft, als auch schon im Hof eine gleiche Lustbarkeit mit eben so gutem Willen und oft mit nicht weniger Grazie in’s Werk gesetzt wurde. Ja, die Señoritas im Garten mußten sogar zu ihrem Schmerz sehen, daß sich mancher ihrer Tänzer zu Zeiten an die Otra Banda8 verlor, um dort – wenn er auch nicht wagen durfte, in jene Sambacueca einzuspringen – doch den Blick an den drallen, kräftigen Gestalten der jungen Mädchen zu weiden, die sich auch auf ihrer bescheidenen Seite des schönen Tages freuten.

Allerdings war das eigentliche chilenische Heer, das den Platz am frühen Morgen passiert hatte, schon weiter nach Concepcion zu marschiert, denn eine große Menge erbeuteten Viehes erschwerte ihr Vorrücken, und sie durften sich deshalb nicht unnöthiger Weise zu lange an einem Ort aufhalten. Auch die Officiere hätten sich ihm anschließen müssen; aber eine solche kurze Erholung verstattete der Dienst schon, zumal da sie sich nicht einmal mehr im Territorium der Araukaner befanden und diese auch – nach allen Richtungen zersprengt und weit in die Berge hineingetrieben – Tage, ja vielleicht Wochen gebraucht hätten ehe sie sich wieder sammeln und an Widerstand denken konnten. Nie aber würden sie – nach der eben erst erhaltenen Züchtigung – gewagt haben, den Bio-bio-Fluß zu überschreiten und ihnen auf chilenisches Gebiet zu folgen; und das junge, sorglose Volk gab sich deshalb auch der Lust und dem unschuldigen Vergnügen mit ganzer Seele hin.

Der Tanz war eben in vollem Gange – die Sonne neigte sich allerdings schon wieder dem westlichen Horizont zu, aber Don Enrique wollte nicht, daß er damit unterbrochen würde, /16/ und eine Anzahl Pechfackeln lag am Eingang des Gartens aufgeschichtet, um mit Dunkelwerden den Platz zu erleuchten. Nur das junge Ehepaar hatte sich zurückgezogen, um seine Hochzeitsreise anzutreten, was aber hier zu Land allerdings nicht in bequemer Extrapost, sondern zu Pferd und im Sattel geschieht. Die Thiere waren im Hof aufgezäumt worden, und Don Fernando, wie der junge Hacendado hieß, hatte gehofft, ganz unbemerkt mit seiner Neuvermählten davonreiten zu können; das aber vereitelte das lustige Volk der Gäste. Posten waren schon nach jener Richtung ausgestellt, und wie Beide, von einer Hecke blühender Orangenbüsche verdeckt und, wie sie glaubten, völlig unbemerkt, in die Sättel sprangen, blies plötzlich das Musikcorps auf ein gegebenes Zeichen einen lauten, schmetternden Tusch, und von allen Seiten sprang das fröhliche Volk hinzu, schwenkte Hüte und Tücher, und rief den jetzt hastig Davongaloppirenden ein lautes, lachendes Lebewohl nach. Dann aber eilte auch Alles wieder zum Tanz zurück, und das wilde Leben begann von Neuem.

Während die jungen Leute nach jenem Theil des Gartens stürmten, von welchem aus sich die Neuvermählten heimlich entfernen wollten, und der Tusch lustig dazwischen schmetterte, hielt ein einzelner Reiter vor der Gartenpforte und horchte etwas überrascht der plötzlichen Unterbrechung der eben noch gehörten Tanzmusik – aber nicht lange. Das laute Lachen und Jubeln, was gleich danach folgte, verrieth ihm deutlich genug das Harmlose jener kriegerisch klingenden Töne, und ohne weiter zu zögern, denn schon lange hatte er dort verweilt, hob er geschickt mit seiner Lanzenspitze den hölzernen Riegel empor und ritt langsam in den Garten hinein. - Der Tanz nahm indessen das Interesse der Zuschauer so in Anspruch, daß sie den ruhig heranreitenden Indianer gar nicht bemerkten, denn eben war Irene mit einem jungen Guaso, Carlos Mara, dem besten und gewandtesten Tänzer im ganzen District, angetreten, und laute Rufe des Beifalls belohnten das wirklich entzückende Paar. Der Südamerikaner, überhaupt erregbarer Natur, kann in der That von einem schönen und zierlichen Tanz so hingerissen werden, daß er alles Andere darüber vollkommen vergißt – und schöne und /17/ zierliche Tänze sind diese spanischen Fandangos, Sambacuecas, Marimbas, oder wie sie alle heißen, gewiß, wenn sie auch keine Aehnlichkeit mit jenem unanständigen, widerlichen „Beinwerfen“ haben, das wir in Deutschland manchmal von nachgemachten Spanierinnen zu sehen bekommen und rasend beklatschen. Der Südamerikaner schwelgt aber in ihnen, und die Zuschauer jubelten und klatschten auch hier. Still und regungslos aber hielt indessen, sein Pferd eingezügelt, die Lanze auf den Boden gestellt und sich mit der rechten Hand darauf stützend, der junge Wilde hinter der Gruppe und betrachtete selber mit staunender Bewunderung den Tanz des reizenden Paares. Selbst er hatte Auftrag und Umgebung in dem Entzücken dieses Augenblicks vergessen und fühlte nur das Eine, daß er diesen Zauber nicht stören dürfe.

Da schnaubte sein Pferd, das mit dem Kopf fast die am weitesten zurückstehenden Zuschauer berührte, so daß die ihm nächsten, überrascht von dem Laut, sich rasch umdrehten. Es waren ein paar Officiere, und mit einem lauten Caramba! sahen sie zu dem Indianer empor, der hier, wie aus dem Boden gewachsen, zwischen ihnen hielt. Das erste Gefühl war auch das des Schrecks; denn wie hätte es ein einzelner Indianer wagen dürfen, bewaffnet zwischen ihnen zu erscheinen, wenn er nicht Hülfe in der Nähe wußte. Waren sie umzingelt – verrathen?

Auch die Tänzer unterbrachen rasch den Tanz, und Irene zog sich beim Anblick des Wilden scheu nach dem Haus zurück, als ob sie sich dort sicherer fühle. Allumapu aber hielt ruhig und regungslos zwischen ihnen, nur ein leichtes spöttisches Lächeln stahl sich über seine dunkeln Züge, als er die augenscheinliche Verwirrung bemerkte, die sein Anblick hervorgerufen hatte und die ihm nicht entgehen konnte. Dann aber, um die nicht zu beunruhigen, zu denen er in freundschaftlicher Sendung kam – vor allen Dingen, um das liebe Mädchen nicht zu erschrecken, das gar so schüchtern vor ihm geflohen war, ließ er die Lanze in den rechten Arm fallen, brach einen der Myrtenbüsche ab, unter denen er gerade hielt, und aus dem Sattel springend, indem er das Pferd sich /18/ selber überließ und die lange Colihuelanze an den Myrtenbaum lehnte, aus dem er den Zweig gebrochen, schritt er, den Kopf erhoben, mitten in den Kreis hinein.

3. Der Bote der Pehuenchen.

Fast unwillkürlich machten die Officiere dem jungen indianischen Krieger, der so zuversichtlich mitten zwischen sie hineintrat, Platz, während dieser mit seinen dunkeln, forschenden Blicken den Kreis durchflog, um den obersten Häuptling aus der Menge heraus zu finden. Das aber schien nicht so leicht; denn mit den einzelnen Abzeichen nicht vertraut, und dadurch irre geführt, daß die südamerikanischen Soldaten eine wahre Leidenschaft für goldene Borden, Litzen und Schnüre haben, sah er unschlüssig von dem Einen auf den Andern und erwartete endlich selbst eine Anrede. Dadurch mußte sich der Kazike dieses Trupps am besten kenntlich machen, denn niemand Anderes in seinem Stamm hätte es wagen dürfen, einen Fremden anzureden, sobald der oberste Häuptling gegenwärtig war.

Die Weißen hatten freilich andere Sitten und Gebräuche, und wie er noch da stand, den Myrtenbusch in der rechten Hand, die Linke auf die Hüfte gestemmt und den Kopf erhoben, übernahm ein junges, noch ziemlich unreifes Bürschchen in Officiersuniform und mit goldenen Epauletten ganz unbefangen die erste Frage und rief, dem Indianer entgegen tretend:

„Caramba, Señor, wer seid Ihr und wo kommt Ihr her, daß Ihr Euch so mir nichts dir nichts mitten in unsern Cirkel drängt und den Tanz stört. Was wollt Ihr?“

„Bist Du der Kazike dieser bärtigen Männer?“ erwiderte /19/ Allumapu mit unverkennbarer Überraschung im Ton, „und sprichst Du für die Uebrigen?“

Die Frage war in ziemlich gutem, wenn auch etwas gebrochenem Spanisch gestellt, wenigstens Allen verständlich, und der kleine vorlaute Secondelieutenant erröthete doch etwas über seine Zurückweisung. Mit Don Enrique trat aber auch der commandirende Obrist heran und übernahm jetzt das Verhör, denn Señor Rimas hatte ihm schon zugeflüstert, daß dieser Indianer nicht zu den Araukanern gehöre, sondern jedenfalls von der Otra Banda und einem der dortigen Stämme herübergekommen sei. Allein aber wagten sich diese Krieger nie über die Berge; ein Trupp seines Stammes mußte also in der Nähe lagern, und es war wichtig genug, darüber Aufschluß zu erhalten.

„Zu welchem Stamm gehörst Du, Amigo,“ redete ihn der Obrist unverweilt an – „bist Du ein Araukaner?“

„Nein,“ antwortete der Wilde, stolz den Kopf emporhebend, „meine Heimath liegt in der weiten Steppe drüben, mein Häuptling ist Jenkitruss, der Tapfere.“

„Und was hat Dich hier herüber zu uns geführt? Bist Du gekommen, um Theil an dem Krieg zu nehmen? – Zu spät – Deine rothen Freunde waren zu flüchtig, als daß wir ihren Fährten hätten folgen können.“

„Die Pehuenchen führen keinen Krieg mit ihren weißen Nachbarn,“ sagte der Bote finster, „sie sind Freunde und haben weder Lanze noch Bolas gegen sie erhoben.“

„Und was ist sonst Dein Begehr?“

„Ich bin Bote des Häuptlings und großen Kaziken der Pehuenchen, und komme in seinem Auftrag.“

„Und was will Dein Kazike von uns?“

Die Stirn des jungen Kriegers zog sich in Falten, sein Auge blickte düster auf den Sprechenden. Aber den vielleicht aufsteigenden Unmuth kämpfte er hinab, und mit ruhiger Stimme fuhr er nach kurzer Pause fort:

„Es ist Sitte bei uns, daß der Fremde vor dem toldo (Zelt oder Haus) Nachricht über sich gebe; hat er das aber gethan, dann führt man ihn in das Berathungszelt oder weist ihm eine eigene Hütte an, aber man läßt ihn nicht mehr /20/ unter freiem Himmel und vor den Augen der Neugierigen stehen.“ - „Ihr habt überhaupt wunderliche Gebräuche,“ erwiderte der Obrist, aber doch über die Zurechtweisung lächelnd, „einer ist jedoch auch, so viel ich weiß, daß Ihr nicht unangemeldet den Frieden eines Hauses stören dürft und draußen – selbst bei dem Toldo des Geringsten, warten müßt, bis man Euch eintreten heißt. Du hast das wohl vergessen, Amigo, als Du mit Deinem Pferd hier mitten zwischen die Unseren hereingeritten kamst, ohne daß Dich Jemand kommen sah oder melden konnte. Wenn Du von uns Förmlichkeiten verlangst, Weshalb beobachtest Du sie nicht selber? Kommen wir zu Dir, oder Du zu uns?“

Allumapu’s Auge blickte düster den Sprechenden an, endlich, nach dem Himmel hinaufdeutend, erwiderte er:

„Von dort drüben ist die Sonne gerückt, seit ich vor Eurer Pforte hielt und meinen Anruf herübersandte, aber er verhallte in der schallenden Musik wie im Rauschen eines Wasserbaches. Wenn Ihr die Thüren Eurer Häuser heilig halten wollt, warum werden sie dann nicht von Euren jungen Leuten bewacht?“

„Tretet mit ihm in’s Haus, Señor,“ flüsterte Don Enrique dem Officier leise zu, während Allumapu’s Augen mißtrauisch auf dem alten Mann hafteten. Was hatte der heimlich zu sagen, das er nicht hören durfte? Enrique Rimas aber fuhr wie vorhin fort: „Ich kenne in etwas die Sitte dieser Herren von der Otra Banda. Es ist wildes, aber sonst doch ziemlich anständiges Volk, und immer besser, sie zu Freunden zu behalten.“

Der Obrist schien nicht recht damit einverstanden, denn er war der Meinung, daß man am besten mit diesem „braunen und diebischen Gesindel“ auskäme, wenn man so wenig als möglich Umstände mit ihm mache. Um aber nur bald zu hören, was der Bursche eigentlich von ihm wolle, denn das war vor allen Dingen nöthig, und es am Ende auch recht gut, daß er es zuerst allein erfuhr, nickte er seinem Gastfreund zu und sagte:

„Wir können’s so machen und wollen in’s Haus gehen. /21/ Komm, Amigo, und Ihr Anderen laßt Euch nicht stören. Es ist wahrhaftig nicht nöthig, der braunen Haut wegen unser Vergnügen zu unterbrechen.“

Eben nicht in bester Laune schritt er dem Indianer voraus. Was wollte der Pehuenche hier drüben, wo sie eben erst die Araukaner gezüchtigt und diese – denn wohin sollten sie auch anders – hinüber zur Otra Banda getrieben hatten. Daß sie ihre Nachbarn dort zur Hülfe und Rache aufstacheln oder doch wenigstens den Versuch dazu machen würden, ließ sich denken. – Sollte ihnen das geglückt sein, und kam dieser Bursche in aller Frechheit hier allein zu ihnen her, um ihnen den Krieg anzukündigen? Aber das Alles mußte sich ja bald zeigen, und wie sie nur den Saal betreten hatten, während er dem Musikcorps zuwinkte, seinen Tanz weiter fortzuspielen, wandte er sich zu dem ihm folgenden Eingeborenen und sagte finster:

„Nun, mein Bursche, jetzt hast Du Deinen Willen, – wir sind im Toldo. Jetzt aber auch heraus mit der Sprache, – was hat Dich hergeführt?“

„Verzeiht, Señor,“ unterbrach ihn da, ehe der Indianer nur auf die Frage antworten konnte, der geschmeidige alte Herr, der es für sein Theil wenigstens nicht mit den braunen „Nachbarn“ verderben wollte, so weit er sich ihren guten Willen nämlich durch Höflichkeiten erhalten konnte, „wollen wir nicht dem jungen Mann da erst etwas Speise und Trank –“

„Ich bitte Euch, Señor, ihn erst meine Fragen beantworten zu lassen,“ wehrte aber der Officier ab. „Wir müssen vor allen Dingen wissen, woran wir mit ihm sind und wo seine Kameraden stecken; nachher hat er Zeit genug, an seine Pflege zu denken. Wir stehen hier noch im Felde.“

Don Enrique war nicht ganz damit einverstanden. Die letzte Andeutung des Obristen schien ihm eben so wenig stichhaltig, denn „im Felde“ befanden sich die Herren Officiere allerdings nicht mehr, sondern konnten sich nur noch als seine Gäste betrachten, da das ganze Heer mit Sack und Pack schon abmarschirt und wahrscheinlich sicher und wohlbehalten in Concepcion angelangt war. Seine eigene Höflichkeit litt aber /22/ nicht, daß er widersprach, – die Herren Soldaten mußten ja doch wohl ihren eigenen Weg haben – und er zog sich deshalb auf die Veranda zurück, um dort mit seiner Tochter Irene Rücksprache zu nehmen, daß sie Wein und Kuchen, wie auch vielleicht etwas kräftigere Nahrung für den Eingeborenen besorge, sobald die Unterhaltung drinnen beendet sei.

„Und nun, mein Bursche, hast Du meine vorige Frage verstanden?“ sagte der Officier auf’s Neue. „Wo kommst Du her, was willst Du, und wo sind Deine Kameraden?“

„Ihr fragt dreimal, Señor,“ lächelte der Wilde, ohne sich im Geringsten einschüchtern zu lassen, „doch in meiner Antwort liegt Alles, was Euch zu wissen noth thut.“

„Zu wissen noth thut? Caracho!“ fuhr der Chilene auf.

Allumapu hob aber abwehrend die Hand und sagte ruhig: „Ich komme aus den Bergen; mich schickt der große Häuptling Jenkitruss, der oberste Kazike des ganzen Pehuenchen-Volkes, der aus der weiten Pampas, unserer Heimath, herübergekommen ist in das Land der Araukaner.“ - „In der That?“ rief der Officier emporfahrend, „um trotz allen Friedens-versicherungen gemeinsame Sache mit unseren Feinden zu machen, heh?“

„Um Frieden zu stiften zwischen dem weißen und rothen Mann,“ fuhr aber der junge Wilde fort.

„Um Frieden zu stiften?“ lachte ungläubig der Chilene.

„Ich habe es gesagt,“ nickte der Indianer; „nicht um zu kämpfen kommen wir, oder wir hätten das Land mit unseren Kriegern überschwemmt, und der Schlachtschrei wäre nicht so wohltönend zu dem Ohr der Weißen gedrungen, wie die Musik da draußen.“

„Du drohst, mein Bursche?“

„Ich drohe nicht, ich rede nur die Wahrheit. In friedlicher und freundlicher Absicht kamen wir herüber, aber zu spät. Als wir in die Thäler hernieder ritten, waren die Araukaner schon feige geflohen, und Eure jungen Leute überschwemmten das Land und trieben die erbeuteten Heerden vor sich her.“

„Es hat allerdings nicht lange gedauert,“ lachte der Obrist.

/23/ „Die chilenischen Krieger sind tapfer,“ sagte der Wilde ausweichend. „Sie kamen in großer Zahl, und ihre Feuerwaffen tragen den Tod weiter und rascher als Bolas oder Lanzen. Sie kamen in der Nacht, wie der Puma auf seine Beute springt.“

„Den rothen Dieben war lange genug angekündigt, daß sie zur Rechenschaft gezogen würden – aber was hat das Alles mit unserer Sache hier zu thun? Die Pehuenchen sahen, daß sie zu spät kamen – gut, ich will glauben, das war der einzige Grund, weshalb sie die Berge überschritten: Frieden zu stiften, wie Du sagst; aber da wir selber schon Frieden gestiftet haben, weshalb gehen sie da nicht wieder – oder wollen sie sich in den araukanischen Wohnplätzen niederlassen?“

Dem jungen Krieger entging wohl kaum der in den Worten liegende Spott des Weißen; ein verächtliches Zucken spielte um seine Lippen, als er mit ruhiger Stimme erwiderte:

„Die araukanischen Wohnplätze sind niedergebrannt und ihre Frauen und Kinder obdachlos geworden. Die mächtigen Weißen haben einen vollen Sieg errungen, und die Frauen der Araukaner werden viel zu trösten haben in diesem Winter. Die chilenischen Krieger haben das Eigenthum ihrer Feinde gründlich zerstört, aber in der Nacht schieden sie nicht das Gut von Freund und Feind, und deshalb schickt mich mein Häuptling, um zurück zu fordern, was Ihr – nicht wissend, wem es zu eigen sei – davongetrieben: die Pferde der Pehuenchen, die wir über die Berge herübergebracht, und wieder mit zurücknehmen wollen.“

„Hahahaha,“ lachte der Obrist laut auf, „das ist vortrefflich; da Ihr im Lande nichts mehr zu stehlen fandet, verlangt Ihr jetzt, daß wir mit Euch theilen sollen? Nicht übel ausgedacht. Und deshalb hat Dich Jenkitruss herübergeschickt?“

„Die Pehuenchen stehlen nicht,“ sagte Allumapu, sich hoch und stolz emporrichtend, während seine Stirn sich in düstere, drohende Falten zog – „unsere Gesetze verhängen die Todesstrafe über den Dieb.“

/24/ „Aller Ehren werth,“ nickte der Chilene, „wird aber wohl nicht so genau genommen, denn der Begriff ist weit.“

„Auch mein Weg ist weit,“ sagte der Indianer finster, der sich in der ihm überhaupt unbequemen Sprache nicht auf einen Wortkampf einlassen mochte. – „Gieb uns die Pferde zurück, die Deine Krieger mit denen der Araukaner zusammen- und fortgetrieben haben, und wir kehren heim in unsere Pampas; wir wollen keinen Streit mit den Weißen – wir haben Frieden und Freundschaft mit ihnen – so sagt Jenkitruss.“

„Und wie viel Pferde sind Euch abhanden gekommen?“ frug der Officier.

„Zweiundsechzig Stück,“ erwiderte der Pehuenche, „die wir mitgetrieben haben, um unsere Thiere zu wechseln und unser Gepäck zu tragen.“

„Mehr nicht?“ lachte der Chilene, „und wo sollen die jetzt stecken, und wer wollte sie herausfinden aus den übrigen?“

„Ich kenne sie alle,“ erwiderte Allumapu, „jedes Haar von ihnen.“

„Das glaub’ ich, daß Du Dir die besten heraussuchen würdest,“ nickte der Officier, – „nicht den geringsten Zweifel; aber daraus wird nichts. Niemand hat Euch zu unseren Streitigkeiten über die Berge gerufen; Ihr habt überhaupt hier hüben gar nichts zu suchen. Sind Euch dabei Pferde wirklich abhanden gekommen, so wär’s Euer eigener Schade, und Ihr mögt sie Euch wieder in den Bergen der Araukaner zusammensuchen, dagegen habe ich nichts – aber von den Thieren, die wir in Feindesland erbeutet, bekommt Ihr kein Stück, das sage ich – und wenn Ihr Euch deshalb auf die Köpfe stellt.“

„Du weigerst Dich, unser Eigenthum heraus zu geben?“ frug der Indianer, und sein Blick haftete mit dunkler Gluth auf dem Weißen.

„Ich kenne Euer Eigenthum nicht und habe nichts damit zu thun. – Hast Du noch sonst einen Auftrag?“ - „Nein.“ - „Und wo liegen Deine Freunde?“ /25/ „In den Bergen,“ erwiderte kurz der Wilde, der seinen Poncho zusammenfaßte und sich zum Gehen rüstete.

„Aber wo – in welchen? Weit von hier?“

„Wer kann sagen, wo die Pehuenchen hausen!“ sagte Allumapu, als sich ein trotziges Lächeln über seine Züge stahl, – „heute sind sie hier, morgen dort – wie der Pampero9 fegen ihre Rosse über die Pampas. Es ist ein wildes, bewegliches Volk.“

Der Obrist biß sich auf die Lippe, denn er verstand recht gut den in den Worten liegenden Spott; aber andere Gedanken zuckten ihm auch zugleich durch das Hirn.

„War das die Antwort, die ich dem Kaziken bringen soll?“ frug der Indianer jetzt, indem er sich zum Gehen wandte.

„Das war die Antwort – allerdings – aber – Du mußt vorher etwas essen, ehe Du gehst. – Señor Don Enrique, wenn ich Sie bitten dürfte, unserem rothen Freund jetzt etwas Speise und Trank reichen zu lassen – unsere Unterhaltung ist beendet, und er wird hungrig und durstig geworden sein.“

„Gewiß, gewiß,“ rief der Chilene bereitwillig; war er doch schon die ganze Zeit ziemlich ungeduldig und auch unbehaglich auf seiner Veranda auf- und abgegangen, denn die Unterredung da drinnen gefiel ihm gar nicht. Das war kein freundlicher Ton, der dabei vorherrschte, und Don Enrique, viel zu sehr schon durch die Streitigkeiten mit den benachbarten Araukanern beängstigt, als daß er es hätte für wünschenswerth halten sollen, sich nun auch noch mit den Stämmen der Otra Banda zu verfeinden. Was kümmerten sich freilich die Soldaten darum; die zogen weiter in ihre Garnisonen zurück, und fielen die Indianer wieder in’s Land, nun, so wurden sie auf‘s Neue hercommandirt und konnten ihre Vergeltung ausüben. Wer aber indessen einzig und allein den Schaden hatte, und aller Gefahr und Sorge ausgesetzt blieb, das waren die Grenzbewohner, und diese deshalb auch gar nicht mit der Art und Weise einverstanden, wie dieser letzte „Krieg“ von den Regierungstruppen geführt worden. Mit Sengen, Brennen /26/ und Heerdenwegtreiben stellten sie sich mit den Wilden auf eine Stufe, die ihnen noch dazu in solcher Kriegführung mit ihren leicht beweglichen Schwärmen stets überlegen blieben. Gegen Regierungsbefehle konnte man aber – wenn man auch in einer Republik lebte – nicht ankämpfen. Mit um so größerem Eifer beschloß der friedliebende Chilene dafür Alles zu thun, was in seinen Kräften stand, um den Indianer freundlich gegen sich zu stimmen, und Irene, die überhaupt nicht an dem letzten Tanz theilgenommen, bekam rasch den Auftrag, das Verlangte und schon Bereitgestellte dem Gast hinein zu tragen.

Allumapu stand noch unschlüssig im Saal allein, denn der Obrist hatte ihn verlassen und war hinaus zu seinen Officieren getreten, mit denen er leise und eifrig flüsterte. – Einen Augenblick fast schien es, als ob er die gebotenen Erfrischungen ausschlagen und das Haus verlassen wolle, um so rasch als möglich zu den Seinen zurückzukehren; aber sein Körper verlangte nach Nahrung, denn zu lange schon hatte der eiserne Wille des Mannes jede aufsteigende Schwäche zurückgekämpft. Jetzt fühlte er, daß er einer Stärkung bedürfe, wenn er nicht der übergroßen und unnatürlichen Anstrengung vielleicht erliegen sollte.

Da trat, von einer Dienerin begleitet, welche die Speisen trug, Irene selber zu ihm in’s Gemach, und mit freundlicher Stimme sagte sie:

„Ihr werdet durstig sein von dem weiten Ritt, Señor, eßt und trinkt, damit Ihr gestärkt von dannen zieht,“ und mit den Worten schenkte sie ihm aus einer mitgebrachten Flasche ein großes Glas Rothwein ein, das sie ihm selber credenzte.

Allumapu nahm es; aber so fest haftete sein Blick dabei auf den lieblichen Zügen der Maid, daß sie die Augen schüchtern und erröthend vor ihm zu Boden schlug und sich dann abwandte, um ihm die Speisen auf dem Tisch zu ordnen. Wie sorglich hatte sie das Beste und Schmackhafteste für ihn ausgesucht und sich dabei so nutzlose Mühe gegeben. Was kümmert sich der Pehuenche um Delicatessen, der daran gewöhnt ist, sein Stück Pferdefleisch auf trockenem Kuhmistfeuer zu braten, oder es auch auf der Flucht oder Verfolgung in seinen /27/ Pampas roh zu verzehren und das Blut dazu zu trinken! Aber die aufgestellten Speisen reizten ihn doch – er durfte auch nicht zu lange Zeit hier nutzlos vergeuden, und mit einem gracias, Señorita – Dios se Io pague! setzte er sich zu dem reichen Mahl und schlang die Speisen jetzt mehr hinein, als daß er sie ordentlich verzehrt hätte.

Irene betrachtete ihn mitleidig und sagte endlich freundlich:

„Ihr waret wohl recht hungrig, und habt so lange warten müssen.“

„Die Sonne ist zweimal aufgegangen,“ sagte der Indianer, „ohne daß ein Bissen Speise meine Lippen berührt hat. Allumapu war sehr hungrig.“

„Armer Mensch! Allumapu ist Euer Name?“

„Nein,“ sagte der Wilde, „aber die Pehuenchen nennen mich so, weil ich aus dem Norden stamme und zu ihnen geflüchtet bin, um der Blutrache in meinem Stamme zu entgehen.“

Irene schauderte; sie hatte genug von den wilden Sitten jener Nation gehört, um zu wissen, daß Blut an den Händen dieses noch so jungen Mannes klebte, und deshalb hatte er seinen Stamm, hatte er die Seinen verlassen müssen. Aber trug er die Schuld? Arme, unglückliche Menschen, die in ihrem wilden Zustand in Unwissenheit und Heidenthum aufwachsen und von dem Segen der christlichen Religion nie gehört – verdienten sie nicht weit eher ihr Mitleiden als ihren Haß? – Aber der Wilde ahnte nicht, was indessen im Herzen des Mädchens vorging; er verschlang nur die ihm vorgesetzten Speisen, und leerte wieder und wieder das Glas, welches die Dienerin ihm immer auf’s Neue füllte und dabei ihres Staunens kaum Herrin bleiben konnte. Santa Maria! wie aß der Mann. Lebensmittel hatte sie genug auf den Tisch gestellt für wenigstens vier hungrige Menschen, und sie verschwanden, als ob sie nicht verzehrt, sondern nur in der Geschwindigkeit in eine Reisetasche geschoben würden. – Und wie konnte er dabei trinken! Er schluckte gar nicht, und es lief hinab wie in einen Schlauch; es war ganz erstaunlich.

Jetzt hatte er geendet; ob er satt sei, wußte man nicht, aber sämmtliche Lebensmittel waren aufgezehrt; der braune Bursche war auch nun wieder bereit, wenn es sein mußte, zwei volle /28/ Tage zu hungern und zu dursten. Er wischte sich den Mund nur mit seinem dunkelbraunen Poncho ab und strich das Fett von seinen Fingern in die langen, wehenden Haare hinein; dann stand er auf, und der Jungfrau die Hand reichend, die sie schüchtern nahm, sagte er freundlich:

„Dank, Señorita, – viel Dank, viel Dank. Allumapu ist wieder ein Mann, und wenn er in die Pampas zurückkehrt, wird er am Lagerfeuer den jungen Leuten von der lieblichen Blume erzählen, die er im Lande der Weißen gefunden. Sie goß Sonnenschein auf den Pfad eines armen Kriegers und wird noch lange seine Träume füllen.“

Irene gerieth bei den Worten in die peinlichste Verlegenheit und wußte nicht, wie sie ihre Hand wieder frei bekommen sollte; ob aber der Indianer das fühlte, oder ob er selber glaubte, lange genug geweilt zu haben, er ließ sie los, und ihr nur noch freundlich zunickend, verließ er das Zimmer und trat wieder auf die Veranda hinaus.

Dort hatte sich indeß noch wenig verändert, und der Tanz war in der ganzen Zeit noch keinen Augenblick unterbrochen worden; aber keiner der Officiere betheiligte sich mehr daran, und diese standen alle auf der Veranda zerstreut, während das Musikcorps die in den Garten führende Treppe vollständig ausfüllte. Sie mußten erst Raum geben, ehe Jemand hätte hinabsteigen können.

Allumapu trat hinaus und warf den Blick umher. Er sah, wie der Eigenthümer der Hacienda eifrig, ja anscheinend sehr erregt mit dem Obrist sprach, aber augenblicklich und fast erschreckt schwieg, als der Indianer in der Thür erschien. Was hatten die Beiden mit einander – und der Weg hier überall verstellt? – Aber die Musik spielte fort. Sollte er warten, bis sie geendet hatte? – Es ging nicht, die Zeit verstrich, und er mußte dem Kaziken die unwillkommene Antwort bringen; er durfte nicht länger säumen. Ohne sich auch nur zu besinnen, trat er auf einen der Trompeter zu und sagte, seinen Arm berührend:

„Gieb Raum, Amigo, daß ich passiren kann.“

Der Mann drehte sich, ohne in seinem Spielen einzuhalten, um und sah ihn an, aber wich nicht von der Stelle, und der /29/ Indianer wollte eben seine Aufforderung wiederholen, als er den Officier, mit dem er die Unterhandlung gehabt, auf sich zukommen sah und dieser sagte, während er die Hand auf seinen Arm legte:

„Paciencia, Amigo! laß die Leute spielen; Du hast Zeit und wirst noch einige Tage bei uns bleiben.“

„Werd’ ich, Amigo?“ erwiderte finster der Indianer, „mich gelüstet’s nicht;“ und wieder berührte er die Schulter des Spielenden. Aber er sah, daß sich die Leute fast wie absichtlich zusammendrängten, um nicht den geringsten Raum frei zu lassen, und zum ersten Mal schoß ihm ein Verdacht durch’s Hirn, daß man daran denken könne, ihn zurück zu halten. Ihn zurückhalten? Ein trotziges Lachen zuckte über seine Züge. Dort unten stand sein Pferd gesattelt und aufgezäumt, daneben lehnte seine Lanze; glaubten die thörichten Bleichgesichter, er brauche eine Treppe, um in den Garten hinab zu kommen? Die Veranda war vielleicht sechzehn Fuß hoch; er legte seine Hand auf die Balustrade derselben, und ehe Jemand eine Ahnung hatte, was er beabsichtige, schwang er sich, leicht wie ein Hirsch, hinüber und schritt, noch immer keine Eile verrathend, auf sein Thier zu.

„Caracho!“ schrie der Obrist, als er den kecken Sprung bemerkte, „haltet den Spion! schießt ihn vom Pferde, wenn er nicht gutwillig hält.“

Allumapu hörte den Ruf und wußte jetzt gut genug, daß seine Freiheit bedroht sei; er sah auch, wie eine Anzahl von Officieren die Treppe hinabstürmte, denen das Musikcorps bereitwillig Raum gab; der Tanz war unterbrochen, die Tänzer standen scheu und erschreckt, die Mädchen flüchteten sich zurück in den Schutz des Hauses. Nur der Indianer verlor auch nicht für einen Moment seine Geistesgegenwart. Er wußte, was ihm drohte, er wußte, wie er alledem entgehen konnte; ein leiser Pfiff rief im Nu das Pferd an seine Seite, – m dort an dem Myrtenbaum lehnte seine Lanze; seine linke Hand griff die Mähne, die Rechte stützte sich leicht auf das Rohr der Waffe, und im Nu saß er im Sattel, während das wackere Thier schon, vom Schenkeldruck getrieben, nach vorn sprang, um die Ausgangspforte zu erreichen, – aber die /30/ Pforte war geschlossen; seine Lanze neigte sich, um den hölzernen Riegel zurück zu schieben, aber die Spitze rutschte an dem glatten Holze ab, – noch einmal versuchte er es, da raschelten rechts und links die Büsche und drei, vier Schüsse fielen zu gleicher Zeit. Hatten sie gefehlt? Er fühlte sich unverwundet, und fast drängte es ihn, mitten hinein in die Feinde zu brechen – aber Jenkitruss mußte Botschaft haben, – sein Pferd empfand den scharfen Druck der Sporen und hob sich wild empor, – vorwärts preßte es der Reiter, mit keckem Satz sprang das wackere Thier mitten in die Hecke hinein, die unter seinem Gewicht zusammenknickte – und draußen im Freien schlugen seine Hufe den Boden. Vorwärts flog es, den schmalen Pfad entlang, der zwischen den Feldern hin dem Walde zuführte, – die Verfolger waren hinter ihm, aber zu Fuß; wie hätten sie hoffen dürfen, ihn je einzuholen. Da strauchelte das Pferd, rasch hob es der Reiter mit dem Zügel wieder empor, – ein nicht sehr starker Stamm lag quer über den Weg gebrochen; es war heute Morgen schon darüber hingesprungen. Das Pferd raffte sich auf und setzte an, aber eine der kleinen Kugeln hatte einen tödtlichen Punkt getroffen – im Sprung brach es zusammen, und während es mit dem Vorderfuß in einem der Aeste hängen blieb, überschlug es sich und schleuderte seinen Reiter seitwärts in das Gewirr von niedergebrochenen Zweigen hinein, in dem er, als er rasch wieder emporspringen wollte, mit seinen Sporen und dem Poncho hängen blieb. Im nächsten Augenblick hatten ihn die Verfolger ereilt, umzingelt, und als er sein Messer aus der Scheide riß, sah er die toddrohenden Pistolenläufe von allen Seiten auf sich gerichtet. Er war gefangen und Widerstand nutzlos geworden. /31/

4. Der Ueberfall.

Einmal in den Händen seiner Feinde, und der Pehuenche ließ, was auch jetzt kommen mochte, ruhig über sich geschehen. Für den Augenblick hatte er verloren; aber wer wußte denn, was der nächste brachte; und sah er keinen Ausweg zur Flucht, gut, dann hieß es eben, das Unvermeidliche zu tragen und wie ein Mann zu sterben. Die feigen, hinterlistigen Weißen sollten ihn nicht muthlos und schwach finden.

Also das war es gewesen, was der verrätherische alte Mann mit dem Officier geflüstert; darum hatte man ihm Speise und Trank hineingesetzt und das schöne, verführerische Mädchen in seiner Nähe gelassen, damit die feigen Huincas erst ihren Plan fassen, ihre Waffen laden konnten. – Und was wurde jetzt mit ihm? Bah! Trotzig warf er den Kopf empor und blickte verächtlich auf die Schaar der Feinde, die es bedurfte hatte, ihn, einen einzelnen Mann, gefangen zu nehmen. Und war es Sitte bei ihnen, den Boten eines benachbarten und befreundeten Stammes so zu behandeln und dessen Häuptling dadurch zu beschimpfen, und glaubten sie wirklich, daß Jenkitruss eine solche Schmach ruhig hinnehmen und nicht Vergeltung üben würde?

Don Enrique hatte dieselben Bedenken, und als der Gefangene in eins der Seitengebäude geführt war und für den Augenblick noch unter der Obhut einiger Officiere gehalten wurde, suchte er in größter Herzensangst den Obrist auf, um bei diesem gegen die Verhaftung des Indianers auf das Entschiedenste zu protestiren. Der Mann hatte nicht das geringste Unrecht gethan, gehörte nicht zu dem Stamm, mit dem sie sich im Krieg befanden, und war nur herübergekommen, um eine Botschaft auszurichten. Ließ man ihn ruhig gehen – und das verlorene Pferd wollte er ihm gern wieder ersetzen – so war Alles gut; hielt man ihn zurück, so reizte /32/ man ganz unnöthiger Weise die Rache der Pehuenchen, und auf wen denn traf diese, als auf die Hacendados in der Nachbarschaft.

Der Obrist schien nicht besonders guter Laune – Gewalt hatte er ebenfalls nicht anwenden wollen; aber nun war es geschehen und mußte durchgeführt werden. Als er aber einige der Burschen aus der Nachbarschaft aufforderte, die Bewachung des Gefangenen zu übernehmen, weigerten sich diese auf das Bestimmteste. Sie wollten nichts mit der Sache zu thun haben, die schlimme Folgen nach sich ziehen konnte. Sie wohnten auch hier zu entlegen, um Feindseligkeiten mit ihren wilden Nachbarn muthwillig herauf zu beschwören.

Der Obrist hatte eben, ärgerlich über sich und die ganze Welt, zwei von den Musici beordert, die Bewachung des Indianers zu übernehmen – er wäre vielleicht nicht einmal böse gewesen, wenn sie ihn hätten entwischen lassen – und beorderte jetzt die anderen, den unterbrochenen Tanz wieder zu beginnen, als Irene zu ihm in den Saal trat und mit zitternder Stimme sagte:

„Was hat der arme Indianer gethan, Señor, daß sie nach ihm geschossen und ihn eingefangen haben wie ein wildes Thier?“

„Nicht nach ihm haben sie geschossen, Señorita,“ sagte der Oberst verlegen – „nur nach seinem Pferde, damit er nicht entkommen sollte. – Er ist völlig unverletzt geblieben.“

„Das Blut lief ihm von der Stirn, als sie ihn in den Hof führten.“

„Ein bischen gekratzt hat er sich, als er in den Baumwipfel stürzte, weiter nichts. Das heilt bei den Burschen über Nacht.“

„Und was soll mit ihm geschehen? Sie tödten ihn doch nicht?“ frug Irene ängstlich – „oh, es ist schon so viel Blut geflossen!“

„Haben Sie keine Furcht, Señorita,“ beruhigte sie der chilenische Officier, „ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß ihm kein Leid geschieht. Nur dagegen mußten wir uns verwahren, daß er nicht vielleicht seiner gar nicht so weit entfernten /33/ Bande Nachricht brachte, wie unsere Soldaten abmarschirt und nur einzelne Officiere zurückgeblieben wären, die sie dann leicht mit einer größeren Macht überfallen und als Geißeln in die Berge schleppen konnten, um die weggeführte Beute zurück zu bekommen.“

„Aber der Indianer gehört ja gar nicht zum Stamm der Araukaner und hat nichts mit ihnen zu thun.“