Unter Mördern - Roland Garve - E-Book

Unter Mördern E-Book

Roland Garve

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Beschreibung

1981 wird in der DDR ein junger Student der Zahnmedizin bei Vorbereitungen zur Republikflucht gefaßt und kurz darauf zu zwanzig Monaten Haft verurteilt. In der Strafvollzugseinrichtung Brandenburg-Görden gerät er in eine ihm völlig fremde Welt von Schwerverbrechern. Da er sein Studium bereits abgeschlossen hatte, darf er nach einiger Zeit im Haftkrankenhaus arbeiten. Dabei hat er keine Wahl: Mörder, Vergewaltiger und Kinderschänder werden zu seinen Patienten und helfen ihm als Assistenten im Behandlungszimmer. Dieser Welt, die von der Öffentlichkeit streng abgeschirmt war, nähert sich Roland Garve mit Neugier und Abscheu zugleich. Er gefällt sich nicht in der Rolle des Opfers, sondern nutzt die Gelegenheit, Umwelt und Mitgefangene zu beobachten.
Seine präzise, lakonische und teilweise auch humorvolle Erzählweise zieht den Leser in den Bann der Ereignisse und zeigt neben der alltäglichen Brutalität auch die tragikomischen Seiten des Haftdaseins genau wie das Bemühen, Menschlichkeit zu bewahren.

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Seitenzahl: 398

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Roland Garve

Unter Mördern

Roland Garve

Unter Mördern

Ein Arzt erlebt den Schwerverbrecherknast

Roland Garve Jahrgang 1955, Studium der Zahnmedizin an der Universität Greifswald; 1981 – 83 wegen Vorbereitungen zur Republikflucht in der Strafvollzugseinrichtung Brandenburg-Görden inhaftiert, danach Ausreise aus der DDR; 1985 Promotion an der Universität Hamburg, ausgedehnte Forschungsreisen als Mediziner und Dokumentarist nach Afrika, Neuguinea, Südamerika, seit 1990 Zusammenarbeit mit den Völkerkundemuseen in Leipzig und Dresden bei der Feldforschung in Amazonien, Fachvorträge zu Ethnomedizin und Völkerkunde, Arbeit als Kameramann, Fotograf und Autor, Produktion zahlreicher Dokumentarfilme über Naturvölker, u. a.: »Mein Grün hat tausend Namen«, 1990; »Heller Wahnsinn«, 1991; »Zoe-Indianer – Versteckt im Regenwald«, 1996; »Die Zwergmenschen von Neuguinea«, 2007. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm: »Kirahé – Der weiße Fremde. Unterwegs zu den letzten Naturvölkern« (mit Frank Nordhausen), 2007; »Laleo – Die geraubte Steinzeit. Als Zahnarzt bei den letzten Naturvölkern« (mit Frank Nordhausen), 2009.

Zum Schutz der handelnden Personen wurden die Namen geändert und manche Handlungsabläufe geringfügig verfremdet.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Auflage, September 2013 (entspricht der 3. Druck-Auflage von Dezember 1999) © Christoph Links Verlag GmbH, 1999 Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin, Tel.: (030) 44 02 32-0www.christoph-links-verlag.de; [email protected] Umschlaggestaltung: KahaneDesign, Berlin, unter Verwendung eines Fotos von Felix Schumann Lektorat: Dr. Petra Kabus

Inhalt

Der Grotewohl-Expreß

Aufnahmerituale: Stoppelschnitt und Tetanusspritze

Jungnazis und Omamörder

Zelle 112

Erziehungsmaßnahmen in der Elmo-Hölle

Kirchgang, Selbstverwaltung und Drogen

Andi und die Stasi

Die Sportgruppe im Keller

Lessing – Maßregelung eines Frauenmörders

Freikäufe und Nachschub

Nierenkolik, Treppensturz und eine freie Zahnarztstelle

Das Lehrbuch neben dem Bohrer

Mörder als OP-Gehilfen

Künstlerische Arbeiten

Poker um einen Goldzahn

Im Gruselkabinett: Sexualstraftäter und Kriegsverbrecher

Weihnachten oder Cognac im Kondom

Hoffnung West

Epilog

Der Grotewohl-Expreß

Der Zug hielt. Die blockierten Räder kreischten auf den Schienen. Nach der stundenlangen Fahrt mit dem »Grotewohl-Expreß«, wie der Gefangenenzug im Fachjargon der Knaster hieß, kam wieder etwas Leben in die Abteilinsassen. Die stickige, verbrauchte Luft in der keine zwei Quadratmeter großen, verschlossenen Zelle hatte allen dicke Schweißperlen auf die Stirn getrieben. Das Hemd unter meinem Jackett klebte förmlich auf der Haut. Aber war es wirklich nur diese verdammte erdrückende Hitze, die mich so schwitzen ließ, oder war es die Erwartung des Ungewissen – Angst?

Mir gegenüber saß ein rothaariger, gutgenährter Mitvierziger, der von Familie, Haus und Job in Greifswald und den zwei nun abzusitzenden Jahren gesprochen hatte. Erst als er sicher gewesen war, daß die beiden anderen Mitinsassen in ihrer unbequemen Sitzhaltung eingeschlafen waren, hatte er mir ängstlich flüsternd anvertraut, daß er schon mal ein paar Jahre im Knast gewesen war, angeblich wegen Spionage. Damals hatte man ihm drei Jahre gestrichen, von denen jetzt die Bewährung noch nicht abgelaufen war. Er baute seine ganze Hoffnung darauf, daß man ihm die jetzt nicht auch noch aufbrummen würde.

»Weißt du, ich hab’ mich damals recht gut geführt. War auch da oben in Rostock bei der Stasi. Hab’ da nach’m Urteil ’n paar Jahre als Handwerker gearbeitet. Kenn’ die Zellen, wo ihr drinnen wart, hab’ die mit ausgemalert. Die U-Haft da ist wirklich blöde. Aber als Strafer konnt’ man’s da schon aushalten. Am Tag irgendwas bauen, Essen ging auch, und abends dann fernsehen. Und mit’m Oberstleutnant ... kennste den eigentlich? ... mit dem kam ich auch ganz dufte aus.«

»Und weshalb sitzt du jetzt?« fragte ich ihn. Über diese Frage schien er nicht sehr erfreut zu sein. Jedenfalls wurde sein Gesicht noch röter, während er prustend nach Luft und Worten, die ihm nicht einfallen wollten, rang.

»Ja, weißt du«, sagte er schließlich leise und stockend, »ich hab’, als ich rausgekommen bin, immer nur gearbeitet für die Frau und den Jungen, das Haus, den Garten ... und ab und zu konnte ich das Saufen eben nicht lassen. Naja, und da ist es eben passiert, obwohl ich’s gar nicht wollte. Eben der Scheiß-Suff und so ...«

Ich fragte nicht weiter und suchte in meiner Phantasie ein für ihn passendes kriminelles Delikt zwischen Fahrerflucht, Diebstahl und einer sexuellen Sache. Letzteres schien mir am ehesten zu passen, und ich empfand für den schwitzenden Menschen, der seine offensichtliche Scham hinter gespieltem Selbstbewußtsein verstecken wollte, eine Mischung aus Mitleid und Abscheu.

Die beiden anderen Mitreisenden waren noch nicht älter als Zwanzig, kannten sich aus dem Jugendwerkhof und hatten ähnliche Tätowierungen an Händen und Hals. Sie hatten nie gelernt, etwas Sinnvolles aus ihrem Leben zu machen, tranken zu viel und lebten von geklauten Sachen. Kriminelle, wie sie sich in dümmlich-provozierender und pöbliger Art und Weise in Kneipen, auf Bahnhöfen und Jahrmärkten bewegen.

Die beiden sprachen mecklenburgisch-breiten Dialekt, bemühten sich aber aus irgendwelchen Gründen um eine scheinbar berlinerische Mundart. Ständig mußte ein »eh!«, »weeßte!« oder »wa!« ertönen. Wer weiß, vielleicht machte das innerlich irgendwie stark oder half, Komplexe zu verstecken? Jedenfalls war ich zufrieden gewesen, als sie schon vor einiger Zeit ihr dummes Geschwätz mit stupider Schläfrigkeit vertauscht hatten. Das Quietschen der Räder hatte sie wieder munter gemacht. Sie wußten bereits, daß man sie nicht in einen absolut festen Bau stecken würde, und bedauerten den Rothaarigen, der nach Brandenburg sollte. »Mensch, Oller, da is mir dat Lager aber doch lieber. Ick kannt’ ma een von die, den hamse da laufend uffjeruppt. Nee, Dicker, du, da haste aber tief inne Scheiße gegriffen! Mittenmang de Arschfickers kommste«, sagte der eine. Ich schaute in seinen geöffneten Mund. Es sah aus wie in einem Steinbruch. Alle oberen Vorderzähne fehlten, und ich staunte nicht schlecht, wie flüssig dieser Mensch noch vom »Saufen, Ficken, Bullenschweineverdreschen, Knackmachen« und so weiter schwadronierte.

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