Unterordnung – Segen oder Fluch? - Frank Krause - E-Book

Unterordnung – Segen oder Fluch? E-Book

Frank Krause

5,0

Beschreibung

Das Thema „Unterordnung“ spielt in der christlichen Kirche und insbesondere ihrer Sicht von Ehe eine große Rolle, aber nicht nur dort. In jedem Miteinander von Menschen ist die Frage nach der Verteilung der Macht, nach Ansprüchen und Rechtfertigungen von Autorität des einen über den anderen, von entscheidender Bedeutung. Dennoch wird dieses Thema in den Gemeinden selten reflektiert und häufig wie ein Tabu behandelt. Aufgrund gewachsener Traditionen mangelt es an einem sachlichen Umgang mit dem Begriff und der Anwendung von Macht in Predigt, Dienst und sozialem Verhalten der Kirche, was dazu führen kann, dass Missbrauch oft entweder gar nicht als solcher wahrgenommen oder aber bagatellisiert, uminterpretiert und vergeistlicht wird. Die theologischen Winkelzüge, raffinierten Auslegungen von Bibelstellen sowie die „heiligen“ Autoritätsansprüche von Leitern bzw. Organisationen sind manchmal geradezu abenteuerlich. Die Folge ist, dass die Täter oft gedeckt werden, während man die Opfer ausgrenzt. Der Autor packt ein „heißes Eisen“ an und kommt zu erstaunlichen Erkenntnissen darüber, wie der von Gott gedachte Segen in den Händen von Menschen zu einem Fluch werden kann.

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Frank Krause

Unterordnung – Segen oder Fluch?

Das Geheimnis der Macht in Gemeinde und Ehe

GloryWorld-Medien

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1. E-Book-Auflage 2016

© 2011 Frank Krause

© 2011 GloryWorld-Medien, Xanten, Germany, www.gloryworld.de

Alle Rechte vorbehalten

Bibelzitate sind, falls nicht anders gekennzeichnet, der Elberfelder Bibel, Revidierte Fassung von 1985, entnommen.Weitere Bibelübersetzungen:[Lu]: Lutherbibel, Revidierte Fassung von 1984[GN]: Gute Nachricht Bibel, 2002[HfA]: Hoffnung für alle, Basel und Gießen, 1983

Das Buch folgt den Regeln der Deutschen Rechtschreibreform. Die Bibelzitate wurden diesen Rechtschreibregeln angepasst.

Lektorat/Satz: Manfred MayerUmschlaggestaltung: Kerstin & Karl Gerd Striepecke, www.vision-c.deFoto: istockphoto

ISBN (epub): 978-3-95578-156-9

ISBN (Druck): 978-3-936322-56-9

 

Inhalt

Vorwort

Einführung

1. Die Sündenfalle

2. Die Hierarchie

3. Kontrolle

4. Sklaverei oder Freiheit

5. Dienen wie Christus

6. Du sollst … lieben

7. Jüngerschaft

8. Rechte und Pflichten

9. Schwache Männer – starke Frauen

10. Ehebruch

11. Besonnenheit

12. Gebrochene Versprechen

13. Missbrauch

Epilog

Bibliographie

 

Vorwort

Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi …

Epheser 5,21

Die Auseinandersetzung mit der Frage nach der „rechten Unterordnung“ in Staat, Kirche und Familie ist jahrhundertealt und dennoch stets aktuell. Sie wurde sowohl von weltlichen wie kirchlichen Obrigkeiten kontrovers und mitunter bis aufs Blut geführt. Dieser „Krieg“ ist noch nicht vorbei, auch wenn er heute zumeist nicht mit Waffengewalt geführt wird, die vielen Opfer der oft hitzig und dogmatisch geführten Diskussionen zeugen davon und säumen den Wegesrand vieler Gemeinschaften. Das Klima mancher Gemeinden und Familien ist durch diesen Streit wie vergiftet und der „Friede“ wird nur durch eine Form rigider Kontrolle gewährleistet, die mit dem Wesen Christi und dem Gebot der Liebe nur schwer zu vereinbaren ist.

Darüber muss geredet werden, denn es ist richtig, dass die Bibel von Unterordnung spricht, und es ist auch richtig, dass Christen sich unterordnen wollen, wie die Schrift es sagt. Jedoch darf diese Bereitschaft nicht in der Hand von Autoritäten zu einem willkommenen Mittel werden, sie zu dominieren, zu manipulieren und einzuschüchtern und jeden Widerspruch dagegen als „Rebellion“ abzutun. Es gibt legitime Formen von Macht und es gibt illegitime Formen; diese müssen klar unterschieden werden, was in der Realität leider nur selten zu finden ist. Um dieser Unterscheidung willen habe ich dieses Buch geschrieben.

Der Anspruch auf Unterordnung wurde sowohl von den „Fürsten dieser Welt“ wie auch von klerikalen Amtsträgern mit der Heiligen Schrift, mit Schöpfungs- und Naturgesetzen sowie verschiedenen Auffassungen von menschlichen Gesellschaften begründet und durchgesetzt. Da die Bibel immer gerne zur Rechtfertigung der verschiedensten Machtinteressen „benutzt“ wird, kann es für den Laien in der Gemeinde sehr verwirrend sein, den Geist zu erkennen, der hinter der Benutzung steht. Manchmal kann man den nur an den Früchten und nicht an der Fähigkeit, eloquent Bibelstellen zu zitieren, erkennen. Wenn wir im Folgenden also erneut das Thema Unterordnung untersuchen und seine Auswirkungen insbesondere auf die Gemeinde und die christliche Ehe zu verstehen trachten, dann stehen wir wie Zwerge auf den Schultern von Riesen.

Wir dürfen die Kraft tief eingewurzelter, uralter Paradigmen niemals unterschätzen. Auch wenn manche der folgenden Aussagen in diesem Buch über das Wesen der christlichen Unterordnung und ihres Missbrauchs überholt, antiquiert und überzogen erscheinen mögen, treiben doch die alten Geister im Untergrund ihr Unwesen, da sie nie ausgetrieben wurden und ihre Lügen und Halbwahrheiten niemals angemessen ans Licht gebracht und aufgearbeitet wurden. Welche Regierung oder Gemeinde diskutiert und erarbeitet denn wirklich ausführlich und gemeinsam ihren Umgang mit Macht?

Vielen Gemeinden ermangelt es aufgrund ihrer gewachsenen Tradition an einem sachlichen Umgang mit dem Begriff und der Anwendung von Autorität in ihrer Predigt, ihrem Dienst und sozialen Verhalten. Sie haben durch Gewohnheit, Routine und ein nicht mehr reflektiertes Verhalten an diesem Punkt einen „blinden Fleck“, was dazu führt, dass Machtmissbrauch oft entweder gar nicht als solcher wahrgenommen wird oder aber bagatellisiert, uminterpretiert und vergeistlicht wird nach dem Motto: „Was nicht sein darf, das nicht sein kann.“

Gerade was die christliche Ehe betrifft, stellen sich hinsichtlich einiger konservativ-christlicher Kreise nach wie vor trotz aller Aufklärung, Moderne und Aufgeschlossenheit die alten Fragen: Wie kommt es, dass zumindest in Teilen der „bibeltreuen“ Christenheit die eine, nämlich weibliche, Hälfte der Menschheit nach wie vor keinen anderen „Zweck“ zu haben scheint, als den, sich der anderen Hälfte „unterzuordnen“ und ihr in einer knechtischen Art und Weise zuzuarbeiten? Die unverheirateten Frauen werden in diesen Gruppen unverhohlen bedauert, da sie diesen „Zweck“ nicht erfüllen.

Es gibt das Sprichwort: „Der Zweck heiligt die Mittel.“ Während die Frauen mit allen Mitteln dazu angehalten werden, ihre Männer mit dem Respekt Christi zu behandeln, um sie für Jesus zu „gewinnen“, werden die Männer in der Regel zu gar nichts angehalten, obwohl die Schrift genauso von den Männern verlangt, ihre Frauen „in Ehrbarkeit“ zu gewinnen. Hier herrscht eine unerträgliche Schieflage.

Wie bei vielen Themen, gibt es natürlich auch bereits einige Untersuchungen und Bücher zur Auseinandersetzung mit dem Thema „Unterordnung“, aber nicht genug davon. Da dieses Thema den Bereich „MACHT“ betrifft, ist es sowohl von besonderer Bedeutung für den Umgang miteinander als auch besonders anfällig für einen Missbrauch, der sich leicht „christlich“ bemänteln und so der konstruktiven Bearbeitung und gesunden Kritik entziehen kann.

Ich wünsche dem Leser „Augen, um zu sehen, und Ohren, um zu hören“, damit er durch dieses Buch hinsichtlich der Machtfrage mehr Durchblick gewinnt und darüber hinaus sprachfähiger wird, denn manchmal fehlen Menschen einfach nur die richtigen Worte, um ihrem Herzen Gehör zu verschaffen.

 

 

Einführung

Die Schwachen habt ihr nicht gestärkt und das Kranke nicht geheilt und das Gebrochene nicht verbunden und das Versprengte nicht zurückgebracht und das Verlorene nicht gesucht, sondern mit Härte habt ihr über sie geherrscht und mit Gewalt.

Hesekiel 34,4

Nachdem ich jahrelang Menschen seelsorgerlich begleitet habe, deren Hoffnungen zerstört, deren Glaube untergraben und deren Berufung durch einen verkehrten Umgang mit Macht und Autorität ruiniert worden waren, reifte in mir der Entschluss, diesen Sachverhalt ans Licht bringen zu müssen, weil er in der Gemeinde weithin tabuisiert wird – über den man also nicht spricht bzw. über den man hinwegsieht, obschon er für unglaubliches Leid sorgt.

Das Verborgene, Totgeschwiegene und Versteckte ist ja der Raum, in dem die Dämonen sich aufzuhalten pflegen. Was aber ans Licht kommt, ist Licht. Und im Licht wollen wir wandeln. Wenn es auch gilt, „Heilige Kühe“ zu schlachten bzw. „heilige Traditionen“ in Frage zu stellen, was sehr schmerzlich sein kann und sogleich Abwehrreflexe auslöst, muss es doch einmal geschehen, um den Opfern einen Ausweg zu schaffen und mit den Verfechtern der „Kühe“ bzw. der Tradition zu rechten.

Das Schwache, Kranke und Gebrochene, das man nicht sieht, kann man nicht heilen. Und es sind nicht wenige Menschen in der Kirche, die sich übersehen und „unsichtbar“ fühlen. Oder aber, wenn man den Schwachen, Kranken und Zerbrochenen unterstellt, ausschließlich selbst schuld an ihrem Elend zu sein und sie mit Beschämung zum Schweigen bringt – dann kann bzw. braucht man sie nicht zu hören. Viele Menschen fühlen sich in den Gemeinden nicht gehört und beschämt. Das „Herrschen mit Härte und Gewalt“, welches ganz opportun nur sieht und hört, was es hören und sehen will, kann dabei sehr subtil vor sich gehen und sich überdies auch sehr fromm gebärden. Es kann sich hinter Statuten, Paragraphen und Organisationsabläufen verbergen, auf die Gemeindeordnung pochen und an „zuständige“ Stellen verweisen, an die sich zu wenden und unter deren Leiter sich unterzuordnen ist.

Die theologischen Winkelzüge, raffinierten Auslegungen von Bibelstellen und „heiligen“ Autoritätsansprüche von Leitern bzw. Organisationen sind manchmal geradezu abenteuerlich und bringen es immer wieder fertig, die Täter zu entlasten und in „Amt und Würden“ zu belassen, während die Opfer ausgegrenzt werden und ihnen vermittelt wird, dass sie sowieso selbst schuld an allem sind.

Bei diesem „System“ bleiben so manche auf der Strecke, andere aber verstehen überhaupt nicht, was vor sich geht oder warum in einer bibelgläubigen Gemeinde so etwas wie Missbrauch überhaupt vorkommen kann. Desinformation, fehlendes Bewusstsein, Verwirrung und Verschleierung herrschen überall.

Eine Menge Verkehrtheiten werden auch entweder Gott in die Schuhe geschoben oder dem Teufel angelastet. So gelingt es, der eigenen Verantwortung auszuweichen und sie wegzuschieben. Gott und Teufel, Himmel und Hölle für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren, ist ein gefährliches Spiel! Wir werden uns in diesem Buch ansehen, wie das ausgerechnet von christlichen Institutionen häufig betrieben wird. Und doch wird es von vielen gar nicht bemerkt, weil es aufgrund einer christlichen Fassade und Sprache weder danach aussieht noch danach klingt.

Immer wieder treffe ich zum Beispiel in der Seelsorge auf Frauen, die in furchtbaren Ehe- und Familiensituationen ausharren, die nach dem deutschen Gesetzbuch strafbar wären und geistlich gesehen einer Folterkammer gleichen. Eine vergleichbare Situation gibt es wohl auch für Männer, doch wird Männern von der Gemeinde eher zugestanden, aus einer missbrauchenden und unmenschlichen Situation auszubrechen bzw. einen Schlussstrich zu ziehen, wenn eine Frau sie bewusst dominiert und erniedrigt, Frauen dagegen wird dies verwehrt mit dem Hinweis darauf, sie hätten sich „in allen Dingen ihren Männern unterzuordnen“, wie es in Epheser 5,24 verlangt werde.

Das falsche, gesetzliche Verständnis einer solchen „Unterordnung auf Gedeih und Verderb“ hat eine unerträgliche Zwangslage geschaffen. Das Verständnis von einer lebenslangen Zwangsbindung, die nur der Tod scheiden kann – den man nur physisch (körperlich) definiert –, oder der Ehebruch – den man auch nur physisch versteht, hat an mancher Stelle zu einer Art von „heiliger Ausweglosigkeit“ geführt, die viele ins Unglück stürzt – und dort belässt, bis sie zerstört sind. Denn Sünde tötet. Da wird, was von Gott zum Segen gedacht war, zum Fluch, was viele Christen nicht verstehen können und sie an ihrem Glauben irrewerden lässt. Sie tun scheinbar das Richtige, folgen dem Wort Gottes und der Führung der Gemeindeleitung – und nichts funktioniert. Sie landen in einer Situation permanenter Heuchelei, in der sie sich und anderen etwas vormachen und niemand sich wohl fühlt.

Die Zahl der Bücher zum Thema Ehe und Familie ist groß und man wird mit guten Tipps und Ratschlägen geradezu überschüttet. Neulich nahm ich einen gerade erst erschienenen christlichen Titel zur Hand und fand zur „Rolle der Frau“ ganze vier Seiten, in denen es erneut sehr einseitig um die scheinbar einzige Aufgabe der Frau in der Ehe ging: Unterordnung. Dabei wurde diese Unterordnung in der klassischen Weise definiert, von der ich gehofft hatte, dass sie in moderneren Abhandlungen überwunden sei oder wenigstens einer differenzierteren Betrachtung unterliege. Aber nein: Die alten Klischees wurden wieder aufgelegt: Der Mann ist das Haupt der Familie, was so verstanden wird, dass er der „Chef“ ist; und die Frau ist seine „Assistentin“, die ihm gefügig, gefällig und gehorsam sein solle, damit er seine Jobs in Beruf, Familie und Gemeinde besser geregelt bekommt.

Ich weiß, dies ist eine verkürzte Darstellung, aber in zahllosen Kirchen ist man auf etwa diesem Niveau stehen geblieben – seit Jahrhunderten – und man verteidigt es mit scheinbiblischen Argumenten bis aufs Blut. Die Männer jedenfalls …

Ein Riss zieht sich durch die Beziehung gegenseitiger Verantwortung, die in einer Ehe konkrete Gestalt annimmt, indem zwei Menschen eins werden. Viele Männer scheinen von dieser Idee der Einheit – außer in sexueller Hinsicht – noch nie gehört zu haben. Bereits die kirchliche Ehevorbereitung überlässt der Mann gerne der Frau und sitzt mehr oder weniger passiv dabei. Um welche Tiefe, Höhe und Größe es bei der Heirat geht, wird ihm nicht klar und er versteht nicht, dass die Liebe den Tod des Egos fordert. Dann schlägt die Wirklichkeit zu, die Geigen fallen aus dem Himmel und die ganze Welt scheint aus dem Ruder zu laufen.

Der stereotype Rat, insbesondere in den genannten Kreisen, ist dann der, dass die Frau sich noch mehr Mühe geben soll mit ihrer Unterordnung, um den Mann „glücklich“ zu machen. Einen Menschen allerdings, der nicht glücklich ist, kann kein anderer glücklich machen. Jeder ist selbst für sein Glück verantwortlich – und was gewonnen wird, kann in die Ehe eingebracht und geteilt werden. Kein Mensch hat das Recht, einen anderen zu seiner Glückssteigerung zu benutzen. Schon gar nicht hat Gott solch ein Konzept der Ausbeutung legitimiert – ganz im Gegenteil!

Nun, diesen „Riss“ können wir auch auf der Ebene der Familie oder der Gemeinde und weiter hinauf bis zu gesellschaftlichen Beziehungen finden. Auch dort herrscht häufig die gleiche Situation mangelnder Einheit (Desintegration), in mangelnder gegenseitiger Verantwortung, in mangelnder Selbstlosigkeit bzw. Liebe. Auch dort wird immer wieder die mangelnde Unterordnung als Grund für die Stagnation der Parteien-, Kommunal- oder Gemeindearbeit angeführt.

Im Folgenden werden wir einen Streifzug durch die Bibeltexte machen, die üblicherweise herangezogen werden, um sowohl die Ehe als auch die Gemeinde und Gesellschaft einem hierarchischen Weltbild zu unterwerfen, das dem Geist Christi diametral entgegensteht, denn Jesus ist ja nicht gekommen, um zu herrschen, sondern um zu dienen.

Wir werden auch sehen, wie Vieles, was für biblisch gehalten wird, keineswegs biblisch ist, sondern seine Ursprünge in heidnischen Einflüssen und kulturellen Prägungen hat, die nun in frommem Gewandt daherkommen und das Verhalten der Kirche nachhaltig bestimmen.

Wir werden uns die Mühe machen müssen, einige geschichtliche, kulturelle und religiös-ideologische Entwicklungen anzusehen, deren Umgang mit Autorität ihren Niederschlag in der Kirche und dort in die Familien- und Ehebeziehungen hinein gefunden hat. Oft kann man die Auswirkungen im Kleinen nicht verstehen, wenn man das große Bild und die strukturgebenden Kräfte nicht erkennt, die die herrschenden Verhältnisse bestimmen.

Ich lasse eine ganze Reihe von Autoren zu Wort kommen, die sich mit der Thematik befasst haben, und weise in der Bibliographie am Ende des Buches auf ihre ausgezeichneten Publikationen hin.

Nachdem ich selbst über 20 Jahre im geistlichen Dienst gestanden habe, eine Gemeinde gegründet und in einem kirchlichen Verband mitgearbeitet habe, viele Gemeinden kennengelernt und manche Leiter, Mitarbeiter und Ehen ein Stück weit seelsorgerlich begleitet habe, konnte ich einen Blick hinter die Kulissen und Fassaden werfen und viel verborgenes, verdrängtes und verschwiegenes Elend finden. Dies motivierte mich schon vor vielen Jahren, dieses Buch zu schreiben.

Die Etiketten „Christ“ oder „Gemeinde“ schützen nicht vor jeder Art von Verkehrtheit, Verwirrung und Missbrauch, die man sich nur vorstellen kann. In einer gewissen Naivität wird das aber von vielen so angenommen; sie halten die Gemeinde für den Hort von Liebe und Menschlichkeit – für eine Art „heile Welt“. Sie werden enttäuscht, jedoch oft für schuldig erklärt, dass sie wegen ihrer mangelnden „Unterordnung“, die als eine Art „Unterwerfung“ unter eine kirchliche Hierarchie und „Kadavergehorsam“ gegenüber deren Leitern verstanden wird, das eigentliche Problem seien. So wird das Verhältnis der Gemeindeglieder und Mitarbeiter zu ihren Leitern bzw. Pastoren und das der Frau zum Mann gesehen und alle Schwierigkeiten einseitig darauf geschoben.

Zu häufig werden Opfer zu Tätern und Täter zu Opfern erklärt. Zu oft werden Bibelzitate „benutzt“, um unheilige und unterdrückende Macht auszuüben, die völlig unvereinbar mit der Gnade ist, die Jesus Christus uns gebracht und verkündet hat.

Aus eigener Erfahrung weiß ich wohl, dass Gemeindearbeit in der heutigen Zeit alles andere als einfach ist, und mit der Führung einer Ehe verhält es sich nicht anders. Die Fundamente des gewachsenen, traditionsreichen Christentums wanken und zeigen tiefe Risse, in die immer mehr Menschen fallen und sich mitten in der Gemeinde verletzen und geradezu verloren gehen.

Darüber hinaus kann eine humanistische, individualistische Kultur sich mit Begriffen wie „Selbstlosigkeit“ und „Dienen“ nur schwer anfreunden. Gerade die evangelikalen Gemeinden benutzen beharrlich solche Worte, die nicht nur aus der Mode gekommen sind, sondern immer mehr zu reinen Worthülsen werden, die keine klaren Inhalte mehr transportieren und im Leben der Angesprochenen keinen Widerhall finden. Sie mögen dazu im Gottesdienstbesuch nach Gewohnheit nicken und so tun, als verstünden sie, worum es geht, aber nach meiner Erfahrung verstehen viele nur „Bahnhof“ oder verbinden mit den biblischen Begriffen nur sehr oberflächliche und klischeehafte Vorstellungen, die den He­rausforderungen des Alltags und der Komplexität ihres ambivalenten Menschseins nicht im Geringsten standhalten.

Gerade den Gemeinden also, die auf „das Wort“ so viel Wert legen und geradezu eine Art „Biblizismus“ betreiben, um ihre Gruppen und Mitglieder auf Linie zu halten, ist sehr anzuraten, ihren Gebrauch der Worte genau im Auge zu behalten und daraufhin zu überprüfen, ob dabei auch wirklich die Frucht des Evangeliums herauskommt.

Wenn es um Begriffe der Macht geht, wie sie im Zusammenhang mit der Ordnung in der Gemeinde und der Ehe gebraucht werden, wie etwa „Hauptschaft“, „Unterordnung“, „Gehorsam“ o. ä., ist ganz besondere Vorsicht und Sorgfalt in der Auslegung und Anwendung geboten, damit sie nicht unserer Tradition, Meinung und kulturellen Prägung entsprechen, sondern wirklich dem Geist Jesu.

Paulus betont: „… der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig“ (2 Kor 3,6). Schon viele Menschen wurden mit dem Buchstaben unterworfen, unterdrückt, gefügig gemacht und „getötet“. Ihr Sterben geschah nicht äußerlich, sondern innerlich. Äußerlich haben sie sich häufig den Anforderungen der Buchstaben-Prediger angepasst, um nicht aufzufallen, aber innerlich sind sie an den vielen „richtigen“, aber geist- und gnadenlosen Worten zerbrochen. Darüber muss gesprochen werden.

 

KAPITEL 1

Die Sündenfalle

Ermuntert einander jeden Tag … damit niemand von euch verhärtet werde durch Betrug der Sünde! Denn wir sind Teilhaber des Christus geworden …

Hebräer 3,13-14a

Die Internet-Enzyklopädie „Wikipedia“ definiert den Begriff der Unterordnung u. a. folgendermaßen:

Des Weiteren wird der Begriff Unterordnung (lateinisch: subordinatio) oft im Sinne des Zurücktretens der eigenen Person hinter einer Sache, des Gehorsams und der Unterordnung unter soziale Normen gebraucht.Beispielsweise wurde/wird von einem Kind häufig Unterordnung unter den Willen der Eltern verlangt, ein Schüler muss sich der Klassengemeinschaft und dem Unterrichtsablauf unterordnen, das heißt, sich anpassen, und Mitarbeiter arbeiten innerhalb hierarchischer Organisationsstrukturen, die Unterordnung im Sinne einer Weisungsbefugnis mit sich bringen.

In diesen wenigen Sätzen finden wir eine Menge interessanter Worte zu unserem Thema wie: „Zurücktreten der eigenen Person“, „Gehorsam“, „Anpassung“, „hierarchische Strukturen“, „Weisungsbefugnis“.

Auf allen menschlichen Beziehungsebenen haben wir es mit Fragen der Unterordnung bzw. der Macht zu tun. Unentwegt wird um Hackordnungen gekämpft, um Auf- und Abstieg gerungen und um Positionen konkurriert.

Was die Gemeinde betrifft, so bezieht sie sich in ihrem Umgang mit Macht häufig zurück auf den Ursprung der Menschheit im Garten Eden und das Verhältnis der erstens Menschen – Adam und Eva – zueinander. Sie gehen also zurück zu den Wurzeln und damit zu dem exemplarischen, idealen und gottgewollten Ausgangspunkt. In dem vorliegenden Buch folge ich diesem Pfad und komme in allen Kapiteln immer wieder auf die grundlegenden (Macht)Verhältnisse in der Mann-Frau-Beziehung zurück, wo die Auswirkungen der kirchlichen Theologie und entsprechenden Gemeindepraxis deutlich sichtbar werden.

Einige Ausleger kommen zu der Ansicht, dass wir im Schöpfungsbericht auf den ersten Seiten der Bibel eine geradezu absolutistische Form der Herrschaft des Mannes über die Frau finden, was allerdings eher dem in 1. Mose 3,16 beschriebenen Fluch entspricht, den Gott Eva gegenüber frisch nach dem Sündenfall aussprach. Diese Art der Auslegung hat die Vorstellungen von Macht und Unterordnung im menschlichen Miteinander und Dienst der Gemeinde nachhaltig geprägt und hatte für die Entwicklung der Kirche fundamentale Auswirkungen, die wir im Folgenden einmal nachvollziehen wollen.

Zu der Frau sprach er: Ich werde sehr vermehren die Mühsal deiner Schwangerschaft, mit Schmerzen sollst du Kinder gebären! Nach deinem Mann wird dein Verlangen sein, er aber wird über dich herrschen! (1 Mo 3,16).

Eine alte Übersetzung liest: „Dein Wille soll deinem Mann unterworfen sein, und er soll dein Herr sein.“1

Es gibt ein unheiliges, weibliches Verlangen und ein unheiliges, männliches Herrschen. Dies kann aber so fromm „verpackt“ sein, dass es als solches überhaupt nicht erkannt wird. Es gibt eine falsche und eine rechte Form von Unterordnung, und es gibt eine falsche und rechte Art zu herrschen.

Jedes egoistische Verlangen und jede egoistische Herrschaft sind von Übel, egal, mit wie vielen Bibelstellen sie gerechtfertigt werden oder von wie „hohen“ Gemeindeleitern sie gepredigt werden. Sie entspringen der Sünde, nicht dem Segen. Und sie zerstören das Paradies. Ungestilltes Verlangen kann mörderisch sein – so auch ungerechte Herrschaft.

Begründet ungestilltes Verlangen einer Frau ihre Heirat, wird die Ehe zerstört werden. Begründen Minderwertigkeit und Machtansprüche die Heirat eines Mannes, wird die Ehe ebenso scheitern – selbst wenn Menschen in zerstörerischen und gescheiterten Verhältnissen zusammenbleiben und das weiterhin „Ehe“ nennen. Nicht überall, wo Ehe draufsteht, ist auch Ehe drin.

Da Christus gekommen ist, alle Dinge wiederherzustellen, indem er zum Fluch für uns wurde, damit wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm (vgl. 2 Kor 5,21; Gal 3,13), müssen wir die christliche Ehe im Licht von Wiederherstellung und Gerechtigkeit sehen.

Wenn Gott all unseren Mangel ausfüllt „nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus“ (vgl. Phil 4,19), muss keine Frau mit ungestilltem Verlangen herumlaufen, das sowieso kein Mann erfüllen kann. Wenn Jesus sagt: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden“ (Mt 28,18), dann bleibt für einen Mann gar keine Macht mehr übrig – außer der, die ihm Christus gibt, um in seinem Namen zu dienen. Auch seiner Frau. Denn Gott gibt Macht zu keinem anderen Zweck, als um zu dienen.

Andreas Eichberger schreibt in seinem Buch „Scheitern verboten?“ dazu:

Die Herrschaft des Mannes über die Frau ist ebenso eine fluchhafte Folge des Sündenfalls wie das Begehren der Frau nach dem Mann. Leider hat man im Lauf der Geschichte die Worte Gottes an Eva als Anweisung statt als Ankündigung missverstanden; Gott sagte lediglich, dass es so kommen würde. Mit dem Sündenfall ging ja nicht nur die Beziehung zu Gott kaputt, sondern auch das Miteinander der Menschen und des ersten Ehepaares untereinander war gestört und ist seitdem durch Misstrauen und Herrschgelüste geprägt. Seitdem kann man nicht mehr von der Schöpfungsordnung sprechen, ohne die Schöpfungsstörung, wie Helmut Thielicke sie nannte, zu erwähnen.Es war nie Gottes Wille, dass überhaupt ein Mensch über den anderen herrscht. Nimrod, der Erfinder von Babel, hat damit angefangen (vgl. 1 Mo 10,9-10). Das ist ein Beispiel dafür, dass etwas noch lange nicht gut ist, nur weil es im guten, inspirierten Wort Gottes beschrieben wird. Wie viel ist aus solchen Missverständnissen in der Kirchen- und Menschheitsgeschichte schiefgelaufen! Man denke nur an den Sklavenhandel und Apartheid-Regimes in christlich geprägten Ländern. Es war nie so gedacht, dass der Mann über die Frau herrscht, noch nicht einmal als Notverordnung …2

Werfen wir noch einmal den Blick zurück auf den ursprünglichen Zustand der ersten Menschen und auf deren Verhältnis als Mann und Frau zueinander vor dem Sündenfall, finden wir keine Autoritätsstruktur mit dem Mann „oben“ und der Frau „unten“. Wir finden ein Miteinander und Teilen der einen, gleichen Aufgabe und der entsprechenden einen, gleichen Autorität, die es dafür braucht. Hier eine Hierarchie hineinlesen zu wollen, wird dem Text nicht gerecht.

In dem empfehlenswerten Buch „Ohne Unterschied? – Frauen und Männer im Dienst für Gott“ sagt Marylin B. Smith dazu:

Die Annahme, dass allein die Tatsache, zuerst erschaffen worden zu sein (Adam), zugleich eine besondere Autorität verleihe, ist eine Vorstellung, die in den Text hineingelesen wird. Der Text legt keinerlei Rangfolge (Hierarchie) zwischen Mann und Frau nahe – er verweist nur auf das Unvollständigsein. Der Gedanke, der Mann sei der Frau überlegen, weil er zuerst erschaffen wurde, ist in diesem Text nicht enthalten …“3

Aber was ist dann mit der Bedeutung des Begriffes „Helfer“ in 1. Mose 2,18?

Und Gott, der Herr, sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht.

Dazu führt Marylin Smith aus:

In der Vergangenheit wurde traditionell viel Gewicht auf die Verwendung der Wörter „Helferin“ oder „Gehilfin“ gelegt. Sie wurden als Argument dafür angeführt, dass Gott eine hierarchische Ordnung beabsichtigte … Das deutsche Wort „Helfer“ trägt auch die Bedeutung „untergeordnete oder geringere Stellung“, das hebräische Wort ‘ezer hat jedoch keinen solchen Beiklang. Das Wort ‘ezer (Helfer), das hier auf die Frau bezogen ist, verweist an 15 von 21 Stellen, an denen es im Alten Testament gebraucht wird, auf Gott; dort bedeutet es so viel wie „Beschützer“ (vgl. Ps 33,20) und „Retter“ (vgl. 2 Mo 18,4).Aufgrund dieser Beobachtung verbietet sich eindeutig die Auslegung, ‘ezer bezeichne naturgemäß einen „Assistenten mit untergeordnetem Status“.

Das Neue des Neuen Bundes ist, dass wir befreit werden von Fluch und Sünde, um heilig zu sein. Die ursprünglichen Verhältnisse werden wiederhergestellt. Da ist nicht Mann noch Frau, denn wir sind (wieder) einsin Christus (vgl. Gal 3,28).

Heilig sein bedeutet, Gott zu gehören, denn was Gott gehört, ist heilig. Wenn wir uns bekehren und Gott unser Leben übereignen, dann werden wir heilig – in Christus. Nichts mehr gehört uns. Alles – inklusive unseres eigenen Lebens – gehört jetzt Gott.

Das ist die große Freiheit und Freude, um die es im Evangelium geht: Gott ist alles und in allem! Dem Ego mit seinen unstillbaren Bedürfnissen und Machtansprüchen gehört nun gar nichts mehr. Halleluja!

Eine christliche Ehe ist eine heilige Ehe. Sie gehört nicht uns, sondern Gott. Da sind keine fleischlichen Besitz- und Machtansprüche mehr nötig. Meine Frau gehört nicht mir und mein Mann gehört nicht mir. Auch die Kinder gehören nicht den Eltern. Alles gehört Gott. Alles richtet sich nach Gott. Dann – und nur dann – herrschen Gerechtigkeit, Frieden und Freude im Heiligen Geist (vgl. Röm 14,17).

Das bedeutet es, uns „einander“ unterzuordnen „in der Furcht Christi“ (vgl. Eph 5,21): Den Partner zu respektieren als Eigentum Gottes, erkauft mit dem teuren Blut Jesu, also als heilig. Das bedeutet es, einander zu dienen im Namen Jesu und in der Kraft des Heiligen Geistes.

Gottes Anspruch auf uns als ganze Person ändert sich nicht mit dem Tag der Eheschließung – so als würde Gott nun z. B. die Frau dem Mann übereignen zu dessen freier Verfügung. Nein, er vertraut sie ihm an, damit er ihr in seinem Namen diene. Und er wird ihn darüber zur Rechenschaft ziehen. Gleicherweise vertraut er einer Frau einen Mann an, dass sie ihm im Namen Jesu diene. Und auch sie wird er zur Rechenschaft ziehen. Nicht der Mann muss sie zur Rechenschaft ziehen; Gott wird es tun. Und schließlich vertraut er Eltern Kinder an, damit diese den Kindern im Namen Jesu dienen.

Um dieses Dienens bzw. Dienstes willen braucht es Unterordnung.

Das ist der Schlüssel zum Verständnis der richtigen Form der Unterordnung. Es geht nicht um die Etablierung von Machtverhältnissen, sondern um die Weitergabe von Segen.

… segnet, weil ihr dazu berufen worden seid, dass ihr Segen erbt! (1 Pt 3,9).

Im Unterschied zu dieser notwendigen Form der Unterordnung, die es zwingend braucht, um den Segen weiterzugeben, gibt es jene unheilige Form von knechtender Unterordnung, die einen Menschen entrechtet und ihn zwingt, sich zu unterwerfen. Dies hat nichts mit Segen zu tun, sondern mit Gewalt. Hier müssen wir sehr sorgfältig unterscheiden.

Die Folge des Sündenfalls war eine Trennung von Gott, die Adam und Eva sowie ihre Beziehung zueinander in einen veränderten Zustand überführte. Sie mussten Eden verlassen und verloren damit die ungebrochene Einheit mit Gott, in der sie in einer solchen Unbefangenheit und Unschuld miteinander umgegangen waren, dass sie sich ihrer Nacktheit nicht schämten, weil sie sich derer nicht bewusst waren. Es gab nichts zu verbergen und es gab auch keine Übergriffe, vor denen es sich zu schützen galt.

Kaum aber war von der verbotenen Frucht gegessen, versteckte sich Adam und klagte alle anderen an: die Schlange, Eva und indirekt auch Gott. Hier traten die ersten Symptome eines „Sich-von-den-anderen-getrennt-Erlebens“ zutage, die hinfort das Verhältnis von Männern und Frauen und ihren Ehen prägen sollte. Treibt die Liebe zusammen, treibt die Sünde auseinander.

In der Mordgeschichte zwischen den Brüdern Kain und Abel setzt sich die zerstörte Einheit mit den hässlichen Auswüchsen von Neid und Eifersucht, Konkurrenz und Zorn nahtlos fort. Die Ehe-Geschichten im Alten Testament – auch die der „großen Heiligen“ – zeigen in manchmal geradezu verblüffender Ehrlichkeit die weitere Entfaltung der im Sündenfall begonnenen Zerbrochenheit der ursprünglichen Einheit. Blindes Verlangen und blinde Herrschaft führten zu Intrigen, Manipulation, Mord und Totschlag.

Wenn Menschen heiraten, stellen sie schnell fest, dass der Himmel bald nicht mehr voller Geigen hängt, sondern all die genannten Kräfte in ihnen miteinander ringen und in ihrer Ehe zum Ausdruck kommen wollen. Zwar wird Heiratenden von ihren Pastoren mit auf den Weg gegeben, sie müssten an ihrer Ehe „arbeiten“. Dennoch ist zumeist weder den Pastoren noch den Eheleuten bewusst, welche Dramatik und Dynamik die mit dem Sündenfall in die Welt gekommenen Kräfte der Zertrennung und Isolation entfalten.

Epheser 6,10-12 ruft uns dazu auf, „stark im Herrn und in der Macht seiner Stärke“ zu sein, da wir „gegen die Gewalten, gegen die Mächte“ zu kämpfen haben. Diese machen vor der Ehe und Familie nicht Halt. Dort ist der Kampf oft am heftigsten, weil wir uns dort nahekommen und versuchen, die ursprüngliche „Nacktheit“ wiederherzustellen und arglos miteinander zu leben.

Dieser Wunsch, ein Stück des Paradieses mit seiner Vertrautheit und Einheit wiederherzustellen, treibt die Ursehnsucht des Menschen an, ruft aber auch die alte Schlange auf den Plan, die Eitelkeit, Zorn, Furcht und Scham anstachelt, um jede Einheit zu vergiften und sich ihrer zu bemächtigen. Paulus spricht die bedenkenswerten Worte: „Ich fürchte aber, dass, wie die Schlange Eva durch ihre List verführte, so vielleicht auch euer Sinn von der Einfalt und Lauterkeit Christus gegenüber abgewandt und verdorben wird“ (2 Kor 11,3). Nun, mit dieser „List“ greift der Versucher nicht nur das Verhältnis zwischen uns und Christus an, sondern ebenso unser Verhältnis untereinander. Auch den Ehen möchte er die Einfalt und Lauterkeit stehlen und sie verderben.