Until Us: Mike - Mayra Statham - E-Book
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Until Us: Mike E-Book

Mayra Statham

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Beschreibung

Ein alleinerziehender Dad. Eine Grundschullehrerin mit Prinzipien. Zwei Welten, die mit einem Boom kollidieren. Mike Granger ist alleinerziehender Vater von Zwillingen im Teenageralter. Seine Töchter sind ihm wichtig, und auch zu seiner Ex hat er ein gutes Verhältnis. Dass er jemals die Eine findet, wagt er nicht mehr zu hoffen. Natasha Tasha Torres ist Grundschullehrerin und hat schon viele Frösche geküsst. Bisher hat sich jedoch keiner in einen Prinzen verwandelt. Trotzdem glaubt sie an die Liebe und lässt sich auf Mike ein. Doch nach einer wundervollen gemeinsamen Nacht weiß sie nicht, ob er sie jemals wiedersehen will.

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Seitenzahl: 397

Veröffentlichungsjahr: 2024

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© Die Originalausgabe wurde 2023 unter dem

Titel Until Mike von Mayra Statham veröffentlicht.

© 2024 Romance Edition Verlagsgesellschaft mbH

8700 Leoben, Austria

Aus dem Amerikanischen von Mirjam Neuber

Covergestaltung: © Sturmmöwen

Redaktion & Korrektorat: Romance Edition

ISBN: 978-3-903519-06-0

ISBN-EPUB: 978-3-903519-05-3

www.romance-edition.com

Inhalt

Prolog

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

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29

Epilog Ι

Epilog II

Danksagung

Über die Autorin

Until Us: Tucker

Until Us: Delilah

Second Chance Holiday

Natasha ›Tasha‹ Torres

»Was genau kannst du nicht tun?«, fragte Silas, als wäre meine Entscheidung unerhört gewesen. Er starrte auf die Schachtel in meinen Händen, als hielte ich eine lebende Schlange statt seiner Sachen.

»Welcher Teil verwirrt dich?«, wollte ich von ihm wissen und ging einen Schritt auf ihn zu.

»Hey!« Er zeigte mit dem Finger auf mich. »Pass auf«, warnte er mit tiefer, beinahe beängstigender Stimme. Sonst war ich zusammengezuckt, wenn er so mit mir sprach. Doch diesmal gab ich mir die größte Mühe, ihm nicht zu zeigen, dass er mich einschüchterte.

Diesmal nicht und nie mehr.

»Hör zu, Silas, in der vergangenen Woche ist eine Menge passiert. Und ich habe darüber nachgedacht ...«

»Ich habe dir doch gesagt, dass ich verreisen musste!«, unterbrach er mich so laut, dass die Nachbarin auf der anderen Straßenseite stehen blieb und zu uns herübersah. Als wollte sie sich vergewissern, dass es mir gut ging.

»Silas ...«, begann ich erneut.

»Ich wusste nicht, dass du heute Geburtstag hast. Sorry, aber den habe ich irgendwie vergessen.«

Ich biss die Zähne zusammen, um nicht etwas Unüberlegtes zu sagen. Es ging nicht um meinen Geburtstag, sondern um all die kleinen Dinge, die mir so lange nicht aufgefallen waren. Ich hatte in meiner Beziehung zu dem Mann vor mir ein Alarmsignal nach dem anderen ignoriert.

»Verdammt! Kannst du mich nicht in Ruhe lassen? Du bist so eine verdammte Drama-Queen.« Er rollte mit den Augen. Seine Reaktion bestärkte mich in meinem Entschluss.

Ich bin ihm nicht wichtig genug. Deshalb schrieb er mir nicht mal eine kurze Nachricht, sondern verschwand einfach tagelang.

Ich schüttelte den Kopf und schaute demonstrativ in den Himmel.

Hoffentlich werde ich eines Tages den Richtigen treffen.

»Wenn du wüsstest, wie anstrengend meine Woche war«, sprach er weiter über sich und sein ach so schweres Leben. Oder über was auch immer. Es war mir egal, und ich hörte kaum hin. Ich starrte ihn an, während er nur über sich redete. Mit jedem Wort aus seinem Mund fühlte ich mich mehr und mehr wie ein törichtes Weib, das einfach alles hinnahm. Nur um nicht allein leben zu müssen.

Vor zwei Jahren war ein Lehrer, Mr Jetson, wegen seines unberechenbaren Verhaltens entlassen worden. Eine Woche später kehrte er bewaffnet auf das Schulgelände zurück und bedrohte unsere stellvertretende Schulleiterin Gladys. Es waren sogar Schüsse gefallen. Doch zum Glück konnte unser Hausmeister einschreiten und eine Tragödie verhindern.

Dieser Vorfall war der Auslöser für große Veränderungen in meinem Leben gewesen. Damals lebte ich mit einem Mann zusammen, den ich seit der Highschool kannte. Wir wohnten sogar in einer gemeinsamen Wohnung.

Am Anfang war alles großartig gewesen. Ich hatte Drew geliebt, bis ich spürte, dass sich meine Liebe zu ihm in Freundschaft verwandelt hatte. Die ersten Anzeichen dafür hatte ich geflissentlich ignoriert, weil ich mir nicht eingestehen wollte, dass es eigentlich vorbei war. Wir hatten keine gemeinsamen Pläne und redeten nie über die Zukunft. Stattdessen schwelgten wir in Erinnerungen und langweilten uns miteinander, bis wir einen Punkt erreicht hatten, den man als Stillstand bezeichnen konnte.

Eine Woche nach der Schießerei, an meinem dreißigsten Geburtstag, haben wir uns zusammengesetzt und uns das Herz ausgeschüttet. Ein Gespräch, das dazu führte, dass Drew auszog.

Ein Jahr später beschloss ich, es noch einmal zu versuchen. Ich war mit ein paar Freunden von der Arbeit ausgegangen und hatte Silas getroffen.

Er war älter als ich und beruflich erfolgreich. Von Beginn an hatte er mich in seinen Bann gezogen. Ich dachte, der Mann hätte sein Leben im Griff. Und ich war bereit, mein eigenes durch eine neue Beziehung etwas in Schwung zu bringen.

Doch je länger wir zusammen waren, desto schwieriger wurde es für mich, seine Eigenarten zu tolerieren. Es gab viele Alarmsignale, und ich wollte sie alle ignorieren.

Beispielsweise kam er immer zu spät. Wenn er überhaupt auftauchte. Immer häufiger ignorierte er meine Anrufe und Nachrichten. Manchmal verschwand er für mehrere Wochen, ohne dass ich wusste, wo er sich aufhielt oder warum er sich nicht bei mir meldete.

Silas war ein Lückenbüßer gewesen. Ein Typ, mit dem ich ausgehen und Spaß haben wollte, bis ich den Mann meines Lebens treffen würde.

Leider tauchte der Traumprinz nie auf, und ich führte auch meine Beziehung mit Silas weiter, obwohl ich nicht glücklich mit ihm war.

Ich hatte einfach Angst, wieder allein zu sein.

Der größte Teil meiner Familie lebte in San Diego. Meine Freunde waren großartig, hatten aber auch eigene Familien. Was zum Teufel hatte ich mir nur dabei gedacht, so viel Zeit mit einem Mann zu vergeuden, der nur an sich dachte?

Das stimmt nicht ganz, murmelte eine Stimme in meinem Hinterkopf. Ich wusste, wie recht sie hatte.

»Es tut mir leid, dass du eine anstrengende Woche hattest. Das tut es mir wirklich. Aber ich sehe nicht, dass das hier« – ich zeigte zwischen uns hin und her – »irgendwo hinführt.«

»Worauf sollte es denn hinführen?«, rief er etwas lauter und wurde vor Zorn rot im Gesicht. Ich schaffte es, wie auch immer, ruhig zu bleiben. Ich stand einfach da, mit der Kiste seiner Sachen, die sich im Laufe der Zeit bei mir angesammelt hatten.

Ich starrte den Mann an, der älter war als ich, sich aber wie ein Kind verhielt, wie mir sein inzwischen hochrotes Gesicht eindrucksvoll bewies. Warum hatte ich mir seine Launen so lange kommentarlos gefallen lassen? Es hatte genug Situationen wie diese gegeben, in der er mir seinen wahren Charakter zeigte. Zeiten, in denen zuerst sein Gesicht rot anlief und er dann gemein wurde.

»Für uns gibt es keine Zukunft mehr«, bemerkte ich sanft, um seine Gefühle nicht zu verletzen.

»Natürlich nicht!«, schrie er und raufte sich sein schütteres Haar. »Ich bin verheiratet, du dumme Schlampe!« Ich starrte ihn einen Moment an und blinzelte.

Verheiratet? Wie kann das sein?

»Was?«, fragte ich überrascht.

»Verheiratet«, sagte er gedehnt, bevor er noch irgendetwas hinzufügte. Doch ich hörte nicht mehr zu.

Er ist verheiratet? Plötzlich machte sein ständiges Verschwinden einen Sinn. Verheiratet! Silas ist verheiratet!

Als hätte sich ein Schalter in meinem Kopf umgelegt, wusste ich plötzlich, was ich zu tun hatte.

»Du bist ein riesengroßes Arschloch«, erklärte ich mit Nachdruck und unbewegtem Gesicht, bevor ich ihm die Kiste mit seinen Sachen in die Hände drückte.

»Und du bist eine verzweifelte, einsame Schlampe«, entgegnete er.

»Du hast zwei Minuten Zeit, um mein Grundstück zu verlassen, bevor ich die Polizei rufe«, antwortete ich ihm. Dann trat ich einen Schritt zurück und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.

Er ist verheiratet!

Gott, ich wünschte, ich könnte ihm die Tür noch einmal vor der Nase zuschlagen! Jetzt brüllte er sogar vor Wut und schlug mit den Fäusten gegen meine Tür. Er verfluchte mich und ging dann endlich.

Ich stand reglos da und hörte, wie die Gartentür ins Schloss fiel, bevor ich mich mit dem Rücken gegen die Tür lehnte und die Augen schloss.

Verzweifelt und einsam?

Wenn ich ehrlich zu mir war, musste ich Silas recht geben. Ich glaubte eben an die große Liebe. Allerdings hatte ich noch nicht den Richtigen gefunden.

Aber eines Tages würde ich meinen Traumprinzen treffen und mit ihm in eine rosige Zukunft unter einem strahlend blauen Himmel blicken.

Doch im Moment musste ich meine Wunden lecken und durfte die Hoffnung nicht verlieren.

Tasha

Drei Monate später ...

Ich befestigte die letzte Ecke und trat einen Schritt zurück, um mein Werk zu bewundern. Ein innerer Frieden, den ich schon lange nicht mehr gespürt hatte, legte sich über mich. Die leuchtenden Farben an den Wänden und die lächelnden Disney-Figuren verbreiteten eine fröhliche Stimmung. Das Klassenzimmer für die erste Klasse war fertig gestaltet und für das neue Schuljahr vorbereitet.

Ich stand kurz vor dem Beginn meines siebten Jahres als Lehrerin und hatte endlich das Gefühl, meinen Weg gefunden zu haben. Und ich war stolz auf mich.

Eigentlich hatte ich gehofft, schon etwas eher diesen Punkt zu erreichen. Immerhin war ich schon zweiunddreißig Jahre alt. Aber wie meine Abuela zu sagen pflegte, geschieht alles zu seiner Zeit. In Anbetracht dessen, was ich in den vergangenen zwei Jahren durchgemacht hatte, wusste ich, dass Grandma mit einem Lächeln vom Himmel zu mir herabschaute. Was habe ich dir gesagt?, wären ihre Worte, wenn sie noch bei mir wäre.

Nach dem bewaffneten Überfall von Mr Jetson vor zwei Jahren und meiner Trennung von Drew und später von Silas, hatte ich mir eine dringend nötige Auszeit verordnet. Ich wollte nicht wieder in eine Beziehung schlittern, die keine Zukunft hatte.

Natürlich wusste ich, warum ich mich auf Silas eingelassen hatte. Ich hatte Angst davor, allein zu sein. Deshalb ignorierte ich die vielen Alarmsignale und versuchte, alles positiv zu sehen. Doch ich hatte viel zu viel Zeit in diese Beziehung investiert, obwohl mir immer bewusst war, dass er nicht mein Traumprinz war. Nachdem er mir gestand, dass er verheiratet ist, fühlte ich mich verraten und verkauft. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie es seiner Frau damit gehen musste. Kurz nachdem es mit Silas vorbei war, hatte ich das Bedürfnis, seiner Frau alles zu erzählen und mich zu entschuldigen. Aber dann hatte ich mich entschieden, es dabei zu belassen, weil ich ihren untreuen Ehemann nie mehr sehen und die ganze Geschichte mit ihm nur noch vergessen wollte.

Intuitiv hatte ich immer gespürt, dass Silas nicht der war, der er vorgab zu sein. Ich wünschte, ich hätte ihn schon ganz am Anfang zur Rede gestellt und ihm erklärt, was mir in einer Beziehung wichtig ist. Aber wir Menschen mussten unsere Erfahrungen machen, um daraus zu lernen.

Ein Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken.

»Hey Tasha.« December, eine Kollegin und gute Freundin, trat ein und sah sich im Klassenzimmer um. »Das sieht toll aus«, bemerkte sie mit einem breiten Grinsen.

»Danke«, entgegnete ich ihr lächelnd. »Ich bin auch sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Wie ist es bei dir? Brauchst du Hilfe bei deinem Klassenzimmer?«, bot ich an, aber sie schüttelte den Kopf.

»Es ist schon alles fertig. Die Jungs haben mir geholfen«, antwortete sie, und mein Lächeln wurde breiter. Man konnte die Freude spüren, die sie darüber empfand.

»Freut mich zu hören.«

December Black war eine der Töchter aus dem Mayson-Clan. Nach der Sache mit Mr Jetson hatten wir uns angefreundet, nachdem wir einige Jahre nur Kolleginnen waren.

»Hast du Lust, mit mir einen Kaffee trinken zu gehen?«, fragte sie. Ihr Lächeln verriet mir, dass sie ein Nein nur ungern akzeptierte.

»Oh, ja. Nach all dem hier brauche ich dringend etwas Koffein«, stimmte ich zu und griff lächelnd nach meiner Handtasche.

Seit das Schuljahr zu Ende war, hatten wir keine Gelegenheit gefunden, uns zu treffen. Daher plauderten wir munter über die Ereignisse der vergangenen Wochen, während wir in die Stadt fuhren.

December zu erleben und zuzuhören, gab mir immer Hoffnung, doch noch den Mann zu finden, mit dem ich mein ganzes Leben verbringen wollte. Sie bestärkte meinen Glauben an die große Liebe. Ich erinnere mich noch gut daran, wie sie ihrem jetzigen Ehemann Gareth eröffnete, dass sie bei ihm einziehen würde. Das war das Mutigste und Verrückteste, was ich je erlebt hatte. Sie war sich absolut sicher, den Richtigen gefunden zu haben, und stürzte sich mit ihm in ein neues Leben als Stiefmütter von zwei Söhnen. Inzwischen haben die beiden eine gemeinsame Tochter. Wenn ich sie mit Gareth erlebte, spürte ich, wie groß ihre Liebe ist. Und nichts daran war verrückt. Es war sogar die beste Geschichte aller Zeiten!

December erzählte mir von ihren Urlaubserlebnissen. Ich berichtete von meinem kurzen Besuch in San Diego und meinem Ausflug in den Wild Animal Park. Sie lachte mit mir darüber, dass mich meine Eltern jedes Mal zwangen, sie dorthin zu begleiten, wenn ich sie besuchte. Sie waren überzeugt davon, dass ich diese Ausflüge so sehr liebte wie sie selbst. Und vielleicht hatten sie recht damit.

Wenig später erreichten wir das Café und traten ein.

»Ganz schön voll hier«, bemerkte sie lächelnd, und ich nickte. Und das war noch untertrieben. Genau genommen war es brechend voll und verdammt laut. Das störte mich nicht. Im Gegenteil. Ich freute mich, wenn die Menschen ausgingen und sich amüsierten.

Wir stellten uns in die Schlange der Wartenden, um unsere Bestellung aufzugeben. Ich starrte auf die Speisekarte und überlegte, etwas Neues auszuprobieren, während ich ihr zuhörte, wie sie mir etwas über Max und Mitchell erzählte, ihre beiden Stiefsöhne.

Plötzlich hatte ich das Gefühl, als hätte sich die Atmosphäre im Café verändert, und ich sah mich um. Ein Kribbeln in meinem Nacken lenkte meine Aufmerksamkeit auf einen der Seiteneingänge. Ich war mir bewusst, dass December mit mir sprach. Ich lächelte und nickte in den richtigen Momenten, hatte aber keine Ahnung, was sie sagte.

Alle Geräusche im Café schienen in ein Summen überzugehen, bis sie sich in ein sanftes, weißes Rauschen verwandelten. Einen Moment lang kam es mir vor, als würde sich die Welt in Zeitlupe bewegen. Wie im Film, wenn alles auf den großen Moment hinsteuerte.

In meinem Fall erschien ein großer Mann mit dunkelblondem Haar in einem dunklen Anzug in der Tür.

Der attraktivste Mann, den ich je gesehen hatte, kam herein.

Zuversichtlich.

Kraftvoll.

Sein Haar war perfekt gestylt. An den Seiten kürzer und oben etwas länger. Und sein Gesicht war im Profil so perfekt, dass mir der Atem stockte. Er bewegte sich durch das Café und stieß niemanden an, obwohl er auf das Telefon in seinen Händen starrte.

Wäre ich eine Zeichentrickfigur gewesen, hätte ich Herzen in den Augen gehabt, so verliebt war ich von einer Sekunde auf die andere in diesen Unbekannten. Boom. Und plötzlich war alles anders, weil sich mein Herz und mein Verstand nur noch auf ihn konzentrierten.

Er war groß und muskulös und hatte eine kräftige Statur. Sein kantiger Kiefer wirkte auf mich beinahe übernatürlich attraktiv. Verpackt war die gesamte Männlichkeit in eine marineblaue Hose, die an seinen kräftigen Oberschenkeln wie maßgeschneidert saß, und ein weißes Hemd, dessen Ärmel hochgekrempelt waren und den Blick auf muskulöse Unterarme freigaben.

Heiliger Unterarm-Porno.

Ich versuchte, mich zu zwingen, ihn nicht anzustarren. Vergeblich. Dieser Mann war zu faszinierend, sodass ich den Blick nicht hätte abwenden können.

Er schien direkt auf uns zuzukommen, und ich schüttelte leicht den Kopf. Denn ich war mir sicher, dass ein Mann wie er mich nicht einmal bemerken würde.

»Vergiss nicht zu atmen«, bemerkte December grinsend und riss mich aus meiner Trance.

»Was?«, fragte ich und leckte mir über die Lippen.

»Er ist attraktiv und trägt keinen Ring. Gut möglich, dass er nicht vergeben ist«, wisperte sie.

Ich lachte laut auf, was wohl meinem seltsamen Zustand geschuldet war. Vermutlich war es auch kein anständiges Lachen, weil ich spürte, wie mich die Leute um uns herum anstarrten. Ich ignorierte sie, lehnte mich an die Schulter meiner Freundin und hakte mich bei ihr ein. Der Unbekannte hatte sich in die inzwischen endlose Schlange eingereiht und wartete darauf, seine Bestellung aufzugeben.

»Ein Mann wie er ist definitiv drei Nummern zu groß für mich«, sagte ich leise und spürte einen Stich im Herzen, während ich ihn aus den Augenwinkeln betrachtete. Sämtliche Gedanken, die mir bei seinem Anblick durch den Kopf schossen, waren beinahe schmerzhaft.

Gedanken, die ich nicht haben sollte.

Ich war single. Glücklich. Meistens. Ich brauchte niemanden.

»Nicht alle Männer sind solche Idioten wie dein Ex«, flüsterte December, ohne seinen Namen zu nennen. Ich zuckte nur mit den Schultern. Ich hatte ihr erzählt, dass ich mich getrennt hatte, und sie hatte mich mehr als ein paarmal angerufen, um mich zu fragen, wie es mir ging.

»Ich habe kein Problem damit, allein zu leben«, entgegnete ich ihr und wusste nicht, ob ich ihr oder mir etwas vormachen wollte.

»Ich weiß. Aber so ein Typ ...« Sie hob die Augenbrauen, und wir lachten beide. Und es tat gut.

Endlich konnten wir unsere Bestellung aufgeben und stellten uns etwas abseits, während wir warteten. Ich konnte nicht anders, als immer wieder den attraktiven Fremden zu betrachten.

Er sah aus wie einer der Typen auf den Covern der Liebesromane, die mir meine beste Freundin Wanda immer aufdrängen wollte. Er war an der Reihe und bestellte mit einem umwerfenden Lächeln im Gesicht. Bei dem Anblick verlor ich beinahe den Boden unter den Füßen.

Mr Unbekannt war einfach sündhaft sexy.

Decembers Telefon klingelte, und sie verließ das Café, um den Anruf entgegenzunehmen. Ich blieb mit meinen Gedanken allein und vermied es, den Fremden anzusehen. Doch das hielt mich nicht davon ab, mir vorzustellen, die Frau an seiner Seite zu sein.

»Die Bestellung für Tasha und December!«, rief die Bedienung hinterm Tresen, und ich nahm sie entgegen. Auf der Suche nach einem freien Tisch fanden meine Augen wie von selbst den Unbekannten.

Dann trafen sich unsere Blicke.

Mein Herz schlug dreimal so schnell wie gewöhnlich.

Plötzlich begann er zu lächeln. Instinktiv drehte ich mich um, weil er unmöglich mich meinen konnte, und sah eine Brünette, die auf ihn zuging und ihn umarmte.

Er hatte meinen Blick nicht erwidert.

Natürlich nicht.

Hatte ich wirklich geglaubt, ein Typ wie er würde mich sehen und sich Hals über Kopf in mich verlieben?

Das Leben war kein Liebesroman.

Ich nahm mir vor, meine Leseliste zu überarbeiten und demnächst nur noch anspruchsvolle Literatur zu lesen. Die Geschichten mit Happy End zeigten mir nur auf, was ich nicht hatte.

Mit den beiden Kaffeebechern in den Händen verließ ich das Café, ohne den Unbekannten noch eines Blickes zu würdigen, und erinnerte mich daran, wie viel einfacher das Leben als Single war. Ich musste keine Kompromisse eingehen und konnte tun und lassen, was ich wollte. Das war besser, als mir etwas vorzustellen, was unmöglich war. Ein Mann wie dieser sexy Unbekannte an meiner Seite war definitiv zu schön, um wahr zu sein.

Mike Granger

Verdammt noch mal. Ich hätte wissen müssen, dass das Café um diese Zeit brechend voll war. Die Ferien neigten sich dem Ende zu, und die Leute waren aus dem Urlaub zurückgekehrt. Aber es wirkte so, als hätte sich die halbe Stadt genau hier versammelt, um Kaffee zu trinken.

Es war es stickig und viel zu heiß. Ich öffnete den obersten Knopf meines Hemdes und sah mich um.

Ich war noch nie ein geduldiger Mensch gewesen. Meine Ex-Frau konnte ein Lied davon singen, denn wir kannten uns länger als die Hälfte unseres Lebens. Wir waren schon auf der Highschool ein Paar, wurden Eltern und heirateten aus den falschen Gründen. Wir beendeten unsere Ehe nicht im Streit, versöhnten uns sogar immer wieder, obwohl wir längst geschieden waren. Genau genommen verband uns so etwas wie Freundschaft, obwohl wir nie darüber gesprochen hatten. Das Wichtigste in unserem Leben waren immer unsere Zwillinge, Ruth und Margo.

Ihretwegen haben wir uns zusammengerissen und Vereinbarungen getroffen, obwohl wir uns manchmal nicht einmal ansehen konnten. Und es gab fast nichts, was ich nicht für meine Töchter tun würde, die inzwischen fast sechzehn Jahre alt waren und kurz vor dem Eintritt in das zweite Jahr der Highschool standen.

Sechzehn. Wann zum Teufel ist das passiert?

Ich schüttelte den Kopf und schluckte. Wo war nur die Zeit geblieben? Eben noch waren meine Mädchen pausbäckige Babys, die in meine Handfläche passten, und jetzt waren sie Teenager, die über Autos, Jungs, Partys sprachen und – noch schlimmer – ihr Studentenleben planten.

Natürlich war mir klar, dass meine Mädchen erwachsen werden würden, ob ich bereit dafür war oder nicht.

Ich schaute mich im Café um und blieb mit meinem Blick an den schönsten dunklen Augen hängen, die ich je gesehen hatte. Die Zeit schien stehen geblieben zu sein. Und für einen Moment fühlte es sich an, als hätte sich die Luft im Raum verändert. Alles wurde heller und leichter.

In meinem Hinterkopf spürte ich ein Kribbeln und in meinem Körper pure Erregung. Mein Herz schlug schneller, und ich hatte das Bedürfnis, diese Frau mit den dunklen Augen zu berühren.

Bevor ich herausfinden konnte, was zum Teufel mit mir geschah, sah ich Jessa, meine Ex-Frau. Sie tauchte unmittelbar hinter der geheimnisvollen dunkelhaarigen Schönheit auf und kam direkt auf mich zu.

Ich setzte ein Lächeln auf und ließ mich von ihr umarmen. Es war einfach ihre Art, mir zur Begrüßung um den Hals zu fallen.

»Tut mir leid, dass ich zu spät bin.« Sie zuckte mit den Schultern, und ich rollte mit den Augen. Ich war es gewohnt, dass Jessa nie pünktlich kam. Ihre Mutter scherzte immer, das läge daran, dass sie drei Wochen zu spät geboren wurde.

»Ich würde mir eher Sorgen machen, wenn du zur vereinbarten Zeit erschienen wärst«, stichelte ich, und sie lachte. Ich nutzte die Gelegenheit und sah mich nach der Unbekannten um. Doch sie war verschwunden. Hatte ich mir diesen dunkelhaarigen Engel etwa nur eingebildet?

»Geht es dir gut?«, wollte Jessa wissen. Ich räusperte mich und schenkte ihr meine Aufmerksamkeit.

»Danke, alles okay«, erwiderte ich und bemühte mich, nicht zu angestrengt zu lächeln.

Die meisten Leute, die wir kannten, konnten nicht glauben, dass sie und ich Freunde waren. Uns war es wichtig, dass die Zwillinge nicht unter unserer Trennung leiden mussten, als unsere Beziehung scheiterte. Wir mussten einsehen, dass wir nicht das Traumpaar waren, schafften es im Laufe der Jahre aber immer besser, freundschaftlich miteinander umzugehen.

»Hast du schon bestellt?«, fragte Jess.

»Einen großen Espresso, um dich ins Koma zu versetzen, und ganz viel Zucker«, murmelte ich, und sie grinste.

»Bist du heute mit dem falschen Fuß aufgestanden?«, stichelte sie, und ich zuckte mit den Schultern.

»Komm, setzen wir uns.« Ich deutete auf einen freien Tisch und zog ihr einen Stuhl heran.

»Danke.« Sie setzte sich, stellte ihre Designertasche auf den Tisch und holte ihr Telefon und ein Notizbuch heraus. Wenn sie das tat, wusste ich, dass es ein langes Gespräch werden würde.

»Mike!«, rief der Mann hinter der Kaffeebar.

»Ich mach das schon«, bemerkte ich und erhob mich, um die Bestellung abzuholen.

»Danke«, sagte Jessa und rührte in ihrem Kaffee, sobald ich ihn vor ihr abgestellt hatte.

»Gern geschehen.«

»Kannst du glauben, dass sie schon sechzehn werden?«, fragte mich Jess. Eine gewisse Traurigkeit, aber auch Stolz waren unüberhörbar. Ich wusste, wie sie sich fühlte, und räusperte mich, weil ich ebenso empfand.

»Es kommt mir vor, als wären sie gestern noch Babys gewesen.« Ich schüttelte den Kopf und grinste dann. »Erinnerst du dich an das erste Mal, als wir dachten, Margo wäre verschwunden?«

»Oh mein Gott!« Jessa bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. »Dabei lag sie bei Ruth im Bett.«

»Sie waren schon immer unzertrennlich.«

»Meistens.« Ihre Lippen zuckten.

»Ja, nicht immer«, bestätigte ich. So sehr sich meine Mädchen auch liebten, konnten sie auch dermaßen wütend aufeinander sein, dass sie tagelang kein Wort wechselten. Äußerlich waren die beiden kaum zu unterscheiden, aber ihre Persönlichkeit unterschied sich wie Tag und Nacht.

»Du weißt, dass sie planen, an unterschiedlichen Universitäten zu studieren? Genau genommen so weit wie möglich voneinander entfernt.«

»Das war abzusehen«, bemerkte ich schulterzuckend und fühlte mich plötzlich viel älter als achtunddreißig Jahre. »Aber du wolltest mit mir über die Geburtstagsparty reden«, wechselte ich das Thema und deutete auf Jessas rosa und blaugrünes Notizbuch. »Wie viel wird uns das kosten?«

Sie lachte und schüttelte den Kopf. »Ganz so schlimm wird es nicht.«

»Kann sein, dass dir Russell glaubt, wenn du das behauptest ...«

»Halt die Klappe«, rief sie grinsend.

»Wie geht es Russell und Emmy?«, wollte ich wissen.

Jessa hatte etwa ein Jahr nach unserer Scheidung einen wirklich sympathischen Mann geheiratet, mit dem sie noch einmal eine Tochter bekam.

»Emmy freut sich auf die Schule. Ab der kommenden Woche besucht sie die erste Klasse.«

»Sie kommt schon in die Schule? Wie das?«, fragte ich und schnitt eine Grimasse. Jessa zückte ihr Handy und zeigte mir ein Bild von Emmy und ihren Schwestern. Die drei saßen auf der Couch und trugen eine Art Micky-Maus-Ohren. »Sie ist wirklich groß geworden«, bemerkte ich und freute mich aufrichtig für meine Ex und das, was sie sich nach unserer Trennung aufgebaut hatte.

»Sie werden so schnell groß«, seufzte sie wehmütig. »Russell geht es auch gut. Er plant gerade eine längere Reise.«

»Das freut mich. Aber jetzt sollten wir uns auf die Party für unsere Mädchen konzentrieren.« Ich deutete auf ihr Notebook, und Jessa schenkte mir ein schiefes Lächeln.

Bevor sie den Computer öffnete, zögerte sie. Dann suchte sie meinen Blick, und ich wusste, dass sie mir etwas sagen wollte, was mir nicht gefallen würde.

»Weißt du ...«, begann sie.

»Was?« Ich nahm einen kräftigen Schluck von meinem Kaffee und wartete geduldig ab, was Jessa mir sagen wollte.

»Du könntest dich auch mal verabreden. Die Zwillinge würden sich freuen, wenn du endlich ...«

»Nicht schon wieder«, fiel ich ihr ins Wort und stöhnte innerlich auf.

»Ich kenne einige ...«

»Jess, ich will jetzt nicht darüber diskutieren.« Ich schüttelte den Kopf. »Mir geht’s gut. Ich bin glücklich mit meinem jetzigen Leben und ...«

»Du bist allein«, unterbrach sie mich.

»Nein, bin ich nicht. Ich habe die Mädchen, dich und Russell«, erwiderte ich grinsend. Jessa rollte mit den Augen, wie ich es erwartet hatte. »Im Ernst. Ich habe genug Leute um mich. Mein Leben gefällt mir so, wie es ist.«

»Du triffst dich mit irgendwelchen Frauen«, bemerkte sie mit einem abfälligen Blick, und ich lachte über das, was sie für mein Leben hielt. Ja, es kam vor, dass ich mich mit jemandem verabredete. Aber das war verdammt selten. Und in den vergangenen sechs Monaten hatte ich mit niemandem Sex.

»Wie auch immer, Jess. Danke, dass du dich um mich sorgst. Aber das ist nicht nötig, und es geht dich auch nichts an, ob ich mich mit jemandem treffe«, erklärte ich ihr sanft.

»Aber ...«

»Nichts aber. Wir beide, du und ich, wir verstehen uns gut. Und so seltsam die Situation auch ist, du bist meine beste Freundin. Für mich ist das vollkommen okay.«

»Schön zu hören. Trotzdem kenne ich da eine Frau, die dir ...«

»Wenn aber meine Freundin wieder anfängt, mich verkuppeln zu wollen«, begann ich und grinste sie an, »werde ich unsere Freundschaft noch einmal überdenken müssen.« Ich legte den Kopf schief und musterte sie einen Moment. »Eine der Frauen aus dem Elternbeirat?«, vermutete ich, und sie rollte mit den Augen.

»Eine aus Emmys Ballettgruppe«, gestand sie mir etwas verlegen.

»Ah.« Ich beugte mich zu Jessa vor. »Leute zu verkuppeln, gehört nicht zu deinen Stärken. Selbst wenn du das großartig könntest, möchte ich nicht in den Genuss kommen, okay?«

»Okay.« Sie senkte den Blick und schlug ihr Notizbuch auf, bevor sie mich fragend ansah. »Warte, was meinst du damit, dass Verkuppeln nicht meine Stärke ist?«

»Erinnerst du dich an den Versuch, meinen Bruder mit diesem einen Mädchen aus deinem Büro zu verkuppeln?«, erklärte ich ihr, und ihre Augen weiteten sich.

»Sie war ein sehr nettes Mädchen«, erwiderte sie kleinlaut.

»Jess, sie war verheiratet. Und ausgerechnet mit einem Kopfgeldjäger.«

Wir lachten beide, als wir uns an die Reaktion meines Bruders erinnerten. Selbst Jahre später wollte er nicht an das schlimmste Date seines Lebens erinnert werden. Wie sich herausstellte, war meine Ex-Frau nicht genau genug vorgegangen, als sie die Verabredung arrangiert hatte. Das Mädchen hatte angenommen, dass es sich bei meinem Bruder um eine Frau handelte, die sich für Bücher interessierte. Nicht gerade ein Blind Date. Und der muskelbepackte Ehemann des Mädchens war mitgekommen. Sobald er die Situation überblickte, hatte er gedroht, meinem Bruder die Augen aus dem Kopf zu reißen.

»Wie auch immer«, bemerkte Jessa schulterzuckend. »Wenn du meine Hilfe nicht brauchst, lasse ich es eben.«

»Danke, sehr freundlich.«

»Aber nur vorrübergehend.« Ich verzog das Gesicht. Bevor ich ihr ganz ausreden konnte, sich in mein Privatleben einzumischen, zog sie die Gästeliste für den Geburtstag der Zwillinge hervor. »Was hältst du davon?«, fragte sie und schob den Zettel zu mir herüber.

»Sieht gut aus«, erwiderte ich nickend, während ich die Liste überflog. »Meine Eltern werden begeistert sein«, fügte ich hinzu und brachte sie wieder zum Lächeln.

Wir besprachen die Einzelheiten, und ich bot an, ihr bei den Vorbereitungen zu helfen. Aber Jessa war eine leidenschaftliche Veranstaltungsplanerin, vor allem, wenn es um größere Feste ging.

»Ich schicke dir in den nächsten Tagen ein paar Vorschläge wegen der Autos«, sagte ich. Sie nickte stumm und biss sich auf die Unterlippe. »Was ist? Warum sagst du nichts?«

»Glaubst du wirklich, dass jede von ihnen ein Auto braucht? Ich meine ... so sehr haben wir sie nie verwöhnt.«

»Wenn sie keine Zwillinge wären, würden wir auch jedem von ihnen zum sechzehnten Geburtstag ein Auto schenken, oder?«

»Ja, wenn wir das finanziell hinbekommen.«

»Wir müssen ihnen ja keine Neuwagen schenken. Aber sie werden beide ein Auto brauchen. Immerhin werden sie an verschiedenen Unis studieren. Die eine an der Ostküste, die andere an der Westküste. Du kennst doch ihre Pläne.«

»Ich weiß nicht, ob das wirklich nötig ist«, gab sie zu bedenken. »Russ und ich geben gern etwas dazu. Trotzdem sind das ziemlich große Geschenke.« Ich senkte den Blick und versuchte, nicht die Fassung zu verlieren. Russell hatte ein wirklich gutes Jahreseinkommen, mit dem sie sehr gut auskommen sollten. Und ich selbst verdiente auch nicht schlecht. Daher ging es mir nicht darum, dass sich Jessa und Russ am Kauf der Autos beteiligten.

»Du weißt, dass ich finanziell auch sehr gut dastehe«, bekräftigte ich.

»Ja, aber ...«

»Kein Aber. Die Mädchen werden die Hälfte ihrer Autoversicherung selbst bezahlen, und den Rest teilen wir uns. Ich habe nicht vor, ihnen Luxuskarossen zu schenken. Sie werden solide Gebrauchtwagen bekommen, mit denen sie sicher und bequem von A nach B kommen können.«

»Okay«, stimmte sie schließlich zu und seufzte. Ich konnte die Erleichterung in ihren Augen sehen, dass ich nicht vorhatte, mich komplett zu verschulden.

»Hast du dir Sorgen gemacht, dass ich ihnen jeweils einen Maserati schenke?«, fragte ich.

»Mike, ich will nicht, dass du sie zu sehr verwöhnst.« Ich war drauf und dran zu erwähnen, dass ich schließlich ihr Vater sei, ließ es dann aber. Ja, ich verwöhnte meine Töchter. Sie waren meine Mädchen. Mein Ein und Alles. »Aber ich bin froh, dass wir darüber gesprochen haben«, fügte Jessa leise hinzu.

»Dann sind wir uns einig?«, wollte ich wissen und beobachtete, wie sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete.

»Wie immer.«

Während wir unseren Kaffee austranken, sprachen wir noch ein wenig über unsere Zwillinge. Dann begleitete ich sie zu ihrem Auto, bevor ich zurück zur Arbeit fuhr.

Als ich das Bürogebäude betrat, war die Rezeption unbesetzt und die Empfangsdame nirgends zu sehen. Das war nicht ungewöhnlich, weil es zu Jeanies Aufgaben gehörte, die Post an die Kollegen zu verteilen. Daher war sie immer mal wieder im Haus unterwegs.

Doch als ich auf dem Weg in mein Büro an der Personaltoilette vorbeikam, öffnete sich die Tür, und Jeanie schrie erschrocken auf.

»Oh mein Gott!«, rief sie. »Mr Granger, es tut mir leid. Ich habe Sie nicht gesehen.«

Normalerweise war sie temperamentvoll und fröhlich. Jetzt wirkte sie beinahe verängstigt, und ihr Gesicht war auffallend blass.

»Kein Problem«, erwiderte ich. »Ist alles in Ordnung, Jeanie?«

Ihr besorgter Blick wanderte über meine Schulter zur Tür. Dann schenkte sie mir ein knappes Lächeln und ein Nicken und eilte zu ihrem Schreibtisch.

Ihr Verhalten war seltsam, aber ich versuchte, es mit einem Achselzucken abzutun. Doch dann öffnete sich die Tür zur Personaltoilette erneut, und Silas Daniels kam heraus. Er rückte seine Krawatte zurecht und grinste überheblich. Ich runzelte die Stirn. Unsere Blicke trafen sich für einen Moment, bevor er den Blick abwandte und auf sein Büro am anderen Ende des Gebäudes zusteuerte.

Ich mochte den Kerl nicht. Er hatte etwas Schäbiges an sich. Allerdings war er der Schwiegersohn des Eigentümers der familieneigenen Versicherungsgesellschaft, die ich leitete. Schon in meiner zweiten Woche wusste ich, dass ich mit diesem Kerl nie zurechtkommen würde. Er war ein Idiot, eingebildet und arrogant. Außerdem war er ein notorischer Besserwisser. Nur sein Chef, der auch sein Schwiegervater war, hatte eine gute Meinung von ihm. Egal, welchen Fehler Silas machte, er kam damit durch.

Wenn er etwas mit Jeanie anfing und sich dabei nicht erwischen ließ, hatte er auch keine Konsequenzen zu befürchten. Allerdings wäre das anders, wenn ihm einer meiner Kollegen auf die Schliche kommen und ihn anschwärzen würde. Denn Verhältnisse mit den Mitarbeiterinnen tolerierte auch mein Chef nicht.

Es ging mich zwar nichts an, aber diese Vorstellung gefiel mir.

Mike

Einen Monat später ...

»Danke, Randy«, sagte ich zu einem der Agenten.

»Jederzeit, Mike«, erwiderte er und verließ mein Büro. Im nächsten Moment klingelte mein Handy. Ich warf einen Blick auf das Display und wusste, dass es dringend war, weil mich Jessa selten anrief. Wir bevorzugten es beide, uns persönlich zu treffen oder uns Nachrichten zu schicken.

»Hey, alles in Ordnung?«

»Ähm, ja, irgendwie schon.« Die Sorge in ihrer Stimme ließ mich aufhorchen.

»Was ist los?«

»Es ist nur ... Ich muss dich um den größten Gefallen der Welt bitten. Ja, ich weiß, dass ich dich nerve, aber ...«

»Ganz ruhig, Jessa. Sag mir, was passiert ist.«

»Ich hatte einen Termin mit einem Paar. Sie wollten sich einen Ort für ihre Hochzeit ansehen. Und jetzt stecke ich im Stau.«

»Okay. Und weiter?«

»Da muss irgendwo ein Unfall passiert sein. Und Russ ist auf Geschäftsreise in Portland.«

»Jess, was kann ich für dich tun?«

»Emmy kommt in zwanzig Minuten aus der Schule, und ich werde es auf keinen Fall rechtzeitig schaffen. Würdest du sie bitte abholen? Bitte.«

»Jessa ...«

»Ich weiß, dass du viel zu tun hast«, unterbrach sie mich. »Und Emmy ist ja auch nicht deine Tochter. Es tut mir wirklich, wirklich leid. Ich habe es bei allen anderen versucht, aber Krissy und Mom sind auf dieser Kreuzfahrt. Und Russ’ Eltern wohnen eine Stunde entfernt.« Ihre Stimme begann zu brechen. Vermutlich war sie den Tränen nah.

»Ganz ruhig, Jess.«

»Ich war noch nie auch nur zehn Minuten zu spät, um eines der Mädchen abzuholen. Aber dieser Stau ... Mike, es tut mir so leid«, erklärte sie und schluchzte.

»Mach dir keine Sorgen um Emmy. Ich hole sie von der Schule ab.«

»Kannst du einfach so aus dem Büro verschwinden?«

»Ja, kein Problem«, versicherte ich ihr.

»Danke! Vielen Dank, Mike«, sagte sie erleichtert und schniefte.

»Beruhige dich, okay? Ich hole Emmy ab. Wann haben die Zwillinge Schulschluss?«

»Um fünf. Sie haben heute Langlauftraining.«

»Okay.« Ich holte tief Luft und warf einen Blick in meinen Terminkalender. Zum Glück hatte ich keine weiteren Termine. »Ich nehme mir den Rest des Tages frei, gehe mit Emmy ein Eis essen und bringe sie dir vollgepumpt mit Zucker zurück«, neckte ich Jess.

»Das ist so lieb von dir, Mike«, antwortete sie mir, und ich konnte beinahe hören, wie sie wieder lächelte.

»Das ist mein voller Ernst«, erwiderte ich grinsend und griff nach meinen Schlüsseln.

»Ich weiß.« Sie räusperte sich. »Kannst du mir Bescheid sagen, sobald Emmy bei dir ist?«

»Mach ich«, versprach ich und beendete das Gespräch.

Ich schickte eine E-Mail an meine Kollegen und Chefs, dass ich für den Rest des Tages weg sein würde, und machte mich auf den Weg zur Grundschule. Es war schon Jahre her, seit ich zuletzt hier war, und ich hatte offenbar vergessen, dass alle Mütter und Väter zur selben Zeit ihre Kinder von der Schule abholten. Meine Töchter waren jetzt sechzehn, aber ich erinnerte mich wieder daran, wie begehrt jeder einzelne Parkplatz in der Nähe war.

Ich stellte meinen Wagen am anderen Ende des überfüllten Parkplatzes ab und ging zu der Tür, an der die Erstklässler auf ihre Eltern warteten.

Beinahe sofort entdeckte ich Emmys blondes Haar und winkte der Kleinen zu.

»Emmy!«, rief ich, doch sie konnte mich in dem ganzen Trubel nicht hören. Ich ging weiter auf sie zu, noch einmal rufend, und winkte, um sie auf mich aufmerksam zu machen.

Schließlich blickte das Mädchen auf und winkte mir schüchtern zu, ohne den Arm der Frau neben ihr loszulassen. Als sich die Frau zu mir umdrehte und sich ihr dunkles Haar aus dem Gesicht strich, beschleunigte sich mein Puls.

Das war sie.

Die schöne Unbekannte, die ich vor ein paar Wochen im Café gesehen hatte.

Ich hatte wieder das Gefühl, die Zeit würde stehen bleiben, als sie auf mich zukam.

»Hallo, kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie, sobald sie den hohen Zaun erreicht hatte, der die Schule umgab. Aus der Nähe betrachtet, war sie noch attraktiver.

»Hallo, ich wollte Emmy abholen.«

»Es tut mir leid, aber ich kann sie Ihnen nicht mitgeben«, entgegnete sie mir. Dann zuckte sie kaum wahrnehmbar zusammen, und ich runzelte die Stirn.

»Warum denn nicht?«

»Sie stehen nicht auf ihrer Notfallkarte«, teilte sie mir mit. Ich hatte keine Ahnung, woher sie das so genau wusste. Deshalb überlegte ich, mit welchem Argument ich die attraktive Lehrerin umstimmen konnte. Denn Jessa würde ausrasten, wenn ich ihre Tochter nicht mitnehmen durfte. Und sie schuldete mir einen verdammt großen Gefallen.

»Ja, weil ich ihr Vater bin«, behauptete ich, ohne darüber nachzudenken, was ich da sagte.

»Ihr Dad?« Ihr hübsches Gesicht bekam einen Zug, den ich nicht deuten konnte. Beinahe automatisch nickte ich und bekräftigte damit meine Lüge. Dann beobachtete ich, wie sie sich zu Emmy hinunterbeugte und sie anlächelte. »Schatz, kannst du mir einen Gefallen tun und Mrs Black etwas von mir ausrichten?« Sobald Emmy nickte, beugte sie sich weiter vor und flüsterte der Kleinen etwas ins Ohr. Emmy lächelte.

»Okay«, sagte die Kleine und sah mich dann aus ihren großen blauen Augen an. »Bye, Mike«, fügte sie hinzu und winkte. Ich zuckte innerlich zusammen und hatte das ungute Gefühl, dass ich es vermasselt hatte.

Kaum war das Mädchen außer Hörweite, runzelte ihre Lehrerin die Stirn. »Ich weiß nicht, wer Sie sind. Deshalb kann ich Emmy nicht in Ihre Obhut geben.«

»Hören Sie, Lady, ich bin ihr Vater«, behauptete ich erneut. Die hübsche Lehrerin hob die Augenbrauen, was sie noch attraktiver wirken ließ.

»Noch einmal: Ich weiß nicht, wer Sie sind, aber Sie sind definitiv nicht Emmys Dad. Ihr Vater heißt Russell, und er ist Mitglied der Elternvertretung.«

Verdammter Mist.

»Und jetzt gehen Sie besser, bevor ich die Polizei rufen muss.«

»Das ist keine schlechte Idee. Und bei der Gelegenheit könnten Sie bitte auch noch Emmys Mom anrufen.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust und spürte, dass mir langsam der Geduldsfaden riss. Andererseits war die kleine Auseinandersetzung mit der attraktiven Brünetten ausgesprochen unterhaltsam, ja geradezu faszinierend. Ich durfte nur nicht darüber nachdenken, was hier gerade passierte. Dass ich meiner Ex einen Gefallen tun wollte und mich nun vielleicht mit der Polizei auseinandersetzen musste.

»Also gut.« Sie holte ein Telefon mit einer pinkfarbenen Hülle aus ihrer Tasche, ohne mich aus den Augen zu lassen. Dann wählte sie und wandte sich ab.

Und ich wusste nicht, ob ich wütend sein oder über diese seltsame Situation lachen sollte.

Tasha

Von Weitem sah ich, wie Cobi Mayson auf uns zukam. Ich kannte ihn, nachdem ihn mir December vor einiger Zeit als ihren Cousin vorgestellt hatte. Er war groß, wirkte immer etwas nachdenklich und war ein sehr gut aussehender Mann. Eigentlich waren alle Maysons umwerfend, zumindest die, die ich bisher kennengelernt hatte. Trotzdem war keiner von ihnen eingebildet oder arrogant, sondern einfach attraktiv und dabei sehr liebenswürdig.

Cobi begrüßte uns mit einem leichten Nicken und kam sofort zur Sache. »Was ist das Problem?«, wollte er wissen und schaute zwischen mir und dem Mann, der sich als Russell Thompson ausgegeben hatte, hin und her.

»Es handelt sich um ein großes Missverständnis. Ich bin hier, um Emmy Thompson von der Schule abzuholen. Ihre Mutter hat mich darum gebeten«, erklärte der Unbekannte, und Cobi sah mich fragend an.

»Tasha?«, fragte er, als er mich erkannte.

»Tasha?«, wiederholte der äußerst attraktive Unbekannte, bevor ich etwas sagen konnte. Er betrachtete mich mit seinen blauen Augen und sah dann Cobi prüfend an. »Sie beide kennen sich?«, hakte er mit einem missgelaunten Unterton nach. Sowohl Cobi als auch ich starrten ihn an.

»Miss Torres ist eine Freundin der Familie«, antwortete Cobi knapp. Obwohl ich seine Reaktion wirklich süß fand, hatte ich Mühe, meinen Blick von dem Unbekannten zu lösen, und nickte nur. Dann bemerkte ich einen Streifenwagen, der neben uns hielt.

»Er steht nicht in der Liste der Notfallkontakte«, informierte ich Cobi und spürte, wie nah der Unbekannte plötzlich neben mir stand. Ich mochte es eigentlich nicht, wenn mir fremde Leute zu nah kamen, doch erstaunlicherweise machte es mir in seinem Fall nichts aus.

»Woher wollen Sie das wissen? Sie haben das ja nicht einmal überprüft«, wandte er ein. Plötzlich erinnerte ich mich daran, warum ich gern etwas mehr Abstand hielt, trat einen Schritt zurück und runzelte die Stirn.

»Auf Emmy Thompsons Liste stehen neben ihrer Mutter nur drei Personen, die ich alle persönlich kennengelernt habe. Das sind ihre Großmutter und ihre Zwillingsschwestern«, sagte ich so ruhig wie möglich. Was ehrlich gesagt nicht leicht war.

Nach den Ereignissen vor zwei Jahren war ich noch vorsichtiger, wenn es um die Sicherheit meiner Schüler ging. Daher lernte ich die Notfallkontakte aller Kinder meiner Klasse auswendig. Das war in diesem Schuljahr nicht besonders schwer, weil meine Klasse recht klein war.

»Die Zwillinge sind meine Töchter«, bemerkte der Unbekannte und seufzte. Intuitiv brachte ich noch etwas mehr Abstand zwischen uns. Auch Cobi schien bemerkt zu haben, wie genervt der Fremde war, und platzierte sich genau zwischen uns, ohne den Mann aus den Augen zu lassen.

»Sie wollen damit wohl andeuten ...«

»Emmy ist die Tochter meiner Ex-Frau Jessa Thompson. Ich wollte die Kleine nur von der Schule abholen.« Seine Kiefermuskulatur arbeitete, wie ich fasziniert feststellte. Ebenso interessiert war ich an seinem kantigen Kinn, das sehr sexy war. Bei dem Anblick lief mir ein wohliger Schauer über den Rücken – die wohl unpassendste Reaktion auf einen möglichen Kindesentführer.

»Aus welchem Grund, Sir? Hatten Sie einen Streit mit Ihrer Ex?«, hakte Cobi nach und tastete nach den Handschellen an seinem Gürtel.

»Wie bitte?« Die eben noch strahlend blauen Augen des Mannes wirkten jetzt dunkler. »Verdammt, nein! Wir sind Freunde. Ich wollte doch nur ...«

»Okay, Sir, dann drehen Sie sich mal um«, forderte Cobi ihn auf und zeigte ihm die Handschellen. Ein Muskel unter einem Auge des Fremden begann zu zucken.

»Das kann unmöglich Ihr Ernst sein.«

»Kindesentführung ist ein schwerwiegender Vorwurf«, entgegnete ihm Cobi trocken.

»Kindesentführung?«, rief er überrascht. Ich drehte mich um und hoffte, dass uns Emmy nicht hören konnte. Zum Glück hatte December sie ins Büro gebracht. »Das ist verdammt ...«

»Achten Sie auf Ihren Ton, Sir«, warnte ihn Cobi. Der Kerl knurrte zwar, drehte sich dann aber um und ließ sich anstandslos die Handschellen anlegen. Im nächsten Moment sah ich Jessa Thompson auf uns zu rennen.

»Es tut mir so leid!«, rief sie. »Was ist passiert? Mike! Warum hat man dir Handschellen angelegt?«

»Ich stehe nicht auf der Liste der Notfallkontakte, Jess«, scherzte er. Ihre Augen weiteten sich, und in meinem Inneren breitete sich ein Gefühl tiefer Schuld aus. Schlagartig war ich mir sicher, dass ich die Situation vollkommen falsch eingeschätzt hatte.

Zum Glück schienen Cobi Mayson und ein weiterer Beamter, der sich zu uns gesellt hatte, dasselbe zu denken. »Hören Sie, Ma’am, wir sollten uns vielleicht in Ruhe unterhalten und ...«

»Thompson«, unterbrach sie ihn. »Ich bin seine Ex-Frau«, bekräftigte sie, und ich spürte den brennenden Blick des Fremden auf mir.

»Ich bin übrigens Mike Granger«, stellte sich der vermeintliche Straftäter vor und betrachtete mich eingehend. Von Kopf bis Fuß und wieder zurück.

Ausgerechnet jetzt, in dieser für mich so peinlichen Lage.

Jessa Thompson riss mich aus meinen Gedanken, als sie erklärte, dass sie vergessen hätte, ihren Ex-Mann auf die Liste zu setzen. Sie entschuldigte sich ausgiebig, bei Cobi, mir und ihrem Ex. Dann erzählte sie uns, dass sie ewig in einem Stau gesteckt und daher ihren Ex gebeten hätte, Emmy abzuholen.

Aus den Augenwinkeln betrachtete ich den vermeintlichen Entführer. Er kam mir irgendwie bekannt vor. Und plötzlich wusste ich, woher.

Er war der sexy Mann, der mir vor ein paar Wochen in dem Café aufgefallen war. Derjenige, der mir seitdem mehr als einmal in den Sinn gekommen war. Und endlich wusste ich, wie er hieß.

»Okay. Tut mir leid, dass ich Ihnen Handschellen angelegt habe«, entschuldigte sich Cobi. »Dienstvorschriften«, fügte er hinzu, und der andere Beamte konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen.

Wenn ich nur Beobachter der Situation gewesen wäre, hätte ich das auch lustig gefunden. Doch ich war diejenige, die die Polizei informiert hatte, und wäre am liebsten im Boden versunken.

»Sie haben nur Ihren Job gemacht«, murmelte der nunmehr nicht ganz Unbekannte und rieb sich die nun befreiten Handgelenke.

»Miss Torres, es tut mir so leid«, sagte Emmys Mutter, und ich errötete bis über beide Ohren. Das Ganze war einfach zu peinlich.

»Mir tut es leid. Ich kenne Emmys Vater. Deshalb habe ich ...«, stotterte ich, bis Mrs Thompson verständnisvoll nickte.

»Das stimmt. Russell ist in der Elternvertretung«, bestätigte sie sanft. »Sie haben das Richtige getan. Miss Torres.« Dann beugte sie sich zu mir vor, und ehe ich mich versah, umarmte sie mich.

Die meisten Schaulustigen waren bereits gegangen, und alle Kinder waren abgeholt worden. Mrs Thompson sprach mit ihrem Ex, bevor die beiden ins Schulgebäude gingen, um Emmy abzuholen.

»Du hast nichts falsch gemacht«, ermutigte mich Cobi. Ich drehte mich um und sah ihn an. »Vor allem nach dem ...« Er räusperte sich. »Du hast nur dafür gesorgt, dass die Kleine nicht mit einem Fremden weggeht. Zum Glück gibt es diese Notfallkarten. Und wenn dir dein Bauchgefühl sagt, dass etwas nicht stimmt, ist es gut, darauf zu hören. Es gibt keinen Grund, dir Vorwürfe zu machen.« Bevor ich etwas erwidern konnte, nickte er mir zum Abschied zu und ging zu seinem Wagen.

Ich fröstelte leicht und machte mich auf den Weg ins Klassenzimmer, um meine Sachen zu holen. Noch immer konnte ich nicht fassen, dass ich ausgerechnet diesen Mann beschuldigt hatte, ein Kind entführen zu wollen. Den, der mir seit einigen Wochen nicht mehr aus dem Kopf ging. Und dann habe ich ihn nicht mal erkannt ...

Was für ein toller erster Eindruck, Tasha, dachte ich und seufzte.

Nachdem ich meine Sachen geholt hatte, ging ich zum Parkplatz. Unterwegs traf ich einige andere Lehrer, denen ich nur zuwinkte. Auf ein Gespräch über die Ereignisse der vergangenen halben Stunde wollte ich mich nicht unbedingt einlassen.

Ich öffnete den Kofferraum meines älteren Toyota RAV4 und warf meine Sachen hinein. Nicht weit entfernt standen Mrs Thompson und ihr heißer Ex-Mann namens Mike und unterhielten sich. Emmy hielt die Hand ihrer Mutter.

Von meinem Wagen halb verdeckt, beobachtete ich die beiden und fragte mich, warum sie nicht mehr zusammen waren. Sie schienen sich besser zu verstehen als jedes andere geschiedene Paar, das ich kannte. Wer würde schon anbieten, das Kind seiner Ex abzuholen, das sie mit einem anderen hat? Allein dadurch wurde dieser attraktive Mann noch interessanter.

Verdammt.

Ich konnte meinen Blick nicht von den beiden abwenden. Erst recht nicht, als sich Mike hinkniete und Emmy umarmte. Ohne es zu wollen, breitete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus, das sich verstärkte, als er etwas sagte und die Kleine laut lachte. Dann erhob er sich, zerzauste ihr Haar und half ihr in den Wagen.

Sie winkten einander zu, und ich schaffte es endlich, meinen Blick abzuwenden und nicht länger zu spionieren. Ich hörte, wie der große Wagen wegfuhr und im nächsten Moment Schritte hinter mir. Ich atmete tief ein.

Großartig.

Vermutlich wollte er mir Vorwürfe machen, und ich konnte es ihm nicht verdenken. Er war seiner Ex-Frau behilflich und wäre meinetwegen fast verhaftet worden.