Urlaub für die Leiche - Arina Mey - E-Book

Urlaub für die Leiche E-Book

Arina Mey

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Beschreibung

Urlaub für die Leiche: ein Wohlfühlkrimi von Arina Mey. Das Stricken beruhigt die Nerven? Nicht bei Irina und Ludmilla! Die Kusinen genießen ihren Urlaub auf Teneriffa, doch gleich am zweiten Tag geschieht in ihrem Hotel ein Mord und die Mordwaffe, eine Stricknadel, gehört Ludmilla! Das nimmt sie persönlich… Zu Irinas Überraschung, wohnt im Hotel auch ihr Freund Hauptkommissar Wadim, der mit seinem Onkel zu Forensischem Symposium gekommen ist. Die spanische Polizei zieht ihn zur Aufklärung des delikaten Falls hinzu, und natürlich, mischen sich auch die Kusinen wieder ein. Kurz nach dem ersten Mord passiert noch der zweite und die Zeit für die Aufklärung wird allmählich zu knapp, aber nicht für unseren Kusinchen, die wieder mal Vollgas voraus halten und bringen sich dabei in Lebensgefahr. Diesmal könnte sie sogar die Polizei nicht retten…

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Seitenzahl: 214

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Arina Mey

Urlaub für die Leiche

Buch

Die Kusinen Irina und Ludmilla genießen ihren Urlaub auf Teneriffa, doch gleich am zweiten Tag geschieht in ihrem Hotel ein Mord und die Mordwaffe gehört Ludmilla!

Zur Irinas Überraschung, wohnt im Hotel auch ihr Freund, Hauptkommissar Wadim, der mit seinem Onkel zum Forensischen Symposium gekommen ist. Die spanische Polizei zieht ihn zur Aufklärung des delikaten Fallshinzu, und natürlich, mischen sich auch die Kusinen wieder ein.

Kurz nach dem ersten Mord passiert auch noch der zweite und die Zeit für die Aufklärung wird allmählich knapp, aber nicht für unseren Kusinchen, die wieder mal Vollgas voraus halten und bringen sich dabei in Lebensgefahr. Diesmal könnte sie sogar die Polizei nicht retten…

Autorin

Arina Mey wurde in Sankt Petersburg geboren und lebte zehn Jahre in der Hansestadt Nowgorod, wo die skurrilen Kusinen, als Figuren ihrer Romanreihe entstanden.

Seit über zwanzig Jahren lebt sie in Niedersachsen und schreibt Romane in deutscher Sprache. Dies ist der dritte Roman ihrer Buchreihe über die neugierigen Kusinen.

ARINA MEY

URLAUB

FÜR DIE

LEICHE

Wohlfühlkrimi

Copyright © Arina Mey. 2025

Alle Rechte vorbehalten.

In Vertretung von Arina Mey – M. Meyer, Eichelkamp 41, 38440, Wolfsburg, Germany

Druck und Vertrieb: epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Köpenicker Straße 154a, 10997Berlin

Arina Mey. Urlaub für die Leiche. Wohlfühlkrimi. 2025. Coverdesign und Coverbild: M. Meyer

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1. Zwei links, zwei rechts, eine liegen lassen

Kapitel 2. Ein Fall vom Wasserfall

Kapitel 3. Im Garten Eden

Kapitel 4. Die Gurke

Kapitel 5. Nichts geht mehr

Kapitel 6. Der Ausflug zu den Pyramiden

Kapitel 7. Die Kunstführung

Kapitel 8. Nur ein Blinder kennt den Weg

Kapitel 9. Orchideen und wilde Tiere

Kapitel 10. Das kleine Häuschen

Kapitel 11. Die ‚heilige‘ Maria

Kapitel 12. Mit Pauken und Trompeten

Kapitel 13. Déjà-vu des Onkels

Kapitel 14. Professor kommt zu spät

Kapitel 15. Die langen Schatten

Die Personenliste

Die Kusinen

Irina, Journalistin aus Nowgorod

Ludmilla, ihre Kusine aus Deutschland

Die Polizisten

Hauptkommissar Wadim, Irinas Freund

Onkel Wladimir, der Forensiker

Wiktor, blinder Polizist aus Deutschland

Die Hotelgäste

Herr und Frau Dünnbier, die Rentner

Dr. Popowitsch, der Anwalt

Der Professor

Die Spanier

Basil, der Manager des Hotels

Maria, seine Frau

Der Gärtner

Pako Villano, ein Kleinkrimineller

Die Deutschen

Hans und Anna, die Restaurantbesitzer

Der Mann im Casino

Kapitel 1

Zwei links, zwei rechts, eine liegen lassen

Ein großer schwarzer Hund saß auf der Bank vor der Kirche und betrachtete das Meer. Das Meer roch wie immer: nach frischer Brise und verfaulten Algen. Die grün-blauen Wellen schäumten auf halbem Weg zum Strand hoch und zerbrachen an dem großen schwarzen Stein. Das Vulkangestein zischte und knisterte bei deren Rücklauf.

Auf der Bank neben dem Hund war ein Platz frei und Irina ließ sich nieder. Der Hund rührte sich nicht. Sie sah ihn sich genauer an: Es war ein Mischling aus Neufundländer und Dogge. Um seinen kräftigen Hals trug er ein gelbes Halsband mit drei schwarzen Punkten.

Irina atmete die Meeresluft tief ein und sah sich um: Zu ihrer Linken schlängelte sich die Promenade treppab, treppauf, vorbei an den kleinen Läden mit allerlei Touristenkram. Die Kuppel der Kirche ragte über die Häuser und ein Restaurant aus dem grauen Stein duckte sich vor den Balkonen des ältesten Hotels der Stadt.

Sie drehte ihren Kopf nach rechts. Dort unten, wo halbnackte Touristen und Einheimische sich auf Liegen in den berühmten Meerwasserbädern breit machen, leuchteten die Sonnenschirme in allen erdenklichen Farben.

Weiter zur Mitte sah Irina das alte Fort und vor ihren Augen - nur das Meer, das in den Horizont überging.

Sie drehte ihre Hand um und der Hund schnüffelte und leckte an ihrer Handoberfläche.

„Du bist ein schönes Tier!“

„Das ist eine Hündin und sie heißt Mäuschen“, der Mann, der neben dem Hund saß sprach, ohne seinen Kopf zu bewegen. „Ich kann Sie nicht sehen, aber Mäuschen mag Sie.“

„Haben Sie sie schon lange?“

„Nein, seit zwei Jahren. Da war ich noch Polizist in Deutschland.“

„Sie sprechen aber gut Russisch!“

„Ich komme aus Leipzig. Das heißt jetzt aus den neuen Bundesländern.“

„Ich habe davon gehört. Meine Kusine lebt jetzt in Deutschland. Ich hatte auch einen Neufundländer. Sie ist mit zehn Jahren gestorben...“ Irina seufzte.

„Ich wüsste nicht, was ich ohne mein Mäuschen tun würde!“, der Mann legte seine Hand auf den Kopf des Tieres und es freute sich und wedelte mit seinem gewaltigen Schwanz.

„Sind Sie zur Erholung hier oder leben Sie in Puerto?“ Irinas journalistische Neugier kam wieder mal durch.

Der Mann lächelte.

„Beides. Meine Frau hat hier ein Häuschen geerbt.“

„Nettes Plätzchen zum Leben! Sind Sie jetzt in Rente?“ Irina meinte seine Blindheit, aber das Wort Invalidenrente kam ihr nicht über die Lippen.

„Nein, so alt bin ich nicht. Da immer noch die Möglichkeit besteht, mein Augenlicht wiederzuerlangen, wurde ich vorübergehend suspendiert und habe einen Schwerbehindertenausweis bekommen. Und was machen Sie hier?“

„Einen ganz gewöhnlichen Urlaub. Vor drei Tagen rief mich mein liebes Kusinchen an und bat mich, für ihren Mann einzuspringen. Die beiden hatten es seit langem vor, nach Teneriffa zu fliegen, aber Ralf wurde von seinem Chef auf eine dringende Dienstreise geschickt. Und nun bin ich an seiner Stelle hier!“

„Da haben Sie aber Glück! Ich heiße übrigens Wiktor.“

„Irina. Ah, da kommt mein Bus. Ich muss zurück ins Hotel. Alles Gute! Vielleicht treffen wir uns mal wieder.“

Basil, Chef und Managerdes teuersten Hotels in Puerto, hatte heute ausgezeichnete Laune. Er machte seine wöchentliche Führung für die neuen Gäste, durch die offenen und auch die sonst verborgenen Bereiche des Hotels. Sein Vorgänger hatte das eingeführt und die Gäste liebten es. Auch der Chef fand Gefallen daran.

Die Führung begann im Garten, führte in den unterirdischen Teil des SPA-Gebäudes, wo man sehen konnte, wie das Wasser in den Pools und Whirlpools ganz ohne Chlor gereinigt wird und welche Aromen für die verschiedenen Saunas verwendet werden. Danach durften die Gäste durch die ökologische Wäscherei, vorbei an riesigen vollautomatischen Waschmaschinen und Trocknern, bis in die zu dieser Zeit geschlossene Küche. Danach - in die Mitarbeiterkantine und sogar in den Überwachungsraum mit dem einzigen Computer, von dem aus man feststellen konnte, ob jemand im Zimmer war, weil das Licht nur mit der Key-Card funktionierte.

Irina und Ludmilla waren bei dem Rundgang, der leider auf Englisch kommentiert wurde, auch dabei. Wann erhält man sonst die Gelegenheit, einen Blick hinter die Kulissen eines Luxushotels zu werfen?

Höhepunkt des Rundgangs war die Besichtigung der Royal Suite. Sie bestand aus drei Räumen mit antiken Möbeln, moderner Technik und einem eigenen Whirlpool im bunt verglasten Erker. Ob dort wirklich einer der Könige verweilt hat, wurde nicht geklärt.

Die Teilnehmer besprachen noch ihre Eindrücke von der Exkursion unter sich und stiegen, statt den Aufzug zu nehmen, eine breite, geschwungene Treppe hinunter. Ihre Stufen waren mit rotem Samt bedeckt, die Geländersprossen aus klarem Plexiglas waren in Messing eingefasst und ihr Handlauf war mit Leder gepolstert.

„Ein Traum“, murmelte Ludmilla.

„Ja, es fehlt hier nur noch ein Filmstar!“, stimmte Irina zu.

Der Hotelmanager entfernte sich eilig von der Gruppe und war jetzt ein paar Stufen tiefer. Er stand am Ende der Treppe und drehte sich um, um sich zu verabschieden.

Einer der Hotelgäste kam an ihm vorbei und begrüßte ihn: „Dobrij Djen!“

Der Mann, der Basil mit kaum merkbarem Akzent auf Russisch begrüßte, trug eine Brille und vorne eine leichte Glatze. Er beobachtete die Reaktion des Chefs mit großem Interesse.

Basil stolperte und blieb stehen. In einer Sekunde wechselten die Emotionen auf seinem Gesicht von einem kurzen Schock über Angst und Hass bis hin zu freudiger Verlegenheit.

„Oh, mein Lieber Herr, Sie haben mich mit jemandem verwechselt! Tut mir leid, ich spreche kein Russisch!“ Sein Lächeln, mit dem er den Gast ansah, wirkte fast echt.

Der Mann mit der Brille warf ihm einen langen verständnisvollen und entschlossenen Blick zu.

„Sorry, es ist mein Fehler!“ Und er lief weiter.

Die Kusinen standen seit fünf Minuten unter einem Baum mit unbekannten Früchten und fragten sich, ob man sie essen könne.

„Wenn wir hier wie im Märchenland sind, kann es passieren, dass uns von diesen Beeren Eselsohren oder Hörner wachsen“, Irina war dagegen, sie zu probieren.

Ihre Kusine Ludmilla war wieder einmal auf dem Abenteuerpfad und hatte schon die Hand nach den Beeren ausgestreckt. Zum Glück wurde sie von einem Gästepaar abgelenkt.

Auf der roten Brücke im asiatischen Stil standen eine sehr alte Frau und ein viel jüngerer Mann. Sie taten es als würden sie die kleinen roten Fische unter der Brücke beobachten. Beide sprachen zu leise, um sie zu hören, obwohl die Kusinen nur wenige Meter von ihnen entfernt waren. Als der Mann bemerkte, dass die Frauen sie beobachteten, nahm er die Alte am Arm und führte sie zum Vogelgehege.

Enttäuscht blickte Ludmilla ihnen hinterher: „Haben sie geflüstert? Sie haben eine Urlaubsromanze!“

„Das glaube ich nicht“, schüttelte Irina den Kopf. „Ich habe die Frau mit ihrem Mann beim Frühstück gesehen. Und der hier ist der Mann, der den Hotelchef auf der Treppe in Verlegenheit gebracht hat.“

„Wir könnten uns auch mal die Vögel ansehen!“

Ludmilla war wieder ganz in ihrem Element.

„Sei nicht so neugierig! So etwas macht man nicht!“

„Und diese Worte kommen von einer Journalistin!“

Das Gehege für die Schwäne war ein großer runder Teich mit einer kleinen Insel in der Mitte. Am Rande des Teiches wuchsen niedrige Büsche und gigantische, für Kusinen unbekannte Pflanzen. Ihre sattgrünen Blätter, jedes davon größer, als Irinas Kopf, leuchteten hindurch in den Strahlen der untergehenden Sonne.

Obwohl es bis zum Schwanenhäuschen gute hundert Meter waren, fühlten sich die Frauen etwas unwohl.

„Sind die Schwäne immer aggressiv und gefährlich?“ Ludmilla traute sich nicht zu nah zu den Vögeln.

„Ach, Quatsch, ohne Grund werden keine Tiere aggressiv. ‚Schwäne gehören zur Gattung der Entenvögel, Familie der Gänse, und werden bis 15 Kilogramm schwer‘, an mehr kann ich mich leider nicht mehr erinnern“, Irina traf Ludmillas fragenden Blick. „Ich habe mal einen Artikel über sie geschrieben. Für die Zeitung.“

„Wie alt können sie denn werden?“, fragte Ludmilla neugierig.

„Ich glaube, etwa zwanzig Jahre oder so.“

„Wow! Und warum hattest du einen Artikel über Schwäne geschrieben? Du bist ja immer für Kultur zuständig gewesen.“

„Der Schwan wurde schon bei den Griechen verehrt, als ‚Göttin der Schönheit‘, und hat seine Spuren in Kunst und Kultur hinterlassen.“

„Sind sie nur ... Pflanzenfresser?“ Ludmilla stellte sich sicherheitshalber hinter den Busch, als ein Vogel in ihre Richtung sah.

„Sie ernähren sich hauptsächlich von Wasserpflanzen vom Gewässergrund und nur ganz wenig von Wasserinsekten und Mollusken oder kleinen Fischen und Fröschen.“

Das Paar, dessentwegen die Kusinen so nah zu den Schwänen kamen, wurde lauter, aber einzelne Worte konnten sie dennoch nicht verstehen. Die Vögel wurden immer unruhiger. Ein Schwan richtete sich auf und fing an, seine Flügel auszubreiten.

„Oh, wenn er jetzt noch zu fauchen beginnt ...“

Ludmilla zupfte ihre Kusine am Rock und zog sie hinter den Busch. „Sicher ist sicher!“

Das beobachtete Paar drehte sich um und ging zum Hotelrestaurant. Die Schwäne beruhigten sich. Die Frauen verließen ihren Schutz und entfernten sich rasch von den gefährlichen Vögeln.

Als sie schon in der Nähe des großen Pools wa-ren, fragte Ludmilla: „Wenn sie uns doch angegriffen hätten, was hättest du getan?“

Irina überlegte kurz. „Wenn sich der Schwan nicht beruhigen lässt und auf einen zukommt, sollte man nicht wegrennen. Das ist das Allerwichtigste. Man soll sich größer machen: nach vorne beugen, die Jacke hinten hochheben und laut zurück fauchen. Also, zeigen, wer der Boss ist.“

„Klappt das auch, wenn man Angst hat? Aber jetzt habe ich eher Hunger. Kann man die Schwäne essen?“

„Schwäne zu essen war mal bei dem Adel beliebt. Sie gehörten zum Hochwild und sie durften nur mit Kugeln und nicht mit Schrot erledigt werden. Soll aber nach dem Tran schmecken. Noch dazu übertragen sie Salmonellen.“

„Nah, lecker!“

Am nächsten Morgen ließ sich Ludmilla im Sessel auf dem Balkon nieder, um das herrliche Frühstück zu verdauen. Irina stieg alleine in das Reich der Erholung – das SPA. Die orangenfarbenen Tulpenbäume standen in voller Blüte. Ein kleiner Wasserfall plätscherte und rauschte fast wie das Meer. Die afrikanische Sonne kam über den Berg und spiegelte sich im welligen Wasser des Pools. Nur zwei von den Sonnenschirmen waren schon geöffnet und auf beiden Liegen stapelten sich ordentlich die Tücher mit Büchern darauf.

‚Seltsamerweise wird im Urlaub immer viel gelesen. Sogar bei den langweiligsten Krimis und Liebesromanen quälten sich die Urlauber meistens bis zum Ende durch‘, Irina breitete das Tuch auf der Liege aus und legte ihr Buch, einen Roman von Agatha Christi, darauf.

Dann drehte sie sich um. Sie nahm ihr tägliches Sonnenbad: 15 Minuten auf dem Rücken, dann 15 Minuten auf dem Bauch. Ein großer weißer Sonnenhut bedeckte ihre Schulter.

‚Nur nicht einschlafen, sonst werde ich gegrillt!‘, dachte sie, schloss die Augen und schlief sofort ein.

Die silbergrünen Palmwedel hingen wie Lametta herab und glänzten ebenfalls in der Morgensonne. Das Dach des kleinen Pavillons für Thai-Massagen mit seinen schuppigen grünen Schindeln schimmerte wie die Haut eines Fabelwesens. Der Thai-Chi-Trainer kam, um nach dem Rechten zu sehen. Leise huschte ein Hausmeister vorbei, nahm die täglichen Wasserproben aus dem Pool und verschwand hinter einer unauffälligen Tür für das Personal.

„Schläfst du, oder tust du nur so?“, Ludmilla stand über der Liege von Irina und sah sie neugierig an.

„Ach, du bist es, ich denke nach.“

„So-so, das werde ich auch gerne tun“, Ludmilla öffnete den Sonnenschirm und legte ein zusammengerolltes Tuch unter ihre Beine und ein weiteres in ihren Nacken. „So ist es perfekt!“ Dann holte sie ihr Strickzeug aus der Tasche: etwas aus grüner Wolle auf Stricknadeln aus Stahl mit auffälligen Perlenkugeln an den Enden. „Stört es dich, wenn ich stricke? Ich habe Ralf versprochen, endlich seinen Schal fertig zu stricken. Wie er zu sagen pflegt: ‚Der Winter kommt bestimmt!´“

„Keinesfalls, mach was du willst“, Irina schloss wieder die Augen.

Das Denken mit geschlossenen Augen hatte einen Nachteil: Irina schlief ein wenig ein. Plopp! Ein seltsames Geräusch riss sie aus ihrem Dösen und sie öffnete die Augen. Ein riesiges Palmblatt flog vom Himmel und klatschte laut auf den Rasen. Daneben lag schon ein anderes und kleine Pflanzenteile rieselten leise herab. Als Irina aufblickte, sah sie einen der Gärtner mit einer Säge in der Hand hoch unter der Palmenkrone hängen. Er verstellte gerade mit den Füßen zwei Metallringe, die um den Palmenstamm gelegt waren und an denen er selbst hing.

„Wow, in dieser Höhe!“

„Kommst du mit?“, Ludmilla stand auf. „Ich gehe in die Aromasauna!“

„Ja. Lass dein Strickzeug hier, wir kommen zurück.“

Die sechzig Minuten vergingen in der Badelandschaft des Hotels sehr schnell. Nach vier verschiedenen Saunas waren die Kusinen endlich müde. Ludmilla wagte sich sogar in den Eiskeller, Irina erholte sich im Jacuzzi.

Zwischen der Saunalandschaft und einem Pergola-Raum mit Wasserbetten stand ein Sideboard mit einem großen silbernen Samowar auf einem Tablett.

Der leckere Tee aus dem Samowar brachte den Kreislauf wieder in Ordnung, und die beiden Frauen gingen langsam zum Aufzug. Die goldenen, silbernen und purpurgefleckten Kois in den langen, schmalen Wasserbecken, die die Ganggalerie begleiteten, schwammen auf sie zu und öffneten zur Begrüßung ihre Mäuler. Leise Musik begleitete die Frauen zum Ausgang des Wellnessbereichs. Die vergoldeten Türen öffneten sich langsam, als wollten auch sie sagen: „Kommt runter, keine Hektik, entspannt euch… hier vergeht die Zeit langsamer, als in eurem Leben, hier ist eine andere Welt, eine Oase der Harmonie…“

„Vergiss dein Strickzeug nicht!“, erinnerte Irina ihre Kusine. „Ob wir nach dem Essen zurückkommen werden? Vielleicht machen wir noch etwas Anderes…“

Sie näherten sich den Liegen mit ihren Sachen.

„Eine Stricknadel fehlt!“, Ludmilla klang überrascht und entsetzt. „Alles anständige Leute hier!“

Irina sah sich um. Um die Mittagszeit am Pool waren nur noch ihre Liegen und zwei weitere von einem älteren Ehepaar belegt. Den Mann hatten sie vorhin in der Sauna gesehen, die Frau, die sie vom Schwanengehege her kannten, lag die ganze Zeit draußen unter ihrem Sonnenschirm, den Kusinen gegenüber.

Ein Hausmeister eilte an ihr vorbei, blieb abrupt stehen und beugte sich über die auf dem Bauch liegende Frau. Als er sich wieder aufrichtete, wirkte er erschrocken und hilflos. Sofort eilten die Kusinen zu ihm.

Im Rücken der alten Frau, neben dem Knoten des Badeanzugs, glänzte das Ende einer Stricknadel mit einer auffälligen Perlenkugel.

Der Sicherheitschef des Hotels versuchte eine halbe Stunde lang vergeblich, die Kusinen auf Spanisch und Englisch zu befragen. Dann wurden die beiden Frauen in den Frühstücksraum begleitet. Dort sollten sie warten, bis jemand kommt, der ihre Sprache versteht.

„Ich kann schon sehr gut deutsch sprechen, aber der Mann vom Sicherheitsdienst leider nicht!“, beschwerte sich Ludmilla.

„Also, was die örtliche Polizei denkt“, begann Irina, „werden wir wohl nie erfahren, denn wir verstehen kein Spanisch! Wird es jemals wieder eine gemeinsame Sprache auf der Erde geben? Das war eine böse Geschichte, die mit dem Babylon-Turm.“

„Eher nicht. In der Weltpolitik und im Handel hat sich das Englisch bereits durchgesetzt. Schade um die schön klingenden anderen Landessprachen…“

„Nicht so schade, wie um euren Urlaub!“

Diese Stimme war Kusinen sehr wohl bekannt: Vor dem Tisch stand Wadim, Irinas persönlicher Freund und Helfer.

„Was machst du denn hier?“, riefen die beiden Frauen gleichzeitig.

„Mein Onkel, das Licht der russischen Forensik hat sich vor einer Woche das Bein gebrochen und darauf bestanden, dass ich ihn zu dem internationalen forensischen Symposium begleite, das hier stattfindet“, sagte Wadim ruhig. „Außerdem kann ich hier mein Spanisch auffrischen.“

„Hier, im Hotel?“

„Ich hatte mich so auf diesen Urlaub gefreut. Jetzt wird leider nichts daraus. Kommt mit!“

Nachdem die beiden Kusinen der zuständigen Behörde ihr Wissen und auch ihre Meinung über so eine glückliche Wendung ihres Urlaubs mitgeteilt haben, zogen sie sich in den Botanischen Garten auf der anderen Straßenseite zurück. Sie waren von der Befragung erschöpft und sehnten sich danach, etwas Energie von der Natur zu ihrer Wiederherstellung, wie Ludmilla es ausdrückte, zu bekommen.

„Die arme Frau! Sie war noch nicht sehr alt, könnte noch Jahre leben!“, sagte Irina während sie beide die steile breite Treppe zum Eingang des Gartens aufstiegen. „Sie wurde aber nicht wegen ihrer Romanze mit dem jungen Mann umgebracht, was meinst du?“

„Lass uns wenigsten eine Stunde nicht darüber reden! Sonst platze ich vor Wut auf den Mörder… Aber das mit der Stricknadel, das nehme ich persönlich! “, erklärte Ludmilla und stampfte durch das Eingangstor des berühmten Botanischen Gartens.

Der Garten war nicht sehr groß, aber voller Pflanzen aus allen möglichen Ländern. Die meisten waren auch sehr schön, aber fast alle waren für die Frauen ungewöhnlich. Ludmilla erkannte eine Pflanze. „Sieh mal da!“, schrie sie und einige der Gartenbesucher drehten sich zu ihr um. „Da, unter den Palmen: die Klivien! Bei uns wachsen sie in Töpfen auf der Fensterbank, aber hier sind sie richtige Bodendecker, ein dichter Teppich aus den dunkelgrünen Blättern und orange leuchtenden Blüten!“

„Und die Weihnachtssterne auch!“, freute sich Irina.

Ludmilla wollte sich auf einmal alle Palmenarten im Garten genau ansehen. Davon gab es hier mehr als genug.

„Siehst du: diese hat ganz andere Blätter und Früchte…“

„Und einen, ganz anderen Stamm. Das ist nun mal eine andere Sorte. Was hast du erwartet?“ Irina konnte die Begeisterung ihrer Kusine nur bedingt teilen.

„Die Vögel zwacken ihre Früchte ab! Sind das Datteln?

„So kleine? Vielleicht doch. Komm nicht auf die Idee, die in deinen Mund zu stecken!“, rief Irina, als sie sah, wie Ludmilla die Hand nach den Beeren ausstreckte.

„Nur eine?“

„Wer von uns ist älter und hat sogar ein Kind? Du benimmst dich wie ein kleines Mädchen!“

Ludmilla sagte dazu nichts, ließ nur den schon erhobenen Arm, wieder fallen.

Jetzt standen die Kusinen genau in der Mitte des Gartens.

„Was ist das?“ Irina blickte über die üppige Vegetation nach ganz oben.

Irgendwo im Himmel endete die Krone eines Baumes. Von seinen luftigen Ästen hingen graue Seile herab. Unzählige graue Seile.

Ohne nachzudenken, lief Irina auf den Baumstamm zu. Ludmilla trottete ihr hinterher und stolperte über seine Riesenwurzeln, die aus der Erde ragten und breiter, als ihre Oberschenkel waren. Etwa fünfzig Meter vor dem Baum sahen die Frauen das Ganze: ein Wäldchen. Der Baum bestand aus mehreren Stämmen und Stämmchen: sie wuchsen zusammen hochhinaus und auch herunter. Dieser Baum beanspruchte für sich einen bedeutenden Anteil des botanischen Gartens.

„So etwas habe ich noch nie gesehen! Wie heißt der?“

„Ficus“, Irina kam näher und las von den Täfelchen vor. „Steht bei dir auf der Fensterbank.“

„Das glaube ich nicht!“

„Tja, dieses Exemplar würde nicht einmal in deinen Garten passen.“

Immer noch überwältigt suchten sich die Kusinen ein ruhiges Plätzchen. Sie hatten sich zu weit von der Allee mit Bänken entfernt und hofften nun auf einen Platz im überdachten Teil des Gartens. Kurz hinter dem Eingang, parallel zur Straße gab es einen Gang mit kleineren Palmen und Orchideen. Hier war kein Besucher zu sehen: Zuerst entfernten sich die Leute immer weiter vom Tor, dann waren sie zu müde, um sich noch mehr von denselben Palmen anzusehen.

Im überdachten Gang, der ein wenig an einen Wintergarten erinnerte, war es dunkel. Und leider stellte es sich heraus, dass es da auch keine Bänke gab. Etwa zwanzig Meter vor den Kusinen stand ein Paar und unterhielt sich. Der Mann trug einen grünen Overall. Die elegante dunkelhaarige Frau bemerkte die Kusinen und lief sofort weg, aber die hatten sie schon erkannt.

„Was macht die Frau des Hotelchefs hier?“, fragte Ludmilla.

„Bestellt neue Pflanzen?“

„Selbst?! Wer ist der Mann neben ihr?“

Der Mann drehte sich um und lief an den Frauen vorbei, ohne sie anzusehen.

Die Kusinen kamen aus dem Gang heraus, dabei dachte Ludmilla sichtlich angestrengt nach. „Ich kenne den Mann: er ist ein Gärtner. Ich habe ihn in dem Garten des Hotels gesehen.“

„Anscheinend arbeitet er auch hier“, schlussfolgerte Irina.

Dann fanden die Frauen doch noch ein lauschiges Plätzchen in einer verwunschenen Ecke des Gartens mit einer Holzbank, die von einer prächtigen lila blühenden Kletterpflanze umrankt war. Hier auf der Bank konnten beide endlich zur Ruhe kommen und nachdenken: über Mord, Zufall und die Gefahren der Strickerei in der Öffentlichkeit.

Kapitel 2

Ein Fall vom Wasserfall

Vor dem Frühstück saßen die Kusinen auf dem Balkon und atmeten noch etwas frische Meeresluft. Das Hotel lag auf einem Berghang und die Frauen konnten gleichzeitig nach links über die Stadt und nach vorne über die Straße das Meer sehen.

Im Palmengarten, in dem auch der große Wasserfall in der runden Pool floss, war es still. Nur das Plätschern des Wassers und das leise Gezwitscher der kleinen grauen Vögel störte die gelassene Ruhe. Die zwanzig Meter hohen Palmen bewegten sich mit dem Wind mal nach rechts, mal nach links und ließen ihre vom Wind zerfransten Blätter flattern, als wollten sie mit den vorbeifliegenden Tauben mitfliegen.

Die Sonne hatte es schon über den Berg geschafft.

Zwei Hausmeister rollten den Matratzenwagen heraus und verteilten die dicken Matratzen auf die Liegen, die im Kreis um den Pool standen. Einer der Männer kam mit einem grünen Kescher an einem langen Stiel und fing an, die kleinen Blätter aus dem Wasser zu fischen.

Irina vernahm einen erschrockenen Schrei und sah, wie einer der Hausmeister in das Gebäude zurück rannte.

„Wo hast du dein Fernglas für die Vögel?“ drehte sie sich beunruhig zu Ludmilla.

Die nickte in Richtung Balkontür: „Liegt auf dem Tisch.“

Mit dem Zeiss-Fernglas konnte Irina leicht erkennen, was den Hausmeister so erschreckt hatte: In der Mitte des Pools trieb ein lebloser Körper in blauer Badehose.

„Komm mit, ich weiß, wo wir uns verstecken können“, schüttelte Ludmilla ihre Kusine, daraufhin verließen die beiden Frauen eilig das Zimmer.

Die menschengroßen Amethystendrusen in der Außenwand der Grotte glitzerten weiß, lila und violett in der aufsteigenden Sonne. Der Wasserfall plapperte etwas halbleise, und die Palmenblätter wiegten sich hin und her im Wind.

In der Mitte des Pools, mit dem Kopf zum Wasserfall und ausgestreckten Gliedern lag auf dem Bauch ein Mann. Seine blaue Badehose verschmolz farblich mit dem Wasser, das durch das blaue Fliesenmosaik dieselbe Farbe hatte.

Zwei fremde Männer schossen zügig ein paar Fotos und zogen den Mann aus dem Wasser. Jetzt lag er auf dem Rücken am weißen Beckenrand. Sein Gesicht hatte die Farbe seiner Badehose angenommen.

„Oh, Gott!“, schrie Ludmilla leise und hielt ihre Hand vor dem Mund. „Das ist der Herr, mit dem die tote Frau geflüstert hat! Und er war es auch, der den Hotelchef auf Russisch begrüßte!“

„Ich glaube, er war ein Rechtsanwalt oder so, ich habe da etwas gehört“, meinte Irina. „Schade, dass wir nicht hören können, was die da sagen!“

Aus ihrem Versteck hinter einer dichten Hecke aus Liguster, Farnen und jungen Palmenpflanzen, die einen der Tenniscourts begrenzte, konnten die Frauen das Geschehen am Pool gut beobachten, aber leider kein brauchbares Wort hören.

Eine kleine graue Eidechse huschte an Irinas Füßen vorbei und verschwand zwischen den rauen Steinen neben den Amethysten. Ludmilla folgte ihr mit neidvollem Blick: „Sie kann so nah an die Leiche kommen und keiner sieht sie!“

„Zur Leiche will ich nicht unbedingt, aber wissen, was passiert ist, schon!“

„Meinst du, Wadim weiß es schon?“

Zu diesem Zeitpunkt wusste Wadim bereits, was da passierte, aber er hatte es nicht eilig, sein Wissen mit den Kusinen zu teilen. Warum auch, sie hatten ja nichts damit zu tun. Zumindest hoffte er das. Eine Leiche sollte ihnen reichen.

Wadims Onkel Wladimir Iwanowitsch, einer der Lichter der russischen Forensik, ließ sich in dem großen Ledersessel nieder und lehnte seine Krücken an den Schreibtisch. Er bekam ein Zimmer, das aus zwei getrennten Räumen bestand. Einer davon war ein Arbeitszimmer mit einem großen Arbeitstisch und einem bequemen Sessel, der speziell für ihn hochgebracht worden war.