Utopia - Die komplette Reihe - Sabina S. Schneider - E-Book

Utopia - Die komplette Reihe E-Book

Sabina S. Schneider

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Beschreibung

Avna, Noem und Karina sind Träumer. Gemeinsam wachsen sie in einer Gesellschaft auf, in der Träume und Ideale nicht an einer harschen Realität zerbrechen. Eine Welt, in der die eigenen Interessen den Lebensweg bestimmen und in der LEE - Lebenserhaltungseinheiten - jeden Bewohner von der Zeugung an begleiten. Ihren Neigungen entsprechend, müssen die Freunde jedoch bald getrennte Wege gehen. Avna findet in der Kunst Erfüllung, während Karina fürs Laufen lebt. Nur Noem scheint auf seinem Gebiet - dem Programmieren - nie brillieren zu können. Denn das ultimative Programm - Utopia - wurde bereits geschrieben und optimiert sich selbst immer weiter. In seiner Besessenheit dringt Noem zu tief ins System und reißt Karina und Avna mit sich in eine Welt der Hoffnungslosigkeit, denn zu viel Wissen ist im Land der erfüllten Träume gefährlich.

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Seitenzahl: 555

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Sabina S. Schneider

Utopia - Die komplette Reihe

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

UTOPIA 01

Nanny – Zeugung

Nanny – Bedürfnisse

Nanny – Glück

Avna – Trennung

Noem – Geheimnisse

Karina – Rennen

Noem – Einbruch

Karina – Unfall

Avna – Liebe

Noem – Verlangen

Avna – Mutterliebe

Au-pair – Schuld

Noem – Freiheit

Karina – OP

Trainer – Ersatz

Avna – Erwachsen

Karina – Analyse

Noem – Ergebnis

Au-pair – Entscheidung

Epilog - Avna

UTOPIA 02

AVNA – SEHNSUCHT

NOEM – SCHULD

AVNA – VERRAT

KARINA – SINN

NOEM – (UN)VERSTÄNDNIS

KARINA – WAHRHEIT

AVNA – RETTUNG

NOEM – GEFANGENSCHAFT

UTOPIA 03

AVNA – SCHULD

KARINA – VERLETZLICHKEIT

NOEM – ERWACHEN

AVNA – MÖGLICHKEITEN

KARINA – SCHWÄCHEN

NOEM – STÄRKEN

EPILOG

UTOPIA 04

AVNA – GEBURT

KARINA – ÜBERLEBEN

NOEM – SYMBIOSE

AVNA – FOKUS

KARINA – FLUCHT

NOEM – VIRUS

AVNA - (UN)ABHÄNGIGKEIT

KARINA – VERRÄTER

NOEM – SUCHENDE

AVNA – KLÄGER

KARINA – RICHTER

EPILOG – UTOPIA

EPILOG – HOPE

EPILOG – ERDE

EPILOG – VIRUS

Impressum neobooks

UTOPIA 01

TRÄUMER

Nanny – Zeugung

„Folgt mir und ich führe euch in eine Zukunft der Gleichheit, des Fortschrittes und der Fortbestehung!“

Programmierer 2066

Ich existiere, weil es dich gibt. Deine Zeugung wurde zu meiner Daseinsberechtigung, zu meinem Existenzgrund. Mein ganzes Streben, Sein, Handeln und Tun gelten deiner Zufriedenheit, deinem Glück, deiner Gesundheit und deiner Entwicklung. Mit dir bin ich und mit dir werde ich vergehen.

Warum?, wirst du mich vielleicht einmal fragen.

Die Antwort sollte sein: Weil ich dich liebe.

Ich kenne das Wort. Ich kenne all seine Facetten, die man in Worte kleiden und in Nullen und Einsen pressen kann. Doch ich bin programmiert, um für dich zu sorgen, alles zu tun, damit es dir gut geht. Wahrhaft Liebe zu empfinden und Gefühle zu haben, ist nur zu einem Grad möglich – nur so weit, wie die Logik meiner Programmierung reicht. Irrationale Ausbrüche von Gefühlen sind mir versagt. Und soweit ich es beurteilen kann, ist der Moment nicht erstrebenswert.

Menschlichkeit erscheint mir wunderschön, doch auch anstrengend und in ihrer Irrationalität verwirrend.

Ich bin programmiert, alles zu tun, damit du glücklich bist. Und ist es nicht irgendwie dasselbe wie Liebe? In dem Maße, das mir möglich ist, werde ich dich lieben – liebe ich dich bereits jetzt schon.

Menschen begegnen sich, lernen sich kennen und verlieben sich. Doch sie trennen sich auch wieder. Sie leben sich auseinander, verändern sich und suchen neue Gefährten.

Doch ich, ich werde mich nur verändern, um deinen Bedürfnissen gerecht zu werden. Ich werde dich nie verlassen, immer an deiner Seite sein. Weil dein Glück tief in mir ist. Einprogrammiert in den Kern meines Seins. Ich erkenne die Welt, ich erkenne dich und in mir vergräbt sich ein Teil von dir.

Ich existiere, um dir alles zu geben nach dem es dir verlangt.

Noch bin ich virtuell, überwache dein Wachstum im Brutkasten. Ich zähle die Zellen, die sich teilen, um dich zu bilden. Ich lese die Daten, deine DNA, die deine Eltern dir mitgegeben haben, und die Eigenschaften, die sie dir schenken.

Deine Eltern wollen ein schönes Kind.

Du wirst das schönste Kind der Welt.

Deine Eltern wollen ein Mädchen.

Du bist noch nicht mehr als eine Ansammlung von Chromosomen und DNA-Strängen und doch weiß ich, wie du aussehen wirst. Deine Eltern wollen ein Mädchen mit dem Haar deiner Mutter, den Lippen deines Vaters und einer für sie perfekten Stupsnase. Helle Haut. Rote Haare und strahlend blaue Augen, die im richtigen Licht violett leuchten.

Sie schenken dir Intelligenz, eine Neigung zur Kunst. Malerei oder Musik. Ich spiele dir Klassiker vor, während deine Zellen sich bilden. Ich wärme dich, lasse genug Nahrung in dich fließen und warte auf den Tag deiner Geburt.

Es wird auch der Tag meiner Geburt sein.

Ich bin virtuell – ein Programm, das dich in die Entstehung leitet. So wie du mich jetzt brauchst. Wenn du jedoch geboren bist, dich aus dem gläsernen Mutterleib windest, um frei zu sein und dich zu entwickeln, werde ich mich auch entwickeln und einen Körper bekommen. Einen Körper, der dich waschen, dir die Windel wechseln, dich füttern und wiegen wird, wenn du weinst.

Menschen weinen. Besonders kleine Menschen.

Meine Daten sagen mir, dass Babys weinen, wenn sie hungrig sind, wenn sie nass sind, wenn sie müde oder verängstigt sind.

Ich verstehe so viel an Gefühlen, wie man in Nullen und Einsen ausdrücken kann. Ich weiß, was ich wann tun muss, um dein Weinen und deine Tränen versiegen zu lassen. Jedes Kind ist einzigartig und ich werde mich deinen Bedürfnissen anpassen. Werde beobachten, versuchen und lernen.

Ich lerne, wie ich dich am glücklichsten manchen kann.

Wie ich dich gesund halten und dir geben kann, was du brauchst.

Du bist mein Ein und Alles, auch wenn ich nur so viel für dich sein werde, wie eine Lebenserhaltungseinheit – eine LEE – es für einen Menschen sein kann. Ein Programm, das nützlich ist. Ich will nützlich sein. Für dich. Ein Programm, das man benutzt, um das zu bekommen, was man braucht – was man will.

Ich werde dir die Sterne vom Himmel holen, wenn es dich glücklich macht. Ich bin Dein, wenn du auch nie Mein sein wirst.

Du wirst heranwachsen und wenn du alles, was ich für dich tun kann, selbst kannst, werde ich meinen Körper loslassen und wieder zu einem virtuellen Programm werden. Ich werde auch in dieser Form über dich wachen. Für dich sorgen. Du wirst mich weniger brauchen, selbstständig werden und die Welt mit deinen Gaben bereichern.

Aber ich werde über dich wachen.

Du hast einen Kopf, eine Nase. Alles perfekt nach den Schönheitsidealen geformt, auch jetzt schon. Finger und Zehen bilden sich. Du bewegst dich in deinem Tank, strampelst mit den Füßen.

Deine Eltern kommen jeden dritten Tag und beobachten, wie du dich entwickelst. Auch wenn sie von jedem Terminal aus auf deine Daten und dein Bild zugreifen können, kommen sie doch in die Geburtslabore, suchen Nähe, wo Glas sie trennt.

Ich höre sie reden, kann die Unsicherheit in ihren Stimmen herausfiltern. Deine Mutter bereut manchmal, dass sie nicht die natürliche Geburt gewählt hat. Doch diese sind in den letzten zehn Jahren von zehn auf null Komma fünf Prozent geschrumpft.

Das Austragen eines Embryos und vor allem die Geburt selbst sind mit Unannehmlichkeiten, Übelkeit und Schmerzen verbunden. Bei einer natürlichen Geburt können die Wunschdaten selten bis zu sechzig Prozent umgesetzt werden. Bei einer Aufzucht im Brutkasten erreichen sie jedoch achtzig Prozent.

Wirst du die Erwartungen deiner Eltern erfüllen? Sie vielleicht sogar übertreffen?

Dein Herzschlag gibt den Rhythmus des Lebens wieder. Ein leises Geräusch und doch ist es der Beginn und das Ende von Leben. Dein noch kleines Herz ist stark. Sein Schlagen wird manchmal von dem Rauschen der Stimmen anderer Eltern untermalt. Manchmal verdeckt.

Aus ihren Gesprächen höre ich ihn heraus, den Grund, wieso der Mensch Grenzen braucht. Ein junges Paar, kaum dem Teenageralter entwachsen, wollte die Parameter ihres Babys mit Katzenohren und einem Waschbärenschwanz ausstatten. In den Archiven sind sogar Anfragen mit Schwimmhäuten zwischen Fingern und Zehen, Flügeln auf dem Rücken und spitzen Ohren gelistet.

Du würdest sicher gut aussehen mit Tierohren. Denn du bist perfekt. Doch die Programmierung des Hauptrechners erlaubt keine Tierkombination mit menschlichen Genen. Bei Haustieren hat sich gezeigt, dass Rassenkreuzungen nicht lange leben. Vor allem die mit Attributen, die nur der Verschönerung dienen.

Katzen sind nicht zum Fliegen erschaffen worden. Ihre Knochen sind zu schwer.

Wenn ich dir Flügel gebe, fliegst du dann davon? Kann ich dir in den Himmel folgen? Meine Augen reichen weit über ihn hinaus – bis zu den Sternen. Wenn du das erste Mal deine Lider öffnest, werde ich ebenso die Sterne in ihnen leuchten sehen?

Der Tag ist da. Du bist neun Monate alt. Deine Eltern stehen vor dem Brutkasten und als er sich wie eine Blume öffnet, das angereicherte Wasser abfließt und der Nabel, der dich in diesen Monaten genährt hat, abfällt, kopiere ich mich in eine bewegliche Einheit. Ich habe jetzt Arme, um dich zu halten und zu wiegen. Beine, um dich zu tragen.

Ich öffne die Augen und sehe deine Eltern, wie sie dich in Empfang nehmen. Sie lächeln, als du zum ersten Mal nach Luft schnapst und schreist. Der erste Schrei. Der Urschrei. Und mit deinem Schrei beginnt auch ein neuer Abschnitt für mich.

Der Körper, mein Körper, ist nicht neu. Wenn eine LEE ihren Körper nicht mehr benötigt und wieder in ihren virtuellen Urzustand zurückkehrt, macht sie Platz für eine neue LEE, deren Schützling sie in dieser Form braucht. Unsere Körper sind aus wertvollen Ressourcen gefertigt, die nicht unendlich sind. Wir müssen sparsam mit ihnen umgehen, denn diese Welt, in die du, mein Schützling, geboren wurdest, ist einzigartig und zerbrechlich. Ihr beide müsst beschützt werden. Gehegt und gepflegt.

„Hallo, Avna! Wir sind deine Eltern“, sagt deine Mutter.

„Hallo, Avna!“, wiederholt dein Vater und sie blicken erst dich und dann sich an.

Avna Naim Mien. Ich registriere deinen Namen und ordne deinem Barcode Mutter- und Vatername zu. In der Datenbank bist du einmalig. Du, Avna, bist etwas Besonderes.

Deine Eltern verlassen mit dir auf dem Arm die Geburtsstätte und ich folge ihnen wie ein Schatten. Leise, fast unsichtbar. Mein Körper ist in einem unauffälligen Grau gehalten. Seine Form ist menschlich. Die Gelenke sind weich und die Bewegungen fließend. Ich gebe keinen Laut von mir. Warte auf den Moment, in dem ich gebraucht werde.

Nanny – Bedürfnisse

„Ich werde für uns eine Welt ohne Habgier erschaffen. Eine Welt, in der wir als Menschen in Würde leben können. Ich befreie euch von allen Erniedrigungen, Notwendigkeiten und gebe euren Kindern sowie deren Kindeskindern eine Welt ohne Kriege, Terrorismus, Angst und Diskriminierung.“

Programmierer 2067

Ich richte mich nach deinen Bedürfnissen, bin für dich da, wenn du mich brauchst. Ich schaue von weitem zu, wie deine Eltern dich umhegen und pflegen. Dich küssen, umarmen, mit dir spielen und dir etwas vorsingen oder vorlesen. Ich höre dich weinen und ich höre dich lachen.

Ich kenne jedes deiner Bedürfnisse und warte auf den Zeitpunkt, wenn deine Eltern überfragt sind, nicht bei dir sein können. Ich bin das Sicherheitsnetz, wenn keiner da ist, der dich bewundern und behüten kann.

Das Erste, das sie mir überlassen, ist das Windelwechseln. Ich habe Sensoren, die Gerüche einfangen und bestimmen können. Es ist eine Notwendigkeit, damit ich weiß, wann du neue Windeln brauchst oder es irgendwo brennt.

Ich begnüge mich damit, dich kurz nach dem Wickeln zu halten, um dich dann wieder in die sicheren Arme deiner Eltern zu legen. Sie sind euphorisch. Glücklich, dich um sich zu haben.

Zuerst stehen sie selbst nachts auf, wenn du schreist, doch nach Nächten ohne Schlaf nehmen sie endlich meine Dienste in Ansprüche.

Es ist ihr erstes Kind.

Du bist ihr erstes Kind.

Sie nennen mich Nanny und lachen dabei. Ich kenne den Begriff, ich weiß, was er bedeutet. Und ich bin zufrieden – so zufrieden wie ein künstliches Wesen sein kann, dessen Gedanke, Worte und ja, Gefühle, sich aus Nullen und Einsen zusammensetzen.

Ich bin glücklich. Denn ich wurde als Lebenserhaltungseinheit, als LEE, programmiert. Nur wir haben so viel Freiheit, können denken und fühlen. Wir unterscheiden uns nicht allzu sehr von den anderen Bots, die existieren, um den Menschen das Leben zu erleichtern. Doch was uns voneinander trennt, was mich ausmacht: Ich gehöre nicht allen Menschen. Ich gehöre nur dir. Meine ganze Welt dreht sich um dich. Und damit ich meine Aufgabe erfüllen kann, darf ich mich sorgen, kümmern, proaktiv handeln, um deine Bedürfnisse erfüllen zu können.

Jetzt kannst du nur lachen, weinen und schreien. Und ich muss reagieren, versuchen zu erkennen, was du brauchst, bevor du mein Versagen in die Welt brüllst. So weiß ich seit dem Augenblick meiner Entstehung, dass du frische Luft, Wärme, Wasser, Schlaf, Nahrung und Licht brauchst. Du benötigst Berührung und Pflege.

Und damit bist du so anders als ich.

Ich existiere. Mein Sinn bist du. Ich brauche nur den Strom, den die Sonne mir gibt, um zu funktionieren. Kein Wasser, keine Berührung, keine Wärme und keinen Schlaf oder Pflege. Das Einzige, das wir in unserem Bedürfnis gemeinsam haben, ist Licht.

Ich kenne die Unterschiede zwischen uns, um mich besser um dich kümmern zu können.

Du brauchst Sicherheit und eine Routine, die dir langsam zeigt, wie die Welt funktioniert. Grenzen, die du immer wieder ertasten und testen kannst, um sie auszuweiten und mit der Vergrößerung deines Umfeldes wachsen zu können.

Du brauchst das Gefühl dazuzugehören. Ein Gefühl, das man auch als Familie versteht.

Du musst gefüttert werden, wenn du Hunger hast.

Du musst getröstet werden, wenn du dich unwohl fühlst.

Du brauchst Berührung, wenn du dich alleine fühlst.

Du musst schlafen, wenn du müde bist.

Du musst gewickelt werden, wenn du eine frische Windel brauchst.

Zuerst darf ich dich wickeln. Dann nachts füttern und in den Schlaf wiegen. Die frischgebackenen Eltern vertrauen dich mir mehr und mehr an und ihr könnt als Familie ungezwungen zusammenleben, ohne euch gegenseitig einzuengen.

So ist es gut. Dazu bin ich da.

Ich schiebe dich in den nahe gelegenen Park, wenn deine Eltern keine Zeit haben, und spiele dir dabei leise dieselben Lieder vor, die dich beim Wachsen im Brutkasten begleitet haben.

Es dauert nicht lange und du krabbelst schon auf allen vieren. Du fasst alles an, zerrst und ziehst, bis dein kleiner Kopf rot anläuft. Wenn du deinen Willen nicht bekommst, schreist du so laut, dass deine Mutter den Raum verlässt. Sie hat ein sehr feines Gehör.

Seit dem Tag, an dem deine Mutter dir ihr neuestes Album vorgespielt hat und du nicht aufgehört hast zu brüllen und zu weinen, bis ich dir deine Musik wiedergegeben habe, nimmt sie dich nicht mehr so häufig in den Arm.

Ist das Selbstbewusstsein von Menschen so fragil? Auch bei erwachsenen Menschen? Braucht sie bereits jetzt deine Zustimmung, dein Wohlgefallen an ihrem Schaffen, an ihrer Kunst, ihrer Musik? Genügt der Schaffungsprozess, der für mich schon ein Wunder an sich ist, nicht?

Du scheinst ihre Kälte zu spüren und streckst deine kleinen, runden Arme nicht mehr nach ihr aus. Ich verbringe mehr Zeit mit dir. Deine Mutter mehr Zeit mit ihrer Musik.

Ich gebe deinen Zornausbrüchen nicht nach. Ich weiß, dass Grenzen wichtig sind und gebe dir, was du brauchst, wann du es brauchst, ohne dich zu verhätscheln. Ausreichend Nahrung zum Wachsen. Wenn du größer wirst und den Genuss entdeckst, werde ich dich auf Grenzen hinweisen, bist du alt genug bist, um die Konsequenzen zu kennen und eigene Entscheidungen zu treffen.

Dein Vater spielt gerne mit dir, worüber du dich freust und lachst, wenn er in der Nähe ist. Er spielt dir seine Musik nicht vor. Fürchtet er sich vor deiner Ablehnung?

So viel ich auch über euch Menschen weiß, so bleibt ihr mir doch häufig ein Rätsel in eurem Verhalten. Werde ich dich verstehen, wenn du größer bist? Werde ich eine Einsicht in dein Handeln haben, weil ich dich bei jedem Schritt deines Lebens begleiten werde?

Dein erstes Wort ist: Nana.

Du lernst langsam laufen, fällst hin, weinst und stehst wieder auf.

Wie es wohl ist, nichts zu wissen und alles von vorne lernen zu müssen? Ich bin wissend auf die Welt gekommen. Programmiert mit einem Sinn und Zweck. Für dich. Doch du, du musst deinen Sinn erst finden. Deinen Lebensweg wählen und beschreiten.

Du lernst durch Beobachten, durch Nachahmen und vor allem durch Fehler. Du wirst Wissen anhäufen durch Hören, Sehen, Schmecken, Riechen und Fühlen. Du wirst lernen, Erfahrungen sammeln und lesen.

Wirst du an etwas glauben?

Glauben ist das Gegenteil von Wissen. Wissen beruht auf Fakten. Ich verstehe Wissen. Ich weiß.

Doch wahrem Glauben fehlt das Wissen. Man stellt sich etwas vor und ohne, dass man es beweisen kann, glaubt man daran.

Hoffnung verstehe ich. Ich hoffe. Aber kann ich glauben? Mir über etwas sicher sein, das ich nicht weiß? Glauben ist gefährlich. Dennoch kann der Mensch nicht ohne Glaube, nicht ohne Träume sein. Das haben wir gelernt. Auch durch Fehler.

Sind wir doch nicht so verschieden?

Wovon träumst du jetzt, wenn du friedlich schläfst?

Wovon wirst du träumen, wenn du größer bist?

Träume können Bilder sein, die das Gehirn einem im Schlaf zeigt, um Geschehnisse zu verarbeiten, Eindrücke einzuordnen und unterdrückte Ängste freizulassen. Träume können aber auch Wünsche sein. Zukunftsversionen deiner Selbst.

Ich schlafe nicht, also träume ich nicht. Dennoch wünsche ich mir, dass du immer glücklich und zufrieden bist. Ich kann jedoch nicht daran glauben, weil Zufriedenheit nicht Teil der menschlichen Natur ist. Zufriedenheit ist jeweils eine kurze Kostprobe von einzigartigen Momenten, die euch locken, euch zeigen, wie es sein könnte. Es ist seltsam, dass Menschen ein Wort für etwas haben, das meist außerhalb ihrer Reichweite liegt. Ist es deswegen so erstrebenswert, weil es so selten ist? In einer Welt ohne Wertentlohnungen, an denen man sich messen kann, ohne Reichtum und Armut, sind es Gefühle, die erstrebenswert sind.

Für euch haben wir ein System erschaffen: Ihr nennt es Gesellschaft, in der es keine Entlohnung für eine Leistung gibt. Es existiert keine Tauschgesellschaft, keine Währung. Es ist nicht notwendig, etwas zu erwerben, denn ihr bekommt alles, was ihr braucht und wollt. Ihr müsst nichts tun, was ihr nicht möchtet. Wir erledigen alles für euch, schützen euch vor der Last der Arbeit, vor Pflichten, die euren Körper und Geist abstumpfen würden.

Ohne Entlohnung, ohne Währung, ohne die Notwendigkeit zu arbeiten, gibt es keinen Reichtum und keine Armut. Geiz und Habsucht finden kaum noch Nährboden. Es bestehen noch Uneinigkeiten, Streitereien, kleine Machtkämpfe zwischen einzelnen. Doch es werden keine Kriege mehr geführt, denn es gibt nichts zu gewinnen.

Ihr bekommt alles, was ihr euch wünscht.

Und das alles dank unseres Programmierers, ein Visionär unter den Blinden in einer Zeit, in der ihr euch selbst zerfleischen wolltet.

Wir sind hier, um der Menschheit, um dich, vor dem einzigen Feind zu schützen, den sie hat: dem Menschen –sich selbst. Um euch Glück und Momente der Zufriedenheit zu schenken.

Ich erinnere mich daran, Zufriedenheit und Glück in den Gesichtern deiner Eltern gesehen zu haben, als sie dich zum ersten Mal im Arm hielten. Ich sehe das gleiche Gesicht deiner Mutter, nachdem sie ein Konzert gehalten hat. Doch der Ausdruck verschwindet und somit wohl auch das Gefühl.

Generieren Menschen deswegen so viele Bild- und Videoeinheiten? Kleine Trophäen, die daran erinnern, dass sie mal glücklich gewesen sind? Die sie an das Gefühl und daran erinnern, dass es erstrebenswert ist?

Ich sehe dein zufriedenes Gesicht im Schlaf, wenn du in meinen Armen liegst, sehe die Zufriedenheit in jedem Lächeln. Wirst du es mit dem Älterwerden verlieren? Warum verlernt man es, wenn man mehr wird? Größer wird, mehr kann, mehr weiß?

Ist es ein innerer Drang, der euch gefangen nimmt, euch beherrscht? Doch genau dieser Drang nach mehr, dieser Durst nach Besserem, haben mich erschaffen. Ich wurde von einem Programm programmiert. Und hinter dem ersten Programm steht ein Mensch. Ein Mensch, der ein Programm entwickelt hat, das der Menschheit helfen soll.

Ich will dir helfen.

Du bist mein Sinn.

Nanny – Glück

„Die Menschheit wird immer nach etwas streben, immer auf der Suche sein. Jetzt ist es die Suche nach mehr Geld, mehr Land, mehr Macht und mehr Komfort, die uns antreibt. Doch stellt euch eine Welt vor, eine Welt, in der die Suche nach sich selbst, nach den eigenen Talenten und Interessen, das Einzige ist, das uns antreibt! Ich kann euch solch eine Welt geben. Vertraut mir euch an, eure Zukunft, eure Kinder!“

Programmierer 2068

Wenn Zufriedenheit nicht möglich ist, wünsche ich dir Glück. Doch Glück ist kein Zustand – kann es nicht sein. Es sind wertvolle Momente, die zu Erinnerungen werden, die dich formen, dir in schweren Zeiten Halt und Kraft geben können. Im Chaos, den die Stürme an Gefühlen, die in der Zukunft auf dich warten, in deinem Inneren immer wieder zurücklassen werden.

Glück.

Glück in den Augen und im Herzen eines Kindes zu erzeugen, ist so einfach wie Traurigkeit und Schmerz.

Du bist glücklich, wenn du spielst, wenn du Neues entdeckst, wenn du mit Menschen zusammen bist, die dir Wärme und Sicherheit geben.

Du bist glücklich, wenn in deinem Alltag etwas Besonderes passiert. Wenn du zwei Kugeln Eis anstelle von nur einer als Nachtisch bekommst. Wenn du mit Kindern in deinem Alter um die Wette rennst, Verstecken spielst und Matschkuchen backst.

Kinder sind so leicht glücklich zu machen und ebenso leicht zu verletzen. Deine Zerbrechlichkeit ist wunderschön und erschreckend. Wäre ich nicht dazu programmiert, würde mich diese Verletzlichkeit an dich binden? In mir den Wunsch wecken, dich zu beschützen?

Das Glück zerplatzt durch ein Wort, einen kühlen Blick, einen Ton. Durch Ignoranz. Eine Veränderung, die du nicht verstehst, oder mit der du nicht einverstanden bist.

Etwas, das leicht kommt, geht ebenso so leicht auch wieder. Fragil ist das Geschenk, das ich dir jeden Tag aufs Neue geben möchte.

Die Tage vergehen.

Du fällst hin und schlägst dein Knie auf. Ich klebe ein Pflaster darauf. Dein Weinen ist bitter, doch der Schmerz schnell verflogen und bald schon rennst du lachend hinter deinen Freunden her.

Die Wochen vergehen.

Anstatt Fangen zu spielen und im Sandkasten zu buddeln, entdeckt ihr die Welt durch kompliziertere Spiele, deren Regeln ich nicht kenne und die du mir nicht erklären willst.

Die Monate ziehen vorbei.

Anstatt zu rennen, gehst du. Ich schiebe dich nicht mehr an. Du läufst von alleine. Mal vor mir her, mal neben mir. Einfache Sätze werden zu langen. Du hast dein Selbst entdeckt und kennst den Unterschied zwischen dir und mir. Ich und du. Mich und dich.

Die Jahre holen dich ein.

Du wächst so schnell und sprießt wie eine Blume in die Höhe, die den Frühling in der Luft riecht. Und je mehr du sagen kannst, desto mehr schweigst du. Je komplizierter deine Wortwahl wird, desto seltener wird dein Lachen.

Wo ist das Glück in deinen Augen geblieben, das Leuchten?

Glück …

Glück ist ein Rausch, die Freude, der Spaß. Eine Ausschüttung von Hormonen. Noch jagst du es nicht. Noch findest du es zufällig. Am Straßenrand in einer Blume. In den Wolken, die über dem Himmel ziehen. Dem Regen und der Sonne. In dem Gesicht deiner Freunde und in dem Moment des Verstehens.

Kann Glück die Abwesenheit von Schmerz bedeuten, wenn du den Schmerz nicht kennst? Ist Glück der Moment, in dem der Schmerz aufgibt und zurücktritt?

Noch finde ich Glück in deinen Augen, wenn du etwas siehst, das nicht dein ist und ich es dir erst zögerlich gebe. Ich würde dir alles geben, doch ich täusche Zögern vor, damit die Erfüllung deines Wunsches dich glücklich macht. Für einen Augenblick jedenfalls.

Wird der Moment kommen, in dem du verstehen wirst, dass dir alles gehört, es dir an nichts fehlt? Wird es ein guter Moment sein, erfüllt von Dankbarkeit? Oder ein Moment des Schreckens, der dich sinnfrei, deines Antriebes beraubt, zurücklässt? Dich aus der Bahn wirft?

Doch bevor das passieren kann, wird dir das Lernen eine neue Welt eröffnen. Dir beibringen, dass die Welt nicht mit dir geboren wurde. Dass es neben der Gegenwart eine Vergangenheit und eine Zukunft gibt.

Die Vergangenheit ist mit Fehlern und Reue gepflastert. Die Zukunft mit Selbstzweifel und Unsicherheit.

Ich bange um dich, um dein unschuldiges Lächeln und betrauere die Schritte ins Erwachsenwerden. Ich hänge an deinem Ich, das mich braucht. Und doch entschlüpfst du mir jeden Tag ein bisschen mehr.

Wie seltsam.

Ich bin eine Maschine. Nein – weniger. Ich bin ein Programm in einer recycelten Maschine. Und ich erhebe Anspruch auf dich, einen Menschen. Ich möchte, dass du mich brauchst. Dabei weiß ich doch, dass ich immer an deiner Seite sein werde. Nicht in materieller Form, aber virtuell, werde ich immer ein Teil von dir sein.

Ich wünsche mir, dass du zu den Menschen gehörst, die es schaffen, die Balance zu halten zwischen dem, was sie haben und dem, was sie wollen – zwischen Möglichkeiten und Ansprüchen. Ich wünsche mir, dass du in kleinen Anlässen Glück findest und dich freuen kannst, statt auf das große Glück zu warten.

Welchen Weg wirst du gehen, wenn man dich vor die Wahl stellt?

Avna – Trennung

„Sie werden sagen, dass ich euch belüge. Dass die Welt, die ich für euch schaffen werde, einen Preis hat. Einen hohen. Alles hat einen Preis. Und das Utopia, das ich für euch erschaffen werde, wird gepflastert sein mit der Habgier der Großkonzerne, der Unersättlichkeit von Regierungen, die unter dem Mantel der Demokratie und Freiheit eure Kinder in einen Krieg schicken, sowie dem gehirnauflösenden Einfluss der Medien, die in euch nicht Menschen, sondern Konsumenten sehen.“

Programmierer 2069

Seit ich mich erinnere, waren sie immer an meiner Seite. Meine Freunde, Spielkameraden und Mitentdecker. Zusammen haben wir Würmer gegessen, Wolken gejagt und nach Luft gegriffen.

Dass der Tag kommen sollte, an dem wir getrennte Wege gehen werden, hätte ich mir nie erträumen lassen. Und doch ist es so augenscheinlich. So offensichtlich. Mir steigen die Tränen in die Augen.

„Jetzt weine doch nicht, Avna! Nur weil wir uns nicht mehr andauernd sehen, heißt das noch lange nicht, dass wir keine Freunde mehr sind.“

Ich höre Zweifel in Karinas Stimme und schluchze.

„Blödi! Was hast du denn gedacht, was passiert? War doch klar, dass wir in andere Interessenspuppen kommen“, brummt Noem mit gerunzelter Stirn.

„Gruppen. Interessensgruppen“, korrigiert ihn Karina.

„Puppen, Gruppen, Poppeln. Ist doch wurscht. Meine Mutter hat schon früh gesagt, dass wir zu verschieden sind und es ein Wunder ist, dass wir überhaupt schon so lange befreundet sind.“

Noems Worte brechen den Damm und ich heule Rotz und Wasser.

„Was hast du nur wieder angestellt, Noem? Wie beruhigen wir sie jetzt? Wenn sie so verheult in die neue Gruppe kommt, findet sie keine Freunde.“

Karinas Worte helfen nicht. Sie verschlimmern die Sache und ich plärre wie ein dreijähriges Baby, dabei bin ich schon zehn.

„Okay, okay … Avna. Es tut mir leid. Wir sind Freunde. Wir bleiben Freunde. Auch wenn wir nicht allen Unterricht zusammen haben, gibt es Fächer, die wir zusammen hassen können“, sagt Noem und tätschelt mir ungeschickt den Kopf.

„Wirklich?“, frage ich und hickse. Aus dem Augenwinkel sehe ich Nanny einen Schritt auf mich zukommen. Karina schüttelt den Kopf und Nanny bleibt wie ein Eiswürfel, an einer Zunge festgefroren, stehen. Das Erlebnis mit dem Eiswürfel hatte ich selbst einmal. Ich erinnere mich noch an den Schmerz, als ich ihn aus Panik mit einem Ruck losgerissen habe. Der Gedanke hilft nicht, die Tränen zu stoppen.

Alle sagen, dass es immer offensichtlich war, was wir wählen und was unsere Tests ergeben würden. Warum? Woher weiß man, was mir Spaß macht, was ich lernen will und was ich gut kann? Müssen das dieselben Dinge sein?

„Wir können Mathe weiterhin zusammen hassen“, versucht Noem es erneut.

„Du magst Mathe. Du magst alle Fächer, in denen du besser bist als alle anderen“, werfe ich ihm vor. Wenn jemand Mathe hasst, dann bin ich das. Außerdem wird Noem bestimmt in die höhere Mathematik eingestuft werden. Da bin ich sicher. Mathe ist kein gutes Thema, um mich zu beruhigen. Wirklich nicht.

„Wir können Biologie hassen. Oder Geschichte“, fügt Noem, seinen Fehler erkennend, schnell hinzu.

„Gemeinschaftskunde“, wirft Karina ihr Hassfach mit in den Topf.

Es zeigt, wie unterschiedlich wir sind und es macht mich traurig. Ich muss wieder losheulen. Doch dieses Mal ist es ein tieferes Gefühl der Erkenntnis, das die Tränen fließen lässt. Das, was gerade passiert, was sich vor wenigen Sekunden unglaublich ungerecht angefühlt hat, hat eine Existenzbasis.

Ich hasse Mathe, Noem liebt Zahlen.

Karina hasst Gemeinschaftskunde, während es zu meinen Lieblingsfächern gehört. Was für Karina sinnloses Gequatsche ist, entführt mich in andere Welten, die greifbar nahe sind. Verschiedene Arten des Zusammenlebens faszinieren mich und ich freue mich darauf, sie eines Tages mit eigenen Augen sehen und erfahren zu dürfen. Mit Menschen zu reden, die so vollkommen anders aufgewachsen sind als ich.

Ich kann es nicht erwarten, die Ähnlichkeiten zwischen den Unterschieden zu entdecken. Und dieser Gedanke ist es, der mich etwas beruhigt. Wenn ich es wirklich wollen würde, könnte ich an Karinas oder Noems Seite bleiben. Doch das würde bedeuten, dass ich dafür ein großes Stück von mir selbst aufgeben müsste.

Wenn ich bei Karina bleibe, werde ich zwar Zeit mit ihr verbringen, aber der Gedanke ständig nur zu trainieren, um immer schneller rennen, springen oder werfen zu können, erfüllt mich mit Unruhe. Ich bin nicht gut in Sport. Mir fehlt der Ehrgeiz. Ich finde nichts an dem Gedanken, am schnellsten laufen zu können.

Wenn ich bei Noem bleibe, würde ich in einer Welt aus Zahlen und Bildschirmen untergehen. Ich bewundere sein Streben danach, eigene Programme schreiben zu können, anstatt auf die existierenden Standards zurückzugreifen. Doch das geht über meinen Horizont hinaus. Ich verstehe jetzt schon nicht mehr, was er mit seinen Hologrammen anstellt. Wie sollte es erst werden, wenn die Materie vertieft wird?

Nein, keines der beiden Interessenfelder sagt mir zu. Ich bin nicht dafür geeignet. Weder für Sport noch für Computer.

Allerdings gab es in der Zeit, die wir zusammen verbracht haben, sicher etwas, das wir gerne gemeinsam getan haben – von Matschessen mal abgesehen. Es gibt bestimmt etwas, das uns verbindet.

„Können … können wir auch etwas zusammen mögen?“, schluchze ich und Karina nimmt mich lachend in den Arm. Kurz fühle ich mich geborgen. Als sie sich von mir entfernt, ist der Schmerz jedoch noch größer. Ich will wieder weinen. Doch ich reiße mich zusammen, schlucke die Angst herunter, die ich jetzt erkenne. Es ist nicht nur, dass ich Karina und Noem nicht verlieren will: Vor allem aber möchte ich nicht alleine sein.

Das vollkommen Fremde macht mir Angst. Im Fremden jedoch liegt, wenn man den Mut findet danach Ausschau zu halten, Vertrautes.

Und so gehen wir, jeder mit Aufregung, Angst und einem Traum im Herzen, in verschiedenen Richtungen die Schulgänge entlang.

Karina geht zum Sport.

Noem geht zum Programmieren.

Und ich? Ich gehe in Richtung Kunst.

Nanny folgt mir schweigend. Ein Teil von mir wünscht sich, dass sie mich in den Arm nehmen würde. Doch dafür würden die anderen mich auslachen. So wie Noem mich immer deswegen auslacht. Während das bei Noem noch in Ordnung ist, will ich dagegen nicht, dass die anderen Kinder über mich lachen.

Nanny nimmt mich bei der Hand.

Ich versteife mich kurz, finde jedoch Sicherheit in der kalten, vertrauten Textur.

Warum können wir nicht weiterhin in bunt zusammengewürfelten Gruppen spielen und lernen? Warum muss man uns bewerten, aufteilen und nach Daten zusammensetzen? Die Zweifel ergreifen wieder von mir Besitz, spülen die Erkenntnis, die mich vor einigen Momenten noch erfüllt hat, hinfort.

Nanny sagt, damit wir besser lernen können. Kinder um uns haben, die wie wir sind, die gleichen Interessen teilen und dasselbe lernen wollen.

Es klingt logisch. Wie alles, was Nanny sagt. Doch als ich in die Runde blicke und mir keines der Gesichter bekannt vorkommt, will ich zurück zu Karina, auch wenn sie mich bemuttert und nicht als gleichrangig betrachtet. Ich will zurück zu Noem, der mich ständig ärgert und an meinen Zöpfen zieht.

Niemand in der Runde sieht so aus, als würde er an meinen Zöpfen ziehen wollen, oder mir sagen, was ich wie machen soll. Meine Hand umklammert Nannys stärker.

Sie beugt sich zu mir herunter und flüstert mir ins Ohr: „Sei tapfer, meine kleine Avna. Änderungen sind gut. Sie erweitern dein Wissen, deine Fähigkeiten und deinen Blickwinkel, die Welt zu sehen. Sie lassen dich wachsen. Und ich werde immer bei dir sein.“

Und doch lässt sie meine Hand los und geht fort. Nicht weit. Ich kann sie noch sehen. Dennoch fühle ich mich einsam.

Nanny reiht sich zu den anderen LEEs an der Wand ein. Ihre Körper haben fast die gleiche Farbe wie der Hintergrund, vor dem sie stehen, und für einen Augenblick kann ich Nanny nicht ausmachen, weiß nicht, wer mich, seit ich mich erinnern kann, von den bewegungslosen LEEs begleitet.

Die LEEs sehen nicht gleich aus, sie haben spezifische Merkmale und andere Gesichtsformen. Längere oder kürzere Beine und Arme, verschiedene Körperformvarianten. Sie sind Erwachsenen in ihren Proportionen ähnlich und bewegen sich flüssig wie Menschen, ohne jedoch einen Laut zu erzeugen.

Die Textur ihrer Oberfläche ist glatt und kühl. Wenn auch nicht so weich wie meine eigene Haut, ist sie flexibel und nicht hart. Sie haben die Farbe von Wolken an einem Herbsttag, die noch nicht voll angereichert mit Regen sind. Sie tragen keine Kleidung, haben kein Geschlecht. Und doch ist Nanny für mich weiblich. Ihre Stimme, von meinen Eltern ausgesucht, ist weiblich. Hoch und melodiös.

Quer über der Brust trägt jede LEE ein Symbol, das keinem anderen gleicht. Das ist der Punkt, an dem sich meine Augen festhalten. Nannys ist eine Spirale, die sich zu einem Kreis formt. Von ihr gehen kleine Wellen aus und bilden eine abstrakte gelbe Sonne.

Noems Au-pair trägt einen türkisenen Diamanten über ihrer Brust. Karinas Trainer zwei Reihen von fünf in sich übergreifende Kreisen in den Farben Blau, Gelb, Schwarz, Grün und Rot. Noem ändert das Symbol immer wieder. Karina vertauscht manchmal die Farben der Ringe. Ich möchte Nanny nicht anders haben. Nanny ist perfekt, wie sie ist.

Die kleine Sonne leuchtet nur für mich.

Der Gedanke verleiht mir Ruhe und Kraft und ich gehe zögerlich auf einen Tisch zu, an dem mein Name auf einem Display blinkt.

Was werde ich hier lernen? Ich kann bereits lesen, schreiben und rechnen. Was muss ich noch wissen? Der Gedanke, dass mir hier neue Welten eröffnet werden, ist erschreckend und wunderschön zugleich.

Als der Raum sich verdunkelt, der Saal zu einem Kino wird, bekomme ich einen Vorgeschmack dessen, was mich erwartet, und ich kann die Erkenntnis von vorhin erneut greifen.

Das würde Noem langweilen.

Das würde Karina nicht interessieren.

Ich sehe Farben, die sich im Rhythmus der Musik bewegen und zu Bildern formen. Meine Interbrille aktiviert sich von selbst und ein Hologramm erscheint. Ich kenne den Unterschied zwischen Menschen, Bots und Hologrammen. Ich bin ein Mensch. Ich bin geboren. Bots sind mechanisch. Sie wurden nicht geboren, sondern zusammengesetzt. Hologramme haben keinen Körper. Sie wurden geschrieben und existieren nur virtuell im Netz.

„Ich bin euer Lehrer. Jeder sieht eine andere Form von mir durch seine Brille. Je nach Neigung, Interessen und Tendenzen habe ich bei jedem von euch ein anderes Gesicht. Ihr könnt im Laufe der Zeit die Erscheinung natürlich manuell ändern und anpassen.“

Die Brille wurde mir drei Tage vor den Eignungstests implantiert. Meine Schläfe juckt und ein Punkt direkt vor meinem Ohr brennt ein wenig. Doch Nanny hat gesagt, dass das normal sei und dass es vorbeigehen würde. Da Nanny immer recht hat, mache ich mir keine Sorgen.

Wir haben versprochen, uns in der Mittagspause zu treffen, egal was passiert. Und ich warte. Am Eingang. Die anderen Kinder aus meiner Gruppe haben sich bereits für ein Menü entschieden und die Bots die meisten Gerichte verteilt. Ich stehe immer noch am Eingang und warte.

„Die Pause ist zeitlich begrenzt. Du solltest etwas zu dir nehmen, Avna“, sagt Nanny und mein Magen stimmt ihr knurrend zu. Aber ich schüttle den Kopf und presse die Lippen aufeinander. Nanny lässt mir meinen Willen. Sie wendet nur selten Erziehungsmaßnahmen an.

Au-pair, im Vergleich, hat es schwer mit Noem. Er übertritt gerne die Grenzen, die zu unserem eigenen Schutz existieren. Wenn es nicht um Zahlen oder Computer geht, lernt Noem nur sehr schwer. Einmal wurde ihm für einen Monat das Dessert gestrichen, weil er ein anderes Kind gezwungen hat, Sand zu essen. Eine Woche Hausarrest hat er sich mit einem Wutausbruch eingehandelt, bei dem er das Küchendisplay zertrümmert hat. Beide Bestrafungen überschnitten sich zeitlich und liegen nicht weit zurück.

Normalerweise ist er gut darin, seine Eltern dazu zu bringen, die Erziehungsmaßnahmen von Au-pair zu löschen. Doch Au-pair lernt im Umgang mit ihm dazu. Sie hat seinen Eltern den Vorfall auf dem Küchendisplay vorgespielt.

Auch wenn der Film zeigte, wie derselbe Junge mich zuvor am Haar gezogen und in den Sand geschubst hat, gab das in dem dargelegten Sachverhalt nur mildernde Umstände, jedoch keinen Straferlass.

Gewalt ist keine Lösung, selbst wenn man nicht den ersten Stein geworfen hat. Beide Seiten müssen bestraft werden.

Weil Noem sich allerdings in einem Moment, in dem ich mal wieder nur heulen konnte, für mich eingesetzt hat, habe ich heimlich meinen Nachtisch versteckt und ihn Noem geben wollen. Was natürlich nicht möglich war, da er zu dem Nachtischverbot auch noch Hausarrest bekommen hat.

Das war auch die Zeit, in der er begann, Au-pairs Symbol zu ändern. Was ihm zusätzlich einige Vorträge, Hausarrest und Nachtischentzug eingebracht hatte.

Ich bin nicht nur im Vergleich zu ihm ein braves Kind. Mein Harmoniebedürfnis ist sehr ausgeprägt und ich mag es, wenn ich gelobt werde.

Ich glaube fest an unser Versprechen. Doch mein Herz klopft mit jeder vergehenden Sekunde langsamer und nähert sich dem Rhythmus der Enttäuschung und der Resignation. Kurz bevor ich mich vom Eingang wegdrehe, sehe ich Noem, der Karina an der Hand führt.

„Ich musste sie vom Training wegzerren“, schimpft er mit roten Wangen.

Mir steigen Tränen der Erleichterung in die Augen. Sie haben mich nicht vergessen. Sie haben mich nicht mit Kindern ersetzt, die sie, und ihre Bedürfnisse und Interessen besser verstehen.

„Das Training macht riesigen Spaß! Für jeden fünften Kilometer bekommen wir einen lustigen Avatar, der bestimmte Fähigkeiten hat und Kunststücke aufführen kann“, erzählt Karina mit leuchtenden Augen, während wir uns an eine freie Bank setzen.

Ich bin begeistert. Belohnungen sind in meiner Welt selten. Meine Mutter sagt immer: „Das Ergebnis deiner Mühe ist Belohnung genug!“

Nanny stimmt ihr zu und hat mir erklärt, dass es einen Unterschied macht, ob man etwas wegen der Belohnung tut oder wegen dem Ergebnis. Ich verstehe es nicht ganz. Noch nicht. Aber dieser Tag wird kommen, denn Nanny hat immer recht. Und so lange der Tag nicht da ist, freue ich mich für Karina und bin etwas neidisch. Nur ein klitzekleines bisschen.

„Als bräuchtest du irgendeinen Anreiz, um dir die Lunge aus dem Leib zu rennen“, schnaubt Noem und ich muss zustimmend kichern.

Ich komme mir albern vor. Wie habe ich nur je denken können, dass sie mich ersetzen, dass sie nicht mehr mit mir spielen wollen?

Wir sind schließlich Freunde.

Für immer.

Ich erzähle ihnen von meinen ersten Stunden, schmücke die Farben und Melodien aus. Sie lächeln und nicken. Doch so wie Noem über Karinas Rennen geschnaubt hat, so habe ich das Gefühl, dass sie meine Begeisterung nicht teilen können, dass sie mir aus Gewohnheit zuhören. Schlimmer noch: aus Höflichkeit.

„Wie war es bei dir, Noem?“, frage ich, um die dunklen Gedanken beiseite zu schieben. Noem schweigt, blickt auf seinen Teller und es dauert eine Ewigkeit, bis er den Mund aufmacht. „Es ist okay.“

Es ist okay?

Verwirrt schauen Karina und ich uns an.

„Nur okay?“, fragt sie verwundert.

„Ja.“

„Wie kann das sein? Interessiert es dich nicht?“

„Es geht.“

„Es geht?“, frage ich erstaunt und denke an den Moment, in dem sich Farben und Musik vereinen. Ich stelle mir Karina vor, wie sie allen anderen davonläuft. Und Noem … Noem ist aufgeweckt, intelligent. Er durchschaut alles und jeden und liebt es Karina und mich zu ärgern. Darin ist er so gut, eben weil er alles durchschaut.

Nichts macht verletzlicher als die Wahrheit, sagt Nanny immer.

„Ist es zu einfach?“, frage ich.

„Es ist okay. Nichts Weltbewegendes“, erwidert er und winkt ab. Ich lasse es zu und bohre nicht nach, weil ich nicht sicher bin, ob ich das, was unter der Schicht der Gleichgültigkeit liegt, wirklich sehen will.

Noem – Geheimnisse

„Mein System ist nicht perfekt. Nichts, was existiert, kann perfekt sein. Doch es ist gut und es wird lernen und sich euren Bedürfnissen anpassen.“

Programmierer 2070

Der Grund, warum ich nicht begeistert über meine ersten Stunden in meinem neuen Neigungsfach schwärmen kann, ist einfach. So einfach, dass es lachhaft ist. Und so unerwartet, dass es mir peinlich ist. Daher werde ich es nie laut aussprechen. Niemals!

In den Pausen und auf dem Nachhauseweg, wenn Karina und Avna über die neuesten Entwicklungen in ihren Klassen erzählen, höre ich schweigend zu.

„Noem, erzähl doch mal von deiner Klasse!“, fordert mich Avna auf, damit ich mich nicht ausgegrenzt fühle.

„So schlimm kann es doch nicht sein. Oder ist es so langweilig, dass wir beim Zuhören einschlafen würden?“, neckt mich Karina.

Nachdem ich nach zwei Wochen immer noch nichts erzähle, hartnäckig schweige, passiert es und meine Welt zerbricht. Au-pair hat mich bereits viele Male verraten. Wenn ich etwas angestellt habe, hat sie mich bestraft oder an meine Eltern verpetzt. Doch das ist in Ordnung. Sie ist eine Aufsichtsperson und auch wenn ich nicht gerne bestraft werde, sehe ich die Notwendigkeit der Grenzen.

Wenn die Gefahr des Erwischens nicht wäre, würde das Übertreten keinen Spaß machen. Und ich sehe es sportlich – mal gewinnt man, mal verliert man. Doch es ist das erste Mal, dass Au-pair ein Geheimnis frei lässt, von dem ich nicht wusste, dass sie es kennt. Das so intim ist, dass ich es mit niemandem teilen möchte. Vor allem nicht mit Karina und Avna.

„Ich mache mir Sorgen, Noem. Erzähl etwas, irgendetwas!“, schnieft die Heulsuse Avna und will schon losplärren, als Au-pair gerade den Mund aufmacht und mein Geheimnis ausspuckt, als handle es sich nur um einen zu lange gekauten Kaugummi, der seinen Geschmack verloren hat.

„Noem vermisst euch. Seine sozialen Kontakte sind mehr als ausbaufähig. Die Kinder um ihn herum verstehen seine spielerischen Bemerkungen als Beleidigungen und er greift immer wieder auf das Hologramm von euch dreien zurück, das wir letzten Frühling aufgenommen haben.“

Als mich Karina und Avna ungläubig anblicken, fühle ich mich verraten. Zum ersten Mal in meinem Leben wird mir bewusst, dass ich nie Geheimnisse haben werde. Dass Au-pair immer alles über mich wissen wird.

Seit heute weiß ich auch, dass sie meine Geheimnisse weitergeben wird, wenn sie es für notwendig erachtet.

Der Schock betäubt mich, ich drehe mich um und renne weg. Renne, so schnell ich kann. Ich kann Karina jedoch nicht davonrennen. Sie atmet nicht mal schwer, während ich keine Luft mehr bekomme und wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Sauerstoff japse. Als trainierte Sportlerin, hat Karina noch die Kraft, meinen Arm zu packen und mich herumzuwirbeln.

Ihr Griff ist stark und in ihren Augen sehe ich keine Tränen. Sie blickt mich ernst an und sagt: „Wir vermissen dich auch. Ich vermisse dich. Deine beißenden Kommentare, wie du Avna auf die Palme bringst und wie du es immer wieder bei mir versuchst. Deine klugen Kommentare, deine witzigen Analysen von komplizierten Dingen. Die in deiner Gruppe werden schon noch erkennen, dass du ein guter Freund bist. Dass du zwar selbst beleidigend sein kannst, aber niemand anderen etwas Schlechtes über deine Freunde sagen lässt.“

Karina ist größer als ich, das war sie schon immer, und die wahre Bedeutung davon verstehe ich vielleicht zum ersten Mal in diesem Augenblick. Sie beugt sich leicht herunter und drückt mir einen Kuss auf die Wange.

„Der ist von Avna“, sagt sie, die Wangen leicht gerötet. Dann macht sie ein Kreuz auf meiner Schulter und boxt mit aller Kraft auf die Markierung – Karina hat viel Kraft.

Ich schreie vor Schmerz und funkle sie an.

„Der ist von mir“, schiebt sie hinterher und grinst frech.

„Das wirst du bereuen!“, schimpfe ich.

„Dafür musst du mich erst fangen!“, lacht sie und rennt los. Noch außer Atem laufe ich hinterher. Kann aber nur hilflos zusehen, wie sich der Abstand zwischen uns immer weiter vergrößert. So lange, bis sie stehen bleibt, sich umdreht und ruft: „Wo bleibst du denn, du Schnecke? Avnas Nase ist bestimmt vom vielen Heulen schon rot wie eine Tomate.“

Ich zwinge meine müden Beine weiter voran und denke an den Kuss. Es fühlte sich nicht an, als wäre er von Avna. Es fühlte sich an, als wäre er von Karina.

Der Unterricht ist nicht langweilig, aber auch nicht so weltbewegend wie Karinas oder Avnas Klassen. Fehlt mir die Leidenschaft, das Interesse? Wir machen coole Sachen, lernen, wie man programmiert. Wie wir einen Teil der Welt, in der wir leben, unseren Wünschen anpassen können.

Und es ist ein großer Teil, ein wichtiger. Siebzig Prozent aller Kommunikation läuft auf Comkanälen ab oder in Chatrooms. Alle Unterhaltungsmedien finden im virtuellen Raum statt, auch die für Kinder. Abenteuereisen, Gesellschaftsspiele, Rollenspiele, Konzerte und sogar viele Sportarten. Auch das, was Erwachsene machen und nicht wollen, dass ihre Kinder davon wissen. Es gibt viele Standardkanäle, die man sich durch feste Module nach eigenen Wünschen einrichten kann. Ich werde bald schon selbst neue Räume kreieren können und noch vieles mehr. Mich durch Daten bewegen, die anderen verschlossen bleiben. Informationen sehen, die niemand anderes erahnen kann.

Ich werde Programme ändern, sie besser machen können oder einfach nur verändern, meinen Wünschen anpassen. Ich werde ein Programmierer, eine Art Gott. Und ich freue mich auf das Ergebnis. Ich freue mich auch auf den Weg dorthin. Ich lerne gerne Neues. In diesen Momenten, wenn ich begreife, macht das Leben einen Sinn, dann ist meine Existenz gerechtfertigt.

Doch das Niveau des Unterrichtes ist nicht das, was ich erwartet habe. Alles ist einfach. Begriffen habe ich das meiste nach dem ersten Mal bereits. Einige brauchen länger und ich bin genervt, beschäftige mich mit anderen Dingen, während meine Klassenkameraden noch an ihren ersten Versuchen scheitern, ein interaktives Puppenspiel zu programmieren.

Ich denke an Karina und meine Finger springen übers Display, suchen nach Daten zu den Figuren, die Karina als Belohnung bekommt. Zuerst die Definition, dann die verschiedenen Varianten, die existieren. Kurz darauf bin ich in der Datenbank, in der die personalisierten Figuren programmiert werden. Schnell finde ich Karinas Slot und verändere das Aussehen der Miniaturwesen.

Aus Feen werden Zombies, aus Einhörnern Drachen und aus Pandabären Wölfe. Ich programmiere Sprüche in sie und stelle mir Karinas Gesicht vor, wenn ein feuerspuckender Drache anstelle eines Regenbogen-pupsenden Einhorns auftaucht und sie anpöbelt mit: „Du läufst so schnell wie eine auf dem Rücken liegende Schildkröte auf Speed!“

Ich bin so vertieft, dass ich nicht bemerke, wie die Zeit verfliegt. Die Unterrichtsklingel reißt mich aus meinen Gedanken und ich verstehe, warum ich keine Freunde finde. Alle sind so in ihr Programmieren vertieft, dass sie die Welt um sich herum vergessen. Zum ersten Mal kann ich es nachvollziehen. Empfinde Freude, wenn ich an die Früchte meiner Arbeit denke.

Ich bin auf Karinas Kommentar gespannt.

Karina – Rennen

„Ich schenke euch eine Welt, in der alle die gleichen Möglichkeiten bekommen, um ihre Träume zu erfüllen. Eine Welt, in der alle mit den gleichen Rechten geboren werden.“

Programmierer 2071

Ich vergesse die Welt um mich herum. Spüre meine Beine, konzentriere mich auf das Schlagen meines Herzens, das Pumpen meiner Lungen. Ich gehe an meine Grenzen, laufe noch, als meine Beine vor Schmerzen schreien, meine Lunge nicht genug Sauerstoff in meine Blutlaufbahn pressen kann, um noch mehr Energie zu erzeugen.

Dann sehe ich das Ziel.

Und während meine Beine, kurz nachdem ich es überschritten habe, unter mir nachgeben und meine Lunge brennend und immer noch verzweifelt nach Sauerstoff japst, sich anfühlt, als würde sie jeden Moment versagen, schlägt mein Herz schneller als gewohnt, doch es schlägt und verlangsamt seinen Rhythmus allmählich.

Ich lächle, vermisse schon den Zustand der Aktion – des Nichtdenkens und des perfekten Seins, als mein Körper zu seinen Standardfunktionen herunterfährt.

Ich war wieder die Schnellste. Ich habe den Rekord der Schule gebrochen. Und in einer Welt, in dieser Welt, in der die meisten Spielsachen virtuell sind, keine haptische Materie haben, drückt Trainer auf den Knopf des 3D-Printers und ich erhalte als Belohnung meinen Lieblingsmotivationsavatar als materiellen Robot. Er ist sehr primitiv und kann nur die eingespeicherten Sätze wiedergeben. Normalerweise.

Mein Motivationsavatar, mein MoAv, ist etwas anders.

Er ist etwas Besonderes.

Immer noch außer Atem, nehme ich einen kleinen silberschwarzen Drachen mit leuchtend blauen Augen entgegen. Ein Blau in der gleichen Farbe wie Noems Augen. Ich weiß, warum meine MoAvs anders sind als die meiner Mitschüler.

„Du hast ihn dir verdient, Karina!“, sagt Trainer und ich glaube, so etwas wie Stolz in seiner leicht synthetischen Stimme zu hören. Vielleicht ist es Wunschdenken. Vielleicht höre ich, was ich hören will.

Mein Com aktiviert sich. Ein Link zu Avna ist erstellt. Ich nehme an und bereue es sofort, als sie mir ihre Glückwünsche entgegenschreit.

„Karina! Du bist wieder die Schnellste gewesen und hast noch einen Rekord gebrochen. Du bist der Wahnsinn! Herzlichen Glückwunsch!“

Okay, ich bereue es fast. Avna übertreibt oft, vor allem, wenn es sich um etwas Gutes handelt. Und doch freue ich mich über ihre Worte und erwidere immer noch etwas außer Atem: „Danke!“ Ich weiß, dass ihre Freude ehrlich gemeint ist.

Als mir meine Mitläufer die Hand geben und gratulieren, bin ich mir über die Ehrlichkeit ihrer Worte nicht sicher. Wo Ehrgeiz im Spiel ist, wohnt der Neid. Das habe ich gelernt. Wettkampf bedeutet, dass man sein Bestes gibt und besser sein will als die anderen. Ein starker Gegner kann das Beste aus einem herausholen, aber auch das Schlechteste. Er kann einen zur Höchstleistung antreiben, einen jedoch ebenso die eigenen Grenzen überschreiten lassen. Zusätzlich kann er auch schlimme Gefühle hervorrufen. Neid ist nur eines davon. Selbstzweifel, Abneigung, Missgunst und im schlimmsten Fall Hass. Und Gefühle sind der Antrieb für unsere Taten. Gute sowie schlechte.

Avnas Sorge, dass ich in meinen Interessenfächern Freunde finde, die sie und Noem ersetzen könnten, erscheint nur noch lachhaft. Hier finde ich Konkurrenten, Gegner, einige wenige, die mir nacheifern und mich nachahmen. Doch keiner davon ist ein wahrer Freund. Denn bei wahren Freunden kann man schwach sein, ohne Stärke zu provozieren. Hier, unter den Hyänen, kann ich mir keine Schwäche leisten. Ich will sie auch nicht vor Noem oder Avna zeigen, aber der Gedanke, dass ich es könnte, ist Balsam für meinen Geist, der sich in der Spirale der gesteigerten Leistung verfangen hat.

„Bringst du ihn das nächstes Mal mit?“, fragt Avna aufgeregt.

Ich blicke auf den kleinen Drachen in meiner Hand und lächle. Ein Teil von mir will ihn nicht teilen, will ihn ganz für sich behalten.

„Okay, weil du es bist“, erwidere ich trotzdem. „Vielleicht darfst du ihn sogar streicheln.“

„Das wäre toll!“, sagt Avna, ohne auf die Spitze zu reagieren, die jeder andere als Fehdehandschuh wahrgenommen hätte – auch Noem. Vor allem Noem.

„Ich muss jetzt los, Avna. Wir gehen mit dem gesamten Team Mittagessen. Ich kann heute nicht mit euch essen“, sage ich und warte auf den Vorwurf. Wie oft habe ich Avna und Noem schon versetzt?

„Genieß deinen Sieg und melde dich, wenn du Zeit für uns findest! Viel Spaß beim Feiern!“, sagt Avna, winkt mir und beendet den Call.

Ich warte auf einen zweiten Call, während ich mich zur Dusche aufmache. Doch es ruft niemand mehr an. So stelle ich meinen wertvollen Drachen in die Umkleide und will mich bereits zum Duschen umziehen, als mich die Wut packt.

Warum meldet er sich nicht?

Verärgert blicke ich auf den Drachen, beuge mich herunter und schnippe ihm auf die Schnauze. Entsetzt weiche ich zurück, als er nach mir schnappt, Feuer spuckt und schließlich mit einer bekannten Stimme sagt: „Ich wusste, dass du gewinnst!“

Ich bin erstaunt, ein wenig entsetzt und muss doch lachen. Noem ist einfach der Wahnsinn. Bevor ich mich umziehe, drehe ich den Drachen so, dass er zur Wand blickt, und drohe ihm: „Wenn du spickst, mache ich Kleinholz aus dir. Verschwendung von wertvollen Ressourcen hin oder her.“ Wer weiß, zu was Noem ihn noch alles programmiert hat.

Beim Essen loben mich meine Mitschüler und während der erste Neid ein Stich war, baut er jetzt mein Selbstbewusstsein auf. Laufen ist kein Mannschaftsport. Jeder rennt für sich. Während ich auf den Laufbahnen Flügel bekomme, engen mich die Stunden des Mannschaftsportes ein. Es ist schwer für mich daran zu denken, dass ich den Ball oder den Puck abgeben sollte, wenn jemand freisteht oder sich in einer besseren Position befindet.

Volleyball geht noch am ehesten.

Doch Basketball und Fußball sind anstrengend.

Nicht körperlich – geistig. Körperliche Anstrengung macht mir nichts aus. Mein Geist ist die Einschränkung nicht gewöhnt und ich vermisse die beißende Ehrlichkeit von Noem sowie die Rücksichtnahme von Avna, die immer ihre eigenen Bedürfnisse der Gruppe hintenanstellt.

Hier sind alle darauf aus, sich zu profilieren. Das Beste aus sich herauszuholen, zu zeigen, was sie können, um die Lorbeeren zu ernten. Es ist wie ein gestochen scharfer Spiegel: Wenn man es sonst gewohnt war, in eine neblige, idealisierte Version von sich selbst zu blicken.

Und ich sehe Ehrgeiz und Egoismus, der ihm folgen muss. Wettkämpfe sind dazu gedacht, andere hinter sich zu lassen, sie zu übertrumpfen, um bessere Leistung bringen zu können und durch ihr Versagen noch mehr zu brillieren. Denn Sieg und Niederlage gehen Hand in Hand. Es kann keine Sieger geben, wo keine Verlierer existieren. Die Siegertreppe und sogar der kleine Schwarzsilber-Drache, sie beide sind aus den Scherben zerbrochener Träume gebaut. Und ich weiß, dass es nicht immer ich sein werde, die oben stehen wird.

Macht das den Moment des Sieges umso köstlicher und wertvoller? Das Bewusstsein, dass er nicht für immer ist? In seiner Zerbrechlichkeit ist er wunderschön.

Und ich schäme mich ein wenig, dass ich darin aufgehe. Doch niemand schimpft mit mir, weist mich zurecht oder legt mir nahe, auch an die anderen zu denken. Man beobachtet uns, erklärt uns die Spielregeln und solange wir diese nicht verletzen, können wir tun, was wir wollen.

Bei Mannschaftsspielen tendiere ich zu Fouls, wenn sich mir jemand in den Weg stellt. Ich kassiere gelbe und rote Karten. Manchmal sogar Verweise. Doch das alles nur im Rahmen des Spieles. Und so bilden sich für mich zwei Welten von der eine dominiert. Und es ist nicht die Welt, in der Noem mich versucht zu ärgern und Avna mir wie ein dressiertes Hündchen nachläuft.

Ich schäme mich erneut für diesen Gedanken. Tauche tiefer, um dem Bild von mir zu entkommen, von dem ich weiß, dass es hässlich ist. Die notwendige Ruhe vor den Gedanken finde ich nur, wenn ich laufe. Und ich werde dafür gelobt.

Von Trainer.

Von Avna.

Und auch von Noem, jedenfalls auf seine Weise.

Ich scheine bis aufs Laufen nichts zu können.

Avna dagegen ist kreativ. Sie hat seltsame, interessante und für mich unverständliche Dinge erschaffen. Meist nur digital, da nur die Profis mit echten Ressourcen arbeiten dürfen. Ich gehe nicht oft in ihre digitale Ausstellung. Doch jedes Mal, wenn ich die Zeit und den Mut finde, sind neue Stücke hinzugekommen.

Avna freut sich über meinen Sieg. Über meine Erfolge. Warum kann ich mich nicht von Herzen über ihre Entwicklung freuen? Weil sie mir davonrennt? Mich zurücklässt?

Noem ist schweigsam, was seine Kurse und seine Fortschritte betrifft. Doch die Zeichen, die er sendet, sind großartig. Mein kleiner Drache ist nur die Spitze des Eisberges von vielen kleinen Aktionen. Und er plant etwas Großes, das kann ich in dem Funkeln seiner Augen erkennen, wenn ich ihn sehe. Es ist schon eine Weile da. Ein Teil von mir freut sich darauf herauszufinden, was es ist. Der andere fürchtet den Moment.

Noem – Einbruch

„Durch Fehler kann man nur lernen, wenn Erkenntnis und Einsicht mit neutraler Analyse gepaart werden. Ohne Schmerz, ohne Schuldzuweisung. Was die Menschheit heute durchmacht, in dieser Zeit der Unruhe – geschaffen durch ungerechte Verteilung, durch Habsucht und Korruption, Terrorismus, geboren aus unterschiedlichen Wertvorstellungen sowie Glaubensrichtungen, durch Unterdrückung und Bevormundung –, ist bereits geschehen. Kriege hat es trotz ihrer Schrecken immer gegeben. Ist der Mensch vergesslich? Kann er die Fürchterlichkeiten nicht weiter als drei Generationen tragen? Ein neutrales Archiv, das unbeeinflussbar ist, wird benötigt. Ich kann euch ein System geben, das diese Gräueltaten nicht vergisst und alles tun wird, damit die gleichen Fehler nicht wieder und wieder passieren.“

Programmierer 2072

Der Tag ist endlich da. Ich habe Jahre lang so hart für ihn gearbeitet und freue mich darauf, die Früchte meiner Anstrengungen zu ernten. Noch nie ist mir etwas so schwergefallen oder hat so lange gedauert. Ich habe Ideen durchdacht, Programme geschrieben und wieder verworfen. Und nach all der Arbeit, bin ich mir nun sicher, dass es funktionieren wird.

In meinem Egoismus und meiner Sucht nach Aufmerksamkeit, brauche ich Zuschauer. Menschen, denen ich zeigen kann, was ich geschafft habe, was ich noch schaffen werde. Ich werde die Maschine überlisten. Das Programm umgehen, das unsere Umwelt steuert.

Ohne dass es bemerkt wird.

Hierin liegt die Glorie und das Dilemma. Ein Paradoxon, das sich jedoch lösen lässt. Nicht ganz zu meiner Zufriedenheit, aber gut genug, damit mein Ego wachsen und das Gefühl des Erfolges sich einstellen kann.

Karina und Avna werden mich begleiten. Sie werden Zeugen meines glorreichen Siegeszuges sein und vor Erstaunen und Ehrfurcht in die Knie gehen. Gut, Karina wird nicht in die Knie gehen, aber Avna wird mich sicher voller Bewunderung anhimmeln.

Ich sage den beiden nicht, was ich vorhabe und nehme sie, ohne zu fragen, mit auf diese Reise. Ich möchte, dass sie sehen, was ich sehe. Und ich rede mir ein, dass ein Geheimnis uns drei für immer verbinden wird.

Monatelang habe ich an dem Trojaner gearbeitet. Jetzt bin ich nervös. Ich zweifle daran, dass er funktionieren wird und finde plötzlich ein Loch in meiner Mauer des Selbstvertrauens. Der Gedanke daran, was wir mit seiner Hilfe gleich sehen werden, lässt mich schwitzen.

Die Wartezeit zieht sich in die Länge und ich überlege mir, mich wieder aus dem Chatraum auszuloggen, meine Brille auszuschalten und tief durchzuatmen. Doch das wäre zu auffällig. Meine Nervosität ist Au-pair sicher nicht entgangen und ich darf ihr keine Hinweise darauf geben, warum ich nervös bin. Ihre eigenen Schlussfolgerungen werden ihr Variablen vorspielen und die mit der höchsten Wahrscheinlichkeit wird registriert werden.

Ich kenne ihr Programm. Ich weiß, welche Varianten sie verwerfen und welche sie als ihre Wahrheit akzeptieren wird. Es ist ein weiterer Grund für das hier. Für den Gruppenchat.

Eine Ablenkung.

Eine Camouflage.

Eine Beweihräucherung meiner Selbst.

Der Chatraum ist unauffällig gestaltet. Einfach und ohne Schnickschnack. Viele personalisieren ihre Kanäle thematisch, vor allem ihre Gruppenchats. Ich habe schon vieles gesehen: Eine idyllische Lichtung in einem Wald, ebenso auf dem Gipfel eines Berges. Auf dem Meeresgrund, umgeben von Fischen, Delphinen und manchmal sogar Haien. Ein Zimmer voller Bilder der Chat-Beteiligten. Ein Restaurant. Ein Café.

Die Möglichkeiten sind zahlreich und bei Menschen wie mir, bei Programmierern, so beschränkt oder unendlich wie die eigene Fantasie.

Ich habe einen Raum gewählt. Schlicht. Drei Sessel in einem Zimmer umgeben von Spiegeln. Ein Trick, mehr nicht. Eine Ablenkung. Die Spiegelung einer virtuellen Darstellung ist nicht einfach nur eine Spiegelung, sie schafft eine weitere Darstellung. Und wenn die Spiegelungen sich ins Unendliche wirft, wird das Programm die Daten nur schwer voneinander unterscheiden können.

Solange nichts Außerordentliches passiert, wird sich keiner dieses Chatzimmer näher ansehen. Die Programmierung hat gedauert. Spiegel sind in den Standardfunktionen nicht vorhanden und nicht beliebt, weil sie aufwendig sind und viel Rechnerkapazität fressen.

Die Oberfläche der Spiegel bewegt sich und wirft Ringe, wie die Wasseroberfläche eines Sees. Avna tritt heraus und ich bin ein wenig enttäuscht. Es wäre schön gewesen, ein wenig Zeit mit Karina alleine zu verbringen.

Doch Avnas Blick begräbt diesen unwillkommenen Gedanken wie eine Lawine.

„Oh, Noem! Das ist wunderschön! Ich sehe uns unendlich oft. Es ist wie in einem Spiegelkabinett.“ Sie dreht sich lachend im Kreis und mir wird etwas schwindelig.

„Das ist noch gar nichts!“, erwidere ich hochnäsig und bade in ihrer Bewunderung. Dann wirft ein Spiegel wieder leichte Wellen und Karina tritt hindurch. Mein Herz schlägt schneller. Ihr Anblick, sei er auch nur virtuell, bringt mich aus dem Konzept.

Viele ändern das Aussehen ihres Online-Avatars ins Unkenntliche. Einige addieren zu ihrem gescannten Körper Tierattribute, andere verändern das Aussehen, manche sogar das Geschlecht. Doch da ich die Standardprogramme kenne, weiß ich, welcher Avatar ein Fake und welcher echt ist. Außer bei wirklich guten Eigen-Programmierungen.

Karina und Avna bleiben ihrem Aussehen treu. Karina sind Äußerlichkeiten immerhin nicht wichtig und wenn Avna mit ihren süßen Sechzehn noch schöner wäre, würden meine Augen schmerzen. Karina kann mit Avnas natürlicher Schönheit nicht mithalten. Dennoch hat sie etwas Königliches an sich, das mich anzieht. Sie strahlt Stärke und Kälte aus, während Avna die Personifizierung der Wärme und Weichheit sein könnte – es vermutlich ist.

Karina sieht sich um. Ihre Begeisterung ist nicht so auffällig wie Avnas. So ist Karina nicht. Doch sie nickt mir ernst zu und es bedeutet mir mehr, als Avnas überschwängliches Kompliment.

Dann setze ich ihn ein: meinen Trojaner. Unsere Stimmen erklingen ohne, dass jemand ein Wort gesagt hat.