Von den Göttern verlassen III - Sabina S. Schneider - E-Book

Von den Göttern verlassen III E-Book

Sabina S. Schneider

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Beschreibung

In einem abgelegenen Kloster im Schneeland kommt das Kind der Vernichtung ein zweites Mal zur Welt. Sein Tod bedeutet Leben für die Landen, sein Leben den Tod. Ist das Schicksal der Lande besiegelt? Kann es überhaupt ein Schicksal ohne Götter, die es lenken, geben? Mutig stellen sich Serena und ihre Kameraden den Mächten entgegen, die ihren Sohn verderben wollen. Können sie etwas gegen die uralten Schlüssel, die Seelenansammlung aller Toten und die mächtigen Seraflyn ausrichten? *Inklusive Leseproben aus anderen Büchern von Sabina S. Schneider.

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Sabina S. Schneider

Von den Göttern verlassen III

Seraflyn

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Schicksal?

Rote Fäden

Licht und Dunkelheit

Sckicksal!

Der Preis, den man Zahlt

Feinde meiner Feinde

Dunkel im Licht, Licht im Dunkeln

Zuhause

Schuld

Epilog

Impressum neobooks

Schicksal?

Drei Brüder im Blute

Des Königs Erbe weit weg

Die Ehre verspottet

Bleibt nur Schmach – ungerecht

Im Leiden verbrüdert

Haben die Knaben nur sich

Ein Schwur – schnell gebrochen

Was einst verbunden – entzweit

Alleine gelassen

In die Hölle geworfen

Nimmt er sein Schicksal an

Wird zum Henker – zum Tode

Egoistisches Glück

Schlimmer als der Tod bestraft

Im lebenden Kerker

Seines Verstandes beraubt

Das Seelenheil verkauft

Auf der Flucht vor den Brüdern

Im Kloster vergessen

Taucht er ab in Magie

Vom Schicksal verbunden

Für das Kinde zu streiten

Vernichtung und Rettung

Zu nahe beieinander

Aus Liebe geboren

Aus Licht und Schatten vereint

Zu mächtig für die Welt

Gefürchtet sein Schicksal

Halif wusste nicht, wie er in diese Situation gekommen war. Noch vor wenigen Augenblicken hatten sie sich ewige Liebe und Treue geschworen. Jetzt funkelte Nadine ihn wütend an und würde ihn am liebsten umbringen. Jedenfalls sagten das ihre Augen, wenn auch kein Wort über ihre Lippen kam. Ihre Gesichtsfarbe wechselte von Weiß über Grün zu Rot. Ihre Augen wanderten zwischen ihm und dem jungen Mann hin und her, der ihm zum Verwechseln ähnlich sah. Es hatte keinen Zweck, es zu leugnen. Ihm gegenüber stand sein Sohn. Wären Nadines besorgniserregende Gesichtsfarbenänderungen nicht gewesen, die an ein krankes Chamäleon erinnerten, hätte Stolz Halifs Brust schwellen lassen. Ein so stattlicher junger Mann sollte seinen Lenden entsprungen sein?!

Er war groß, hatte breite Schultern, schwarze Locken und ein Gesicht, dem jede Frau verfallen musste. Und dann diese Augen! Zwei Bernsteine, die kalt funkelten. Ihn, Halif, anfunkelten. Wenn Halif nur halb so gut aussah wie sein Sohn, war es kein Wunder, dass sein ganzes Leben lang ihm die Frauen nachgelaufen waren. Halif verlor sich in der Betrachtung seines Sohnes. Dann wurde er von Nadines Schnauben wieder in die Realität geholt und das Morphirium Kloster wurde zum letzten Ort der Landen, an dem er sein wollte.

Aus dem Augenwinkel spürte Halif, wie ihn Blitze werfende Augen anstarrten. Voller Hass. Dabei war doch das Engelsgesicht mit den blauen Augen und den blonden Locken seines Bruders dafür geschaffen zu bezirzen, und nicht, um mit Blicken zu töten. Hätte sein großer Halbbruder diese Fähigkeit, wäre Halif in den letzten Stunden wohl mehr als nur einmal tot umgefallen. Zwei starke Männer hielten ihn von Halif fern, doch Armirus tödliche Blicke bohrten sich immer tiefer in seinen Halbbruder, eine Hand über dem Schwertgriff gekrallt.

Die Person, vor der Halif all die Jahre geflohen war, sich versteckt und wie ein Hase hier und da Hacken geschlagen hatte, war keine zwei Meter von ihm entfernt und ermordete ihn wohl zum hundertsten Male in Gedanken. Auf wie viele verschiedene Weisen Halif wohl in der Fantasiewelt seines Bruders das Zeitliche schon gesegnet hatte? Verbrennen? Zerstückeln? Erfrieren? Verbluten? Ertränken? Alles, bloß nicht Ersticken. Halif wollte nicht ersticken.

Er schüttelte die Gedanken ab und konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt. Wieso mussten sie sich an diesem abgelegenen Ort wiedersehen? Und dann auch noch in solch einer Zusammensetzung! Von einem mürrischen Airen, über zwei Senjyou, von denen der eine ständig mit sich selbst sprach und verliebt Löcher in die Luft starrte, bis zu einer Hochschwangeren, die ihn neugierig musterte, war alles vertreten. Halif blickte weiter in die Runde und blieb an dem haften, was einmal sein Bruder gewesen sein sollte. Was war nur mit Laron passiert? Das schwangere Mädchen war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten und sie strahlte eine seltsame Energie aus. MACHT – schrie ihr ganzes Sein. So klein und rund wie sie war, machte sie Halif Angst.

Nadine knirschte laut mit den Zähnen und Halif seufzte tief. Er wollte etwas sagen, wusste aber nicht was. Als er noch darüber nachdachte, packte ihn plötzlich jemand am Kragen seiner schwarzen Pelzkutte und zog ihn hoch.

„Du kleiner verräterischer Bastard! Wo hast du die ganze Zeit gesteckt?“ Armirus hatte sich von den bulligen Männern losgerissen und bohrte seine Finger gewaltsam in den weichen Stoff.

Das Atmen fiel Halif schwer, doch ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Bastard hatte ihn schon lange keiner mehr genannt. Ein nostalgischer Klang. „Hier und da.“ Seine legere Antwort half nicht Armirus Zorn zu zügeln.

„HIER UND DAAA?!“, brüllte der blonde Riese außer sich und griff nach einem Messer an seinem Gürtel.

Zum Glück hatte er sich nicht für das Schwert entschieden, dachte Halif, als er die Klinge an seiner Kehle spürte.

Nadine kreischte, warf sich auf Armirus, hämmerte auf seinen Rücken ein und schrie: „Lass ihn los!“

Doch Armirus ignorierte sie, als wäre sie ein unbedeutendes Insekt.

Hoffnung keimte in Halif auf. Vielleicht würde ihm Nadine irgendwann verzeihen. Immerhin schien es ihr nicht egal zu sein, dass er gleich von seinem Bruder getötet werden würde.

Dann redete die Schwangere auf Armirus ein. Er sah sie zwar an, knurrte aber nur etwas Unverständliches. Als sie ihn am Arm festhielt und von Halif wegzerrte, schüttelte er sie ab und stieß sie dabei um. Kugelrund und unausbalanciert, rollte sie zu Boden. Der Senjyou, der nicht mit sich selbst sprach, der Airen und der junge Mann mit den bernsteinfarbenen Augen, der noch kein Wort verloren hatte, eilten an ihre Seite und halfen ihr sachte auf.

Halif wusste nicht, was er tun sollte. Sein Halbbruder hatte Recht. Er hatte jede Strafe verdient, die sich Armirus nur ausdenken konnte. Er hatte seine Brüder im Stich gelassen, ihren Schwur mehr als nur einmal gebrochen.

Halif sah, wie Armirus mit aller Kraft ausholte. Seine Faust flog ihm entgegen. Er hörte Nadine schreien, schloss die Augen und wartete auf den Aufprall und den Schmerz. Halif vernahm ein dumpfes Geräusch, doch der Schmerz blieb aus. Das rechte Auge noch zugekniffen, öffnete er vorsichtig sein linkes und sah Laron, der Armirus Faust festhielt. Aufgebracht schimpfte Laron: „Jetzt reicht es! Wir sind Brüder und wenn wir uns gegeneinander wenden, haben sie gewonnen. Wir müssen zusammenhalten! Wenn wir einander nicht beschützen, wer dann?“

Laron hatte wieder einen seiner klaren Augenblicke, in denen er sich erinnerte. Manchmal nur an Bruchstücke, manchmal an alles. Am Anfang waren es nur seltene leuchtende Momente gewesen, bevor sein Geist wieder zurückgesogen wurde in die Dunkelheit. Doch langsam übernahmen die hellen Momente und die dunklen wurden vom Licht zurückgedrängt.

Bei Larons Worten sah Halif, wie sich Armirus Augen weiteten, sich voll Unglauben füllten und Hass. Durfte ein Mensch so sehr hassen? Armirus verlor die Kontrolle. Er schüttelte Laron ab, landete einen gezielten Schlag in Halifs Gesicht. Blut spritzte aus Nase und Mund. Ein schriller Schrei prallte an den Klostermauern ab und hallte wider.

Nadine?

War sie in Ordnung, huschte die Frage durch Halifs Geist, als er auf dem harten Steinboden aufschlug und der Schmerz einsetzte. Er konnte Schmerzen wirklich nicht leiden. Als er die Augen wieder öffnete und die Dunkelheit verschwand, sah Halif, wie Armirus über Laron gebeugt immer wieder auf seinen älteren Bruder einschlug.

Mikhael beobachtete wie Serena zusammenzuckte und sich anspannte. Sorge trat in seine bernsteinfarbenen Augen. Er musste handeln, bevor sie die Macht ihres Kindes einsetzte. Sie durfte sich nicht wieder in ihr verlieren. Er legte kurz seine Hand auf ihre Schulter, sah ihr in die Augen und schüttelte den Kopf. Dann eilte er blitzschnell auf Armirus zu und packte ihn von hinten. Er hatte Mühe, den tobenden Riesen zurückzuhalten, und war froh, als Boril ihm zu Hilfe kam. Der stille Hüne hatte sich während der schweren und langen Reise Mikhaels Respekt verdient. Trotz vereinten Kräften war Armirus nur schwer zu halten.

Er tobte, fluchte und schrie schließlich außer sich: „Wie kannst du es wagen, diese Worte in den Mund zu nehmen?! Wir BRÜDER? Wir müssen zusammenhalten? Wir sollen einander beschützen? Wo warst du, als sie mich nach Sorifly schleppten? Wo warst du, als ich dort den Verstand verlor? Als sie mich rausholten, nur um mich immer und immer wieder zu brechen und mich gefügig zu machen? Du warst an der Seite des Königs! Dieses verdammten Hurenbocks, der meine Mutter nicht in Ruhe lassen konnte! Und dann hast du seinem verzogenen Bengel gedient wie ein höriger Hund! Während man mich dazu benutzt hat, eine unangenehme Figur nach der anderen aus dem Weg zu räumen. Von dem Feigling da habe ich nichts anderes erwartet, aber dir habe ich vertraut. Ich habe an dich geglaubt!“ Armirus wurde ganz still, er sah zu Boden, blickte auf das Häufchen Elend, von dem er sich als Junge Hilfe und Rettung erhofft hatte.

In Larons Augen lagen Schmerz, Reue und Schuldbewusstsein. Er hatte Armirus nicht retten können. Er hatte sein Versprechen gebrochen. Laron spürte, wie die Dunkelheit wieder drohte über ihm einzubrechen. Die Welt um ihn herum verlor alle Farben und wurde stumpf. Dann hörte er eine Stimme.

Halif war aufgestanden und wischte sich das Blut aus dem Mundwinkel: „Du hast Grund auf mich wütend zu sein. Ich bin weggelaufen, geflohen, mein Leben lang. Aber Laron hat alles getan, um dich zu beschützen, um mich zu beschützen. Man hat ihn in Ketten gelegt und dabei zusehen lassen, wie man dich wegbrachte. Ich weiß nicht, was genau passiert ist, aber seine Handgelenke waren blutig und zerschunden an dem Tag, als man dich holte. Ich habe seine Schreie durch die Wände gehört. Danach hat er alles getan, damit man nicht auch mich dorthin brachte. Er hat alles getan, was sie von ihm verlangt haben, um mich zu beschützen, und in der Hoffnung, dich wiederzusehen. Er hat getan, was er konnte. Alles und mehr, was in den Kräften eines kleinen, neunjährigen Jungen lag.“

Erinnerungen brachen über Laron ein.

Ein Fenster in einem dunklen Raum. Ketten um seine Handgelenke. Schmerz, als er zerrte und zog. Der jedoch nichts war gegen den Schmerz, den er bei den Schreien, dem Bitten und Betteln seines Bruders empfand. Bei dem Anblick, wie der kleine Körper über den Hof gezerrt wurde, die engelsblonden Locken von Staub und Dreck bedeckt. Bei dem Gedanken, wohin man ihn brachte. Er wollte an seiner Stelle dorthin.

Am Abend kam der Mann in Schwarz. Das Blut lief immer noch die Handgelenke des Neunjährigen herunter und tropfte auf den Boden. Der Mann achtete nicht auf das Blut, kniete sich vor den Jungen ohne Namen, nahm sein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und blickte in die hasserfüllten Augen. Wie sehr er diesen Anblick liebte.

„Gibt mir meinen Bruder wieder!“, sagte der kleine Junge mit einem Feuer, das dem Mann in Schwarz gefiel. Aber der Mann mit der Augenklappe wusste, dass dieses Feuer gefährlich war. Er musste den Kleinen zähmen oder töten. Doch der Tod dieses kleinen Bastards würde dem König nicht gefallen. Also flüsterte er leise: „Du wirst ihn schon wiedersehen. Ob er dich erkennen wird, ist eine andere Frage.“ Bei den nächsten Worten beugte sich der Mann noch näher zu dem Jungen herunter und fixierte ihn mit seinem sehenden Auge: „Vergiss nicht! Du hast noch einen Bastardbruder. Du willst doch nicht, dass ihm auch etwas zustößt?“

Die Augen des Jungen weiteten sich und der Mann sah Angst in ihnen. Ja, so war es richtig. Mithilfe dieser Angst konnte er den Jungen kontrollieren.

Laron schüttelte den Kopf und die Erinnerung verschwand.

Halif sprach weiter: „Solang sie mich hatten, war Laron dazu gezwungen, alles zu tun, was sie von ihm verlangten.“ Er war näher an seine beiden Brüder getreten, beugte sich zu Laron herunter und sagte mit klarer Stimme: „Ich weiß, du konntest nicht anders. Aber hast du daran gedacht, wie es mir ging? Zu wissen, dass sie mich benutzten, um dich gefügig zu machen? Hast du auch nur eine Sekunde an mich gedacht? Nein, du warst zu sehr damit beschäftigt, mich zu beschützen.“ Er griff nach Larons Arm und zog ihn hoch, klopfte ihm auf die Schulter und sagte mit einem Lächeln: „Es ist okay. Ich weiß, du kannst nichts für deine Natur. Du hast es gut gemeint. Ich weiß dein Opfer zu schätzen, aber ich wollte es nie. Darum bin ich gegangen, um dir die Freiheit zu geben. Und doch bist du geblieben. Warum?“

Larons Blick fiel bei Halifs Worten auf Armirus, der sich versteifte.

Hatte Laron ihr Spiel gespielt, um ihn, Armirus, zu beschützen? Ein hysterisches Lachen riss sich an die Oberfläche. Was war das nur für eine tragische Komödie?! Drei Halbbrüder. Der eine konnte seinem Bruder nicht verzeihen, dass er ihn im Stich gelassen hatte. Dieser, unfähig seinen Halbbruder zu retten, spielte den gehorsamen Hund, um die Hölle des anderen Bruders so angenehm wie möglich zu gestallten. Der wiederum floh, um seinem Bruder ein Leben in Knechtschaft zu ersparen.

Armirus ganzer Körper wurde von hysterischem Lachen geschüttelt. So typisch Laron, dass man es nicht anzweifeln konnte. Schade. Es war bequem und einfach gewesen Laron zu hassen.

Alle Augen ruhten auf Armirus. Dann wurde er ganz still und sein Blick suchte Serena. Sie war an die Seite ihres Vaters geeilt. Für sie hatte Laron seine Brüder zurückgelassen und die Freiheit gewählt. Musste Armirus seinen Hass auf Serena projizieren? Er betrachtete ihr Gesicht, das erfüllt war mit Besorgnis, und wusste, dass er sie nicht hassen konnte. Aber wohin sollte er seinen Hass richten? Dorthin, wohin er gehörte: auf das Königshaus? Änderte es etwas an seinem Plan?

Er blickte auf Serenas gerundeten Bauch.

Nein, es änderte nichts. Er würde sich diese Macht zu Eigen machen. Ein dunkles Lächeln breitete sich über seinem Gesicht aus. War das nicht schön? Jetzt hatte er ein konkretes Ziel, das er verfolgen würde, wenn er diese Macht auf die eine oder andere Weise in die Finger bekommen würde: die Vernichtung aller Karolevs.

Armirus schüttelte Mikhael und Boril ab, fixierte Mikhael aus dem Augenwinkel und meinte: „Das ist dein Vater. Bist du stolz von so etwas abzustammen? Auch in deinen Adern ist das Blut von einem königlichen Hurenbock. Fragst du dich nicht auch oft: Wenn sie uns nicht wollten, wieso konnten sie dann ihre Schwänze nicht aus unseren Müttern lassen?“ Armirus drehte sich zu seinem jüngeren Bruder: „Ich habe deinen Sohn auf einem Sklavenmarkt entdeckt. Er hat das Gesocks dort um ihre Geldbeutel erleichtert. Er war erst fünf oder sechs. Seine Mutter war froh, als ich ihn ihr abgekauft habe. Hat sich nach den Münzen in den Dreck geworfen und sich dort gesuhlt wie eine Sau.“

Halif presste die Lippen aufeinander und Schmerz trat in seine Augen, als Armirus die nächsten Worte aussprach: „Aber keine Sorge. Ich habe mich gut um deinen Sohn gekümmert. So gut, wie man sich um mich gekümmert hat. Er hat gute Anlagen zum Assassinen. Er bringt alle Voraussetzung mit. Königliches Bastardblut und einen starken Willen zum Überleben.“

Halifs Blick fiel auf seinen vermeintlichen Sohn. Es war kaum abzustreiten. Die Ähnlichkeit war einfach zu gravierend. Bei dem Gedanken, was Armirus ihm angetan haben könnte, wurde Halif schlecht und in ihm stieg eine Wut auf, die sehr nahe an Hass reichte. Er verlor die Kontrolle und sprach die Worte aus, ohne zu überlegen. Ein Spruch, den er nie zuvor angewandt hatte. Der Zauber band die Luft um Armirus Körper an seinen Willen. Mit einer Handbewegung wurde sein Bruder in die Luft gehoben. Mikhael und Boril ließen ihn überrascht los. Er schwebte kurz über allen, dann holte Halif aus und ließ ihn gegen die Wand prallen. Ein lautes Knacken war zu hören. Zufriedenheit paarte sich mit dem Wunsch nach mehr.

Doch die Magie in der Luft reichte nicht aus und Halif griff nach der ersten Energiequelle, die er erreichen konnte. Als er in den Geist der Schwangeren eindrang und den unendlichen Quell berührte, keuchte er auf. So viel Macht, so viel Energie an einem Ort versammelt! Es schien nur eine Frage der Zeit, bis die Energie in sich selbst zusammenfallen, sich unendlich ausdehnen oder kollabieren und einen Sog bilden würde, der alles verschlang. Den Gedanken nicht ganz beendet, spürte er, wie die Gier nach dieser Macht ihn ergriff.

Halif holte sich Energie und lies einen Strahl auf Armirus los, der zusammengekauert am Boden lag. Eine Gestalt warf sich zwischen die beiden Männer, der Schrei einer Frau zerriss die Luft und die Welt stand für den Bruchteil einer Sekunde still. Dann spürte Halif, wie die Quelle der Kraft, nach der er gegriffen hatte, durch ihn hindurch reichte und die Energie umleitete. Mit einem Knall entlud sich der Strahl in der Wand.

Von dem Gestein blieb nur Asche übrig.

Halif blickte in das Loch, das er beinahe in den Körper seines Bruders gebohrt hätte und ein Schauer überfiel ihn. Bevor er irgendwie regieren konnte, klatschte Nadines Hand in sein Gesicht. Er sah nur die Tränen in ihren Augen und spürte das Brennen auf seiner Wange. Der Raum füllte sich plötzlich mit Magie, Halif drehte sich herum und starrte auf den Energiewirbel, der das schwangere Mädchen umgab. Sie zitterte am ganzen Leib, hob die Hände und versuchte die Energie abzuleiten. Blitze entsprangen ihren Fingern, schlugen in den Boden, die Decke und die Wände.

Mit aller Konzentration versuchte Serena niemanden zu treffen. Tränen liefen ihr über das Gesicht. Dann umschlossen sie starke Arme und hielten sie fest. Serena hatte das Gefühl zu zerbersten, auseinanderzufallen. Dann setzte der Schmerz ein. Ihre Schreie zerrissen die Luft.

Halif legte eine Glocke um den Raum und dichtete sie mit einem Vakuum ab. So würde hoffentlich niemand die Schreie hören oder den Energiefluss spüren. Er hatte lange an diesem Spruch gearbeitet, eigentlich dazu gedacht, ihm und Nadine die Flucht zu erleichtern. Es war mehr als genug Magie in der Luft, um den Zauber stabil zu halten.

Alle versammelten sich um Serena, die immer wieder schrie und kurz davor war, das Bewusstsein zu verlieren. Nur der Druck von Mikhaels Armen hielt sie bei Verstand. Sie klammerte sich verzweifelt an ihn. Es war anders als das letzte Mal. Heftiger und dauerhafter. Kaum war der Schmerz abgeebbt, kam eine neue Welle. Sie hatte das Bewusstsein ihres Kindes schon lange nicht mehr wach erlebt und spürte es auch jetzt nicht. Da war nur Schmerz.

Nadine rannte zu der Schwangeren und kniete sich neben Serena. Mikhael sah sie mit den Augen seines Vaters hilfesuchend an. Pure Angst war in ihnen zu lesen. Angst um die junge Frau.

„Was hat sie? Was stimmt nicht mit ihr? Kannst du ihr helfen?“ Alle um sie herum starrten Nadine fragend an. Nadine war geschockt von der Wand des Unverständnisses, auf die sie prallte. Waren sie blind? Dann formulierte sie die Worte, die schon oft ausgesprochen, viele Welten verändert hatten: „Sie hat Wehen. Das Kind kommt.“

Alle Gesichter gefroren.

Die Welt stand still.

Serena atmete erleichtert aus. Ihr Kind kam, es war so einfach und doch so schmerzhaft. So hatte sie es sich nicht vorgestellt. Der pure Schmerz. Dann zerriss ihr markerschütternder Schrei wieder die Luft und alle liefen wie aufgeschreckte Hühner herum. Ohne Ziel, ohne Sinn brabbelten sie vor sich hin. Nur der Airen, der sich bisher nicht gerührt und sich aus all den Streitigkeiten herausgehalten hatte, setzte sich neben Serena, griff nach ihrer Hand und drückte sie fest.

Der Senjyou, der mit sich selbst sprach, rief aufgeregt: „Molly, beruhige dich! Sie stirbt nicht. Sie kriegt nur das Kind. Bitte schrei nicht so! Molly, bitte wein‘ doch nicht!“ Nadine war entsetzt von so viel Unfähigkeit, Unwissen und sinnloser Panik, dass sie einfach nicht anders konnte. Sie rief Befehle, schickte alle bis auf Halifs Sohn und den Airen hinaus. Alle folgten ihren Worten mit Erleichterung in den Blicken. Nur ein Senjyou weigerte sich, lief von einer Ecke zur anderen und ließ Serena nicht aus den Augen.

Nadine bat Halif, heißes Wasser zu erzeugen, und schickte ihn nach Tüchern.

Die Schreie waren dank dem Mantel der Stille, den Halif über das Zimmer gelegt hatte, nicht zu hören. Trotzdem liefen die Männer im Flur aufgeregt hin und her, starrten auf die Tür und trauten sich nicht hinein. Es vergingen Stunden um Stunden, die sich wie Tage anfühlten.

Armirus tigerte vor der Tür hin und her wie Malhim im Zimmer, öffnete sie, steckte den Kopf kurz hinein, schloss sie jedoch sofort wieder mit bleichem Gesicht. Boril stand an der Wand gelehnt. Schien die Ruhe selbst, doch sein Blick ließ die Tür keine Sekunde aus den Augen.

Mof lief im Kreis, hielt sich die Ohren zu und wiederholte immer wieder: „Molly, bitte! Bitte beruhig dich, Molly! Bitte!“

Selbst Par, der blutrünstigste Schlächter unter Armirus Männern, war bleich. Zwischendurch huschte Halif aus dem Zimmer, holte etwas und huschte wieder hinein. Ein einziges Mal packte Armirus ihn am Arm und schaute ihn fragend an. Als Halif nur mit traurigen Augen den Kopf schüttelte, sog der blonde Hühne scharf die Luft ein und ließ ihn gehen.

Nadine stand der Schweiß auf der Stirn, fast so sehr wie Serena, die durchnässt und bleich auf einem Haufen Pelz lag. Bei Geburten konnte man magisch nur unterstützen, den Vorgang jedoch nicht wirklich beeinflussen, da die Geburt an sich magisch war. Nadine spürte eine zu große Ansammlung von Energie in dem kleinen Frauenkörper. Etwas stimmte nicht. Der Airen, der Senjyou und Halifs Sohn sagten kein Wort und starrten nur mit Sorge auf Serena. Halifs Sohn hielt die werdende Mutter die ganze Zeit über im Arm. Der Airen und der Senjyou wechselten sich damit ab, im Raum auf und ab zu laufen und ihre Hand zu halten.

Dann war es so weit. Ein letzter schallender Schrei, der ihnen allen durch Mark und Bein ging, dann Stille.

Ein Junge!

Nadine tat, was sie für richtig hielt. Sie trennte die Nabelschnur ab, klopfte dem Neugeborenen auf den Rücken. Es schrie nicht, aber es sog Luft in seine Lungen und bewegte sich leicht. Sie wusch es, wickelte es in Tücher und Fell und wob einen Wärmezauber um das Neugeborene. Sie hatte keine Zeit, sich das Kind genauer anzusehen. Sonst wäre ihr aufgefallen, dass es zu klein war für ein Vostokenbaby. Alle Energie, die sie zuvor in der Mutter gespürt hatte, war mit dem Baby aus deren Körper geflossen und pulsierte nun in dem Kind. Das konnte nicht gut sein.

Nadine war noch nie bei einer Geburt dabei gewesen. Aber so viel Blut konnte nicht normal sein. Solch einen Blutverlust konnte niemand überleben. Nadine wandte all ihre Aufmerksamkeit der Mutter zu. Das Kind reichte sie den ersten Händen, die sich ihr entgegenstreckten.

Zitternd nahm der Senjyou ihr das Kind ab und wog es sachte hin und her.

Es schrie immer noch nicht.

Aber darum konnte sich Nadine später kümmern. Es atmete und bewegte sich. Das reichte ihr für den Augenblick. Jetzt verlangte die Mutter all ihre Aufmerksamkeit.

Sie lag still da. Die Lippen weiß und spröde, kein Tropfen Blut oder Energie schien in ihr übrig zu sein. Als hätte das Baby alles aufgebraucht und nichts mehr für die Mutter übrig gelassen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich unregelmäßig und die Augen waren nach hinten gerollt, während ihre Augenlider unkontrolliert flackerten.

Nadine hatte einige Bücher über Heilung gelesen, vor allem über Heilpflanzen, doch ... Bevor sie einen klaren Gedanken fassen konnte, stoppte die Atmung und die Augen starrten leer in die Luft.

„Nein!“, schrie es in Nadine. Sie konnte nicht mit dem Tod umgehen, hatte es noch nie gekonnt. Schon als Kind hatte sie sich im Herbst eingeschlossen, wenn alle Blätter an den Bäumen abstarben, und geweigert, das Haus zu verlassen. Während die anderen nur die schönen Farben sahen, fühlte Nadine das Erlöschen von Leben. Erst später hatte sie verstanden, dass es einen Herbst und Winter geben musste, damit der Frühling kommen konnte. Keine Geburt ohne Tod. Das hatte sie verstanden, doch es gefiel ihr trotzdem nicht.

Und jetzt lag vor ihr eine junge Frau, in der Blüte ihres Lebens. Tot. Dann hörte Nadine Halif schreien: „Weg von dem Körper!“ Er legte beide Hände auf den Brustkorb der Frau und Nadine spürte, wie Energie in Halifs Körper fuhr. Die Luft lud sich auf, aus Halifs Händen strömten Blitze und der Körper der Frau zuckte.

Immer wieder jagte Halif Energieströme durch den leblosen Körper. Nach dem vierten Mal spürte er, wie das Herz zuerst langsam, dann immer schneller schlug. Die Frau sog scharf Luft in ihre Lungen und atmete wieder.

Sie lebte.

Sie war gestorben und lebte wieder.

Voller Bewunderung blickte Nadine Halif an. Er war großartig, wo sie versagte. Sie liebte ihn. Das wurde ihr wieder klar. Egal, was in der Vergangenheit war, wie viele uneheliche Kinder er auch hatte. Sie liebte ihn und wollte bei ihm sein. Sie schaute sich in dem kleinen Kreis um. Tränen liefen über die Wangen von Halifs Sohn. Die Atmung des Airen ging unregelmäßig. Dann bemerkte sie, dass noch jemand im Raum geblieben war. Der Mann, der Halif beschützt hatte. Er schaute mit gerunzelter Stirn von der Mutter auf dem Boden zu dem Baby in den Armen des Senjyou, als könnte er sich über etwas nicht klar werden.

Mit Sorge sah Halif, wie Nadines Hände zitterten. Er nahm ihre Hand in seine und drückte sie fest.

Nadine sah ihn dankbar an und sagte die Worte, die ihn alles andere vergessen ließen: „Ich liebe dich.“

Er nahm sie in den Arm und drückte sie an sich, so wie Mikhael die immer noch bewusstlose, aber atmende Serena an sich presste.

Mit jedem Herzschlag, den Mikhael spürte, beruhigte sich die Panik, die ihn ergriffen hatte und der Schmerz bei dem Gedanken, dass er Serena für wenige Sekunde verloren hatte, ebbte langsam ab. Wenn er auch wusste, dass dieses Gefühl nie ganz verschwinden und seine Angst für immer nähren würde.

Malhim blickte zu den zwei Männern, die sich so ähnlich sahen, und sein Herz zog sich zusammen. Beide hielten die Frau im Arm, die sie liebten. Die Tragweite der Konsequenzen seiner Taten wurde Malhim erst jetzt wirklich bewusst. Durch sein unkontrolliertes Handeln in jener einen Nacht hatte er das Recht verwirkt, Serena so im Arm zu halten wie jetzt Mikhael. Er hatte sich die Chance genommen, ihr Herz zu erobern. Doch was geschehen war, konnte nicht ungeschehen gemacht werden.

Er blickte auf das Gesicht seines Kindes und sein Herz zog sich vor Schmerz und Freude zusammen. Es hatte Serenas schwarze Locken und mit kristallblauen Augen, die ihre sein könnten, schaute es ihn an. Doch die Formen der Nase und Lippen erinnerten an seine. Sachte berührte Malhim die Spitzen der Ohren. Nicht ganz so spitz wie seine, aber nicht so rund wie bei Vostoken. Eine Last fiel von ihm ab. Es war sein Kind. Auch wenn er es nie zugeben würde, so hatten ihn doch Harils Worte verletzt und die Möglichkeit verrückt gemacht, dass es nicht sein Kind, sondern das von dem verrückten Schlüssel sein könnte.

Wenn es nicht seins gewesen wäre, hätte er nichts, das ihn mit Serena verband und er hätte sie gehen lassen müssen. Für immer. Aber jetzt, jetzt hatte er etwas, das sie verband. Für immer. Er hatte ein Grund an ihr festzuhalten. Vielleicht würde sie lernen, ihn zu lieben. Mit den Jahren, für ihr gemeinsames Kind. Malhim blickte auf Mikhael und zu dem Mann, dem er wie aus dem Gesicht geschnitten war, dann auf Serena.

Sie waren verwandt. Das konnte jetzt keiner mehr leugnen oder ignorieren. Doch Malhim wusste, dass die beiden nicht ohne einander konnten. Er hatte mit schmerzender Brust feststellen müssen, dass Serena während ihren Attacken immer nach Mikhael gegriffen und nach ihm gerufen hatte. Nur seine Nähe hatte sie wieder zu sich gebracht. Und Mikhael? Er war für sie da. Serena hatte Mikhael das Leben gerettet. Aber Malhim war sich sicher, dass es mehr als Dankbarkeit war, das Mikhael für Serena empfand.

Während sie Serena in eines der leeren Zimmer des Klosters transportierten, betrachteten alle sie mit Sorge und das Kind mit ...

Sah Halif wirklich Angst in ihren Augen?

Wo war er nur hineingeraten?

Halif hatte aufgrund eines Buches dieses Kloster aufgesucht, war Nadine begegnet und hatte in ihr den Funken der Götter erkannt. Sie hatte unbewusst eine neue Rasse erschaffen. Aus Sorge, dass man ihre Gabe entdecken und sie für Experimente oder Schlimmeres einsetzen würde, hatten sie lange ihre gemeinsame Flucht geplant und waren in der Nacht, als es soweit war, auf diese seltsame Gruppe gestoßen.

Eine Vereinigung der königlichen Bastardhalbbrüder. Ein junger Mann mit seinem Gesicht und ein schwangeres Mädchen, das aussah wie Larons Tochter. Und dieser Energieausbruch! Dann gebar sie einen Halbsenjyou. Halif war sehr überrascht gewesen. So wie sich sein Sohn ihr gegenüber verhielt, hätte er wetten können, dass es sein Kind war.

Warte!

Wenn er sein Sohn war und das Mädchen Larons Tochter, waren die beiden verwandt. Es war also besser, dass es nicht von ihm war. Halif wurde schlecht. Er war so kurz davor gewesen, am selben Tag Vater und Großvater zu werden. Aber wie konnte der Vater des Kindes in Ruhe zusehen, wie ein anderer Mann die Mutter seines Kindes im Arm hielt?

Wäre Nadine nicht gewesen, hätte das Kind nicht überlebt. Hätte Halif das Buch mit dem Titel Biologie und Medizin aus dem Raum ohne Magie kurz vor der Flucht nicht gelesen, wäre die Mutter gestorben. Halif hatte noch nie über das Innere eines Menschen nachgedacht und war fasziniert von dem Thema gewesen. Das Buch war detailliert und mit Bildern ausgeschmückt. Es gab auch ein Kapitel namens Reanimation: Energiestöße, die das Herz dazu animierten wieder zu schlagen. Halif hatte sich gedanklich eine Notiz gemacht, sich näher mit diesem Thema zu beschäftigen, sollte es mehr Bücher darüber geben. Im Notfall musste er die Schriftsysteme knacken, die er noch nicht lesen konnte.

So viele Zufälle – zu viele Zufälle.

Konnte es sein?

Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass Halif seine Brüder an einem Ort treffen würde, der so kalt und karg war, dass nur Magie ein Leben ermöglichte? Ein mächtiges Wesen, geboren nur dank der Anwesenheit der Person, die den göttlichen Funken in sich trug. Dann kam noch sein Sohn hinzu. So etwas konnte kein Zufall sein.

Aber was war es dann?

Schicksal?

Wo keine Götter existierten, gab es niemanden, der an dem Schicksalsnetz spinnen und die Lebenslinien verknoten könnte. Niemand war da, um zu leiten und zu führen oder um ein Schicksal zu erzeugen. Denn Schicksal war gewollt, gelenkt und steuerte auf ein Ziel hin.

Halif stutzte. Gab es jemanden im Hintergrund, der die Fäden zog? Lenkte ein Sterblicher ihr Geschick und schob sie auf ein Ziel zu? Was war das Ziel und wer war der Puppenspieler? Irgendetwas stimmte nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass all diese Personen sich an einem Ort treffen würden, war einfach zu gering. Waren gar die Götter zurückgekehrt, um ihr Urteil zu vollstrecken und die Landen auszulöschen?

Ewas ging hier vor und Halif musste herausfinden, was es war. Er hatte kein gutes Gefühl dabei. Was hatte die Gruppe zusammengeführt und hierher gebracht? Er seufzte. Halif hatte es vermeiden wollen, aber er würde wohl einige Gespräche unter zwei Augen führen müssen, um herauszufinden, mit wem er es zu tun hatte.

Er erklärte seine Vermutung, als sich alle um Serenas Bett versammelten, und bat um Kooperation. Am liebsten hätte er die Mutter zuerst befragt, aber sie war noch zu schwach. Mit seinem Sohn wollte er nicht beginnen. Um chronologisch vorgehen zu können, müsste er mit Armirus anfangen.

Halif war verwundert, dass sich dieser so gar nicht sträubte. Er hatte ein flaues Gefühl im Magen, als er Armirus alleine in einen anderen Raum führte. Halif ließ den Zauber der Stille über das Zimmer fallen, in dem sich die anderen befanden, und errichtete auch einen in dem Raum, in dem er die Befragungen durchführen wollte. Die Luft pulsierte nur so vor Magie nach der Geburt des seltsamen Wesens, das irgendwie mit ihm verwandt zu sein schien. Wie, verstand er noch nicht genau, aber auch das würde er herausfinden.

Sachverhalt Armirus - mittlerer Königsbastard

In dem Raum standen, wie auch in dem anderen, ein Tisch, ein Stuhl und ein Bett. Armirus wählte das Bett, legte sich ausgestreckt auf den Rücken und starrte auf die Decke.

Halif setzte sich auf den Tisch und wartete.

Armirus brach die Stille zuerst. Ohne Halif anzusehen, fragte er geradeheraus: „Was willst du wissen?“

Während sich Halif einen Plan zurechtlegte, wie er vorgehen wollte, schoss auch schon die erste Frage aus ihm heraus: „Wann und wo hast du das erste Mal eines der Mitglieder dieser Gruppe getroffen?“ Das war doch ein guter Anfang, dachte Halif bei sich, zuckte jedoch zusammen, als ein gehässiges Grinsen das Gesicht seines Halbbruders erhellte. Er würde wohl die Antwort nicht mögen.

„Als Erstes bin ich deinem Sohn begegnet. Auf dem Sklavenmarkt in Marchenich. Er hat seine langen Finger an mir erprobt. Ich war dort, um mir ein Spielzeug zu holen, und ich habe eins gefunden. Er war wendig, klein, aber nicht sehr intelligent, wenn es darum ging mit den kleinen Diebesfingern seine Opfer auszuwählen. Er schaffte es, sich aus meinem Griff zu winden wie ein kleiner Aal und rannte davon. Zu deiner Hure. Zerlumpt waren beide und dreckig. Sie beachtete den Jungen überhaupt nicht und war glücklich, als ich ihn ihr abkaufte. Du kannst stolz sein, dein Bengel hat einen guten Preis gebracht.“

Armirus beobachtete aus dem Augenwinkel Halifs Reaktion. Äußerlich blieb Halif ruhig. Aalglatt wie sein Balg.

„Kannst du mir eine genauere Beschreibung der Frau geben?“, zwang Halif sich sachlich zu fragen, während ein Vulkan in ihm brodelte und jede Sekunde auszubrechen drohte.

„Dass sie verdreckt und in Lumpen gekleidet war, hatte ich erwähnt?“ Armirus lachte. Halif hatte seine Gesichtszüge unter Kontrolle, das musste man ihm lassen. Schmerz durchzuckte Armirus Rücken, erinnerte ihn daran, was passierte, wenn Halif die Beherrschung verlor und er dachte laut nach: „Sie hatte dunkelbraunes, langes, zerzauste Haar. Wirklich nicht sehr gepflegt. Aber man hat gesehen, dass sie einmal hübsch gewesen sein musste. Ihre Augen hatten einen seelenlosen Ausdruck. Als hätte jemand mit ihrem Herzen gespielt und es dann zerstört. Aber die Farbe war immer noch schön. Ich glaube, es war grün. Ich hatte mich noch kurz gefragt, ob sie seine leibliche Mutter sei. Da war keine Ähnlichkeit zu sehen. Außer die Lippen. Voll, sinnlich und wie zum Küssen geschaffen.“

Halif ordnete die Sklavenstadt geografisch in seinem Kopf ein und fragte, wann er ihn denn getroffen habe.

„Vor etwa fünfzehn Jahren.“

In Halifs Kopf ratterte es. Wenn der Junge damals fünf gewesen war, hätte er die Mutter vor zwanzig, einundzwanzig Jahren getroffen haben müssen. Wo war er damals gewesen? Wie so oft, war er dankbar für sein akribisches Gedächtnis. Zu der Zeit war er ... Halif versteifte sich. Er war in Merzan gewesen, eine kleinere Stadt in der Nähe des Sklavenmarktes von Marchenich und hatte eine junge Dame als Adliger umworben. Sie hatte grüne Augen gehabt und braunes, wunderschönes Haar.

Jeder Zweifel starb. Es war sein Sohn.

„Wie kamst du darauf, dass es mein Sohn sei?“, fragte er trotz allem.

Daraufhin lachte Armirus schallend und ignorierte den schmerzenden Rücken: „Hast du schon einmal in den Spiegel geschaut? Er ist dein Ebenbild und war es schon als kleiner Junge. Es gibt nur eine Handvoll Menschen mit dieser Augenfarbe. Ich kenne nur zwei. Dich und ihn.“

Halif musste zugeben, dass von allen Menschen, denen er begegnet war, außer ihm nur seine Mutter die gleiche Augenfarbe hatte. In der Sonne glänzende Bernsteine.

Wunderschön, waren sie zu ihrem Verhängnis geworden. Einmal in das goldene Lichtspiel geblickt, hatte König Daliel nicht von ihr ablassen können, bis er sie zu seiner gemacht hatte. In den Jahren seiner Reisen hatte Halif in jedem Gesicht nach diesen Augen Ausschau gehalten, hatte nach seiner Mutter gesucht. Doch er hatte nicht eine Seele gefunden, die jemanden mit der gleichen Augenfarbe auch nur gesehen hatte. Er war sehr erstaunt gewesen, als er in die Augen des jungen Mannes geblickt hatte. Und erfreut.

Er schüttelte den Gedanken ab und fragte, was er wissen wollte und doch Angst hatte, zu hören: „Was hast du mit ihm gemacht, nachdem du ihn gekauft hast?“

In der nächsten halben Stunde erzählte Armirus bis ins kleinste Detail, was er alles mit dem kleinen Jungen angestellt hatte. Wie er ihm die Ausbildung hatte zukommen lassen, die auch ihm zuteilgeworden war.

Bei der Beschreibung drehte sich Halif der Magen um und er musste den Drang niederkämpfen, seinen Gegenüber auf die schmerzhafteste Weise, die es gab, umbringen zu wollen. Nur der Gedanke, dass auch Armirus all das und mehr angetan worden war, ließ Halif die Grenze zum Mord nicht überschreiten. Doch nur weil er gelitten hatte, gab es ihm nicht das Recht, anderen das Leben zur Hölle zu machen. Vor allem nicht Halif Sohn. Doch Halif musste sachlich bleiben. Er hatte eine Aufgabe.

Als Armirus fertig war, fragte er unschuldig: „Willst du dir keine Notizen machen?“

Kalt erwiderte Halif: „Ich merke mir alles, was ich einmal gehört oder gelesen habe. Es ist eine Gabe.“

Armirus schnaube nur zur Antwort.

Oh ja, Halif würde sich merken, wie Armirus seinen Sohn behandelt hatte. „Wann haben sich eure Wege getrennt?“, fragte Halif weiter.

„Hm, es war kurz nach einem Auftrag. Er hatte mit seinem Aussehen eine reiche Dame bezirzt und ist wie immer mit dem Geld abgehauen. Ganz wie der Papa“, fügte er gehässig hinzu, „ich habe ihm die Jagdhunde auf den Hals gehetzt. Als man sie alle mit durchgeschnittenen Kehlen im Wald fand, habe ich meine Männer in alle Richtungen ausgesandt. Auch von ihnen sind eins, zwei nicht wiedergekommen.“

„Warum hast du ihn nicht einfach gehen lassen? Was wolltest du von ihm?“, fragte Halif gezwungen sachlich.

„Ich wollte ihn zu meinem Nachfolger ausbilden und hatte schon viel Zeit in ihn investiert. Sein Verschwinden hat mich verärgert.“ Was untertrieben war. Armirus hatte monatelang getobt und seine schlechte Laune an seinen Männern ausgelassen.

Halifs Sohn hätte die Rolle des Assassinen und Banditenanführers übernehmen sollen? Ob er von seinem Glück gewusst hatte?

„Wann hast du ihn wiedergesehen?“

„Ich hatte so ein Gefühl, dass ich ihn in Tarahalm finden würde“, antwortete Armirus.

„Bingo!“, schrie es in Halif. Er hatte eine Spur und fragte konzentriert: „Wieso Tarahalm? Wo kam das Gefühl her?“

Armirus legte seine Stirn in Falten und dachte scharf nach. Ja, woher war das Gefühl gekommen?

„Ich“, sagte er langsam, als müsste er mit etwas in seinem Unterbewusstsein kämpfte, „ich glaube, ich habe davon geträumt, als ich in die Flammen starrte. Es war so greifbar. Ich habe ihn in der Stadt gesehen.“

Eine Vision durch Flammen? Sie hatten es mit jemand Mächtigem zu tun. Visionen durchs Feuer zu erzeugen, war ein schwieriges Unterfangen, hatte Halif gelesen, und nur wenige meisterten diese Kunst.

„Was geschah danach?“

„Danach? Danach habe ich ihn gefunden, seine Freunde vergiftet und ihm ein Gegenmittel geboten, wenn er ohne Zickereien mitkommen würde. Bei Larons Tochter hatte das Gift aus irgendeinem Grund nicht gewirkt. Darum habe ich beide mitgenommen und sie getrennt, um mich ein wenig mit unserer Serena alleine zu unterhalten. Dabei stellte sich heraus, dass unsere süße Schwangere die Tochter unseres geliebten Bruderherzes ist, ganz nach ihrer Großmutter kommt und auch ein Faible für Prinzen hat.“

„Und dann?“, fragte Haril. Ihm lief die Zeit davon. Jede verschenkte Sekunde spielte dem unbekannten Feind in die Hände.

„Dann habe ich ihr erzählt, wo sich Laron befand“, sagte er.

„Du wusstest, wo er war?“, fragte Halif.

„Ich weiß alles, was in diesem Königreich vor sich geht und wo sich jeder befindet.“

Halif zog die Augenbrauen hoch und blickte zur Seite.

„Richtig! Ich wusste, wo jeder war, außer dir. Du hast es immer wieder geschafft, wie ein Aal meiner Umklammerung zu entfleuchen. Wo warst du? Wie hast du es angestellt? Ich sehe, du bist unter die Magier gegangen. Nein, nein, bemühe dich nicht, ich weiß, du stellst die Fragen.“ Armirus seufzte tief und fuhr fort: „Er war in Sorifly.“ Als er das leichte Zucken und die Überraschung in Halif Gesicht sah, nickte Armirus: „Du hast also davon gehört.“

„Gelesen“, erwiderte Halif automatisch.

„Also davon gelesen.“

Halif machte sich innerlich auf eine detaillierte Beschreibung des Schreckensgefängnisses gefasst. Doch sie blieb aus.

„Er war über ein Jahrzehnt in der Hölle. Als wir ihn fanden, war er ein Wrack, eine leere Hülle. Und doch scheint ein Teil von ihm überlebt zu haben.“ In Armirus Stimme klang Bewunderung mit.

„Ich habe mich dort in einem Jahr verloren“, sagte Armirus. Er lachte leise und verbesserte sich: „Nein, ich habe mich in einem Monat dort verloren. Wie hat er das bloß geschafft?“

„Du warst ein Kind, als man dich dorthin brachte. Du hattest nichts, an das du dich hättest klammern können“, rutschte es Halif heraus, ehe er sich stoppen konnte.

Aber auch hier blieb Armirus ruhig und starrte einfach auf die Decke und sagte kaum hörbar: „Auch nachdem er mir nicht geholfen hat, als man mich am helllichten Tag wegschleppte, habe ich doch tief im Inneren daran geglaubt, dass er kommen und mich retten würde.“

Halif hatte schon immer die Hartnäckigkeit seines Bruders bewundert. Aber dass sie so weit reichen würde, hatte er nicht gedacht.

„Danach?“, drängte Halif nach einer Weile.

„Danach? Danach sind wir zurück nach Tarahalm und haben uns auf den Weg hierher gemacht.“

Halif konnte fühlen, dass da noch viel mehr war. Über das Wichtigste hatten sie noch nicht gesprochen: Warum hatte sich Armirus der Gruppe angeschlossen? Als er die nächste Frage stellte, wiederholte Halif im Geist einen Wahrheitszauber.

Noch ehe Armirus wusste, wie ihm geschah, erzählte er aus der Tiefe seiner Seele: „Sie ist perfekt. Sie passt besser in meine Position als Mikhael. Sie ist mächtig und furchtlos. Sie ist wie Laron. Ich werde sie und ihr Kind dazu benutzen, alle das Fürchten zu lehren. Nie wieder werde ich Angst haben müssen. Sie muss an meiner Seite bleiben, an die Spitze der Bande gehört Serena. Weil ich ihre Schwäche kenne und keine Skrupel habe sie zu benutzen, wird sie mir gehorchen. Durch sie werde ich Laron vernichten. Ihn aufbauen und ihm dann das nehmen, was ihn durch die Hölle gebracht hat: seine Tochter.“

Armirus Augen waren glasig und auf die Decke gerichtet.

Halif hörte in Armirus Stimme einen Doppelklang, als würde jemand anderes durch ihn sprechen. Der Gedanke war ehrlich, entsprang der Wahrheit. Aber die Wurzel kam woanders her.

„Bingo!“, schallte es wieder in Halifs Gedanken und er bohrte nach, „seit wann hast du diesen Wunsch?“ Halif verstärkte das Netz, in dem sich alle Lügen verfingen und das nur die Wahrheit durchließ.

„Seit ich sie gesehen habe: ihre Macht. Seit ich gesehen habe, wie sie in Sorifly Mauer um Mauer mit ihren Händen niedergerissen hat.“ In Armirus Stimme klang Angst mit.

„Wovor hast du Angst?“, fragte Haril.

„Jetzt, wo es Sorifly nicht mehr gibt, vor nichts mehr. Sie können mich nicht mehr einsperren. Kein normales Gefängnis kann mich halten.“

„Du hast vor niemandem Angst?“, bohrte Halif nach und verstärkte seinen Druck.

„Vor niemanden!“ Schweiß trat auf seine Stirn, als er atemlos rief: „Vor ihr, vor ihm!“

„Vor wem genau? Vor was genau?“

Tiefe Furchen zerklüfteten Armirus feuchte Stirn: „Ich habe Angst. Ich will nicht ... Ich will ihm nicht wieder vertrauen. Er wird mich wieder verraten. Ein weiteres Mal überlebe ich nicht.“

„Wer ist sie, die du fürchtest?“ Halif ließ nicht locker.

„Sie ist wie er, wie ihr Vater. Charismatisch. Sie zieht die Menschen an und fesselt sie an sich. Ich will sie an mich binden. Egal, wie! Sie darf mich nicht verlassen, nicht wie er es getan hat.“

Halif verstand und empfand Mitleid. Sein Bruder hatte Angst vor Nähe, weil er den Verlust nicht ertragen könnte.

„Was ist mit ihrem Kind?“

„Es ist mächtig. Ich will es haben und zu meinem machen.“

„Warum? Wozu willst du es benutzen?“

„Ich will, dass es die Gesetzlosen anführt.“

„Wozu willst du es benutzen?“, fragte Halif eindringlich und verstärke weiter den Druck auf den Geist seines Bruders.

Armirus zitterte und mit einer tiefen, dunklen Stimme, die nicht seine war, schrie er, während er sich aufbäumte: „Es soll die Welt vernichten. Diese verdorbene, zum Tode verurteilte Welt. VERNICHTUNG!“

Auch Halif lief nun der Schweiß über das Gesicht und er ließ den Geist seines Bruders frei. So viel Wahnsinn!

Armirus kauerte sich zusammen und sagte immer wieder: „Feuer! Feuer ... Stimme aus den Flammen. Augen aus den Flammen.“

Halif legte einen Beruhigungszauber über Armirus und einen Schleier des Vergessens. Er hatte in diesen Gemäuern viel gelernt.

Sein Bruder kam wieder zu sich und blickte ihn mit großen Augen an.

Halif fuhr fort: „Was geschah nach Tarahalm?“ Argwöhnisch beäugte Armirus seinen Halbbruder, antwortete jedoch wahrheitsgetreu.

Halif hatte gelesen, dass nach der Anwendung von Wahrheitszaubern die Wirkung einige Zeit anhielt und das Objekt des Zaubers lange danach noch dazu tendierte, die Wahrheit zu sagen.

„Wir haben uns über das Morphirium Kloster informiert und uns dann auf die Reise begeben. Es war wie verflucht. Als wollte uns etwas vom Kloster fernhalten. Wir wurden immer wieder überfallen, von Unwettern verfolgt und von Sturmböen tagelang in einer Höhle gefangen gehalten und sind schließlich auch Nordseveren begegnet.

Da ist es dann passiert. Die Kleine hatte sich den Severen entgegengestellt und selbst als der letzte vom Erdboden verschlungen war, nicht aufgehört. Sie hatte sich in dem Machtrausch verloren und wir haben sie nur mit Mühe da wieder herausbekommen. Als sie einmal die Luft um uns herum erwärmte, bekam sie diesen glasigen Blick und aus Wärme wurde Hitze.

In Kilometerentfernung schmolz der Schnee um uns herum, bevor sie sich wieder fangen konnte. Doch wenn sie keine Magie einsetzte, wurde es schlimmer. Ihre Hände zitterten, sie bekam Schweißausbrüche und wurde krank. Der Energiestau war wohl das erste Anzeichen der anstehenden Niederkunft. Alle haben befürchtet, dass sie die Geburt nicht überleben würde. Das Kind in ihr machte sie unverwundbar, aber wie würde es nach der Geburt sein? Laron ist seinem Wahnsinn verfallen und hat versucht ihren Bauch aufzuschlitzen und das Kind herauszuholen. Die Wunde hat sich einfach geschlossen und sie hat nicht einmal eine Narbe davongetragen. Dann hatten wir endlich das Kloster erreicht und sind auf euch gestoßen. Ohne dich und ohne deine kleine Freundin wäre Serena jetzt tot.“

Irrte sich Halif oder hörte er Dankbarkeit?

„Das reicht, danke. Schick bitte ...“ , Halif stolperte etwas über die nächsten Worte, „Mikhael herein.“

„Ich hol dir deinen Sohn“, konnte Armirus sich nicht verkneifen. Als er vom Bett aufstand, waren seine Beine schwach und wären beinahe weggenickt. Verärgert runzelte er die Stirn und starrte Halif an. Irgendetwas hatte dieser Hurensohn mit ihm gemacht. Armirus beließ es jedoch bei dem Gedanken und ging aus dem Zimmer.

Sachverhalt MIKHAEL – Bastardsohn

Mikhael stand am Fenster, den Rücken zu der Person gedreht, die alle seinen Vater nannten.

Halif räusperte sich. Er wusste nicht, wie er anfangen sollte.

Da durchbrach Mikhael die Stille: „Hast du sie vergewaltigt?“

Halifs Augen wurden rund: „Wie bitte?“

„Die Frau, die mich geboren hat. Hast du sie vergewaltigt?“

„Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie einer Frau Gewalt angetan“, sagte Halif bestürzt.

Mikhaels steifer Rücken schien sich etwas zu entspannen.

„Aber du hast sie verführt und dann wie einen gebrauchten Lappen weggeworfen“, stellte er mit sachlicher Stimmalge fest.

Das konnte Halif nicht bestreiten und ehe er sich versah, war er dabei, sich zu rechtfertigen: „Ich musste gehen. Er war mir auf den Fersen und ich war zu lange an einem Ort geblieben. Wegen ihr.“

„Du hast also den Schwanz eingezogen, nachdem du mit ihr fertig warst und bist abgehauen.“

Darauf konnte Halif nichts erwidern. Denn genau so war es gewesen.

„Hättest du sie nicht in Ruhe lassen können?“

„Sie war so verführerisch und hatte ein Auge auf mich geworfen. Ich konnte ihr nicht widerstehen und sie mir nicht.“

„Du hast sie geschwängert und bist abgehauen. Du hast sie entehrt. Du hast ihr alles genommen und ihr nichts gegeben.“

Verwundert stellte Halif fest, dass Mikhaels Stimme immer noch sachlich klang. Es gab keinen Grund die nächsten Worte auszusprechen, aber Halif konnte einfach nicht anders: „Hast du die Finger von Serena lassen können?“

Da wirbelte Mikhael herum und starrte ihn voller Hass an: „Ich habe sie nicht angefasst! Nicht so!“

Ihm schien die Kleine wirklich viel zu bedeuten.

„Ganz ruhig, Tiger! Ich werde deiner Kleinen nichts tun“, versuchte Halif ihn ungeschickt zu beruhigen.

Mikhael kniff die Augen zusammen und in ihnen loderten goldene Flammen. Halif musste bei der Schönheit seines Sohnes schlucken.

Durch zusammengepresste Lippen sagte Mikhael: „Ich werde dieses Spiel mitspielen, weil du sie mir wiedergegeben hast. Nur aus diesem Grund.“

„Mehr will ich nicht“, erwiderte Halif so beherrscht wie möglich. Er musste einen klaren Kopf behalten, harte Fakten sammeln und dann seine Schlüsse ziehen. „Erzähl mir von der Begegnung mit Armirus und der Zeit bei ihm.“ Halif musste feststellen, dass Mikhaels Beschreibungen sachlich und oberflächlich waren und in keine Details gingen. Halif hatte genug Einzelheiten von Armirus gehört und bohrte nicht nach.

„Wen von der Gruppe hast du als Erstes getroffen, nach Armirus?“

Ohne lange zu überlegen, erzählte Mikhael von einem kleinen Dorf und von einem Auftrag, bei dem er Serena zum ersten Mal begegnet war. Dann sprang er zu seiner Flucht vor Armirus, erwähnte kurz die Jagdhunde und wie sie über Serena und Aira, einem Airensklavenmädchen, hergefallen waren. Wie sie beschlossen, ein Stück ihrer Reise zusammen zu gehen.

Als Halif fragte, warum Serena unterwegs gewesen war und wer Aira sei, hielt Mikhael inne, dachte über die Fragen nach und schien selbst erstaunt, als er sagte: „Ich weiß es nicht. Aber ich glaube, es hatte etwas mit dem Anhänger um Airas Hals zu tun, Zerelf.“

Bei der Erwähnung des Amuletts sog Halif scharf die Luft ein. Er hatte davon gelesen und gehört, es sei während dem Versuch der Übergabe zwischen den Senjyou und Airen vor achtzehn Jahren verloren gegangen. Halif spürte einen Hinweis.

„Was passierte dann?“