Veggie-Burger mit Speck - Patrick Schnalzer - E-Book

Veggie-Burger mit Speck E-Book

Patrick Schnalzer

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Beschreibung

Tim Schimmel ist Metzgersohn und seit jeher nicht nur passionierter, sondern auch maßloser Fleischesser. Sein Leben ändert sich jedoch schlagartig, als er auf die sportliche Isa trifft. Vom ersten Moment an verliebt er sich unsterblich in sie, doch dann macht er eine niederschmetternde Entdeckung: Isa ist Vegetarierin. Fest entschlossen, ihr Herz zu erobern, trifft Tim einen folgenschweren Entschluss: Ab sofort verzichtet er auf alles, was mit Fleisch, Wurst und dergleichen zu tun hat. Aber das ist leichter gesagt als getan. Auf seinem Weg zum sportlichen Vorzeige-Vegetarier tritt er von einem Fettnäpfchen ins nächste. Bald kommen ihm Zweifel, ob er das Herz seiner Liebsten auf diese Weise wirklich erobern kann. Als dann auch noch ein Rivale auftaucht, geht der ganze Schlamassel erst richtig los. Veggie-Burger mit Speck: Eine lustige Geschichte, die beweist, dass Liebe tatsächlich auch durch den Magen geht.

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Seitenzahl: 367

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PATRICK SCHNALZER

Veggie-Burger mit Speck

Zu diesem Buch:

Tim Schimmel ist Metzgersohn und seit jeher nicht nur passionierter, sondern auch maßloser Fleischesser. Sein Leben ändert sich jedoch schlagartig, als er auf die sportliche Isa trifft. Vom ersten Moment an verliebt er sich unsterblich in sie, doch dann macht er eine niederschmetternde Entdeckung: Isa ist Vegetarierin.

Fest entschlossen, ihr Herz zu erobern, trifft Tim einen folgenschweren Entschluss: Ab sofort verzichtet er auf alles, was mit Fleisch, Wurst und dergleichen zu tun hat. Aber das ist leichter gesagt als getan.

Auf seinem Weg zum sportlichen Vorzeige-Vegetarier tritt er von einem Fettnäpfchen ins nächste. Bald kommen ihm Zweifel, ob er das Herz seiner Liebesten auf diese Weise wirklich erobern kann. Als dann auch noch ein Rivale auftaucht, geht der ganze Schlamassel erst richtig los.

Veggie-Burger mit Speck: Eine lustige Geschichte, die beweist, dass Liebe tatsächlich auch durch den Magen geht.

Zum Autor:

Patrick Schnalzer lebt in Graz und hat dort Germanistik und Anglistik studiert. Vor seiner Zeit als Autor arbeitete er mehrere Jahre als Schauspieler und Regieassistent am Theater.

In seinen Büchern legt er sich auf kein Genre fest und schreibt sowohl Belletristik für Erwachsene als auch Kinder- und Jugendbücher.

Patrick Schnalzer

Veggie-Burger mit Speck

ROMAN

Impressum

Copyright © 2017 Patrick Schnalzer

Graz

www.patrickschnalzer.com

[email protected]

All rights reserved.

Umschlaggestaltung: Patrick Schnalzer

Coverbilder: pixabay.com/photo-47920,

pixabay.com/photo-1300572, pixabay.com/photo-35520, pixabay.com/photo-306026, pixabay.com/photo-575334

Handlung und Figuren sind frei erfunden.

Besuche mich auf Facebook:

www.facebook.com/Schnalzer.Patrick

Für alle Fleisch- und Pflanzenesser

INHALTSVERZEICHNIS

Kapitel 1: Der kleine Dicke

Kapitel 2: Fremde Würstchen und Papa

Kapitel 3: Meine Koteletts und ich

Kapitel 4: Die schönste Frau der Welt

Kapitel 5: Schnitzel oder Sellerie?

Kapitel 6: Das neue Leben schmeckt nicht

Kapitel 7: Lügen haben dicke Beine

Kapitel 8: Es geht um die Wurst

Kapitel 9: Fit wie ein Faultier

Kapitel 10: Wenn Liebe wehtut

Kapitel 11: Die Schöne und das Dickerchen

Kapitel 12: Schmetterlinge oder Blähungen

Kapitel 13: Timmilein

Kapitel 14: Der Rückfall

Kapitel 15: Kommunikationsprobleme

Kapitel 16: Unerwartete Hilfe

Kapitel 17: Der Doofe

Kapitel 18: Rache

Kapitel 19: Mit Speck

Kapitel 20: Verbockt

Kapitel 21: Der Plan

Kapitel 22: Reife Leistung

Kapitel 23: Dumm gelaufen

Kapitel 24: Mettwurst

Liebe Leserin, lieber Leser!

Die Unwahrscheinlichkeit des Thomas Morgan

The Running Queen

Papa Papst

ÜBER DEN AUTOR

Kapitel 1: Der kleine Dicke

Als Kind verbrachte ich die Nacht vor Weihnachten in aller Regel schlaflos. Das ganze Jahr über freute ich mich auf dieses Ereignis, und wenn es endlich so weit war, konnte ich vor Nervosität kaum an mich halten. Anderen Kindern in meinem Alter ging es höchstwahrscheinlich nicht viel anders, dennoch unterschied ich mich von ihnen grundlegend. Während ich mir sicher war, dass sich meine Freunde und Klassenkameraden abends auf die schön verpackten Geschenke stürzten und mit Begeisterung die neuen Spielsachen auspackten, ließ ich meine Päckchen unberührt unter dem Weihnachtsbaum liegen. Meine ganze Aufmerksamkeit galt einzig der gefüllten Gans, die im Backofen brutzelte.

Durch die Innenbeleuchtung des Ofens wirkte es so, als wäre die knusprige Haut des Vogels von einem Schein umrandet. Für mich war diese Gans der Inbegriff aller guten Dinge, und jede Minute, die ich sie in diesem Licht betrachtete, fühlte ich mich glücklich und erleuchtet. Damals wäre ich auf einen solchen Gedanken niemals gekommen, doch zurückblickend finde ich es durchaus amüsant, dass ich jedes Jahr am vierundzwanzigsten Dezember meine ganz private Heiligenverehrung betrieb, während ein großer Teil der Weltbevölkerung die Geburt ihres Erlösers feierte.

Meine Mutter war einerseits besorgt über das spezielle Verhalten ihres kleinen »Dickerchens«, wie sie mich liebevoll nannte, doch andererseits war ihr bewusst, dass meine Faszination für alles Gebratene, Geröstete und Gegrillte auf ihre außergewöhnliche Kochkunst zurückzuführen war, was sie wiederum mit einem gewissen Grad an Stolz erfüllte. So ließ sie mich dann auch immer schweigend vor dem Ofen sitzen und stellte mir sogar noch einen kleinen Teller mit Keksen daneben, damit ich währenddessen nicht verhungerte.

Eine solche Gefahr bestand unter ihrer Aufsicht glücklicherweise nie. Mein zugegebenermaßen etwas unästhetischer Spitzname kam daher auch nicht von ungefähr, denn ich hatte schon als kleiner Junge immer ein wenig mehr auf den Knochen, als ich zum Überleben benötigte. Es war keine Seltenheit, dass ich den Tisch erst nach meinem zweiten Schnitzel verließ, wobei ich locker ein drittes verputzt hätte, wenn da nicht der extra große Teller Pommes gewesen wäre. Der war ursprünglich für die ganze Familie gedacht, aber weil ich meist ohnehin fast alle frittierten Kartoffelstangen in mich hineinschaufelte, bekam ich schließlich meine eigene Portion.

Als gut gefütterter Junge hatte man natürlich den Vorteil, dass man niemals Hunger leiden musste. Allerdings gab es auch den einen oder anderen Nachteil, etwa dann, wenn man es in der Schule mit zwölf Jahren bereits gewichtsmäßig mit jedem Lehrer aufnehmen konnte. Mit einem verniedlichenden »Dickerchen« war da vonseiten meiner Mitschüler nicht zu rechnen gewesen, weshalb man mich irgendwann kurz und knapp einfach »den Dicken« nannte. Das war nicht einmal böse gemeint – zumindest nicht von allen. Ich war ganz einfach »der Dicke«, Peter war »der Lange«, Uwe war »der Kleine« und Steffen war »der Doofe«. Äußerst kreativ sind Kinder nun einmal nicht, wenn es um Spitznamen geht. Peter, Uwe und ich waren jedenfalls heilfroh, dass wir entweder dick, lang oder klein, zumindest aber nicht Steffen waren.

Ob es an unseren Spitznamen und der damit einhergehenden, sich ständig wiederholenden Verspottung lag, oder woran auch immer: In Uwe und Peter hatte ich Brüder im Geiste gefunden. Auf jeden Fall hatten wir das gleiche Verständnis von Humor, was nichts anderes heißen soll, als dass wir ähnlich bekloppt waren. Man musste beispielsweise schon ziemlich einen an der Waffel haben, wenn man sich in den Garten des sadistisch veranlagten Mathe-Lehrers schlich, um seinem heißgeliebten Dackel mit ein paar Spraydosen ein buntes Aussehen zu verpassen. Beweisen konnte man uns damals allerdings nichts. Im Gegenteil, wir waren trotz unserer körperlichen Attribute drei so unscheinbare Typen, dass nie jemand auf die Idee kam, uns zu verdächtigen. Ein Umstand, den wir im Laufe der Jahre schamlos ausnutzten.

Mehr noch als unser Humor sollte uns jedoch die Liebe zum Essen verbinden. Anfangs waren es abenteuerliche Ausflüge zu McDonald’s, bei denen wir unser Taschengeld in Burger, Pommes und Milchshakes investierten. Irgendwann wurde uns der Clown allerdings zu kindisch und wir stiegen auf Burger King um, wobei wir noch Kinder genug waren, um anschließend mit den Pappkronen auf den Köpfen durch die Stadt zu laufen. Mit fünfzehn verbrachten wir schließlich die meiste Zeit bei KFC, was unweigerlich dazu führen musste, dass ich zumindest zwischen sechzehn und achtzehn kein frittiertes Hühnchen mehr sehen konnte. Zum Glück gab es aber genug andere Fleischsorten, die ich nach wie vor genüsslich in jeglicher erdenklichen Form verspeiste.

In unserem Trio war ich klarerweise der unumstrittene König, was den Appetit betraf. Uwe hatte wohl nicht nur eine kompakte Statur, sondern mit ziemlicher Sicherheit auch einen kleinen Magen. Kulinarischen Genüssen gab er sich mit einer ähnlichen Ambition hin wie ich selbst; was die Menge betraf, aß er aber kaum die Hälfte von mir. Peter wiederum, der mich beinahe um einen Kopf überragte, konnte mengenmäßig beizeiten sogar annähernd mit mir mithalten, was man ihm aber nicht ansah. Ob damals im Sportunterricht oder mit Mitte zwanzig in der Sauna: Jedes Mal, wenn ich seinen nackten Oberkörper zu Gesicht bekam, stellte sich bei mir ein unweigerliches Gefühl des Hungers ein. Diese weiße, fast durchsichtige Haut, die sich eng an seine Rippen presste, schien meinem Unterbewusstsein zu suggerieren, dass mein Gegenüber dringend etwas zu essen brauchte. Weshalb ich wiederum ebenso hungrig wurde.

Das scheint in meinem Fall so zu sein, wie es bei anderen mit dem Gähnen ist. Man kennt das ja, kaum reißt jemand in der Nähe den Mund auf, glaubt das eigene Gehirn, dass man selbst auch unter Sauerstoffmangel leidet, und schon gähnt man, was das Zeug hält. Bei mir ist das nicht so. Gähnende Menschen sind mir eigentlich ziemlich schnuppe. Dafür bekomme ich eben jedes Mal Hunger, wenn ich einen dünnen Menschen sehe. Aus diesem Grund kann ich mir auch Germany’s Next Topmodel nicht ansehen. Da fresse ich sonst den halben Kühlschrank leer.

Meine Fastfood-Zeiten bereue ich keineswegs, denn sie gehören zu den besten Erinnerungen, die ich an meine Kindheit habe. Mein Leben – und zu einem gewissen Grad auch das von Uwe und Peter – sollte sich aber von Grund auf verändern, als ich von meinem Vater in die Kunst des Grillens eingeweiht wurde. Es ist nicht weniger als eine Offenbarung, wenn man zum ersten Mal in ein Stück beißt, das man eigenhändig – beziehungsweise aus Sicherheitsgründen mit der Zange – auf dem Grill so lange wendet, bis es Perfektion erreicht hat.

Natürlich wusste ich damals noch nicht einmal ansatzweise, was wahre Perfektion auf diesem Gebiet bedeutete. Erst nach und nach entwickelte ich mich vom blutigen Anfänger zu einem Grillmeister, der es mit den Besten der Besten aufnehmen konnte. Erfahrungen sammelte ich zunächst während unserer sommerlichen Familiengrillabende, die zwischen April und Oktober zwei- bis dreimal pro Woche stattfanden. Je nach Witterung warfen wir beizeiten sogar im Dezember oder Januar den Grill an, aber das waren nur abenteuerliche Ausnahmen.

Eines Sonntagabends durfte ich Uwe und Peter zu einem familiären Grillbeisammensein einladen, woraufhin sich am nächsten Tag in der Schule die Kunde wie ein Lauffeuer verbreitete: »Der Dicke kann grillen!« Das war im Jahr, in dem wir unser Abi machten, und mit meiner Rolle als Außenseiter hatte ich mich zu diesem Zeitpunkt längst abgefunden. Von den laufend stattfindenden Partys hatte ich zwar gehört, nachdem ich aber nie eingeladen worden war, hatte ich diesen keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Das sollte sich mit meinem neuen Ruf allerdings schlagartig ändern.

Die Sache war die: So cool und beliebt einige Jungs in unserer Schule auch waren, keiner von ihnen hatte auch nur ansatzweise eine Ahnung davon, wie man einen Grill bediente. Ein solches Unterrichtsfach hatten wir nicht am Gymnasium. Und selbst wenn wir es gehabt hätten, wären sie zweifellos überfordert gewesen. Ob das nur an unserer Schule der Fall war, konnte ich nicht sagen, aber es war nämlich so: Je beliebter ein Typ war, desto weniger hatte er in der Birne. Das war den Mädels offensichtlich egal, was ich nicht nachvollziehen konnte, doch auch in diesem Fall hatte ich mich mit den gegebenen Umständen abgefunden. Wenig Hirn, dafür aber ein großes Haus mit Garten und Pool reichten wohl aus, um den gesellschaftlichen Ansprüchen zu genügen und die weiblichen Herzen zu erobern. Zumindest bis zu jenem – für mich schicksalshaften – Tag.

Jens – der mich seit Monaten nicht einmal mit dem Hintern angesehen hatte, obwohl wir bereits gemeinsam im Kindergarten gewesen waren – dürfte von den Lobpreisungen auf meine Grillkunst Wind bekommen haben. Während der Pause kam er zu mir, zog mich ein Stück zur Seite und machte mir ein – aus seiner Sicht bestimmt äußerst gönnerhaftes – Angebot. Ich war unter der Voraussetzung auf seine – Zitat – »Mega-Party« eingeladen, wenn ich dort den Grilldienst übernehmen würde. Tatsächlich war ich sehr aufgeregt, hielt mich jedoch so gut es ging zurück und stellte die Bedingung, dass auch Uwe und Peter kommen durften. Ein verächtliches Lächeln von Jens fixierte den Deal und der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt.

Die Party war ein voller Erfolg Die kommenden Wochen und Monate war ich nun im Dauereinsatz über den glühenden Kohlen. Meine Popularität stieg so rasant an, wie ich es mir nicht in meinen kühnsten Träumen hätte ausmalen können. Wo immer ich auftauchte, wurde ich von freundlichen Gesichtern empfangen, was meinem Ego zweifelsohne guttat. Selbstverständlich begegnete ich den neu entstehenden Freundschaften anfangs skeptisch, da mir bewusst war, dass ich nur als Mittel zum Zweck fungierte. Mit der Zeit änderte sich das allerdings, denn nach und nach wurde das Verhältnis zu diesen Leuten authentischer. Mit niemandem verband mich zwar eine so enge Beziehung wie mit Uwe und Peter, dennoch erweiterte sich mein Freundeskreis in den nächsten Jahren ungemein.

Mein ganzes Leben hatte sich somit zum Positiven verändert und das verdankte ich einzig und allein meiner Liebe zu gegrilltem Fleisch.

Hierbei ist anzumerken, dass ich mich schon sehr früh geweigert hatte, mit x-beliebigem Fleisch zu arbeiten. Das Geheimnis des guten Geschmacks liegt nämlich keineswegs allein bei der korrekten Handhabung desselbigen über der Glut, sondern vor allem an der Herkunft und der Qualität. Mir war schon immer ein Rätsel, wie man der Meinung sein konnte, fünfhundert Gramm Schwein oder Rind zu einem Schnäppchenpreis im Discounter zu erwerben, ohne hierbei Kompromisse einzugehen. Wenn der Preis das wichtigste Kriterium ist, dann habe ich hierfür natürlich vollstes Verständnis, denn Geld wächst nach wie vor nicht auf den Bäumen. Richtig schlimm finde ich es hingegen, wenn sich ein sogenanntes Vier-Sterne-Restaurant in derselben Abteilung bedient, dafür aber den stolzen Preis eines kompletten, lebenden Tieres verlangt. Ich für meinen Teil setzte meinen guten Ruf nicht leichtfertig aufs Spiel und verwendete deshalb aus tiefster Überzeugung das Fleisch meines Vaters.

Nur damit hier keine Missverständnisse entstehen, ich spreche hierbei nicht von Kannibalismus. Mein Vater befindet sich in guter und ganzheitlicher, körperlicher Verfassung, ich würde nicht im Traum daran denken, ihm ein Haar zu krümmen. Er hingegen hatte es sich zum Beruf gemacht, Tieren durchaus an den Kragen zu gehen und sie in Einzelteilen und verarbeitet zu verkaufen. Seine Metzgerei war schon über zwanzig Jahre gut im Geschäft, als ich nach meinem Abi in das Familienunternehmen einstieg. Der Erfolg war in erster Linie seinem leidenschaftlichen Einsatz und seinem handwerklichen Können geschuldet. Seine buchhalterischen Fähigkeiten hatten damit bestimmt nichts zu tun, denn diese waren schlichtweg nicht vorhanden gewesen, wie ich bald feststellte.

Zwei Dinge lernte ich im Betrieb meines Vaters schnell. Erstens schien das Finanzamt bei Weitem nicht so streng zu sein wie sein Ruf, andernfalls hätte die Metzgerei schon längst zusperren müssen, was nicht am mangelhaften Umsatz, sondern an den nur sporadisch vorhandenen Belegen liegen würde. Zweitens arbeitete ich für mein Leben gerne mit Schweinekoteletts, Rindsmedaillons, Hähnchenkeulen und dergleichen, jedoch nur dann, wenn diese bereits ... sagen wir ... entsprechend vorbereitet waren. Hingegen schlägt mir der Prozess, wie aus einem grunzenden Schwein eine Vielzahl an Koteletts wird, gehörig auf den Magen. Es genügte deshalb auch, dass ich mir bei unserem ersten gemeinsamen Besuch im Schlachthof die Seele aus dem Leib kotzte, um mein zukünftiges Aufgabenfeld anders abzustecken.

Ich war ohnehin besser im Büro oder hinter der Theke aufgehoben, in beiden Bereichen konnte ich glänzen. Im ersten Jahr, in welchem ich die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung sowie die Belegsammlung übernahm, entdeckte ich genügend Sparpotential, um unseren Gewinn im darauffolgenden Jahr um zehn Prozent zu erhöhen. Zudem liebte ich den Kontakt mit den Kunden und es gelang mir fast immer, dass sie das Geschäft mit mehr Waren verließen, als sie eigentlich hatten kaufen wollen. Das hatte nichts mit ausgewieften Verkaufstaktiken zu tun und es lag mir auch fern, die Leute über den Tisch zu ziehen. Jedoch schien meine aufrichtige Begeisterung für alles, was mit Fleisch und Wurst zu tun hatte, bei den Menschen gut anzukommen und meine diesbezüglichen Empfehlungen wurden nur allzu gerne angenommen.

Es wäre nicht gelogen, zu behaupten, dass ich mein Leben liebte. Man konnte natürlich nicht sagen, dass es perfekt war, denn dafür fehlte es dann doch an der einen oder anderen Kleinigkeit. Aber insgesamt war ich mehr als zufrieden, sowohl mit meiner Familie als auch mit meinen Freunden und mit meiner Arbeit in der Metzgerei. Dass diese mir so lieb gewonnene Harmonie an einem einzigen Tag aus den Fugen geraten konnte, hätte ich nie für möglich gehalten.

Dennoch sollte es so kommen.

Dieses einschneidende Datum fiel mit meinem sechsundzwanzigsten Geburtstag zusammen. Die Nacht zuvor schlief ich unruhig, wie ich es aus meiner Kindheit vor Weihnachten kannte. Doch auch dieses Mal hatte es nichts mit Geschenken oder dergleichen zu tun, vielmehr hatte ich mich wenige Wochen zuvor unsterblich verliebt. Mit Worten ließ sich dieses unstillbare Verlangen in mir nicht beschreiben, ich wusste lediglich, dass ich so etwas noch nie zuvor empfunden hatte.

Ich hatte mir meinen Geburtstag als Ultimatum gesetzt, um endlich die Initiative zu ergreifen. Den Wecker schaltete ich an diesem Samstagmorgen bereits ab, ehe er die Möglichkeit hatte, sein nervendes Klingeln von sich zu geben. Frühstücken wollte ich erst später, ich gönnte mir lediglich einen Kaffee, putzte mir anschließend die Zähne und machte mich frisch, ehe ich mich in den Firmenwagen setzte. Dabei handelte es sich um einen kleinen Lieferwagen, auf dessen Seiten in großen Buchstaben »Metzgerei Schimmel« geschrieben stand. Zugegebenermaßen waren wir mit unserem Nachnamen nie prädestiniert gewesen, einen Betrieb zu führen, der auch nur ansatzweise etwas mit Lebensmitteln zu tun hatte, zum Glück funktionierte es trotzdem.

Neben dem Firmennamen war ein Schweinekopf abgebildet, der fröhlich lächelte und mit einem Auge zwinkerte. Mit diesem gutgelaunten Schwein war ich aufgewachsen und auch als Erwachsener brachte es mich immer zum Schmunzeln, wenn ich einen flüchtigen Blick auf das Logo warf.

Obwohl der Lieferwagen für viele durchaus ein Grund zur Belustigung sein mochte, hatte ich keine Probleme damit. Deshalb hatte ich es bisher auch noch nie für nötig erachtet, mir ein eigenes Auto zuzulegen, weshalb ich sämtliche privaten Wege ebenfalls mit dem »Schweinemobil« – wie ich den Lieferwagen gerne nannte – erledigte. Und so fuhr ich auch an diesem Morgen zum Baumarkt meines Vertrauens in die Nibelungenstraße, wo ich eine geschlagene Viertelstunde warten musste, bevor es neun Uhr war und die elektrische Schiebetür mir Zugang gewährte.

In dieser riesigen Halle kannte ich mich bestens aus, denn ich hatte hier in der Vergangenheit schon für reichlich Umsatz gesorgt. Nicht, dass ich ein begnadeter Handwerker gewesen wäre, ganz im Gegenteil. Tatsache war jedoch, dass man im Baumarkt selbst als gepeinigter Doppellinkshänder allerlei nützliches und unnützes Zeug erwerben konnte, wobei ich mich auf Letzteres spezialisiert hatte. Mein Glanzstück auf diesem Gebiet war ein Fahrrad-Kupplungsträger, den ich seinerzeit als besonderes Schnäppchen erachtete. Dabei hatte ich zum einen außer Acht gelassen, dass mein Rad zu diesem Zeitpunkt bereits seit über zwei Jahren mit platten Reifen im Keller vor sich hin staubte. Zum anderen hatte ich nicht bedacht, dass unser Schweinemobil überhaupt keine Anhängekupplung besaß. Die Nutzlosigkeit meiner Errungenschaft wurde mir freilich erst viel zu spät bewusst, und da ich nicht der Typ war, der Dinge im Geschäft umtauscht oder zurückgibt, verstaubt der Fahrrad-Kupplungsträger seither neben meinem Rad im Keller.

Ein derartiger Fauxpas würde mir an besagtem Geburtstag jedoch nicht unterlaufen, davon war ich überzeugt.

An diesem Morgen kam ich nämlich mit einer gänzlich anderen Absicht in den Baumarkt. Zielgenau lief ich durch die Gänge, bis ich letzten Endes doch von Ehrfurcht gepackt erstarrte. Wenige Meter vor mir stand eine junge Frau mit dem Rücken zu mir. Selbst die unvorteilhaft geschnittene Baumarktkleidung konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie eine schlanke Taille und unendlich lange Beine besaß. Meine plötzlich verstummten Schritte mussten ihre Aufmerksamkeit erregt haben, denn sie drehte sich zu mir um und lächelte mich freundlich an.

»Kann ich Ihnen helfen?«

Ihre Stimme klang zuckersüß und ich musste schlucken, weil ich so etwas wie einen Kloß im Hals spürte. Ich wollte ihr antworten, aber es fiel mir mit einem Mal schwer, die richtigen Worte zu finden. Stattdessen starrte ich sie stumm an. Fragend zog sie ihre Augenbrauen ein wenig nach oben.

»Ich ...«

Mehr brachte ich nicht heraus. Schließlich konnte ich den Augenkontakt nicht mehr halten und mein Blick wanderte über ihre Nase, ihre Lippen und ihren Hals weiter und weiter nach unten, bis ich auf Höhe ihrer Hüften hängenblieb.

»Wunderbar«, glitt mir nun wie von selbst über die Lippen.

»Wie bitte?«

»Einfach wunderbar«, erwiderte ich auf die Frage der Verkäuferin.

Ich trat nun endlich näher und beugte mich nach unten, was sie wohl dazu veranlasste, einen kleinen Schritt zurückzutreten.

»Auf dich habe ich mein Leben lang gewartet.«

Mit einem Gefühl der Wonne starrte ich auf den blankpolierten, silbernen Rost vor mir.

»Sie sprechen mit dem Grill, nicht wahr?«

Die Stimme der Verkäuferin klang amüsiert.

»Das ist nicht nur einfach ein Grill«, klärte ich sie auf, »das ist der Firemaster2000. Und heute Abend werden wir es so richtig krachen lassen.«

Kapitel 2: Fremde Würstchen und Papa

»Was ist denn das für ein Ungetüm?«

Meine Mutter machte übertrieben große Augen, wie sie es stets zu tun pflegte, wenn sie der Meinung war, dass ich eine Dummheit begangen hatte.

»Das ist mein neues Schmuckstück«, antwortete ich und hievte den Firemaster 2000 an die rückseitige Kante des Schweinemobils. »Mit dem werde ich dir heute das beste Kotelett grillen, das du jemals gegessen hast.«

Ich konnte nicht sagen, ob meine Worte die Skepsis aus ihrem Gesicht vertrieben hatten, denn ich betrachtete konzentriert meine neue Errungenschaft und überlegte, wie ich das riesige Teil aus dem Wagen bekommen sollte. Für einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, den netten Mitarbeiter vom Baumarkt zu holen, der mir dabei geholfen hatte, den Grill hineinzuheben.

»Soll ich deinen Vater rufen?«

Wie so oft war ich für meine Mutter ein leicht lösbares Rätsel, vergleichbar mit einem Sudoku, in welches man nur noch drei fehlende Zahlen einfügen musste.

»Ist schon in Ordnung«, erwiderte ich.

»Bist du sicher?«

»Ja.«

Das Rascheln von Plastiktüten riss mich aus meinen Überlegungen und ich wandte mich meiner Mutter zu.

»Du warst schon einkaufen?«

»Ein paar Kleinigkeiten für deine Feier.«

Die sogenannten Kleinigkeiten waren in vier bis zum Bersten vollgepackten Plastiktüten verstaut, die meine Mutter nun auf den Boden stellte. Ich wagte nicht einmal zu schätzen, welches Gewicht die Tüten auf die Waage bringen würden, ich wusste lediglich, dass ich sie nicht mit einer solchen Leichtigkeit hätte tragen können. Tatsache war nun einmal, dass meine Mutter die Stärkste in der Familie war, auch wenn sie uns Männern stets das Gefühl vermittelte, dass dem nicht so war. Insofern war ich auch überzeugt davon, dass sie den Grill ohne Probleme hätte herausheben können, aber mein Stolz ließ mich nicht danach fragen. Es gab schließlich Grenzen bezüglich der Dinge, um die man als Sohn seine Mutter bitten konnte. Und so wie ich sie als Junge auch nicht darum hatte bitten können, mir zu erklären, wie genau man ein Kondom handhabt, so war es mir auch jetzt unmöglich, sie zu fragen, ob sie ihrem Jungen den schweren Grill auf den Bordstein befördern könnte.

»Alles Gute zu deinem Geburtstag!«

Ansatzlos trat meine Mutter an mich heran und umfasste mein Gesicht mit ihren großen Händen. Ehe ich mich versah, hatte sie mir auch bereits zwei dicke Küsse auf meine Wangen gepresst, woraufhin sie mich stolz anblickte. Mühselig versuchte ich zu lächeln, allerdings fiel es mir schwer, meine Gesichtsmuskeln entsprechend zu bewegen. Zu kraftvoll war mein Kopf von ihren Händen umschlossen.

»Daaaan...keeee«, presste ich umständlich zwischen meinen Lippen hervor.

»Ich kann kaum glauben, wie alt du schon bist.«

Das war ein Satz, den man bis zum neunzehnten Lebensjahr mit höchster Verzückung hört, immerhin suggerierte er, dass man nun zur Welt der Erwachsenen gehört. Ab Mitte zwanzig hatte sich das – zumindest bei mir – schlagartig geändert. Jetzt hörte es sich vielmehr so an, als hätte ich bereits einen Großteil meiner Existenz mit Nichtigkeiten vertan und nicht einmal die Hälfte von dem erreicht, was möglich gewesen wäre.

»Sind das Würstchen?«

Meine Aufmerksamkeit richtete sich unweigerlich auf jene Plastikverpackung, die aus einer der Einkaufstüten ragte. Wie auf frischer Tat ertappt zuckte meine Mutter zusammen. Infolgedessen entließ sie mein Gesicht in die Freiheit und machte einen Schritt zurück, um besagte Tüte von meinem Blick abzuschirmen.

»Ach, das ...«, begann sie in unschuldigem Tonfall, »das ist nur, weil ...«

Auf der Suche nach einer plausiblen Ausrede wurde sie offensichtlich nicht fündig.

»Wenn Papa das sieht«, sagte ich und zog meine Augenbrauen bedeutungsschwanger nach oben.

Meine mahnenden Worte verfehlten die Wirkung nicht, denn wir beide wussten, dass mein Vater fuchsteufelswild werden würde, wenn er erfahren sollte, dass meine Mutter sich ihre Würstchen woanders besorgte. Da hätte er es höchstwahrscheinlich noch eher ertragen, wenn er sie beim Fremdknutschen erwischte.

»Aber die sind nun einmal so lecker. Es ist doch nur einmal.«

Ich blickte sie forschend an.

»Im Monat«, ergänzte sie.

Es fiel mir schwer, nicht zu lächeln.

»Höchstens alle vierzehn Tage«, gestand sie letzten Endes.

»Ist ja schon gut«, beruhigte ich sie, »von mir erfährt er nichts.«

Voller Dankbarkeit ging wieder die Sonne in ihrem Gesicht auf. Sie kam auf mich zu und drückte mich herzlich an ihren Busen. Diese Art der Umarmungen fürchtete ich seit meinen Teenager-Tagen.

»Dafür bekommt mein Dickerchen heute auch die beste Geburtstagstorte aller Zeiten!«

Ich erhielt einen Klaps auf den Hintern, dann schnappte sich meine Mutter die Einkaufstüten und machte sich auf den Weg ins Haus. Vorsichtshalber ging sie dabei nicht durch die Metzgerei, sondern durch den Seiteneingang.

Den Kopf schüttelnd sah ich ihr nach und fragte mich, ob ich auch noch mit fünfzig ihr Dickerchen sein würde. Ein kurzer Blick an mir hinab gab mir die Antwort. Sofern ich nicht etwas aktiv für eine Veränderung tat, standen die Chancen ziemlich schlecht, dass sich mein speckiger Bauch einfach in Luft auflöste. Doch ehrlich gestanden fehlte mir die nötige Motivation. Essen war nun einmal ein zentraler Bestandteil meines Lebens und wozu sollte ich auf etwas verzichten, das ich am liebsten in Hülle und Fülle genoss?

»Vielleicht würdest du mit ein paar Kilogramm weniger Fett und ein bisschen mehr Muskelmasse diesen Grill leichter herausheben können“, flüsterte mir meine innere Stimme zu, doch wie gewöhnlich ignorierte ich diese.

Alternativ beschloss ich, den neuen Grill zu packen, und ohne groß darüber nachzudenken, über die Kante des Lieferwagens und auf den Bürgersteig zu hieven. Ich fasste ihn oben mit beiden Händen, zählte bis drei, holte tief Luft und zog mit aller Kraft. In der nächsten Sekunde hatte ich den Aufsatz abgetrennt, der mit dem Grillrost verbunden war.

Meiner ersten Einschätzung nach sah es nicht so aus, als wäre dieser Teil dazu gedacht, an jener Stelle abgetrennt zu werden. Die Bruchstellen am Rand legten diese Vermutung nahe. Zumindest aber hatte ich nun etwa zehn Prozent des Grills bereits aus dem Wagen herausbekommen, was als Leistung nicht unterbewertet werden durfte.

Im zweiten Ansatz hielt ich es dennoch für ratsamer, das Gerät weiter unten anzufassen. Und siehe da: Nach einer neuerlichen, beherzten Kraftanstrengung war es mir wahrhaftig gelungen, den Grill am gewünschten Ort zu platzieren. Das schlagartig einsetzende Stechen im Rücken würde mich zwar mit Sicherheit den restlichen Tag quälen, aber das war nur halb so schlimm. Immerhin handelte es sich dabei um einen typischen Männerschmerz, der per Definition aus übermäßiger Eitelkeit und/oder Dummheit entstand. Ein Männerschmerz konnte noch so schlimm sein, da musste vorher schon die Hölle zufrieren, bevor man sich einen solchen anmerken ließ. Aus diesem Grund würde auch ich den Teufel tun und darüber jammern, es sei denn, mir fiel später noch ein überzeugender Vorwand ein.

Aber erst einmal wollte ich den Grill an seinen neuen Heimatplatz unter dem Vordach im Innenhof bringen.

Durch zwei an der Unterseite montierte Räder war das keine Hexerei, wenngleich sich jener Griff, der zum Ziehen gedacht war, auf dem von mir versehentlich abgetrennten Teil befand. Dennoch war der Grill keine fünf Minuten später an der vorgesehenen Stelle eingerichtet. Die beschädigte Oberseite mit dem Rost befestigte ich notdürftig, sodass man kaum etwas von dem minimalen Fehlschlag bemerken würde. Es war ohnehin nur ein optischer Makel, denn in seiner Funktionsweise war der Grill natürlich nicht eingeschränkt.

Und genau das würde ich heute Nachmittag unter Beweis stellen.

Die Vorfreude in mir stieg von Sekunde zu Sekunde ins Unermessliche, doch zugleich nahm ebenso das Hungergefühl in meiner Magengegend zu. Ich hatte heute Morgen ja noch nicht gefrühstückt – was bei mir höchstens ein- bis zweimal pro Jahr vorkam – und mittlerweile fühlte sich meine Bauchregion so an, als hätte sich dort ein riesiges Loch gebildet. Ein Blick nach unten bestätigte mir allerdings, dass meine ausgeprägte Bauchwölbung nach wie vor da war. Auf mein Hungerempfinden hatte das freilich keinen Einfluss.

Ein Frühstück gestaltete sich bei mir in der Regel wie bei anderen Menschen auch: Zwei Scheiben Schwarzbrot, zwei Scheiben Weißbrot, ein Croissant, Butter, Käse, Schinken, Konfitüre, ein Ei, etwas Speck und im Anschluss ein paar Kekse, ein Stück Kuchen oder einfach nur eine halbe Tafel Schokolade. An manchen Tagen – wie am heutigen – war ich jedoch auch mit einigen Mettwürsten und Brot zufrieden. Und die besten Mettwürste der ganzen Stadt hatte zweifellos mein Vater in seiner Metzgerei.

»Junge!«, rief er laut aus, als freute er sich ehrlich, mich zu sehen. »Du kennst doch Frau Steeger.«

Er deutete weit ausholend auf die kleine Frau, die ihm gegenüber auf der anderen Seite der Theke stand. Sein theatralisches Herumfuchteln und Deuten wäre im Übrigen nicht notwendig gewesen, da nur eine einzige Kundin anwesend war.

»Selbstverständlich. WIE GEHT ES IHNEN, FRAU STEEGER?!«

Da ich mich erinnerte, dass die alte, kleine Dame über kein besonders gutes Gehör verfügte, passte ich die Lautstärke meiner Stimme den Umständen an.

»Wieso schreit Ihr Sohn denn so mit mir?«

Hilfesuchend wandte sie sich an meinen Vater, der mich nun wiederum nicht mehr so erfreut anblickte.

»Sie wissen doch, Frau Steeger«, begann er und setzte sein typisches Verkäuferlächeln auf, das er immer dann benutzte, wenn er sich etwas Zeit verschaffen wollte, ehe er sich eine garantiert unwahre Antwort auf eine Kundenfrage aus den Fingern sog, »draußen auf der Straße ist es immer so laut. Wenn man dann hereinkommt, muss man sich erst einmal wieder an die Ruhe gewöhnen.«

»Erzählen Sie mir nichts«, erwiderte Frau Steeger und mein Paps sah im ersten Moment das Kartenhausgebilde seiner Ausrede in sich zusammenstürzen, »seit ich mein neues Hörgerät habe, werde ich ständig mit Geräuschen beschallt, die ich überhaupt nicht hören will.«

Ein neues Hörgerät. Das erklärte einiges.

»Nun ja, Sie können Ihr Hörgerät wenigstens abschalten, wenn Sie einmal Ihre Ruhe haben wollen«, sagte ich. »Das Alter hat eben auch seine Vorteile.«

Ich lächelte sie freundlich an, da ich mir sicher war, mit meiner humoristischen Äußerung bei ihr gepunktet zu haben.

Dem war jedoch nicht so.

Irritiert sah sie mich von oben bis unten an, als wäre ich im Bauarbeitergewand zu einem Gala-Dinner erschienen.

»Ähm, wie viele Schnitzel wollten Sie gleich noch einmal?«

Mein Vater versuchte die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken, um die peinliche Stille zu beenden, die entstanden war. Frau Steeger bestellte vier Stück und noch zweihundert Gramm Fleischpastete.

»Möchten Sie auch noch ein Stück Schinken?«, fragte ich.

»Nein«, antwortete sie recht harsch, »sonst hätte ich doch ein Stück Schinken bestellt.«

Ungläubig schüttelte sie den Kopf, als hätte ich ihr ein unmoralisches Angebot für eine leidenschaftliche Nacht unterbreitet. Anschließend verabschiedete sie sich höflich von meinem Vater und spürbar distanzierter von mir, ehe sie die Metzgerei verließ.

»Behauptest du nicht immer, dass du so gut mit den Kunden umgehen kannst?«

Ich musste mir einen skeptischen Blick meines Vaters gefallen lassen.

»Kann ich auch. Und das weißt du genau. Die letzten drei Monate musste ich immer mit ihr schreien, damit sie wenigstens ansatzweise verstanden hat, was ich gesagt habe. Woher hätte ich wissen sollen, dass sie sich endlich ein Hörgerät zugelegt hat?«

»Ein guter Verkäufer weiß solche Sachen.«

Er sah mir fest in die Augen und ich wusste nicht, was ich damit anfangen sollte. Plötzlich begann er bananenförmig zu grinsen.

»Ich verscheißere dich nur, Junge.«

Mit einer flinken Bewegung kam er hinter der Theke hervor und packte mich mit seinen großen Händen an den Schultern. Hätte mich ein anderer Mann mit solcher Kraft angefasst, würde sich jetzt der Inhalt meiner Blase entleeren. Im Fall meines Vaters genoss ich die ungestüme Berührung aber sogar, denn es kam nicht allzu oft vor, dass er seine Gefühle auf diese Weise kundtat.

»Alles Gute zum Geburtstag!«

Um dem Ganzen nun auch noch die Krone aufzusetzen, umarmte er mich sogar, was mich fast schon ein wenig verlegen machte. Dieser herzliche Moment zwischen Vater und Sohn wurde schließlich durch das deutlich hörbare Grummeln meines Magens gestört.

»Hunger?«

»Du kennst mich doch«, antwortete ich, als er sich wieder von mir löste.

»Mettwurst?«

Ich lächelte ihn bejahend an. Er kannte mich tatsächlich.

»Wie viele Leute kommen denn heute?«, wollte er wissen, während er zwei Mettwürste unter der Glasvitrine hervorfischte.

»Zur Party?«, fragte ich zurück und setzte mich an einen der beiden Tische, die sich in der Metzgerei für Imbisskunden befanden. »Zwanzig. Fünfundzwanzig.«

»Wie viele nun?«

Ein kurzes Zögern meinerseits.

»Nicht mehr als dreißig«, sagte ich.

Es war kein Geheimnis, dass mein Vater keine Freude an großen Menschenansammlungen hatte, und er konnte es noch weitaus weniger leiden, wenn sich eine solche Ansammlung in seinem Innenhof breitmachte.

»Keine Sorge«, fügte ich beschwichtigend hinzu, »das sind alles meine Freunde, die werden sich schon gut benehmen.«

»Dreißig Freunde? Wenn ich alle meine Freunde einlade, dann sind wir gerade einmal genug, um ein paar Runden Skat zu spielen.«

Obwohl ich nicht wusste, welche Anzahl von Spielern man für Skat brauchte, verstand ich, worauf er hinauswollte.

»Es sind auch nicht meine engsten Freunde«, gestand ich, »die meisten sind wohl eher Bekanntschaften. Aber nett sind sie trotzdem.«

Mein Vater brachte mir die Mettwürste sowie drei Scheiben Schwarzbrot, die herrlich frisch dufteten und sogar noch warm waren.

»Solange ihr nicht so laut seid, dass die Polizei antanzt.«

Ich lächelte ihm zu und nickte, versprach in diesem Moment aber vorsichtshalber nichts, was man später hätte gegen mich verwenden können. Danach nahm ich sowohl von einer Wurst als auch vom Brot einen herzhaften Bissen und genoss die Geschmackskombination in meinem Mund.

»Und wie sieht es bei den Mädels aus, die kommen? Ist da eine für dich dabei?«

Der »Ich-will-einen-Enkel-und-Stammhalter-Blick« meines Vaters war mir nicht unbekannt, doch der plötzliche Überfall hatte mich durchaus überrascht. Unwillkürlich atmete ich tief ein, was grundsätzlich eine blöde Idee ist, wenn man den Mund gerade voll hat.

»Ähm ...«, brachte ich in einem schrillen Ton heraus, dann begann ich wie verrückt zu husten.

Es dauerte eine endlos scheinende Minute lang, bis sich die letzten Bröckchen so weit von meiner Luftröhre entfernt hatten, dass ich wieder halbwegs normal atmen konnte.

»Papa!«, war schließlich das Erste, das ich vorwurfsvoll über die Lippen bekam.

»Was? Du bist jetzt sechsundzwanzig! In deinem Alter habe ich schon dafür gesorgt, dass unser Familienname weitergegeben wird.«

»Es wäre auch zu schade, wenn es plötzlich keinen Schimmel mehr geben würde.«

Selbstverständlich hatte ich mir das nur gedacht, anderenfalls wäre ich meiner potentiellen Enterbung bereits einen großen Schritt näher gewesen.

»Das waren noch andere Zeiten«, sagte ich stattdessen. »Heutzutage bekommen viele erst später Kinder.«

»Mag schon sein, aber du hast ja noch nicht einmal eine Frau, mit der du überhaupt Kinder machen könntest. Sieh doch mal zu, dass sich da wenigstens mal was tut.«

Selbst wenn es ein wenig harsch klang, konnte niemand abstreiten, dass er recht hatte. Meine sogenannten Beziehungen bisher waren kurz und bedeutungslos gewesen, und im Augenblick war diesbezüglich ohnehin Funkstille angesagt. Im Meer der Liebe tuckerte ich mit einem alten Kahn dahin, wobei ich weder ein Navigationsgerät noch Benzinreserven besaß, die mich in den nächsten Hafen bringen konnten.

»Mann, Mann, Mann, sieh dir nur an, was ich für ein Zeug rede«, meinte mein Vater nach einer schweigenden Pause. »Hör einfach nicht hin. Ich klinge ja schon fast wie deine Mutter. Erzähl ihr das bloß nicht!«

Aufmunternd klopfte er mir auf die Schulter.

»Du wirst schon noch die Richtige finden, keine Sorge.«

Sein Lächeln wirkte versöhnlich und aufbauend. Ich lächelte ihm ebenfalls zu, dann zerriss ein Klingeln die Stille. Das Glöckchen über der Eingangstür der Metzgerei kündigte das Eintreten von Frau Huber an. Sie war seit vielen Jahren Stammkundin, die uns ausschließlich samstagvormittags beehrte.

»Frau Huber!«, rief ihr mein Vater entgegen und sprintete hinter die Theke, als wollte er an den nächsten Olympischen Spielen teilnehmen.

Ich blieb sitzen, nahm einen neuerlichen Bissen von der Wurst und kam nun nicht drum herum, über mein Leben nachzudenken. Es war immerhin nicht so, dass ich mich nicht nach einer Partnerin gesehnt hätte, aber sich einfach so zu verlieben und geliebt zu werden, das war leichter gesagt als getan. Gut möglich, dass andere damit weit weniger Schwierigkeiten hatten, aber mir fehlte es in dieser Hinsicht an gewissen körperlichen Attributen und bestimmt auch an einer Portion Selbstbewusstsein.

Dennoch: Wenn ich nicht ewig allein bleiben wollte, dann musste ich tatsächlich endlich einmal die Initiative ergreifen, denn es war höchst unwahrscheinlich, dass die Frau meiner Träume aus heiterem Himmel an meiner Tür klingeln würde, nach dem Motto: »Hallo, darf ich mich vorstellen?« Auch wenn das – zugegeben – ziemlich praktisch und genau nach meinem Geschmack gewesen wäre.

Als ich das Brot und die Würste verputzt hatte, tendierte ich dazu, diese ganze Angelegenheit fürs Erste auf sich beruhen zu lassen. Ich war jetzt bereits so lange Single, da würde es auf ein paar Tage, Wochen oder Monate nicht mehr ankommen. Außerdem dachte ich nicht daran, mir meine Geburtstagparty von einer mittelstarken Sinnkrise verderben zu lassen. Das Vorbereiten des Grillfleisches würde zudem meine ganze Konzentration in den nächsten Stunden in Anspruch nehmen, da durfte ich mich nicht mit unnötigem Firlefanz ablenken.

Ich begab mich schließlich in den hinteren Teil der Metzgerei, zog mir die durchsichtigen Einweghandschuhe an und nahm das große Fleischmesser. Mit dem ersten Schnitt stand meine Entscheidung dann auch endgültig und unumstößlich fest: Meine zukünftige Freundin musste noch ein wenig warten. Jetzt hatten erst einmal die Schweinekoteletts Vorrang.

Kapitel 3: Meine Koteletts und ich

Gegen fünfzehn Uhr kamen Peter und Uwe, um mir bei den letzten Vorbereitungen zu helfen. Wir holten die Klapptische und Klappstühle aus dem Keller und stellten sie im Innenhof auf. Anschließend brachten wir die gekühlten Getränke nach oben und zu guter Letzt führte ich die beiden in die Metzgerei, um auch das Fleisch hinaus neben den Grill zu verlagern.

»Ach, du meine Güte!«, rief Uwe aus, als er die von mir liebevoll marinierten Schweinekoteletts sah. »Willst du etwa die ganze Bundeswehr versorgen?«

»Das ist der größte Haufen von zerstückelten Tieren, den ich je gesehen habe«, entgegnete Peter sichtlich beeindruckt. »Mir läuft jetzt schon das Wasser im Mund zusammen.«

Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen.

»Was heute nicht gegessen wird, kann morgen als Frühstück herhalten.«

»Ein paar Kilogramm Schwein als Frühstück?«, erwiderte Uwe mit einem schelmischen Grinsen.

»Du kennst ja mein Motto: Das eine oder andere Kotelett am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen.«

Es war weniger mein Motto, sondern eher als Scherz gemeint. Da meine Freunde laut auflachten, hatte ich die beabsichtigte Wirkung auch tatsächlich erzielt.

»Und das ist also dein neues Prachtstück?«, fragte Peter, nachdem wir die Teller voller Fleisch auf den dafür vorgesehenen, runden Tisch neben dem Grill abgestellt hatten.

»Yep!«, rief ich stolz aus, als präsentierte ich meinen Erstgeborenen. »Der Firemaster 2000! Vergesst jeglichen Fraß, der euch bisher vorgesetzt wurde. Heute speisen wir wie die Könige!«

»Ich nehme dich beim Wort«, meinte Uwe, wobei sein Blick etwas anderes sagte. »Auch wenn es vielleicht Leute gibt, die meinen, dass du dich etwas weit aus dem Fenster lehnst.«

Er deutete in Richtung Peter, der wiederum seine unschuldigste Miene aufsetzte.

»Nun ja, schließlich behauptest du das bei jedem neuen Grill«, verteidigte er sich. »Und geschmeckt hat es natürlich immer. Nur ...«

Während einer dramaturgischen Pause legte er seine Stirn in Falten, so als versuchte er sich angestrengt an etwas zu erinnern.

»Ehrlich gesagt, einen Unterschied habe ich bisher noch nie geschmeckt.«

»Judas!«

Meinen anklagenden Ausruf unterstrich ich mit einem ausgestreckten Zeigefinger, der auf seine Brust deutete.

»Ein einziges Kotelett bekommst du heute von mir. Und nur aus dem Grund, damit du weißt, was du in Zukunft versäumst, denn für deinen Frevel sollst du kein weiteres Stück Fleisch von meinem wunderbaren Grill erhalten.«

Meinen gespielten Unmut konnte ich nicht ganz bis zum Ende meiner pathetischen Rede durchhalten, und so lachten wir bereits neuerlich, ehe ich zu Ende gesprochen hatte.

»Wann geht es eigentlich genau los?«, fragte Uwe.

»In etwa einer Stunde sollten die Ersten kommen«, antwortete ich, nachdem ich meine Armbanduhr konsultiert hatte.

»So lange lässt du deine besten Freunde doch wohl nicht auf dem Trockenen sitzen, oder?«

Uwe deutete mit seinem Kinn auf die Bierkiste, die er zuvor nach oben geschleppt hatte.

»Lasst den anderen aber noch etwas übrig«, erwiderte ich seufzend, denn Uwe hatte bereits zwei Flaschen geöffnet.

»Willst du auch?«

»Nein, danke. Ich möchte mich erst noch umziehen. Das heißt, wenn ich euch beide inzwischen allein lassen kann.«

Meine Freunde tauschten neckische Blicke aus und schon musste ich befürchten, dass das eine dumme Idee gewesen war. Wer wusste schon, welcher Unsinn den beiden einfiel?

»Geh nur, wir werden ganz artig sein«, versprach Peter unheilvoll grinsend, während Uwe überhaupt nichts sagte und mich lediglich lammfromm ansah, was noch weitaus bedrohlicher auf mich wirkte.

»Lasst einfach die Finger vom Fleisch, okay?«

Ich wartete auf keine weitere Reaktion der beiden, sondern wandte mich mit ungutem Gefühl von ihnen ab und ging hinauf in mein Zimmer. Dort hatte ich mir schon am Vortag drei Hemden auf die Kommode gelegt, zwischen denen ich mich nun entscheiden wollte. Welches davon war das absolute Geburtstagshemd? Das dunkelblaue mit dem aufgedruckten Sonnenuntergang? Das violette mit den weißen Blümchen auf den Ärmeln? Oder am Ende gar doch das türkis-gelb karierte?

»Mama!«

Man mochte es ihr nicht ansehen, aber meine Mutter war nicht nur besonders kräftig, sie war zudem unwahrscheinlich flink. Und das war noch untertrieben. Hätte man in der Formel 1 von ihrem Talent gewusst, würden sich die Spitzenteams um sie prügeln. Ich war mir sicher, dass es für sie keinen Unterschied machte, ob sie nun Socken stopfte, Schnitzel panierte oder die Räder an einem Rennwagen wechselte: Sie schaffte alles in Rekordzeit.

So vergingen nun auch maximal sieben Komma acht Sekunden und schon stand sie neben mir im Zimmer.

»Was brauchst du denn, Liebling?«

»Kannst du mir bitte helfen? Ich weiß nicht, welches Hemd ich anziehen soll.«

Skeptisch begutachtete sie meine Vorauswahl.

»Auf alle Fälle keines von diesen hier. Die sind hässlich.«

Meine Kinnlade musste wohl ein Opfer der Schwerkraft geworden sein, denn ich spürte, wie meine Mundhöhle schlagartig trocken wurde.

»Aber Mama ...«

»Ach, mein Dickerchen, du weißt, ich liebe dich. Und es gibt ganz viele Dinge, die du gut kannst. Du hast ja so wahnsinnig viele Talente!«

Konsequenterweise hätte sie nun mindestens drei aufzählen müssen, doch die folgende, kurze Pause legte nahe, dass ihr spontan keine einfielen.

»Aber einen modischen Geschmack, den hast du leider nicht«, meinte sie letztendlich, um auf das eigentliche Thema zurückzukommen.

Die Wahrheit kann wehtun, heißt es. Doch ich musste gestehen, dass ich nicht sonderlich überrascht war, selbst wenn es ein Vierteljahrhundert gedauert hatte, bis meine Mutter mich diesbezüglich aufklärte. Es hatte immer wieder Momente gegeben, in denen der Verdacht nahelag, dass ich aufgrund meiner Kleidung belustigte Blicke auf mich gezogen hatte. Ich erinnerte mich schlagartig an die Hochzeit eines Bekannten im letzten Sommer. Es war an diesem Tag so heiß gewesen, dass ich beschlossen hatte, eine braune, kurze Hose zu tragen. Selbst der Pfarrer hatte mich belächelt. Ein anderes Mal hatte ich den Versuch unternommen, bei einem Discobesuch eine neongrüne Krawatte zu einem weißen T-Shirt zu tragen. Der Türsteher hatte mich aber mit klaren Worten darauf hingewiesen, dass es besser wäre, ich würde wieder nach Hause gehen. Nicht zu vergessen waren schließlich auch die Fischerhüte, die ich eine Zeit lang getragen hatte. Dadurch musste ich mir zwar keine Gedanken über meine Frisur machen, höchstwahrscheinlich hatte ich dennoch bescheuert ausgesehen. Zumindest hatte meine Klassenkameradin Jenny einmal eine subtile Anspielung in diese Richtung gemacht.

Nun ja, in Wahrheit hatte sie mir ins Gesicht gesagt, dass ich mit den Hüten wie ein Trottel aussah. Ein Wink mit dem Zaunpfahl sozusagen.

»Und was soll ich dann anziehen?«

»Was weiß ich?«, war die wenig hilfreiche Gegenfrage. »Warum behältst du nicht die Sachen an, die du jetzt trägst?«

Erkundend blickte ich an mir herab, denn um die Wahrheit zu sagen: Ich hatte keine Ahnung, was ich mir heute Morgen übergestreift hatte.

Dass ich eine blaue, kurze Jeanshose trug, verwunderte mich dabei recht wenig, denn diese hatte ich bereits seit einer Woche jeden Tag getragen. Zum einen war ich zu faul gewesen, mir eine neue Hose aus dem Schrank zu holen, da es viel praktischer war, immer jene Hose anzuziehen, die ich vor dem Schlafengehen neben meinem Bett abschüttelte und dort griffbereit auf dem Boden liegen ließ. Zum anderen war sie auch ungeheuer bequem, denn es gab nur wenige Beinkleider, die mich nicht entweder an den Schenkeln, am Bauch oder im Schritt zwickten. Insofern war es auch keine schlechte Idee, wenn ich die Hose für meine Feier anbehielt, vor allem wenn ich bedachte, dass ich heute noch das eine oder andere Kotelett verspeisen wollte.

Was das T-Shirt betraf: Ich hatte es vor zwei Jahren bei Rock am Ring