Verbrechen wider Willen - Werner Pentz - E-Book

Verbrechen wider Willen E-Book

Werner Pentz

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Beschreibung

Es fängt mit einer harmlosen Filmaufnahme an, die heimlich gedreht wird. Daraus ergibt sich eine Erpressung, mit Folgen, die nicht voraussehbar sind. Aus Erpressung wird Mord. Aus Mord wird Verfolgung. Aus Verfolgung wird ein Happy End, wenn auch ohne Mordaufklärung.

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Seitenzahl: 374

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel I2

A. Freitag Abend: Die Entführung2

1. Plötzlich ist alles anders ...2

2 . Arme wollen auch ihren Anteil...3

3 . Das ist die Chance ihres Lebens ...7

4 . Wer keine Wahl hat, hat die Qual10

B. Samstag: Die Erpressung12

5 . Jeder Pornodarsteller hat seinen Preis …13

C. Sonntag: Die Folgen des Wartens auf das Lösegeld …16

6 . Langeweile gebiert Ungeheuer...16

7 . Hinter Gittern18

8 . Massieren20

9 . Wenn schon, denn schon22

10 . Das Spiel noch einmal, nur schärfer...26

11 . Die Krankenschwester packt aus ...31

12 . Der Familienrat oder einer muss es ja tun ...34

D. Montag: Die Geldübergabe38

13 . Der Traum von einer Pistole...38

14 . Ein Traum wird Wirklichkeit...43

15 . Ein Held kennt keine Schmerzen...48

16 . Operation „Jäger und Sammler“...52

E. Dienstag: Die Flucht59

17 . Abschied fällt immer schwer …59

18 . Adlerauge verfolgt Dich!61

19 . Wer zu spät kommt, bestraft das Leben...67

20 . Wenn Engel im Himmel singen...72

F. Tage später: Die Ermittlung75

21 . Das Motiv wenn man wüsste...75

22 . Befragung...80

23 . Lieber rächen als klagen85

23. So schüttet man Öl ins Feuer88

G. Wochen später: Die Verleumdung93

24. Ein Besuch öffnet Schleusen93

25. Die Kunst der Rufschädigung.97

26. Gutes zu schaffen ist die größte Kunst …101

27. Ich werde deinen Namen durch den Schmutz ziehen ...108

28. Wie entjungfert man einen älteren Jungmann?111

29. Liebe ist das Problem. Gift die Lösung114

30. Frankenstein und Wolfsnacht ...117

H. Einen Monat später: Alles kommt zurück120

31. Der Schatten des Verfolgers120

32. Schrecken ohne Ende123

33. Einigkeit vertuscht die Wahrheit126

Ende129

Kapitel I

A. Freitag Abend: Die Entführung

1. Plötzlich ist alles anders ...

Rote Blitze wie Supernova flammten im schwarzen Nichts auf – in einem Kopf, der hingebungsvoll und entspannt mit geschlossenen Augen auf der Sitzstütze seines Mercedes-Benz-Cabriolet ruhte.

"Kree..."

Moment. Ein merkwürdiger Laut. Das war kein Schwatzen, das die lutschende Frau neben ihn verursachte. Aber auch so etwas von egal, total egal.

Jetzt auch strich ein Luftzug über ihn und er öffnete für einen Moment seine Augenlider und sah das Verdeck des Cabrios über ihn sich öffnen. Einer der beiden musste gegen den Hebel in der Mittelkonsole gestoßen sein. Aber egal, egal.

Außerdem konnte er jetzt ohnehin nichts tun, denn so lange das Faltdach nicht am Hecj ganz in Falten zusammengeschrumpft war, war er machtlos. Egal, in welcher Lage auch immer er und seine Beifahrerin sich befanden, mit Gaffern war jetzt am Abend nicht zu rechnen. Also erneut Augen zu und den Farbenrausch, das Wabern des Hintergrunds und die Lust in vollen Zügen auskosten.

Das tat er so lange, bis er Lautfetzen von Stimmen hörte.

„Mensch, das Verdeck geht auf!“

"Um so besser. Damit haben wir die Szene noch besser im Fokus. Das wird ein echt scharfer Porno!“

Allmählich verblassten die explodierenden, buntfarbenen Flecken. Gleichzeitig mit dem Abschwellen der Lust. Das All um ihn herum wurde wieder schwarz. In der Ferne blinkte allerdings ein rotes Licht. Ein sterbender Stern in seinen letzten Zuckungen?

„Vielleicht können wir den Film als Porno ins Internet stellen! Gegen Geld, verstehst!"

"Geh näher ran Mann!“

"Mach ich, mach ich schon!"

Schlagartig öffnete er die Augen und starrte in einen rot-blinkenden Lichtpunkt.

„He, nicht aufhören, Mann! Action!“ Ein dreckiges, lautes Lachen.

Er begriff, sie wurden gefilmt, mit einem Camcorder, schon lange, obwohl sie sich doch, er und seine Partnerin, unbeobachtet fühlten und schamlos wie in einem Schlafzimmer verhalten hatten. Ihm blieb keine Zeit mehr, Scham zu empfinden. Der Vorrang riss und Angst schlug heftig zu.

Er stößt die Frau abrupt von sich und hebt schnell den Schoss, um seinen Reißverschluss zu schließen. Auch sie hat jetzt die Umstände erfasst und blickt benommen um sich. Aber geistesgegenwärtig genug ergreift sie ein Papiertaschentuch und reibt sich damit den schmierigen Schleim vom Mund.

Der Kameramann filmt und filmt, lacht dabei freudig, verdreht seinen Kopf immer wieder nach hinten, wo jemand stehen musste und über seine Schultern sieht. Aus dem Schatten tritt schließlich ein bulliger, korpulenter, dunkler Mann. Er fixiert ungerührt den Set und die Szene.

Dem schlaksigen Blonden hängt eine Zigarette schief aus dem Mundwinkel, an der er wie ein kleines Baby nuckelt. Der andere mahlt mit seinen Zähnen wie die Kuh saftiges Gras, weil er einen Kaugummi kaut.

Sie befanden sich auf einem Parkplatz des Bezirkskrankenhauses. Dem Fahrer, der als Arzt und die Beifahrerin, die dort als Krankenschwester tätig waren, war bekannt, dass in diesem eine berüchtigte Abteilung für „Drogenentzug und Rehabilitation" war.

Was bedeutete das angesichts dieser verwegenen Typen, die sie hier belästigten?

Zeichneten sie einen Video live auf, welches sich gerade Hunderte von Personen irgendwo oder noch schlimmer nahebei auf einer Station des Bezirkskrankenhauses ansahen? Man musste sich vorstellen, wie sich eine Meute kranker Hirne auf der Abteilung für psychisch Kranken dabei vehement auf die Schenkeln schlugen und mit verzückten Finger auf eine überdimensionale Bildfläche zeigten und schrien: „Sehr Euch mal die beiden an, wie sie es treiben.“

Weniger schlimm wäre es, wenn diese beiden Personen gerade Ausgang hatten und zufällig auf sie gestoßen wären. Damit würde, was sie gerade im Coupe getan hatten, nur diesen beiden bekannt sein. Vorläufig!

Waren sie aber ausgebüxt? Was bedeutete dies aber?

Vielleicht hatten sie gerade einen Drogensuchtentzug abgebrochen. So etwas geschah öfter mal, dass Abhängige es sich anders überlegten oder den Druck nicht standhalten konnten.

Nicht weniger häufig bekamen Abhängige Panik, bevor sie definitiv untergebracht wurden. Sie flohen oder gingen stiften, weil sie der Suchtdruck dazu zwang. Oft erfüllten sich diese Süchtigen, bevor sie sich in die trockene Wüste einer monatelange Therapie begaben, den letzten Wunsch und betranken sich bis zu Besinnungslosigkeit.

Dabei musste die Zivilbevölkerung mit dem Schlimmsten rechnen. Besonders Junkies konnten unter Suchtdruck ziemlich rücksichtslos und rüde werden, um an ein bisschen Betäubungsmittel zu kommen. Einbrüche in Kioske, in Fahrzeuge und Privatwohnungen waren das Übliche. Fühlten sie sich in die Enge getrieben, dann wehrten sie sich mit eckigen Ellenbogen, spitzen Schuhen und geballten Fäusten.

Geschichten darüber waren genug im Umlauf.

Würde es sich aber gar um Psychopathen, gefasste Sexualstraftäter oder Amokläufer handeln, die entkommen waren, war es nicht auszudenken. Wie entkam man getriebenen Kriminellen, sadistischen Quälern und sonstigen Bestien schließlich?

Zumal wenn sie zwei Personen nackt, beim sexuellen Verkehr antrafen? Sie wurden doch dadurch nur angestachelt, ihre Triebe geweckt, verführt dazu, die Chance zu nutzen – was gab es nicht für Tausend Möglichkeiten?

Es war nicht auszudenken.

Der Arzt fühlte sich hilflos, machtlos und ausgesetzt, dass er sich unwillkürlich an etwas festhalten wollte, was ihm lieb und teuer war. Er griff an seine ausgebeulte, vordere Jeanstasche.

Das hätte er nicht tun sollen! Aber die Panik halt!

Und schon schnüffelte einer der Ganoven wie im Reflex, als, als röche er Kokain oder sonst etwas Anrüchiges. Er spürte, dass hier etwas nicht stimmte und wurde in Unruhe versetzt. Sein Augenlider flatterten heftig.

Oh, Gott, das hatte er nicht hervorrufen wollen. Das Gegenteil doch!

Doch dieser Mensch war ein gebranntes Kind, spürte sofort, wenn sich etwas im Busch befand und nahm die Unsicherheit anderer Leute war, wie ein Hund Adrenalin. Dazu war er oft genug in Situationen gesteckt, wo jede falsche Bewegung ein Todesurteil gewesen wäre. Der Griff in eine Westen- oder Hosentasche bedeutete das Todesurteil, wenn dort eine Pistole versteckt war.

Der Dunklere trat sofort einen Schritt Richtung Fahrerseite. Ein silbernes, kleines Messerchen pendelte um die Brust, vielleicht auch war es nur der Halbmond, schwer erkennbar in dieser Abenddämmerung. Der Arzt hatte zwar die Hände sofort wieder zurückgezogen, wobei er am Jeansstoff so herum genestelt hatte, als wolle er bloß lästige Fuseln abstreifen, aber zu spät. Diese Gestik wirkte zu verdächtig.

Der Blick des Bullen fiel auf die leicht ausgebeulte Hosentasche.

Der kalte Schauer der Angst erfasste den Fahrer. Perlen bildeten sich auf der Stirn. Die an seiner Stirnseite herunterliefen. Steif und starr wartete er auf die Dinge, die da kommen mochten.

Die ausgebeulte Tasche verbarg ein Bündel Geldscheine. Es handelte sich um die Miete seines schwarz vermieteten Hauses, das er von seinen Eltern geschenkt bekommen hatte, damit es nicht unter die Erbschaftssteuer fiel. Der Besitzer, ein griechischer Restaurantbetreiber, bezahlte seine Miete monatlich und bar in die Hand.

Nun schien es, als würde der Eigentümer doch noch dafür bezahlen müssen. Die Rechnung würde allerdings teurer als beim Staat ausfallen.

. Arme wollen auch ihren Anteil...

Die beiden warfen sich verstohlene Blicke zu.

Etwas war im Busch.

Doch schritten sie nicht sofort zur Tat wie es vielleicht Laien tun würden, weil ihnen die Lage brenzlig erscheint. Sie wogen erst einmal alle Möglichkeiten ab, bevor sie handelten.

Blondy warf seine Zigarette achtlos zu Boden, stolzierte an der Längsseite des Wagens entlang, fuhr mit dem Finger über die Zierleiste des Verdecks und murmelte: „Nicht schlecht!"

Dann beugte er sich plötzlich über die Kante ins Innere und schnupperte: „Das Leder riecht auch geil!“

Dabei blieb sein Blick an etwas im Inneren des Mercedes-Benz-Caprio hängen.

Seine Augenbrauen kräuselten sich. In der Mitte der Frontscheibe hing ein seltsames Emblem.

Er wandte sich ihm zu, halb über den Schoß des Arztes gebeugt, bis seine Nase ganz nah dran war. Er drehte den Kopf ein wenig, wie ein Vogel, der etwas fixiert. Was er aber sah, einen seltsame verzierten Stab, um die sich eine Schlange wand, erregte seinen Ekel: "Igitt!"

Er zuckte zurück.

„Mit wem haben wir's hier zu tun, he? Zu welcher Sekte gehört du, Mann? Guck dir mal dieses Geheimzeichen an! Der hat es faustdick hinter den Ohren hier, der Mercedes-Fahrer!"

Sein Begleiter brummte missmutig. Anscheinend war er nicht beeindruckt.

"Wir sind keine Sekte. Im Gegenteil, absolut seriös ... Wir, wir schwören, dass wir ...“

„Aha! Hab' ich's nicht gesagt. Eine Verschwörung. Eine Geheimzelle. Ein Templerorden oder so was sehr Gefährliches.“

„Nein, nein, wir sind Ärzte, die so ein Erkennungszeichen haben.“

„Klar, weiß ich schon. Hab' ich gelesen. Der Medicus, die Wanderhure, weiß der Teufel, welchem Geheimbund ihr gehört. Die schwören auch einen Eid. Die Bader zum Beispiel, so hat man die genannt, die schwörten … Verdammt, wie geht dieser Schwur noch mal?“

Offensichtlich hatte er den Spruch der Bader vergessen, so sehr er sich auch bemühte, er wollte ihm nicht in den Sinn kommen.

Er riss sich zusammen, setzte wieder an, verlor erneut den Faden und belferte nun den Arzt an: „Du brauchst mir nichts von deinem Geheimbund erzählen! Du, du!“ Wieder riss der Faden.

Um sich zu retten, wandte er sich an seinen Begleiter: „Da haben wir aber einen dicken Fisch an der Angel, was?“ Dabei ließ den gefährlichen Illuministen oder um wen auch immer es sich handeln mochte keine Sekunde aus den Augen. Sein Tonfall strömte trotz seines Alzheimers Siegesgewissheit und Wissen aus, kein Wunder, schöpfte er doch aus einem profunden Pool von Schundromanen.

Der andere schien klüger zu sein: "Mensch, kapierst du nicht, das ist ein Arzt, ein Doktor, ein Mediziner, ein Weh-Weh-Heiler...“

„Ja-ja, jemand, der sich gerne mit Spinnen, Skorpionen, Echsen, Krokodilen oder Schlangen umgibt, ist Arzt? Das kannst du deiner Oma erzählen, aber nicht mir. Nee, der Typ hier ist gefährlich, sag ich dir. Ein Geheimniskrämer, Heimlichtuer, ein Verschwörer der übelsten Sorte, mein Lieber!“

Bully platzte jetzt der Kragen und schrie: „Mann, was nicht in dein Hirn passt, ist die Realität. Der Mann ist Arzt, kapier das Mal. Die haben seit Jahrtausenden eine Schlange mit Stab als Erkennungszeichen, diese Mediziner. Daher kommt das, Mann!“

„Medizinmänner, ich verstehe. Dann ist das Zeichen so eine Art Totem, wie es die Indianer hatten, mit dem sie ihren Marterpfahl geschmückt haben. Sozusagen ihr Logo, ihr Erkennungszeichen, verstehe.“

„Genau! Endlich hast du's kapiert!“

Etwas verstand er immer noch nicht, denn er grübelte weiter, bis ihm endlich ein Licht aufging: „Ach so! Ich versteh! Von mir aus!"

Ganz überzeugt schien er aber nicht zu sein, denn schon bald hakte er nach: "Der Medizinmann verbirgt auf jeden Fall etwas!"

Die Bewegung, die der Arzt vorhin gemacht hatte, als er in seine Hosentasche gegriffen hatte, ging ihm nicht aus dem Kopf. Seine Augen blinzelten auffällig in eine Richtung, die sein Begleiter mitverfolgte. Und Blondy griff plötzlich zur Hosentasche des Arztes. Er spürte auch etwas. Sofort riss er die Hand zurück, als hätte er sich verbrannt.

„Raus damit!“, befahl er barsch.

Dann ertönte eine freudige, hohe Stimme von Bully, die man ihm gar nicht zugetraut hätte: "Das ist bestimmt ein Bündel Papier, das sind Scheine, Blüten, Moneten sind das." Wie er darauf gekommen war, wussten nur die Götter.

Aber der Arzt schien sich zu sträuben und wollte die Scheine nicht übergeben.

Sofort wurde Blondy Stimme bassig: "Und jetzt Mann, rück die Piepen raus. Aber dalli!“ Dazu machte er eine flache Hand. Nun zögerte der Arzt nicht mehr lange und reichte ihm einen Umschlag.

Durch das Klarsichtsfenster sah man, dass sich darin Geldscheine befanden.

Blondy pfiff durch die Zähne.

„Sieh mal einer an. Euroscheine!“

"Mal schau'n, was Ärzte so verdienen!“, rief der Bulle und nahm ihm den Umschlag weg. Er fühlte sich als der Kompetentere in dieser Sache.

Er machte seine Pranken zu spitzen Fingern und fischte einen braunen Euroschein aus dem geöffneten Kuvert hervor. Der andere, Blondy, warf seine Zigarette zu Boden, schrie: "Mensch, lass mal sehen!"" und riss den Geldschein an sich, um ihn staunend in die Höhe zu halten: „Was ist das denn für ein wunderbares Ding, he? Wau!“ Mit der anderen Hand kratzte er sich am Kopf.

Ein Tausender flatterte im lauen Abendwind. Unglaublich!

Aber Bully lächelte schon lange nicht mehr, denn Speichel schoss ihm in den Mund und seine feuchte Zunge leckte sich die Lippen. Jetzt wurde es ernst. Ein hungriger Blick fiel auf die milchige Haut der Beifahrerin, die das Band ihres BH-Trägers über der Schulterpartie freilegte. Das Objekt der Begierde bemerkte es natürlich und sie spürte, wie eine eisige, völlig unerklärliche Angst ihr Herz zusammenzog.

Blondy hingegen war von seinem unglaublichen Fund nicht minder beunruhigt, und das zu recht, wie er sogleich mathematisch klarstellte: „Weißt du, wie lange ich dafür Flaschen sammeln muss?“

Sein vernichtender Blick fiel auf den Geldsack, der neben und unter ihm saß.

Langes Schweigen – Nachdenken – Nachrechnen.

"Jahre, Jahre, kann ich dir sagen, Jahre!“, brüllte er plötzlich. Er wedelte mit einem 1000 Euroschein, blickte erneut drohend und durchdringend auf den Arzt herab und verkündete: „Das kommt mir jetzt gerade recht. Nachdem ich ins Krankenhaus eingeliefert wurde und 10 Euro pro Tag zahlen muss. Mann, ja, das habe ich! Trotz Sozialstaat. He, wo bleibt er, wenn man krank ist? Dann zeigt er seine Fratze: Du musst fürs Kranksein bezahlen, he! In unserem verfickten Krankenhaus 10 Euro am Tag!“

Der Chefarzt fühlte sich beschämt, peinlich berührt, weil es stimmte, was der Mann da sagte. Betroffen war er jedoch wegen der geringen Summe. Was sind schon 10 Euro? Bei 10 Tagen Aufenthalt sind das 100 Euro? Ist das so viel?

Armut ist für Reiche immer peinlich. Er wandte seinen Blick zu seiner Partnerin. Diese blickte nur starr und ernst drein. In ihrem entsetzten Gesicht stand die blanke Angst.

Er ärgerte sich über sie. Hatte sie denn außer einem guten Händchen für Sex keine Gefühle? Der Arzt begriff jedenfalls, dass hier an den Pranger gestellt wurde quasi in Vertretung solcher Institutionen wie das Krankenhaus, die nicht davor zurückschreckten, armen kranken Menschen in Ihrer Notlage das letzte Hemd vom Leib zu zerren.

„Na, los Chirurg, sprich. Wie stehst Du dazu?“

„Tja, ich weiß auch nicht!“

„Hört Euch den Chirurgen da an. Sahnt von den Kranken Gelder ab, was das Zeug hält und wenn man ihn darauf anspricht, meint er“ - wobei er den Arzt nachäffte: „Ich weiß auch nicht!“

Er schoss nun unerwartet schnell mit seinem Kopf über den Volant ins Coupé hinein, mit seiner Nase und seiner bedrohlichen Stirn kurz vor dem Kopf des Doktors verharrend. „He, Arzt, warum?“

„Ich, ich bin auch nur ein kleines Rädchen im Getriebe.“

Dem Arzt rollten inzwischen die Schweißperlen von der Stirn.

Blondy zog sich wieder zurück in seine aufrechter Körperhaltung, steckte sich erneut eine Zigarette an und meinte, als wäre er gerade nicht erregt gewesen : „Der ist ganz schön hohl, der Arzt hier!"

"Es fängt schon bei der Einweisung an. Krankenkasse sagt mir zwar die Fahrkosten zu. Ich, also ein Taxi genommen, dem Taxifahrer den Erlaubnisschein von der Krankenkasse gegeben und ab in die Klinik. Nun kommt heute ein Schreiben: Ich muss die Hälfte der Fahrtkosten zahlen. Hatte ich nicht die Zusicherung von der Krankenkasse, dass sie mir den Betrag ersetzen würden? Nein! Mein Budget sei in diesem Monat überschritten gewesen, haben sie gesagt. Ich soll 40 Euro selbst dazu blechen. Warum haben sie mich nicht vorher darüber informiert, hab ich gefragt. Bräuchten sie nicht, haben sie unverfroren gesagt. Das müsse ich schon selber wissen, was meine Rechte und Pflichten sind. Diese Saubande!“

Blondy ballte jetzt dazu die Faust.

Bully nickte weise, wissend und betroffen, aber mit stierem Blick auf lilienweißer Haut der Krankenschwester gerichtet. „Mann, da bist Du nicht allein!“

Was sollte der Arzt dazu schon sagen? Er selbst hatte genug Ärger mit Papierkram. Vielleicht hätte sich der Patient wirklich vorher informieren sollen. Aber solche Leute können kaum lesen, stehen meistens unter was auch immer für einen Druck und leiden sowieso derartig unter Geldnot, dass ihnen selbst ein Telefongespräch mit der zuständigen Behörde zu teuer erscheint. Wenngleich sie ohnehin meist so vertrauensselig sind, dass sie nicht daran denken, sich durch Nachfragen abzusichern. Ganz zu schweigen davon, nicht mit der Beschränktheit der Bürokraten zu rechnen. Dabei pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass Beamte so geizig sind, als müssten sie die zu vergebenden Zuwendungen der öffentlichen Hand aus ihrer Privatschatulle bezahlen.

Der Arzt schüttelt verhalten den Kopf. Beißt sich auf die Lippen. Wagt keine Antwort zu geben.

„Und woher hast Du eigentlich die 5000 Euro, Mann!“

Der Angesprochene weiß, Reden hat keinen Sinn.

Blondy merkt das und schleudert ihm die Antwort ins Gesicht: „Bakschisch, Mann, gib's schon zu! Du hast eine Sonderbehandlung eingelegt, bei einem Geldsack, he! Hast ihm vielleicht ein seltenes Herz, Niere oder Leber verpasst und der hat Dir für die Extrabehandlung diese Schmiere zugesteckt, ist's nicht so?“

Der Arzt rührt keine Wimper. Er spürt die salzigen Schweißperlen, wie sie über seinen Mund rinnen.

„Mir brauchst Du nichts zu erzählen, mir ist klar, was mittlerweile falsch läuft im Staate Dänemark!“

Bully: „Dänemark?“

„Das sagt man halt so!“

„Hä?“

„Man sagt nicht Deutschland, sondern Dänemark. Irgendetwas ist faul im Staate Dänemark, so sagt man! Man sagt nicht: Irgendetwas ist faul im Staate Deutschland.“

„Wieso sagt man Dänemark, wenn wir hier in Deutschland leben, he! Es ist doch etwas in Deutschland faul und nicht in Dänemark, oder? Also muss man sagen: Irgendetwas ist faul im Staate Deutschland, und nicht in Dänemark.“

Er fühlt sich offenbar auf den Arm genommen, denn er macht eine Faust.

„Ist ja egal!“

„Mir aber nicht! Ich lass mich nicht verarschen. Also, warum?“

„Mann, weiß ich auch nicht. Hab's halt irgendwo gehört.“

„Ach so, und du weißt nichts Besseres, als solch einen Blödsinn nachzuplappern!“

„Du hast's erfasst!“

„Für so dumm hätt ich dich aber nicht gehalten!“

„Ja, ich mich auch nicht!“

„Hä!“

„Ist gut, Mann. Von mir aus: Es ist etwas faul im Staate Deutschland! Gut so?“

„Ja, das brauchst aber nicht extra zu betonen. Das weiß ja wohl mittlerweile ein jeder, Mann!“

„Da hast du verdammt recht, Mann!“

„Na also, sag ich doch!“

Und Bully begibt sich wieder in Entspannungsmodus, macht einen tiefen Schluck aus der Aufputsch-Dose und schielt erneut auf den verlockenden Wildfang im Cabrio.

Blondy wendet seine Aufmerksamkeit dem Arzt zu, versucht in seinem Kopf zu lesen, erkannt aber nur dessen Panik im Gesicht. Das ist ja immerhin ein Zeichen, dass die Mauer wacklig und brüchig geworden ist, gegen die er geprescht ist. Befriedigend, aber nicht genug. Er nuckelt an seinem Glimmstängel wie an einem Babylutscher, dann schnellt er mit seinem Kopf wieder vor - nah bis wenige Zentimeter vorm Arztkopf.

„Seitdem wir mit sechzehn in der Scheißmaloche stecken, hat man uns gesagt: Sozialbeiträge fürs Alter entrichten. Hä! Wofür? Für den Sozialstaat. Wo ist er denn jetzt? Wo ist er, wenn man ihn braucht? Dann, wenn man in der Scheiße sitzt? Ans Alter dürfen wir gar nicht denken. Werden es sowieso nicht! Steckst du aber in der Scheiße, dann hilft dir keine Sau. Bezahlen heißt es jetzt wieder. Blechen, dass man krank sein darf, dass man ärztlich versorgt wird, im Krankenhaus behandelt wird und operiert. Da überlegst du dir schon zweimal, ob du dich einweisen lässt oder rechnest nach, ob du dir das überhaupt leisten kannst oder nicht? So sieht's aus!“

Wieder nuckelt er an seiner Zigarette, fischt sich aus seiner Tasche eine Schachtel mit Pillen und wirft sich ein paar ein.

. Das ist die Chance ihres Lebens ...

Als Bully plötzlich zu Blondy hintrat, senkte er die Stimme. Aber was er zu sagen hatte, hätten gerne auch die anderen hören können. Er blickte ohnehin auf die im Auto, um sie unter Aufsicht zu haben.

„Hör mal. Bei dem Arzt ist mehr zu holen als ein paar lumpige Tausender! Denk nur mal an die Fotos, äh, die Aufnahmen, die wir haben.“

Blondy gab sich Mühe und überlegte, aber kapierte es noch nicht.

„Mann, diese Aufnahmen sind Gold wert. Glaubst du, diese geile Schwanzlutscherin ist die Ehefrau vom Arzt? Wo gibt's das schon, dass Ehepaare in ihren piekfeinen Autos poppen? Dafür haben sie doch ihre Schlafzimmer und lilablassblauen Himmelbetten.“

Blondy dachte und dachte angestrengt mit.

„Wir haben den Arzt beim Ehebruch erwischt. Was glaubst Du , wie sich seine Ehefrau freuen wird, wenn sie davon erfährt? Auf Video vorgespielt bekommt, wie sich ihr Mann einen blasen lässt. Von einer Fremden. In ihren heißgeliebten Familien-Caprio?“

Blondys Gesicht zieht sich gerade beängstigend wie ein Luftballon zusammen. Man merkt, dass ihm das Denken schwerfällt. Wenn er verstehen soll, verzieht er wie jetzt gerne den Mund zu einem breiten Grinsen und nickt dabei so nachdenklich, als würde ihm tatsächlich ein Licht aufgehen. Blondy schaute umsich und signalisierte nur, dass er auf alles gefasst sei. Dabei hatte er nicht den blassesten Schimmer hatte, worauf.

Allenfalls denkt er, egal, was Sache ist, Bully weiß schon, wohin der Hase läuft.

Meistens wenigstens.

Mehr aber nicht.

Bully tritt wieder zum Caprio hin und verkündet wie ein Befehlshaber des Militärs.

„Also, als Erstes machen wir unsere Handys aus!“

„Klar!“, sagt Blondy und wiederholt ihn blöderweise: „Handy ausschalten, aber sofort!“ Er findet diesen Ton wohl cool. Was immer geschehen mag, es fängt zunächst Mal geheimnisvoll an, fast wie in einem Spionagekrimi. Dass sein Tonfall ankam, wie wenn ein Beschränkter etwas verkündet, was er gar nicht versteht, stört ihn nicht oder besser merkt er gar nicht.

Eben schwer von Begriff zieht Blondy es öfter vor, einfach zu tun, was von ihm verlangt wird. Dabei imitiert er oft sehr zu dessen Ärger Bullys Verhalten bis aufs i-Tüpfelchen. Dennoch war das meistens in Ordnung. Bully war nun einmal der Gescheitere und wusste meist, was zu tun war. Obwohl Blondy derjenige war, der die großen Reden schwang, war letzterer der weitaus klügere. Er traf auch stets die Entscheidungen.

„Also packen wir es an. Ab zu uns nach Hause alle!“, verkündete Bully und lief zur anderen Seite des Autos, um dort, wo die Frau saß, den Schlag zu öffnen. Blondy öffnete demzufolge den Fahrerschlag des Arztes.

Die beiden Gefangenen verstehen nicht sogleich, was Sache war. So müssen sie erst von Blondy, dann von Bully angebellt werden, schleunigst das Auto zu verlassen, dalli, dalli. Blondy bekommt Gefallen daran. Jetzt hat er es endlich auch kapiert, dass hier gerade eine Geiselnahme in die Gänge kommt.

Mit Drangsalierung? Wer weiß, wer weiß, was noch! War vielversprechend!.

Er grinst schon übers ganze Gesicht.

Diese Erscheinung der Geiselnehmer, düsterer Breitschulter-Typ und debiler Schlankheits-Typ verhieß zweifellos das Schlimmste.

Blondy hat dünne, strähnige Haare, die ihm ungekämmt in Stirn und Gesicht hängen und eine richtig große Tonsur, fast eine Platte - ungewöhnlich für so einen jungen Kerl. Sein wildes Erscheinungsbild ängstigt unwillkürlich, könnte ein derartig ungewöhnlicher Haarausfall dort, wo das dafür zuständige Organ ruht, nicht etwas nicht in Ordnung sein?

Der andere hingegen war so dicht behaart, dass in seinem breiten Dreikantschädel nur Augen und ein wenig Stirn zu sehen waren, abgesehen von der platten Nase mit den zu großen Nüstern. Man konnte aber nicht von einem Dreitagebart ausgehen, er war von Natur aus so. Hinten erkannte man keinen Hals, denn der Schädel ging übergangslos in die Schultern über. Permanente Zuckungen an Oberarmen ließen auf einen überstrapazierten und übertrainierten Fitness-Körper schließen. Er wirkte, als würde er jeden Moment zum Wutausbruch kommen.

Blondy fordert den Arzt als erster auf, auszusteigen und als geschehen, dreht er ihn um und biegt ihm die Hände nach hinten. Dieser schreit schmerzhaft auf. „Damit du spürst, was auf dich zukommen kann, wenn du Muckser machst!“ „Ja, ja, keine Gefahr!“, stammelt der Leidtragende. „Dann ist gut, Doktorchen!“ Trotzdem bindet er ihm mit seinem Gürtel die Hände zu Knebeln.

Bully nimmt sich die Frau vor.

Er öffnet den Verschlag, hilft der Dame jedoch nicht beim Aussteigen, sondern tritt einen Schritt zurück, um sie in ihrer ganzen blühenden Erscheinung besser taxieren zu können. Als sie mit den Beinen voran aus dem Auto steigen will und er noch befiehlt: "Hure, steig aus!", fährt sie erschrocken wieder die Beine zurück, eine Geste, die das Gegenteil dessen ausdrückt, was ihr befohlen worden ist. Grund genug für Bully, nicht lange zu fackeln, auf sie zuzuspringen, sie an den Händen zu packen und aus dem Auto zu zerren.

"Dir werd ich's zeigen!"

Er zerrt sie mit den Armen aus dem Fahrzeug und schleudert sie in die Parkplatz begrenzenden Sträucher. Sie kann von Glück reden, dass sie nicht auf dem kruden Asphaltboden gelandet ist, so dass sie mit Schürfwunden und weniger harten Blessuren davonkommt.

Blondy kümmert sich derweil um das offene Verdeck: "Wo muss man hier drücken?", und fuchtelt erfolgreich an der Konsole herum. Mit den Autoschlüsseln verriegelt er das gute Stück und steckt sie in die Hosentasche.

Bullys Finger umklammern fest das Handgelenk der Schwester und er dreht ihre Hand auf den Rücken bis zur Schulter. „Aua!“ Bully sagt nüchtern: „Das tut ganz schön weh, was!“ Noch bevor die Frau antworten kann, kommt es brüsk: „Los, los, die andere Hand auch.“ Gehorsam streckt sie ihm diese nach hinten. Mit seinem Hosengürtel bindet er ihr ihre Hände fest.

Und schon schubst er die Krankenschwester zum Arzt.

„So, bildet eine Polonaise!“, ruft Blondy aus. Wie befohlen, gruppieren sie sich wie eine Gänsekolonne hintereinander. Damit ist klar, es kann losgehen. Die Frau klammert sich mit ihren Händen an die Schultern des mürrischen Bullen, der voranschreitet, um nach Hause zu gelangen. Dahinter folgt der Mann und am Ende Blondy.

Die unzulängliche Fesselung mit bloßen Hosengürteln zeigt, dass man nicht auf eine Entführung vorbereitet war.

Es geht quer durch den Wald, auf einem Weg, der selbst bei Tageslicht kaum als solcher bezeichnet werden kann. Doch der Bulle findet schlafwandlerisch seinen Weg durch die dichten Bäume. In einer langen Serpentine geht es eine Anhöhe hinunter, mal nach rechts, mal nach links, aber der Bulle findet schlafwandlerisch immer wieder den richtigen Pfad. Plötzlich hält er an. Sie stehen vor einem Bahndamm. Er sitzt zwei Meter erhöht auf einem Bahndamm. Genau in der Mitte dieses Anblicks klafft ein schwarzes Loch.

„Jetzt müssen wir uns die Hände geben, bevor wir in die Hölle fahren! Haha!“

„Los, ihr dummen Gänse. Im Gänsemarsch, los! - Macht euch jetzt ein bisschen kleiner! Und macht euch vor allem nicht in die Hosen. Haha.“ Das ist die letzte Verkündigung, begleitet von einem schaurigen Lachen.

Händereichen, Gänsemarsch und Kleinermachen helfen, denn es ist eng, niedrig und stockdunkel dort drinnen. Man ahnt mehr, als dass man sieht, aber es wird wohl ein kleiner Tunnel sein, der unter den Bahngleisen hindurchführt. Ziemlich unheimlich hier drinnen. Dazu ein penetranter Gestank, der einem den Atem raubt.

„Passt auf, dass ihr nicht auf der Kacke ausrutscht!“

Ist das ernst gemeint oder ein derber Scherz? Blondys ekliger Lacher in diesem undurchdringlichen Schwarz lässt bald keinen Zweifel mehr zu.

Der bestialische Urin- und Fäkalgeruch beißt wie Säure in der Nase. Da das Tunnelrohr nur wenig Platz bietet, wirken die schwarzen, kohle- und granitartigen feuchten Gesteinsbrocken richtig gefährlich, die draußen die Bahndämme und hier drinnen den Boden bedecken. Die Röhrenwände sind tropfnass, also sollte man nicht ausrutschen. Andernfalls würde man sich ernsthaft verletzen, wenn man sich daran festhalten wollte. Der scharfe Gestank lässt einen instinktiv die angegriffene Nase zuhalten, was aber leider zwei Personen nicht möglich ist, denen bei diesem Potpourri die Hände nach hinten gebunden sind. Immerhin sieht man schnell das Licht am Ende des Tunnels. Allzu lang ist er nicht. Dadurch sehen die Beteiligten jedoch deutlich, in welch gefährlicher Umgebung sie sich befinden - es könnte sehr schmerzhaft werden, blutig sogar ...

Die Dämmerung draußen schützt vor unliebsamen Fragen von Passanten. Aber am Freitagabend sind die Leute ohnehin nicht mehr auf der Straße, sie sitzen längst schon am Abendbrottisch vor dem Großbildfernseher und schauen die Abendnachrichten oder versuchen sich bei einem schönen grausamen Krimi von der Arbeitswoche zu entspannen.

Die obskure Gänseschar trifft also auf niemanden.

Es geht schnell, denn das Ziel ist nicht weit. Ein obskures Familienhaus ist keine 50 Meter vom Tunnel entfernt, direkt hinter dem Bahndamm. Eine verwahrloste Hecke umgibt es mit einem nicht minder vernachlässigten Garten, so dass das Haus selbst vom Bürgersteig aus kaum zu sehen ist. Es ist zudem das letzte der hier üblichen eingeschossigen Einfamilienhäuser aus den 40ziger, 50ziger Jahren. Danach führt ein unbefestigter, lose aufgeschütteter Schotterweg in den nahen Forstwald und verliert sich im schwarzen Nichts. Links und rechts davon, auf den Wiesen, bewegen sich dunkle Flecken, die als weidende Schafe zu erahnen sind.

Am Pfosten, neben den Eingangstürchen, hängt halb herunter an einem letzten Nagel ein Briefkasten. Es ist ein viereckiger Kasten mit schwarzen und silbernen Aufklebern. Sie sind so häufig angebracht und erneuert worden, dass man keine vernünftige Schrift mehr erkennen kann. Wahrscheinlich so etwas wie: Bitte keine Werbung hier. Jedenfalls sind die Namen nicht mehr richtig lesbar.

Die Haustür öffnet sich quietschend und hängt wie der Briefkasten auch schon halb aus den Angeln. Dann folgt eine zweistufige Steintreppe, die direkt ins Einfamilienhaus führt.

Dort, wo man eintritt, quillt abgetretenes Linoleum locker und wellig aus dem Boden. Ein Schränkchen unter der Garderobe zeigt unzählige weiße Abblätterungen. Der Flur ist minimalistisch und kaum drei Quadratmeter groß. Danach betritt man sofort das Wohnzimmer im Erdgeschoss, welches ein Sammelsurium von Möbeln beherbergt.

Dies mag zwar schäbig und für stilsichere Augen schmerzhaft sein, jedoch keinesfalls steif, eckig und kahl. Ein dunkles Sofa steht unterhalb des Fensterbretts. Darauf stehen eingetopfte Pflanzen wie Kakteen und eine kleine Palme aufgereiht, nicht so dicht, dass man nicht durch die vergilbten Stores auf die nahe Straße schauen könnte.

Auf dem Sofa ist es bequem zu liegen und auch wenn die Federn darin längst kaputt sind, ragt doch keine dieser Eisenspiralen gefährlich hervor. Ein weißer Korbsessel, mehrmals übermalt, thront neben einem Ohrensessel. In den Ecken stehen zwei Stehlampen mit Quastenschirmen, in der Mitte ein breiter, niedriger Tisch, auf dem sich dreckiges Geschirr mit muffigen, verbeulten Pizzaschachteln stapelt. Darüber ist Asche verstreut, sowie Essenreste, Alufolie und Papierservietten, die einen derartigen unangenehmen Gestank verströmen, dass einem schlecht werden kann. Hier und da stehen Eimer mit überquellendem Papier, Bioabfall und Sondermüllresten herum. Jegliche Gemütlichkeit von Nostalgie der alten, bizarren Möbel wird dadurch gnadenlos abgewürgt.

Den Anblick der Küche erspart man sich besser. Dennoch quält einen ein daraus kommender ekliger, beißender Geruch von Essen, Öl und Fett bis ins Wohnzimmer hinein. Damit muss man leben.

. Wer keine Wahl hat, hat die Qual

Als alle Personen im Haus waren, wurde zuerst der Gürtel von der Frau gelöst, die sich vor den Augen Bullys übertrieben zimperlich das Handgelenk rieb: „Prinzessin auf der Erbse heult gleich oder was?“

Und schon packte er sie am Oberarm und kniff sie mit aller Kraft.

„Aua, du tust mir weh!“

„Ich tu dir viel mehr, wenn du weiterhin so zimperlich bist!“

Sofort verstummte sie und unterdrückte ihren Schmerz. Es war klar, jegliches Getue war hier strikt zu unterlassen – erste Lektion gelernt.

Blondy ging nach Betreten der Wohnung schnurstracks in die Küche zum Kühlschrank, fischte einen Sechser-Pack Bier heraus, riss die Plastikhülle ab, öffnete eine Dose, spülte den Inhalt in einem Zug hinunter und griff nach der nächsten. Die Dritte folgte sogleich. Dann trat er mit der Bierdose an den großen Tisch inmitten des Raums, um sie dort abzustellen. Er ließ sich in einen Sessel fallen und legte die Füße auf den Tisch.

Sein Partner hatte unterdessen die Geiseln einfach in die enge Rumpelkammer gestoßen, die in diesen Küchen- und Wohnraum eingelassen worden war – für den Moment – das Weitere würde sich ergeben.

Es ergab sich nicht, es musste erdacht, geplant und entworfen werden - gar nicht so leicht. Aber mit Bier würde es schon gehen. Während sie also beim fortgesetzten Anstoßen der Dosenbiere angestrengt Überlegungen anstellten, verfolgten die Eingesperrten aus ihrem Kerkerverhau mit Misstrauen das Szenario. Ging es ihnen zu langsam und zögerlich vorwärts, weil sie bald Protest anmeldeten?

„Wir kriegen gar keine Luft mehr! Hier drinnen ist es zu eng. Und sehen tun wir auch nichts.“

„Hört Euch die mal an! Die Gäste sind mit dem Zimmerservice unzufrieden. Die wollen ein Fünf-Sterne-Hotel!“

„Sieht ihnen ähnlich. Sind Besseres gewohnt, als was wir ihnen bieten können.“

Wie man hört, nahmen sie anfänglich den Protest ihrer „Gäste“ noch mit Humor, der aber schnell verflog, als diese es sogar wagten, murrend mit den Füßen zu scharren.

„Sie wünschen also mehr Luxus!“, sagte Blondy verärgert. „Das können sie haben!“ Er sprang auf die Beine, hechtete zur Seitenkammer und trat mit den Füßen gegen die windige, wacklige Holztür.

„Haltet Eure Fresse, ihr Blödmänner und, äh, -frauen. Sonst könnt ihr etwas erleben!“

Sofort war Ruhe.

Auch Blondy zeigte kein Mitleid: „Die treten sich wohl auf die Füße?“

„Na, wie sehr die doch auf vertrauten Fuß miteinander verkehren, ist das kein Unglück!“

Und Bully schlürfte zurück zum Sofa, um sich auf dieses fallen zu lassen und mit seinem Kumpanen anzustoßen: „Ohoho!“

„Auf die fette Beute!“

„Vopr allem auf die kommende Ausbeute!“

„Du sagst es, Mann!“

Dann verfielen sie ins Grübeln.

Bully verströmte eine solche Energie, dass die Luft um ihn herum elektrisch aufgeladen schien und gleich explodieren würde. Seine Bewegungen waren zurückhaltend und verhalten, als würden gigantische Kräfte entfesselt, sobald er nur zuschlug. Seine kräftigen, breiten Zähne verrieten, dass er mit bester körperlicher Gesundheit gesegnet war.

Blondy dagegen wirkte seltsam krank, schüchtern, ängstlich und es passte zu ihm, dass er jetzt Katzenjammer bekam: "Scheiße, dass der Doktor so viel Pinke-Pinke in der Hosentasche mit sich herumschleppen muss. Da wird man ja zum Diebstahl gezwungen!"

Dies gefiel Bully gar nicht.

"Was meinst du damit?"

"Na ja, ich weiß auch nicht."

"Willst 'nen Rückzieher machen! Denk an das viele Geld. Stell dir vor, wie es sich anfühlt, wenn du es in Händen hälst! Hunderte von Tausenden in einem Bündel, oh Mann oh Mann!"

"Ja Mann, das ist es eben!"

"Hä!"

Für Bully war klar: Die Würfel waren gefallen, Punkt. Das Zaudern seines Kumpels passte gut zu dem Bild, das er von ihm besaß: eine zögerliche Memme wie sie im Buche stand.

Guter Rat war teuer. Ruhig und bedächtig begannen sie die verschiedenen und vielfältigen Umstände zu bedenken, die bei einer solchen Entführung und der unvermeidlichen Erpressung zu berücksichtigen waren.

„10 000?“

„Hm!“

Diese Summe ließen sie zunächst einmal auf sich wirken.

Langsam merkten sie, dass sie viel zu wenig forderten: „He, 10 000, was ist das schon? Das ist doch nichts für diese reichen Fuzzis, oder? Wir sollten 250 000 verlangen!“

„Oh, das sollten wir wirklich!“

Nächster Schritt: An wen sollten sie sich wenden, um das Geld zu bekommen?

Sie kamen auf die Frau des Doktors. Auch wenn sie zickte und zögerte, was bei der Höhe der Summe fast zu erwarten war, der Arzt würde ihr Beine machen. Schließlich hatte er das Zepter in der Hand.

„Du sagst es!“

Etwas anderes konnten sie sich nicht vorstellen. Eine Ehefrau, die in der Ehe das Sagen hatte – zumal in einer Arztehe – eh, da war es klar, dass der Arzt der König war.

„Genau! Lass die Frau aufmucken, der Arzt wird der Alten schon Beine machen, das war so sicher wie das Amen in der Kirche!“

Was blieb dem Doktor übrig? Dass seine Gemahlin von der Nebenbuhlerin erfährt?

In tausend Jahren nicht.

Unvorstellbar!

Sie lachten laut bei der Vorstellung, wenn sie an die Sprengkraft dieser Bilder mit den Sexszenen dachten. Haha, nicht einmal Gewalt müssten sie anwenden! Zu kompromittierend. Wer würde einer solchen Veröffentlichung gleichgültig gegenüberstehen?

Bedenke der Öffentlichkeit!

En Arzt steht im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, vor allem auf dem Land, ja im ganzen weiten Umkreis. Was gäbe es da für Klatsch und Tratsch.

Nein!

Und seine Frau erst! Scheiden wird sie sich wollen, ganz sicher! Oder jedenfalls wird das weitere Eheleben die Hölle sein. Nee, nee, eine so gestörte Ehe zu führen, wird dem Herren Doktor auf Dauer zu schmerzhaft und stressig erscheinen. Er wird parieren und alle Hebel in Bewegung setzen, um der Hölle zu entkommen.

„Worauf du Gift nehmen kannst!“ Und das taten sie dann auch.

„Prost!“

Auch deshalb stoßen sie immer wieder an, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Sie sind ihrer nicht so sicher. Und das Denken fällt ihnen schwer. Ist das in ihrer Lage so verwunderlich? Die Fähigkeiten zur hohen Kunst der Erpressung fielen ihnen nicht einfach in den Schoß, sondern mussten erst erworben werden. Wie, war zunächst schleierhaft.

Man überlegte, das Lösegeld in dem leeren Mercedes Benz Cabrio deponieren zu lassen. Die Frau sollte die halbe Mille Euro von der Bank abheben, das Geld zum Auto bringen, es dort ablegen und verschwinden. Danach wird das Geld abgeholt. Schlißelich werden Krankenschwester und Arzt freigelassen. Wenn der Arzt zur Polizei geht, werden die Bilder überall veröffentlicht. Der Arzt hat keine Chance, die Bilder zu löschen, unwiederbringlich zu löschen. Sie sind millionenfach kopierbar. Kein Ausweg für ihn. Wenn er sich aber ruhig verhält, dann ist es nicht notwendig, die Pics zu verbreiten. Dann ist er vor der Öffentlichkeit und sie vor der Polizei sicher.

„Und das Geld. Das war doch eine ganz schöne Schaufel voll, oder?“

Der Arzt und seine Familie werden das Geld locker aufbringen können, mit Sicherheit. Die Beschaffung der hohen Summe stößt bestimmt auf keine großen Hindernisse, so ein Arzt hat Kohle ohne Ende und wenn es nicht reicht, die Familie und Verwandtschaft wird schon ein wenig aushelfen, davon kann man ausgehen.

Nun wurde der Arzt angehalten, seine "Alte" zu beauftragen, das Geld aufzutreiben.

„Angehalten“ ist etwas zu milde ausgedrückt. So rüde wie er jetzt aus der Rumpelkammer gezogen wird, so, dass gleichzeitig Besen und sonstiger Krempel wie Staubsauger herauskullern, mitnichten. Einschließlich der Krankenschwester. Sie litt in dieser Enge der Besenkammer unter Schwindelgefühle und konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, versuchte sich irgendwo festzuhalten, an einem lösen Besenstil und fiel heraus, diesen in der Hand. Sie fällt Bullys vor die Füße und er brüllt: „Wer hat gesagt, dass du rauskommen sollst?“ "Aber mir ist schwindlich!" "Na gut. Dann bleib dort in der Ecke und halt still, Schlampe!" Er scheint sehr verärgert zu sein, hat sich aber trotzdem nicht getraut, die Frau auf die Beine zu stellen und in die Ecke zu stoßen.

Dann nehmen sie den Arzt ins Kreuzverhör.

Bully schildert die Bedingungen der Erpressung.

Der Adressat hört sie sich stumm an und als ihm schließlich sein Telefon in die Hand gedrückt wird, tippt er sofort drauf los, ein Verhalten so ohne Widerspruch, dass es misstrauisch machen musste. Bullys Stirn graust sich und er reißt ihm wieder das Gerät aus der Hand.

„Weißt du!“, sagt er zum Blonden. „Lass uns einfach verdoppeln. Wenn's wirklich zu viel ist, können wir immer noch runtergehen. Also, Herr Doktor. Wir fordern 500 000."

Der Arzt beginnt zu protestieren, verstummt aber, als er die Faust des Blonden vor seiner Nase sieht. Dem Blonden gefällt seine Macht und er lacht.

Die Krankenschwester in der Ecke begeht die Unvorsichtigkeit, wegwerfend zu schnauben. Wenn sie den Eindruck gehabt hat, dass sie hier keine große Rolle spielte, weil sie nicht das begehrte Objekt der Erpressung war, so täuschte sie sich aber in dem Punkt, dass sie nicht unter Beobachtung stand und jedes ihrer Regungen wahrgenommen wurden.

Blonde geht zu ihr hin und schlägt ihr wortlos ins Gesicht.

Danach geht es weiter, als wäre nichts passiert. Dem Arzt wird das das Gerät gereicht: "Also, 500 000!"

Der Arzt tippt eine Weile.

„Bist du endlich fertig?“

„Ja.“

„Dann gib schon das Gerät her!“

„Aber wir müssen noch auf die Antwort meiner Frau warten.“

"Ja, machen wir auch. Nämlich ich! ... Hast du geschrieben, sie soll keine dummen Fragen stellen!“

„Ja, hab ich.“

„Na, dann dürfte es ja keinen Ärger geben. Du hast doch die Hosen an in der Ehe, oder?“

„Wie bitte?“

„Ich habe gefragt, wer bei euch in der Familie die Hosen anhat: Du oder deine Frau?“

„Äh, das kann man so nicht beantworten...“, sagte er zunächst, bis ihm klar wurde, mit wem er es hier zu tun hatte. "Ähm, Ich natürlich!“

Blondy, als einziger, lachte dazu.

Und schon piepte es.

Der Arzt, verblüfft, reagierte nicht, als ihm Bully das Gerät in die Hände drückt: „Schau schon nach, was deine Alte geschrieben hat!“ Kann dieser vielleicht nicht lesen? Aber egal, er liest es und ist erleichtert.

B. Samstag: Die Erpressung

. Jeder Pornodarsteller hat seinen Preis …

Dann las der Arzt die Antwort laut vor. Sie könne wahrscheinlich so und so viel bezahlen, aber am Montag wüsste sie genau Bescheid, nachdem sie zur Bank gegangen war und dann würde man schauen, was machbar sei. Sie bitte um Geduld. Sobald sie das Geld beisammen hätte, würde sie eine Nachricht senden.

Ein Schrei erfolgte: „Was soll das Rumgeeiere! Der werden wir Beine machen. Gib Dein Smartphone her!“ Der Arzt wusste, was auf ihn zukam und stieß aus: „Nein!“

Blondy riss ihm das Gerät aus der Hand mit den Worten: „Aber doch. Die wird Augen machen, wenn sie ihren Ehemann in einem Porno sieht! Haha!“

Der Arzt sank auf einen Stuhl, biss sich auf die Lippen, biss sich in die Finger, aber es half nichts, es blieb nur übrig, versteinert mitzuverfolgen, wie sein Schicksal, das des Ehebrechers, sich langsam aber sicher vollzog.

Blondy ging zu einem Schreibtisch, schaltete einen Computer ein und verband das tragbare Gerät mit dem Rechner. Es dauerte keine fünf Minuten, bis er das Video überspielt, mit einem Schnittprogramm bearbeitet und wieder auf das Smart Phone übertragen hatte.

Als er zurückkam, sagte er lapidar und bestätigte, was man vermutet hatte, dass er das Video vom Smartphone auf dem Computer bearbeitet, geschnitten, verkürzt, zum einen dann auf eine Plattform im Internet und zum anderen einen Teil auf des Arztes Handy geladen hatte: „Das reicht erst einmal für deine Etepetete-Ehefrau, wetten! So – und ab der Fisch!“

Dem Arzt wurde es anders zumute.

Blondy ergänzte dabei „Dieser tolle Porno ist jetzt auch im Internet abrufbar. Jeder, der's wissen will, Presse, Verwandte, Kollegen vom Krankenhaus können diesen tollen Spielfilm anschauen. So, jetzt gibt’s wirklich keine Probleme mehr, oder was hat der Chefarzt dazu zu sagen?“

Dieser schwieg wie ein Grab.

100 Kilometer entfernt von hier. Eine Frau und ein zufällig anwesender Mann, der Neffe des Arztes, schauen sich ein Video an, das auf einem Smartphone abgespielt wird, dass die Frau in ihren Händen hält.

Zu sehen ist der Kopf des Ehemannes dieser Frau, der mit geschlossenen Kopf auf einer Autokopfstütze liegt. Ein Frauenschädel, von oben gesehen, bewegt sich auf der Schoßebene des Mannes hin und her, auf und ab. Ihre zarten Hände halten dabei etwas in ihren Händen, was ein Teil des Körpers des Mannes ist. Die Kamera bewegt sich genau darauf zu, noch aber ist nur das Hoch- und Runterbewegen des Frauenkopfes zu sehen. Plötzlich jedoch verschwindet dieser Kopf. Sichtbar ist dasjenige Organ, dass die Frau offenbar in ihrem Mund geführt hatte und der nackte Rumpf des Arztes.

Die Kameraeinstellung verharrt in einem Standbild: Trotzdem das Bild eingefroren ist, wirkt jedoch ein bestimmter Körperteil aufgeplustert, nahe zu dem Platzen, man braucht wenig Phantasie, um ihn gleichsam wie einen Pendel hin- und herschwingen zu sehen.

Dann läuft der Film weiter. Die Handlungen der agierenden Personen sind jetzt deutlich hektischer.

Der Kopf des Mannes dreht sich um und zeigt ein erschrockenes Gesicht.

Mit diesem Schreckensgesicht friert das Bild erneut zehn Sekunden ein, so dass kein Zweifel mehr besteht, wer es ist: der Ehemann und Onkel der beiden Zuschauer.

Der Hobbyfilmer, das musste man ihm lassen, verstand sein Handwerk, dachte der Neffe. Das zehn Sekunden lang eingefrorene Bild bildete einen eindrucksvollen Schlusspunkt. Das verwackelte, unscharfe Bild war nur dem billigen Camcorder geschuldet, ließ aber keinen Zweifel über die Identität der Person.

„Dieses Schwein!“, rief die Ehefrau aus und schlug ihre Hände vors Gesicht. Damit meinte sie höchstwahrscheinlich ihren Mann. „Diese Saubande!“, rief der andere aus, mit einem Anflug von Bewunderung. Der Film, wie er geschnitten war, war beeindruckend und traf voll ins Schwarze.

„Was machen wir jetzt?“, fragte die Ehefrau atemlos.

Der Neffe, der Polizist war, wusste Rat. Er war schließlich Experte.

„Nichts. Warten wir erst einmal ab. Aber zunächst auf keinen Fall Polizei!“

Er sprach den Entführern aus dem Mund.