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Ehe zwischen einer Asiatin und einem Deutschen in Deutschland.
Das E-Book Die Migrantin wird angeboten von Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Ehe zwischen verschiedenen Kulturen
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Seitenzahl: 83
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Inhalt
Traum 1
Tschechien und die neue Ehe 3
Die Macht der Familie 8
Flucht 13
Und Misshelligkeiten 16
Das Opfer 17
Die Entführung 19
Entlarvung 23
Deutschen Mann auf Spur bringen 25
Das war nur ein Alp-Traum 28
„VIETNAMESEN LASSEN SICH SEHR GUT IN DIE GESELLSCHAFT INTEGRIEREN“ - ZEITUNGSÜBERSCHRIFT AUS DER ZÜRICHER NEUEN NACHRICHTEN
Sie träumte etwas, wachte auf, träumte wieder, wachte wieder auf, verfiel erneut dem Schlaf und wälzte sich hin und her.
Warum schläft sie nur so unruhig?
Nächtigte sie in einem fremden Bett, dann trat die Ruhe einer Nacht nicht ein. Dabei kannte sie als Buddhistin so etwas kaum: Nervosität: Wo immer sie sich befand, gelang es ihr mittels Bewusstseinsanstrengung sich in einem Zustand der Indolenz und äußeren Gleichgültigkeit (Starre) zu versetzen.
Alle Fenster des Schlafzimmers waren mit Vorhängen, vor den flachen Schrägfenster blaue Tücher bespannt, so dass eine abgedunkelte Atmosphäre entstand, die eine gewisse Intimität und Zurückgezogenheit zuließen. Es war tagsüber niemals hell, richtig hell und licht hierdrinnen. Der Stoff war in die Spalte zwischen Rahmen und Glas geklemmt. Man konnte also das Fenster nicht aufmachen, ohne die Tücher sich lösten und herunterfielen und dann Umstände machten, sie wieder zwischenrein zu klemmen.
Dieser Raum war durchgehend in Düsternis gehalten.
„Ich bin versichert“, sagt sie, meint, sie habe Sicherheit, die darin besteht, dass ihr Mann würde geradestehen, sobald sie arbeitslos würde, so dass sie also nicht hungern müsse. Deswegen trennt sie sich nicht von ihrem Mann.
Okay, aber jetzt, sonntags nachmittags, traut sie sich nicht auf die Straße.
„Nicht wegen der Deutschen. Wegen der Vietnamesen.“ Ihren Landsleuten. „Ich würde mich schämen.“ Wenn sie sie sähen, nicht mit ihrem Mann, sondern mit ihrem Freund.
„Du schämst Dich, wenn Du mit mir unterwegs bist?“ „Ja!“ „Sie wissen doch nicht, dass ich nicht Dein Mann bin.“ „Nein, hier in dieser Stadt nicht, aber sie würden mich fragen. Und dann? Dann sagte ich die Wahrheit.“ „Ja, ich bin Dein Lehrer. Hast du schon einmal gesagt.“ „Ja. Aber meine Leute wissen dann Bescheid. Sie sind nicht dumm. Sie werden die Wahrheit merken.“ „Ja.“
Es wäre nicht zu erklären, dass sie sich ihrem Mann gegenüber entfremdet hat nach 8 Jahren Ehe, wovon 4 gut gewesen sind. Was konnte sie dafür, dass er nur noch rauchte, trank und sich weigerte, sich zu waschen, so dass er anfing zu stinken.
Okay, sie weiß wie alles anfing, wo der Zeitpunkt ist, der Schritt, der Stolperschritt ihres Scheiterns.
Sie ist seine Frau, ja, so war sie angetreten, aber nicht seine Krankenschwester. Klar, sie wusste, letztere Rolle gehörte auch zu einer funktionierenden Ehe.
Wie sehr sie es gewollt hätte, ihn zu waschen und zu pflegen, sie vollbrachte es aber nicht, es ging einfach nicht, sie schaffte es nicht. Sie hatte es versucht! Er hatte sich aber gewehrt, sei kein Kind, sie wusste, diese Widerspenstigkeit ist letztlich nur ein Spiel, aufrecht durch das schmachvolle Tal der Hilflosigkeit zu schreiten, hätte sich durchsetzen müssen, durchgreifen, aber...
Damit war ihre Ehe gescheitert, das Ende der Ehe erreicht, alles vorbei, nur noch die Fassade einer legalen wurde aufrechterhalten, was dahinter sich abspielte, musste vor den anderen, die den gleichen Weg begingen, verborgen bleiben und verheimlicht werden: Sie stünde da als Gescheiterte, Betrügerin und Versagerin! Diese Schande, zu dem einsamen Lebens neben ihrem Gatten und dazu die immerfort schwärende Wunde, nichts tun zu können an ihren Umständen und Schicksal, konnte sie nicht auch noch ertragen.
Und also wegen der Sicherheit konnte sie zum Beispiel sonntags nicht gemeinsam mit ihrem Freund über den Marktplatz gehen, wann die Sonne herunterschien. Sie hielten sich stattdessen in dieser düsteren, lichtarmen Wohnung ihrer übers Wochenende verreisten Tochter auf.
Schönes Leben in Sicherheit!
Aber stimmt schon. Hungern würde sie niemals müssen. Das war all das wert, dieses Versteckspielen.
Und ihr beider Blick fiel durch den Vorhangspalt auf die nach dem Regen und den Sonnenstrahlen jetzt rot, gelb und blau leuchtenden Pflastersteine. Alte Straßen, worüber lustig und traurig und mürrisch und beschämt meist in Familien Einheimische zum Wochenmarkt liefen und trotteten.
Sie starrten wieder an die leeren Wände der Küche, die funktional eingerichtet war mit Spül-, Waschmaschine, Abzugshaube. Fehlte hier nicht etwas? Farbe, Buntheit, Verspieltheit und Freude.
„Ich weiß, ich habe schon gesagt. Aber sie will an den Wänden keine Bilder hinhängen.“
„Gefallen Ihr keine Farbe, keine Flächen, Figuren und...“
„Doch. Aber sie weiß nicht, wie lange sie hier wohnen wird. Nach der Ausbildung – was dann? Und sie ist eine Frau.“
Komisches Argument. Welche Frau kann nicht malen, tapezieren, wenn sie will? Zumal diese Mädchen eine Ausbildung als technische Zeichnerin machte. Gehörte zur abstrakten Auffassung von Raum, Maß und Ecken nicht auch ein einigermaßen gutes Verständnis von den Gegebenheiten und welcher Lehrer hierfür wäre besser als Erfahrung?
„Und Freunde?“
„Sie hat keine.“
Bilder von einem jungen Mädchen, das lachend und blinzelnd in die Kamera schaute, hingen an der hohen Kühltruhe-Tür. Hinter dem Mädchen sah man das Meer, wie sie sich leger auf die Balustrade einer Vorrichtung lehnte. Oder über ihr erstreckten sich der hohe Turm einer imposanten Kathedrale. Einmal saß sie auf den Armen einer großen Plastik von einer Frau mit großer Schürzen umhängt und einem Füllhorn von Obst in einem Korb, den sie um sich gehängt trug. Es musste das Mädchen sein, die Besitzerin und Inhaberin dieser Wohnung.
Wer aber hatte alle diese Fotos gemacht, worauf dieses glückliche Wesen abgelichtet war?
Sein Blick erhaschte auf dem Boden neben dem Eisschrank einen Stock, der mit einer Vorrichtung mannshoch bis zum aufgesetzten Kühlfach reichte, worauf diese Fotos geklebt waren.
Sie stand vor den verschiedenen Sehenswürdigkeiten, auf Brücken, die auf Flüsse verwiesen oder vor Berge, hinter denen gerade die Sonne unterging und lachte froh und heiter.
Wie nett. Ein frohgemutes junges Mädchen im Urlaub.
Sein Blick fiel wieder auf den Stecken neben dem Kühlschrank. Die raffinierte Vorrichtung darauf war Leichtmetall. Allmählich ging ihm die Bedeutung dieser auf: man konnte darauf eine Kamera, ein Web-Cam oder derartiges leichtes Gerät verschrauben.
Nun veränderte sich die Ausstrahlung der Fotos auf dem Kühlschrank-Tür: alles Selfies.
Die Nutten traten sich die Füße platt in einer Reihe an einer etwas abseitigen Straße aufgestellt, nicht auf der großen Durchgangs- und Hauptstraße gen Osten, aber jeder wusste, wo und jeder, jeder wurde dorthin gewiesen, wenn er nach irgend etwas, selbst einer Bank oder Tankstelle, fragte. Man ging automatisch davon aus, daß ein Fremder nur deswegen sich hier in diesen abgelegen Ort verirrt haben könnte, ganz klar, Fremde suchten nach ihm, jenen Stellen, an denen sich selbst ehrbare Hausfrauen, deren Männer das Glück hatten, einen LKW-Fahrer-Job ergattert zu haben, nicht zu schade waren, sich feilzubieten. Sprachen sie von Bank, Tankstelle, konnte man als Einheimischer nur lächeln, weil man es besser wusste, derjenige war nur daran interessiert, vie solcher Stellen auf dem schnellsten Wege zum Ziel, einer Prostituierten, zu kommen. Also erklärte man ihm selbst gleiche den nächsten Weg. Für manchen Touristen mitunter schon ein peinliches Erwachen, wenn er plötzlich vor den Hundert Meter auf dem Bürgersteig aufgereihten Schönheiten stieß anstatt einer sachlichen Gebäudes zu zweckdienlichen Diensten errichtet.
Aber die Frau, von der ich spreche, stand nicht dort. Sie hätte keine Chance gehabt gegenüber den Einheimischen, die an der großen Durchgangs- und Hauptstraße gen Osten prälierten, promenierten und defilierten. Sie war als Verkäuferin nach Europa gekommen, von Vietnam aus, zwei junge Kinder bei der Familie zurücklassend. Ihre Familie, ihr Clan, ihre Dynastie war stark, zuverlässig und verzweigt, als höchstes Gut und Gebot, Abfangjäger, Trapez und Doppelter Boden. Dieses starke Netzwerk und diese Seilschaft, hatte es ihr ermöglicht, eine zweite Existenz aufzubauen. Gerade nachdem ihr nicht geliebter, liebloser Mann bei einem Mopedunfall ums Leben gekommen war: Es musste weitergehen, das Leben fortgesetzt werden, so oder so, natürlich materiell gut, abgesichert, soweit es ging und machbar war. Zumal sie zwei Kinder hatte.
So kam sie von Nordvietnam nach Tschechien, kurz nach dem endgültigen Riss im Eisernen Vorhang, dem Fall der Mauer und Scheitern des zweiten Deutschlands, wo bereits einige ihrer Landsleute im Zuge der kommunistischen Internationaler Solidarität gesiedelt und hängen geblieben waren. Sie fasste hier Fuß mit Hilfe von Landsmännern aus der ehemaligen DDR, die an Tschechien grenzte, und von wo man aus dort gute Geschäftsbuden und Textilien-Verkaufsstände unterhalten konnte: so schnell wieder abge- wie aufgebaut und was man brauchte, war nur die Möglichkeit, sich an den großen Einfallstraßen von Westen nach Osten zu etablieren und zu stellen, um seine Waren feilzubieten. Meist schlief man gleich in diesen Verschlägen.
Keiner von diesen früheren Vietnamesen wollte in sein früheres Heimat- und gleichzeitig Entwicklungsland zurück, allenfalls schaute man, von den neuen in die alten kapitalistischen Bundesländer Deutschlands zu flüchten, sich niederlassen und verstreuen zu können. Nein, mochte jetzt diese Heimat noch so sehr prosperieren, aber es würde trotzdem Generationen dauern, bis Osten und Westen sich nivelliert, angeglichen und auf gleicher Stufe gestellt hatten.
Ein Unterschied zu West- und Deutschland bestand schon. Zwar waren die Teile von Nord und Süd nach der Vertreibung der Amerikaner von den Kommunisten überrannt, vereinnahmt und beherrscht worden, aber immerhin hatten sich vereint. Nicht nur hatten diese das getan, was Osten und Westen in Europa noch bevorstand, sondern den obsiegten Sozialismus längst überwunden, überschritten und absorbiert. Trotz dieses Sozialismus blühte die Einzelwirtschaft und wenn nicht so wie gewünscht, setzte man alle Hebel in Bewegung, um als Einzelhändler oder als in einer dieser Branche Beschäftigter sein Glück im entferntesten Winkel dieser Erde zu suchen und zu machen.
Familienunternehmen waren sowieso die Präferenz schlechthin in diesen Kulturkreis.
Niemand sorgte sich letztlich um einem, kein Staat, keine Familie, außer die Familie, der Familienclan.
Unter vielen anderen Gleichen, vor allem weiblichen, die anfangs zu sechst in einem Zimmer mit Stockbetten campierten oder auf Matratzen, die fast die ganze Fläche des kleinen Zimmers belegten, hausten, kam sie in dieses Grenzland zwischen früherer Ost- und Westzone, Tschechien, ein neuer Staat, der Name drückte es bereits aus, gab es ihn doch vorher nicht. Tagsüber stand sie an windiger, breiter von Verkaufsbuden gesäumten Straßen, um billige Asia-Textilia-Produkte an Westler zu verkaufen und zu verscherbeln, die wohlbeleibt und mit ihren komfortablen PKWs hier vorbeipromenierten, allzu oft weniger wegen der billigen Ware hier, als wegen des billigeren Fleisches dort nach der Reihe langer Kleiderställe, wo sich allzu oft auch scheinbar ehrbare Hausfrauen noch ein Zubrot verdienten, indem sie ihre Körper für ihre ärmlichen Verhältnisse teueren Preis an die reichen Westler feilboten.