Verdeckte personale Ermittlungen - Christoph Keller - E-Book

Verdeckte personale Ermittlungen E-Book

Keller Christoph

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Beschreibung

Ermittlungen mit verdeckt arbeitenden Personen haben eine zunehmende praktische Bedeutung für Polizei und Staatsanwaltschaft. Heimliche Vorbereitungen von Straftaten erfordern Reaktionen mit angemessenen Ermittlungsmethoden, insbesondere bei Ermittlungen im Bereich der Organisierten Kriminalität. Bei diesen verdeckten personalen Ermittlungen geht es um - den Einsatz von Verdeckten Ermittlern, - den Einsatz von Vertrauenspersonen, - den Einsatz von nicht offen ermittelnden Polizeibeamten und - die Inanspruchnahme von Informanten. Solche Maßnahmen sind jedoch regelmäßig mit erheblichen Eingriffen in die Grundrechte der Betroffenen verbunden und stellen damit nicht nur taktisch, sondern auch rechtlich eine große Herausforderung dar. In dem vorliegenden Buch führt der Autor den Leser von der „Anbahnung" bis zum Abschluss (Beweisverwertung) durch den gesamten Verlauf derartiger verdeckter Ermittlungen. Er behandelt dabei einerseits die rechtlichen Befugnisse und ihre gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Grenzen sowie andererseits kriminaltaktische Aspekte. Damit gibt er Praktikern wie Studierenden eine gesicherte, konzentrierte, übersichtliche und interdisziplinäre Arbeitsgrundlage an die Hand, die die Rechtsanwendung auch durch etliche Beispiele erleichtert.

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Verdeckte personale Ermittlungen

Recht und Taktik

vonChristoph KellerPolizeidirektor

E-Book

1. Auflage 2017

© VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBH Buchvertrieb; Hilden/Rhld., 2017

ISBN 978-3-8011-0797-0 (EPUB)

ISBN 978-3-8011-0798-7 (Mobipocket)

Buch (Print)

1. Auflage 2017

© VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBH Buchvertrieb; Hilden/Rhld., 2017

ISBN 978-3-8011-0792-5

Alle Rechte vorbehaltenUnbefugte Nutzungen, wie Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

www.vdpolizei.de

Vorwort

In der polizeilichen Praxis der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr werden regelmäßig Personen eingesetzt, die „heimlich“ (verdeckt) als verlängerter Arm von Polizei und Staatsanwaltschaft agieren. Der Einsatz dieser Personen ist nicht nur taktisch, sondern auch rechtlich eine große Herausforderung.

Hierbei entstehen Ermittlungsergebnisse, die in ein beweissicheres Verfahren einfließen sollen. Dieser Prozess ist an kriminaltaktische, insbesondere aber an juristische Vorgaben aus dem Strafprozessrecht und den Landespolizeigesetzen geknüpft. Erschwerend kommt hinzu, dass nicht für jede personale (verdeckte) Ermittlung entsprechende bereichsspezifische Regelungen bestehen. So ist der Einsatz von Vertrauenspersonen in der StPO nach wie vor ohne gesetzliche Regelung. Vor diesem Hintergrund ist die Kenntnis der Rechtsprechung unabdingbar, z.B. die Leitsatzentscheidung des BGH vom 10.6.2015 – 2 StR 97/14 – zu den Folgen rechtsstaatswidriger Tatprovokation. Es handelt sich um eine der wichtigsten Entscheidungen zum Strafprozessrecht der letzten Zeit. Der 2. Strafsenat hatte mit diesem Urteil erstmals ein Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt, das auf einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation beruhte.

Auch haben sich Gerichte immer wieder mit der Frage zu beschäftigen, ob selbstbelastende Äußerungen des Beschuldigten als Beweismittel verwertet werden können, wenn sie außerhalb formeller Vernehmungen durch den Einsatz verdeckt tätig werdender Polizeibeamter oder mit der Polizei kooperierender Privatpersonen provoziert worden sind.

Das Buch erstreckt sich einerseits auf die rechtlichen Befugnisse und ihre gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Grenzen und andererseits auf kriminaltaktische Aspekte. Damit wird Praktikern wie Studierenden eine gesicherte, konzentrierte, übersichtliche und interdisziplinäre Arbeitsgrundlage an die Hand gegeben, die die Rechtsanwendung auch durch etliche Beispiele erleichtert.

Dieses Buch soll dem Leser den Einstieg in die schwierige Materie erleichtern, aber zugleich auch als späterer Wegbegleiter in besonderen Situationen eine Hilfe sein. Bei der Umsetzung der Konzeption wurde versucht, die einzelnen Kapitel „autark“ zu gestalten, sodass sich der Leser allein durch die Lektüre eines Themenabschnittes entsprechend informieren kann. Durch Beifügung zahlreicher Anmerkungen (Fußnoten) und eines umfangreichen Literaturverzeichnisses wird dem Leser die Möglichkeit eröffnet, bestimmte Fragen eingehend zu vertiefen.

Literatur und Rechtsprechung konnten auf dem Stand von Dezember 2016 berücksichtigt werden. Anregungen, Hinweise und Verbesserungsvorschläge sind jederzeit herzlich willkommen.

Mettingen, im Januar 2017

Christoph Keller

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abkürzungsverzeichnis

A.

Allgemeines

B.

Begriffsbestimmungen

C.

Möglichkeiten und Grenzen verdeckter personaler Ermittlungen

I.

Informant/Vertrauensperson: Behördliches Verfahren und Zusage der Vertraulichkeit/Geheimhaltung

1.

Deliktsbereiche

2.

Aufklärungserfolg

3.

Gefahr für Informanten

4.

Umfang und Folgen der Zusicherung

5.

Verfahren

6.

Kriminaltaktische Verfahrensweise

a)

Informant/V-Person

b)

V-Person (VP)

c)

Überprüfung von Informationen

d)

Aktenführung

7.

Überprüfung der V-Person

8.

Anspruch auf Benennung einer Vertrauensperson

II.

Nicht offen ermittelnder Polizeibeamter (NoeP)

III.

Verdeckter Ermittler

IV.

Verfahren innerhalb der Polizei

1.

Inanspruchnahme von Informanten im Rahmen der Strafverfolgung

2.

Einsatz von V-Personen im Rahmen der Strafverfolgung

3.

Einsatz von Verdeckten Ermittlern

4.

Einsatz sonstiger nicht offen ermittelnder Polizeibeamter

V.

Beweiserhebung bei verdeckt ermittelnden Personen

1.

Sperrerklärung

2.

Kommissarische Vernehmung

3.

Videovernehmung

4.

Verlesung des Protokolls

5.

Zeuge vom Hörensagen

6.

Beamtenrechtliche Verschwiegenheitspflicht

7.

Dienstlich in Erfahrung gebrachte Tatsachen

D.

Einsatz V-Personen: Rechtliche Grundlagen

I.

Rechtsstellung

1.

Eingriffshandeln

2.

Rechte der V-Person

3.

Tatprovokation

4.

Nötigung eines Täters durch V-Person

5.

Verpflichtungsgesetz

II.

Gefahrenabwehr

1.

Aufgabenzuweisung

2.

Ermächtigung

3.

Tatbestandliche Voraussetzungen

a)

Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr

b)

Vorbeugende Bekämpfung von Straftaten

4.

Betreten von Wohnungen

5.

Anordnung

6.

Verfahren

a)

Kennzeichnung

b)

Unterrichtung

7.

Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung

8.

Einsatz technischer Mittel zum Schutz der V-Person

III.

Strafverfolgung

1.

Aufgabenzuweisung

2.

Ermächtigung

3.

Anordnung

4.

Beweisverwertung

5.

Grenzüberschreitender Einsatz

IV.

VP-Führung

E.

Einsatz Verdeckter Ermittler: Rechtliche Grundlagen

I.

Rechtsstellung

1.

Eingriffshandeln

2.

Legende

3.

Teilnahme am Rechtsverkehr

4.

Sonstige Befugnisse

5.

Beteiligung an Straftaten

6.

Tatprovokation

7.

Strafverfolgungspflicht

II.

Fürsorge und Dienstaufsicht

1.

Fürsorge- und Schutzpflicht

2.

Fürsorge- und Schutzanspruch

3.

Dienstunfallschutz

III.

Gefahrenabwehr

1.

Tatbestandliche Voraussetzungen

2.

Anordnung

3.

Verfahren

4.

Betreten von Wohnungen

5.

Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung

6.

Einsatz technischer Mittel zum Schutz des Verdeckten Ermittlers

IV.

Strafverfolgung

1.

Tatbestandliche Voraussetzungen

2.

Anordnung und Verfahren

a)

Zustimmung der Staatsanwaltschaft

b)

Zustimmung des Gerichts

c)

Geheimhaltung der Identität

d)

Dauer des Einsatzes

e)

Aktenführung

f)

Kennzeichnung der Daten

g)

Benachrichtigungspflicht

h)

Löschung der Daten

3.

Der Verdeckte Ermittler als Beweismittel

a)

Untersuchungsgrundsatz

b)

Unmittelbarkeitsgrundsatz

c)

Sperrerklärung

d)

Zeuge vom Hörensagen

4.

Vernehmung des Verdeckten Ermittlers

a)

Kommissarische Vernehmung

b)

Videovernehmung

c)

Entfernung des Angeklagten

d)

Ausschluss der Öffentlichkeit

5.

Betreten von Wohnungen

6.

Beweisverwertungsverbot

7.

Verdeckte Verhöre und Selbstbelastungsfreiheit (Selbstbelastungsprovokation)

8.

Cold-Case-Ermittlungen

9.

Datenverwendung

a)

Verwendung strafprozessualer Daten zu strafprozessualen Zwecken (Zufallserkenntnisse)

b)

Verwendung strafprozessualer Daten zu präventiv-polizeilichen Zwecken

c)

Verwendung von präventiv-polizeilichen Erkenntnissen in Strafverfahren

d)

Verwendung von Daten aus Eigensicherungsmaßnahmen

e)

Verwendung strafprozessualer Erkenntnisse in Disziplinarverfahren

10.

Grenzüberschreitender Einsatz Verdeckter Ermittler

a)

Auslandseinsatz deutscher Verdeckter Ermittler für ein deutsches Strafverfahren

b)

Einsatz ausländischer Verdeckter Ermittler in Deutschland für ein deutsches Strafverfahren

c)

Einsatz ausländischer Verdeckter Ermittler in Deutschland für ein ausländisches Strafverfahren

V.

Der Führungsbeamte des Verdeckten Ermittlers

VI.

Staatshaftung

F.

Einsatz nicht offen ermittelnder Polizeibeamter (NoeP): Rechtliche Grundlagen

I.

Problematik: Abgrenzung zum Verdeckten Ermittler

II.

Tatbestandliche Voraussetzungen

1.

Strafverfolgung

2.

Gefahrenabwehr

III.

Ermittlungen im Internet und in sozialen Netzwerken

1.

Internetaufklärung

2.

Kriminalistische List

3.

Abgrenzung: nicht offen ermittelnder Polizeibeamter vs. Verdeckter Ermittler

IV.

Einsatz im Rahmen von Versammlungen

1.

Grundrechtseingriff

2.

Strafverfolgung

3.

Gefahrenabwehr

G.

Spezielle Fallkonstellationen

I.

Legendierte Kontrollen

II.

Heimliches Betreten einer Wohnung als Begleitmaßnahme (Vorbereitung einer Festnahme)

1.

Strafverfolgung

2.

Gefahrenabwehr

H.

Fallbeispiele

I.

Fallbeispiel Vertraulichkeitszusage (Ablehnung)

1.

Sachverhalt (gekürzt)

2.

Aufgabe

II.

Fallbeispiel Vertraulichkeitszusage, Identitätsschutz (Verfahren)

1.

Sachverhalt (gekürzt)

2.

Aufgabe

Anhang

I.

Schematische Darstellung der Vertraulichkeitszusage

II.

Grundregeln für Ermittlungsbeamte

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

a.A.

anderer Ansicht

Abs.

Absatz

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BayVGH

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

BayVerfGH

Bayerischer Verfassungsgerichtshof

BBG

Bundesbeamtengesetz

BDSG

Bundesdatenschutzgesetz

BeamtStG

Beamtenstatusgesetz

BeamtVG

Beamtenversorgungsgesetz

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGHSt

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BtM

Betäubungsmittel

BtMG

Betäubungsmittelgesetz

BVerfGG

Bundesverfassungsgerichtsgesetz

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EKHK

Erster Kriminalhauptkommissar

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

EU-RhÜbk

Übereinkommen – gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union vom Rat erstellt – über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union

FuEM

Führungs- und Einsatzmittel

ggf.

gegebenenfalls

GER

Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

h.A.

herrschende Ansicht

h.M.

herrschende Meinung

i.d.R.

in der Regel

IM

Innenministerium

i.S.

im Sinne

JM

Justizministerium

KHK

Kriminalhauptkommissar

KLA

Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Archivverwaltungen des Bundes und der Länder

LG

Landgericht

NoeP

nicht offen ermittelnder Polizeibeamter

OK

Organisierte Kriminalität

OLG

Oberlandesgericht

OrgKG

Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität

POG

Polizeiorganisationsgesetz

PP

Polizeipräsident, Polizeipräsidium

RdErl.

Runderlass

RiStBV

Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren

RiVASt

Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten

SDÜ

Schengener Durchführungsübereinkommen

sog.

sogenannt

StA

Staatsanwaltschaft

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozessordnung

TKÜ

Telekommunikationsüberwachung

u.a.

unter anderem

v.

von

v.a.

vor allem

VE

Verdeckter Ermittler

VerpflG

Verpflichtungsgesetz

VersG

Versammlungsgesetz

VGH

Verwaltungsgerichtshof

VO

Verordnung

VP

Vertrauensperson

V-Person

Vertrauensperson

VSA

Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen

VS-NfD

Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

z.B.

zum Beispiel

Ziff.

Ziffer

ZSchG

Zeugenschutzgesetz

ZSHG

Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetz

z.T.

zum Teil

A.

Allgemeines

Bestimmten Kriminalitätsstrukturen ist mit herkömmlichen Methoden der Verbrechensbekämpfung nicht beizukommen. So hängt die Bekämpfung insbesondere der Organisierten Kriminalität (OK) entscheidend davon ab, inwieweit die hauptverantwortlichen Straftäter die Organisatoren, Finanziers und im Hintergrund agierenden Drahtzieher der Begehung von Straftaten überführt werden können. Das Phänomen OK ist durch spezifisches Täterverhalten gekennzeichnet. Charakteristisch sind insbesondere Abschottung und Geheimhaltung.1

Kriminelle Methoden werden zunehmend professioneller und konspirativer in Planung und Durchführung. Gerade diese Umstände zwangen letztlich den Gesetzgeber, der Polizei neue Befugnisse zur Informationsgewinnung an die Hand zu geben2 und das Ermittlungsinstrumentarium zur intensiven Bekämpfung der Schwerkriminalität, der Staatsschutzdelikte, des illegalen Rauschgift- und Waffenhandels und der sonstigen Organisierten Kriminalität auszuweiten.3

Neue Kriminalitätsformen verlangen eine stetige Entwicklung und Anpassung der Methoden der Bekämpfung.4 Im Rahmen der Kriminalitätsbekämpfung und in diesem Zusammenhang der Informationsgewinnung werden auch Personen eingesetzt, die verdeckt – als Mittel der Verbrechensbekämpfung – eingesetzt werden.5 So gilt der Einsatz von Verdeckten Ermittlern als äußerst erfolgreiche Methode zur Aufklärung komplexer Taten, zur Aufdeckung von Täterstrukturen und zur Erlangung kriminalistisch relevanter Informationen, die auf andere Weise den Strafverfolgungsbehörden nicht zugänglich sind.6 Die Ausbreitung des organisierten Verbrechens verlangt wirksame Maßnahmen. Allerdings nimmt das Recht auf eine geordnete Rechtspflege eine so herausragende Stellung ein, dass es nicht der Zweckmäßigkeit geopfert werden darf.7

Ein Anlass für verdeckte Ermittlungen besteht dann, wenn von Tätern kriminelle Aktivitäten verschleiert werden und sich dadurch offene Ermittlungsmethoden als „stumpfes Schwert“ erweisen. Die Heimlichkeit der Maßnahme liegt darin begründet, dass ihr Zweck ansonsten vereitelt würde. Wesensmerkmal der verdeckten Ermittlung ist also die Verheimlichung der Tatsache, dass gegen den Betroffenen ermittelt wird.8 Insbesondere im Bereich der sich als Holkriminalität9zeigenden Rauschgiftkriminalität – auch als Kontrolldelikte bezeichnet – sind verdeckte Ermittlungen angezeigt.

International organisierter Drogenhändlerring nach VP-Hinweis zerschlagen. GER beim KLA Saarbrücken deckt internationalen Rauschgiftkomplex auf.10

Zu erwägen ist auch, verdeckte personale Ermittlungen in bestimmten Milieus, z.B. im Zusammenhang mit der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus („Hassprediger“) durchzuführen.11 Der Einsatz von V-Leuten zur Verhinderung oder Aufklärung von Straftaten mit terroristischem Hintergrund begegnet grundsätzlich keinen Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Mittel.12

Zu den Instrumenten der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen gehören insbesondere auch der Einsatz Verdeckter Ermittler sowie der Einsatz von V-Personen, aber auch die Inanspruchnahme von Informanten.13 Indes kann dieser Personenkreis regelmäßig nur dann gewonnen werden, wenn ihm die Geheimhaltung ihrer Identität verbindlich zugesichert wird.14 Hier aber liegt das Problem, da die prozessrechtlichen Regeln verlangen, dass Beweise im Strafverfahren in einer öffentlichen Verhandlung dem Gericht dargelegt werden müssen. Alle Beweismittel, mithin auch Zeugen, sollen allen Prozessbeteiligten bekannt sein. Es soll die Möglichkeit bestehen, deren Beweiskraft sowie die Motive zur Aussage und den Wahrheitsgehalt prüfen zu können.15

Die Entwicklung der Kriminalität im mittleren und schweren Bereich in den vergangenen Jahren ist nicht nur durch einen zahlenmäßigen Anstieg der Straftaten gekennzeichnet, sie lässt vielmehr auch eine qualitative Veränderung insoweit erkennen, als in verstärktem Maße kriminelle Organisationen in Erscheinung treten, durch die die Verbrechensaufklärung wesentlich erschwert wird. Dies gilt insbesondere auf dem Gebiet des Rauschgifthandels, bei Straftaten im Zusammenhang mit dem „Nachtgewerbe“, im Hinblick auf die Verschiebung hochwertiger Kraftfahrzeuge, für Diebstähle in großem Ausmaß, teilweise auf Bestellung, auf dem Hintergrund eines organisierten Hehlerrings, für die Herstellung und Verbreitung von Falschgeld sowie beim illegalen Waffenhandel. Die Vorgehensweise der Täter im Rahmen dieses „organisierten Verbrechens“ ist darauf angelegt, die Hauptpersonen möglichst nicht nach außen in Erscheinung treten zu lassen. Die Polizei kann mit herkömmlichen Ermittlungsmethoden bei derart organisierten Gruppierungen häufig nur solche Straftäter überführen, die innerhalb der Gruppierung eine untergeordnete Rolle spielen. Da diese Straftäter i.d.R. beliebig austauschbar und ersetzbar sind, werden die kriminellen Aktivitäten der Organisation durch eine Aufdeckung der Taten dieser Randfiguren im Kern nicht gestört, zumal die Randtäter i.d.R. keinen Einblick in Aufbau und Zusammensetzung der Gesamtorganisation haben. Unvermeidbare Mitwisser werden im Übrigen mittels Schweigegeldern oder durch Drohung und Einschüchterung davon abgehalten, ihre Wahrnehmungen weiterzugeben. Wird ein Einzeltäter gefasst und in Haft genommen, gewährt die Organisation den bedürftigen Familienangehörigen häufig materielle Unterstützung und übernimmt die Verteidigerkosten, um auf diese Weise Gefügigkeit zu erreichen und der Offenbarung von Wissen, das die Organisation betrifft, vorzubeugen. Der Erfolg der Verbrechensbekämpfung hängt daher letztlich davon ab, inwieweit die hauptverantwortlichen Straftäter, die Organisatoren, Finanziers und im Hintergrund agierenden Drahtzieher der Begehung von Straftaten überführt werden können. Um diesem Ziel näher zu kommen, sind die Ermittlungsbehörden dazu übergegangen, verdeckt operierende Polizeibeamte in die Organisationen einzuschleusen und V-Leute einzusetzen.16

1Berthel et al. 2008, S. 81.

2Zur Notwendigkeit des Einsatzes von V-Personen und Verdeckten Ermittlern auch Knape/Kiworr 2009, S. 484.

3Lübkemann 2013, S. 601. Mit einer Kurzdarstellung der Maßnahmen Brisach et al. 2000, S. 255 ff.

4Artkämper 2007, S. 50.

5Der Begriff der „Spionagemethoden“ ist insofern nicht zutreffend, so aber Roxin/Schünemann 2009, § 38, Rn. 9.

6Köhn 2007, S. 142.

7EGMR, 23.10.2014 - 54648/09 (Furcht v. Germany), NJW 2015, 3631.

8Clages, in: Ackermann/Clages/Roll 2011, Kap. XIV, Rn. 4.

9Die Polizei muss sich Ermittlungsansätze und Informationen selbst beschaffen.

10Hauser, Kriminalistik 2006, 3.

11Kreuzer, Kriminalistik 2016, 445 (449).

12BVerfG, NJW 2004, 141.

13Vgl. Überblick zu den kriminalistischen Mitteln und Methoden bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität bei Berthel, in: Berthel et al. 2008, S. 81.

14Clages, in: Ackermann/Clages/Roll 2011, Kap. XIV, Rn. 58.

15Weihmann/de Vries 2014, S. 373.

B.

Begriffsbestimmungen

Die Einschaltung privater „Ermittlungshelfer“ kann in unterschiedlich intensiver Form vorgenommen werden. Die Lektüre diverser Literatur sowie (insbesondere) das Verfolgen entsprechender Berichte in unterschiedlichen (Massen-) Medien zeigen in aller Regelmäßigkeit und letztlich auch Deutlichkeit, dass eine inhaltlich identische Terminologie nicht (immer) zu erkennen ist. Es ist daher erforderlich, zunächst eine Begriffsbestimmung bzw. -abgrenzung vorzunehmen.

Aus kriminalistischer Sicht sind nachfolgende Begrifflichkeiten zugrunde zu legen:17

Hinweisgeber

Es handelt sich um eine Person, die Informationen (Hinweise) auf Tatgelegenheiten, Tätermilieus, Beutedepots usw. gibt. Diese Informationen kann sich die Polizei letztlich (auch) selbst verschaffen, sodass der Hinweisgeber vor Gericht als Zeuge grundsätzlich zur Verfügung steht.

Informant

Es handelt sich um eine Person, die im Einzelfall (oder höchstens gelegentlich) einen Hinweis geben kann.18 Sie ist Zeuge für das Gesehene oder Gehörte und unterliegt somit grundsätzlich der Zeugnispflicht. Im Einzelfall kann Vertraulichkeit zugesichert werden. Es handelt sich um deutsche bzw. ausländische Staatsangehörige oder Staatenlose, die Polizei oder Staatsanwaltschaft Hinweise zur Aufklärung von Straftaten geben. Sie sind Privatpersonen und haben z.B. aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit (Gaststättenbesitzer, Kellner, Taxifahrer usw.) Berührung mit dem kriminellen Milieu.19

Entsprechend der RiStBV (Anlage D) handelt es sich um eine Person, die im Einzelfall bereit ist, gegen Zusicherung der Vertraulichkeit der Strafverfolgungsbehörde Informationen zu geben.

V-Person (VP)20

Es handelt sich um Personen, die bereit sind, auf längere Zeit mit der Polizei bei der Aufklärung von Straftaten zusammenzuarbeiten. Es handelt sich um deutsche bzw. ausländische Staatsangehörige oder Staatenlose, die den Strafverfolgungsbehörden ebenfalls Informationen zur Verfügung stellen. Auch sie gehören weder Polizei noch Staatsanwaltschaft an. Ihr Einsatz ist durch Heimlichkeit und dadurch geprägt, dass die polizeiliche Steuerung nach außen nicht offenbar wird.21

Entsprechend der RiStBV (Anlage D) handelt es sich um eine Person, die, ohne einer Strafverfolgungsbehörde anzugehören, bereit ist, diese bei der Aufklärung von Straftaten auf längere Zeit vertraulich zu unterstützen, und deren Identität grundsätzlich geheim gehalten wird.

Zeuge vom Hörensagen

Polizeibeamter, der die von Informanten oder V-Personen erhaltenen Informationen als „mittelbarer Zeuge“ dem Gericht mitteilt. Hierbei handelt es sich um den Polizeibeamten, der der VP Aufträge erteilt und die VP führt oder die Informationen des Informanten in die Ermittlungsakte einbringt. Der Zeuge vom Hörensagen ist eine Aussageperson, die von einem anderen (unmittelbaren) Zeugen eine Schilderung über eine Straftat und/oder den Täter vernommen hat.22

Scheinkäufer (SK)

Ein Sonderfall des nicht offen ermittelnden Polizeibeamten (NoeP) ist der polizeiliche Scheinkäufer. Ein Scheinkäufer ist ein besonders ausgebildeter Polizeibeamter, der unter Nutzung einer für den jeweiligen Einzelfall vorgegebenen Scheinidentität den von sonstiger Ermittlungstätigkeit klar abgegrenzten taktischen Auftrag erhält, mit einem Anbieter/Vermittler von deliktischen Gütern über deren Ankauf zu verhandeln, um ein Scheingeschäft durchzuführen. Es handelt sich um Polizeibeamte, die mit Vorzeigegeldern bei Straftätern den Nachweis der Zahlungsfähigkeit vortäuschen sollen. Sie sind Zeugen und stehen im Strafverfahren zur Verfügung.

Verdeckte Ermittler (VE)

Es handelt sich um Polizeibeamte, die nach Maßgabe der Bestimmungen der StPO bzw. der Polizeigesetze der Bundesländer unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) mit einem festumrissenen Auftrag ihrer Vorgesetzten unerkannt im Milieu ermitteln. Über das dort Festgestellte sind sie Zeugen. Ob sie im Strafverfahren zur Verfügung stehen, entscheidet der oberste Dienstvorgesetzte. Verdeckte Ermittler sind abzugrenzen von „nicht offen ermittelnden Polizeibeamten“.

Nicht offen ermittelnde Polizeibeamte (NoeP)

Es handelt sich um Beamte des Polizeidienstes, deren Ermittlungsauftrag nicht über einzelne wenige, konkret bestimmte Ermittlungshandlungen hinausgeht. Sie können vorübergehend unter einer Legende (ohne im Besitz von „Tarnpapieren“ zu sein) agieren und stehen grundsätzlich im Strafverfahren als Zeugen zur Verfügung.

Undercoveragent

Es handelt sich um amerikanische Kriminalbeamte, die auf Weisung ihrer Vorgesetzten im Milieu ermitteln und sich mit vorheriger Zustimmung der Staatsanwaltschaft an genau bezeichneten Straftaten beteiligen dürfen.

Agent Provocateur

Es handelt sich um eine Person, die im Auftrag oder mit Billigung der Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung besonders gefährlicher und schwer aufklärbarer Kriminalität zur raschen Überführung von Tatverdächtigen beiträgt, indem er dessen Tatbereitschaft fördert, ohne die Vollendung der Tat zu wollen. Der Agent Provocateur übernimmt selbst die Initiative und versucht, Dritte zu Straftaten zu animieren. Mit der „Sachverhaltsaufklärung“ hat eine solche Taktik nichts zu tun.23

Verdeckte Beweiserhebungen stehen regelmäßig unter einem besonderen Gesetzesvorbehalt, dies ist u.a. das Ergebnis der Abwägungen zwischen dem staatlichen Strafanspruch, dem Sicherheitsbedarf der Gesellschaft und Beschuldigtenrechten.24 Es besteht die Absicht, den Bürger von den staatlichen Maßnahmen nicht in Kenntnis zu setzen oder eine Zeugenaussage als Beweis einzubringen, ohne den Zeugen namentlich oder in Person zu präsentieren.

Die Interessenkollision besteht zwischen der

– Aufklärungspflicht der Gerichte,

– Belangen der Exekutive und den

– Verteidigungsinteressen.25

Für das Gericht besteht die unabhängige Aufklärungspflicht des Sachverhaltes (§§ 244, 245 Abs. 1 und 2, 250 StPO). Die Staatsanwaltschaft bzw. die Polizei möchte die Aussage einzelner Zeugen als Beweis in die Hauptverhandlung einbringen, ohne diese Personen zu präsentieren, weil diese dadurch den Mittätern bekannt würden und an Leib und/oder Leben gefährdet sein könnten oder weil diese Personen weiter im Milieu „eingesetzt“ werden sollen. Die Verteidigung kann derlei Zeugen nicht selbst vernehmen und so die Motive der Aussage und den Wahrheitsgehalt nicht prüfen (§§ 240 Abs. 1 und 2, 250 StPO).26

Seitens der Strafrechtswissenschaft wird der Einsatz Verdeckter Ermittler und V-Personen stets kritisch gesehen. Ihr Einsatz ist gekennzeichnet „durch eine heimliche, auf struktureller Täuschung basierende Form der Informationsgewinnung“27. Das Grundproblem ist hierbei auch, dass Privatpersonen rekrutiert werden, die sich im kriminellen Milieu bewegen.28 Mit derlei Maßnahmen wird tief in die Privatsphäre der Zielpersonen eingedrungen.29 Die rechtlichen Grenzen des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und V-Personen sind nicht nur in jedem Fall strikt zu beachten, sondern auch im Zweifel restriktiv zu interpretieren, „um so dem sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Ultima-Ratio-Charakter dieser Methoden umfassend Geltung zu verschaffen“30.

Wilhelm J. Stieber,Köngl. Criminal-Polizei-Direktor, PP Berlin, 1860:31

In kleineren und mittleren Orten mag zur Noth die Hülfe der Vigilanten zu entbehren sein, in großen Städten wird kein Criminal-Polizeibeamter practisch etwas Tüchtiges leisten können, ohne daß er zuweilen Vigilanten braucht. Dieselben bilden ein nothwendiges, leider unentbehrliches Uebel. Es verhält sich mit denselben wie mit den Giften in der Medicin; man muß das größere Gift der Krankheit mit dem geringeren der Medicin vernichten, kann aber natürlich durch Mißbrauch des heilenden Giftes leicht großes Unheil anrichten und muß deshalb vorsichtig verfahren.

Um zu einer bundeseinheitlichen Handhabung hinsichtlich der Inanspruchnahme von Informanten, des Einsatzes von V Personen und Verdeckten Ermittlern zu kommen, einigten sich die Justizminister und -senatoren sowie die Innenminister und -senatoren auf gemeinsame Richtlinien und vereinbarten, diese als Verwaltungsanweisung („Arbeitsgrundlage“) in den einzelnen Ländern in Kraft zu setzen.32

Gemeinsame Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Inanspruchnahme von Informanten sowie über den Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen) und Verdeckten Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung, RiStBV33, Anlage D34.

Mit Wirkung vom 1.3.1986 wurden z.B. für das Land Nordrhein-Westfalen die „Richtlinien“ zur Inanspruchnahme von Informanten, zum Einsatz von V-Personen und Verdeckten Ermittlern und sonstigen nicht offen ermittelnden Polizeibeamten in Kraft gesetzt.35

17Weihmann/de Vries 2014, S. 377 f.; Clages, in: Ackermann/Clages/Roll 2011, S. 607; Berthel, in: Berthel et al. 2008, S. 82 f.; Thiele, Kriminalistik 2005, 36 (41); Weihmann, Kriminalistik 1992, 309.

18Brodag 2014, Rn. 406.

19Soine, Kriminalistik 2013, 507.

20Dabei heißt das „V“ nach einer Auffassung nicht „Vertrauen“, sondern „Vigilant“ (mittelalterlicher Name für Nachtwächter), was so viel bedeutet wie „wachsam, schlau, aufgeweckt“. Letztendlich hat sich der Begriff der „V-Person“ umgangssprachlich eingebürgert, Weihmann, Kriminalistik 1992, 309.

21Wirth (Hrsg.) 2011, S. 623; Soine, Kriminalistik 2013, 507.

22Soine 2013, S. 29.

23De Vries 2015, Rn. 40.

24Westphal 2010, S. 142.

25Weihmann/de Vries 2014, S. 374.

26Weihmann/de Vries 2014, S. 374.

27Frister, in: Lisken/Denninger 2012, Kap. F, Rn. 316.

28Kamp, in: Möstl/Kugelmann 2015, § 19, Rn. 14.

29Meyer/Wohlers, JZ 2015, 761.

30Frister, in: Lisken/Denninger 2012, Kap. F, Rn. 317 („Falle im Rechtsstaat“).

31Eine der besonders umstrittenen Persönlichkeiten der Berliner Polizei war der 1850 zum Leiter der Sicherheitspolizei ernannte spätere Kriminalpolizeidirektor Dr. jur. Wilhelm Stieber. Er legte mit seinem „Practischen Lehrbuch der Criminal-Polizei 1860“ das erste kriminalpolizeiliche Lehrbuch in deutscher Sprache vor, näher dazu Dobler, in: Engartner/Kuring/Teubl 2006, S. 110 ff.

32Füllkrug, in: Burghard/Hamacher (Hrsg.) 1991, S. 62.

33Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren; Abdruck bei Meyer-Goßner/Schmitt 2014, S. 2207 ff. Bei den RiStBV handelt es sich um eine von den Justizverwaltungen des Bundes und der Länder am 1.1.1977 gemeinsam vereinbarte und bundeseinheitlich in Kraft gesetzte Verwaltungsvorschrift (ohne Gesetzeskraft), die zahlreiche Vorschriften u.a. der StPO erläutert, konkretisiert oder ergänzt. Die Vorschriften richten sich vornehmlich an die Staatsanwaltschaft, sie sind aber auch für die polizeiliche Ermittlungsarbeit von Bedeutung, vgl. Soine 2012, Einführung, S. 2.

34Die Anlage D ist nicht Bestandteil der RiStBV, sondern lediglich redaktionell dort veröffentlicht.

35Gemäß RdErl. d. JM u. d. IM v. 17.2.1986 (MBl. NRW. S. 203), zuletzt geändert durch RdErl. v. 22.9.2011 (MBl. NRW. S. 384).

C.

Möglichkeiten und Grenzen verdeckter personaler Ermittlungen

Vorgaben für den Einsatz von V-Personen, Verdeckten Ermittlern, sonstigen nicht offen ermittelnden Polizeibeamten und die Inanspruchnahme von Informanten enthalten die bundeseinheitlichen gemeinsamen Richtlinien von Justiz und Polizei für die Inanspruchnahme von Informanten, den Einsatz von V-Personen und Verdeckten Ermittlern sowie die dazu ergangenen ergänzenden länderspezifischen Regelungen; RiStBV, Anlage D: Gemeinsame Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Inanspruchnahme von Informanten sowie über den Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen) und Verdeckten Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung.

I.

Informant/Vertrauensperson: Behördliches Verfahren und Zusage der Vertraulichkeit/Geheimhaltung

Die Richtlinien unterscheiden zwischen der Zusage der Vertraulichkeit und der Geheimhaltung der Identität. Einem Informanten wird die Zusage der Vertraulichkeit gegeben, einer Vertrauensperson wird die Geheimhaltung der Identität zugesagt. Die Konsequenzen für das Strafverfahren sind gleich, der Zeuge wird im Verfahren nicht genannt, er bleibt anonym. Diese Zeugen stehen somit auch nicht dem Gericht und den anderen Verfahrensbeteiligten für Befragungen zur Verfügung. Dies macht deutlich, dass eine derartige Vorgehensweise nur auf wenige herausragende Deliktsbereiche anwendbar ist und in engen Grenzen erfolgen kann.36

Eine uneingeschränkte Zusage der Vertraulichkeit darf nicht erteilt werden, wenn bei vorläufiger Bewertung der Sachlage und des Ermittlungsstandes nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Offenbarung der Identität des Informanten und seine zeugenschaftliche Aussage im Verfahren „zum Schutz höherwertiger Rechtsgüter“ erforderlich sein werden.37

In der Praxis ist eine solche Prognose i.d.R. schwierig, sodass in jedem Einzelfall vor Zusicherung der Vertraulichkeit eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der

– Erfordernisse der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und der vollständigen Sachverhaltserforschung einerseits und

– der Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Rahmen der Strafverfolgung durch Zusicherung der Vertraulichkeit andererseits geboten ist.38

1.

Deliktsbereiche

Erforderlich ist ein Abwägungsprozess zwischen den strafprozessualen Erfordernissen der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und der vollständigen Sachverhaltserforschung einerseits sowie der Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Sicherung der Vertraulichkeit/Geheimhaltung andererseits. Daraus folgt, dass die Zusicherung der Vertraulichkeit nur in folgenden Deliktsbereichen in Betracht kommt:39

a)Die Zusicherung der Vertraulichkeit/Geheimhaltung kommt im Bereich der Schwerkriminalität, der Organisierten Kriminalität, des illegalen Betäubungsmittel- und Waffenhandels, der Falschgeldkriminalität und der Staatsschutzdelikte in Betracht.40

Beim Begriff der Schwerkriminalität handelt es sich um einen gesetzlich nicht definierten Begriff. Schwerkriminalität umfasst alle Verbrechen (Mindeststrafe ein Jahr Freiheitsstrafe) und alle Qualifikationstatbestände für Straftaten aus dem Bereich der mittleren Kriminalität, die eine Höchststrafe von mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe anordnen.41

Somit werden unter diesem Begriff u.a. Straftaten wie Raub, Vergewaltigung, Mord, räuberische Erpressung zusammengefasst.

b)Im Bereich der mittleren Kriminalität bedarf es einer besonders sorgfältigen Prüfung des Einzelfalles. Die Zusicherung der Vertraulichkeit/Geheimhaltung wird ausnahmsweise dann in Betracht kommen, wenn durch eine Massierung gleichartiger Straftaten ein die Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder die Allgemeinheit ernsthaft gefährdender Schaden eintreten kann.

Auch der Begriff der mittleren Kriminalität ist gesetzlich nicht definiert. Bei Straftaten, die der mittleren Kriminalität zuzurechnen sind, handelt es sich i.d.R. nicht um Antragsdelikte oder Privatklagedelikte, zumal die Strafzumessung den besonderen Unwertcharakter der Straftat bereits von der Höhe des zu erwartenden Strafmaßes her bestimmt oder die Staatsanwaltschaft ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejaht, weil etwa der Schaden, insbesondere in materieller Hinsicht, nicht gering ist oder die Schuld des Täters wegen der besonderen Verwerflichkeit erheblich ist.42

Zu den Delikten der mittleren Kriminalität zählt z.B. auch der Wohnungseinbruchsdiebstahl.43 Kommt es nun innerhalb eines umgrenzten Bereiches offensichtlich zu einer Serie von Wohnungseinbrüchen, die aufgrund des Modus Operandi, durch übereinstimmende Zeugenaussagen oder aufgrund der Spurenlage einem Täter/einer Tätergruppe zugeordnet werden können, dann kann auch hier der Einsatz von V-Personen oder die Inanspruchnahme von Informanten möglich sein. Ein weiteres Beispiel ist eine Serie von Diebstählen aus Kraftfahrzeugen an einem Flughafen, wo z.B. Airbags oder fest eingebaute Navigationssysteme gestohlen werden.

c)In Verfahren der Bagatellkriminalität kommt die Zusicherung der Vertraulichkeit/Geheimhaltung nicht in Betracht

Der Begriff der Bagatellkriminalität ist ein gesetzlich nicht definierter Begriff. Unter einem Bagatelldelikt werden solche strafbaren Handlungen verstanden, bei denen es sich um Vergehen handelt, die Schuld des Täters als gering anzusehen ist und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Typische Bagatelldelikte sind der Ladendiebstahl mit geringwertigen Sachen als Diebesgut (§ 248a StGB) oder auch die Leistungserschleichung durch Nichtbezahlen von Fahrgeld, das sog. Schwarzfahren (§ 265a StGB).44

2.

Aufklärungserfolg

Informanten dürfen nur in Anspruch genommen und V-Personen nur eingesetzt werden, wenn die Aufklärung der vorliegenden Straftat/en aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.45 Werden sie in Anspruch genommen bzw. eingesetzt, so ist das Ziel der weiteren Ermittlungen das Beschaffen von Beweismitteln, die den strafprozessualen Erfordernissen der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme entsprechen und einen Rückgriff auf diese Personen erübrigen.46

Das bedeutet, dass die vertraulich erhaltenen Informationen so umzusetzen sind, dass durch darauf fußende Ermittlungshandlungen weitere offene Aussagen oder Sachbeweise gefunden werden können. Informanten kommen aus freien Stücken zur Polizei und geben ihr Wissen preis. Sie erhalten keinerlei Aufträge, um nähere, differenziertere oder weitere Informationen einzuholen. Ihr Wissen wird lediglich abgeschöpft. Somit können die Strafverfolgungsbehörden auf die Anzahl von Informanten, den Zeitpunkt der Informationsweitergabe oder den Inhalt der Aussagen nicht einwirken und somit ist dies auch nicht steuerbar. Deshalb wird in den Richtlinien auch immer nur von der Inanspruchnahme von Informanten gesprochen.

3.

Gefahr für Informanten

Einem Informanten darf Vertraulichkeit nur zugesichert werden, wenn dieser bei Bekanntwerden seiner Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden erheblich gefährdet wäre oder unzumutbare Nachteile zu erwarten hätte.47 Um eine solche erhebliche Gefährdung zu begründen, reicht es nicht aus, allgemeine Aussagen zu den Beschuldigten zu treffen, wie z.B. Rauschgifthändler sind immer gefährlich und/oder bewaffnet.

Beispiel:48 Durch einen Informanten wird bekannt, dass jemand einen (Auftrags-)Mörder sucht. Es lässt sich nicht klären, wer getötet werden soll. Zum Schutz des Informanten bleibt die Möglichkeit, mit dem Auftraggeber verdeckt Kontakt aufzunehmen.

Die erhebliche Gefährdung ist durch Tatsachen oder Aussagen zu belegen. Es reicht aber aus, wenn z.B. bekannt ist, dass ein Beschuldigter in einem Verfahren bereits ausgesagt hat, dass er Verräter „umbringen wird“. Eine Vertraulichkeitszusage würde nicht erfolgen, wenn der Informant angeben würde, dass der Beschuldigte schon mehrfach seine Frau geschlagen hat und er befürchtet, dass auch er geschlagen wird.

Unzumutbare Nachteile würden vorliegen, wenn der Informant bei Bekanntgabe seines Namens und seiner Aussage seine Arbeitsstelle verlieren würde und mit seiner Familie umziehen müsste.

Der Einsatz von Minderjährigen als V-Personen ist nicht zulässig.49 Die Inanspruchnahme einer Person als Informant ist nur möglich, soweit sie das 18. Lebensjahr vollendet hat.

4.

Umfang und Folgen der Zusicherung50

An die erteilte Zusicherung der Vertraulichkeit/Geheimhaltung sind Polizei und Staatsanwaltschaft gebunden. Dies bedeutet in der praktischen Umsetzung, dass dies für alle Polizeibeamten gilt, auch wenn sie nicht unmittelbaren Kontakt zu Informanten/V-Personen haben.

Das Gericht ist an die Vertraulichkeitszusage der Staatsanwaltschaft und der Polizei nicht gebunden.

Die Gerichte sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Darum dürfen sie eine gebotene Beweiserhebung nicht deshalb ablehnen, weil Staatsanwaltschaft oder Polizei die Identität eines Informanten geheim halten wollen. Lassen sich der Name und die Anschrift des Informanten nicht anders feststellen, so kann und muss das Gericht von allen öffentlichen Behörden – auch von der Staatsanwaltschaft und der Polizei – diejenigen Auskünfte verlangen, die es zur Ermittlung der Beweisperson für erforderlich hält.51

Die Zusage der Vertraulichkeit hat aber auch Konsequenzen für den Informanten oder die V-Person. Diese Zusage wird nur so lange von Polizei und Staatsanwaltschaft aufrechtgehalten, solange sich diese Personen an vorgegebene Regeln halten, über die vorher eine Belehrung erfolgt. Bei V-Personen führt die Begehung von Straftaten a priori zum Widerruf der Vertraulichkeitszusage.52

Beispiel:53 In einem Ermittlungsverfahren (organisierte Trickdiebstähle) behauptete ein Informant, er könne entsprechende sachdienliche Angaben machen. Daraufhin wurde ihm Vertraulichkeit zugesichert. Nach dem Auffinden von daktyloskopischen Spuren und DNA-Spuren des Informanten in einem Fluchtfahrzeug eines Beschuldigten wurde die Vertraulichkeitszusage aufgehoben.

Die Bindung an die Zusage der Vertraulichkeit entfällt, wenn sich eine strafbare Beteiligung des Empfängers der Zusage herausstellt. Dabei muss die Tatbeteiligung keineswegs feststehen. Ausreichend ist vielmehr ein dringender Tatverdacht. Hierfür spricht schon, dass dieser Verdachtsgrad bereits für den Erlass eines Haftbefehls genügt (§ 112 Abs. 1 StPO). Es würde mithin den Zwecken der StPO zuwiderlaufen, wenn eine Verurteilung der Person, der Vertraulichkeit zugesichert worden ist, grade daran scheitern würde, dass vertrauliche Angaben dieser Person nicht in den Strafprozess eingeführt werden dürfen.54 Für den Widerruf der Vertraulichkeitszusage reicht es somit aus, wenn der Informant der Tatbeteiligung dringend verdächtig ist. Die Entziehung dieser (Vertraulichkeits-) Zusage ist im Übrigen im Verfahren vor dem OLG nach den §§ 23 ff. EGGVG zu überprüfen.55

Kommt es aber z.B. einer V-Person bei ihrer „Vermittlungstätigkeit“ in Bezug auf Drogen nicht auf eine erfolgreiche Abwicklung des „Geschäftes“ an, sondern vielmehr darauf, durch rechtzeitige Hinweise eine Prämie für die Ergreifung der Täter und Sicherstellung der Drogen zu erlangen, so liegt für sie kein strafbares Handeltreiben mit Betäubungsmitteln vor.56

Zusammenfassend entfällt die Bindung grundsätzlich, wenn

– die Information wissentlich oder leichtfertig falsch gegeben wird,

– die V-Person von einer Weisung vorwerfbar abweicht oder sich sonst als unzuverlässig erweist,

– sich eine strafbare Tatbeteiligung des Empfängers der Zusicherung herausstellt,

– die V-Person sich bei ihrer Tätigkeit für die Strafverfolgungsbehörden strafbar macht.57

Hier wird deutlich, dass auch für Informanten und V-Personen die §§ 145d StGB (Vortäuschen einer Straftat) und 164 StGB (falsche Verdächtigung) zur Anwendung kommen können.58 In solchen Fällen werden entsprechende Verfahren eingeleitet und die Personalien offen dargelegt.

Liegt eine Tatbeteiligung vor, schließt das eine Zusicherung aus. Sollte sich erst im Laufe der Ermittlungen diese Tatbeteiligung ergeben, so wird die Zusicherung zurückgezogen und die bisher geheim gehaltenen Personalien werden „offen“ ins Verfahren eingeführt.

Nach alledem ergibt sich für den Einsatz von V-Personen, dass diese sich an Weisungen zu halten haben und zuverlässig sein müssen. Somit wird z.B. der Einsatz von Rauschgiftabhängigen als V-Personen von vorneherein ausgeschlossen, da diese Personen aufgrund ihrer Sucht nicht zuverlässig sein können.

Problematisch ist mithin der Fall, wenn die Zusicherung der Vertraulichkeit entfallen soll. Es ist naturgemäß davon auszugehen, dass die Personen „unerkannt“ bleiben wollen, weil sie sonst Repressalien fürchten. Durch gezielte Aufträge und gezieltes Nachfragen der Polizeibeamten, die die V-Person führen, gewinnt diese zwangsläufig mitunter auch tiefe Einblicke in die Zielrichtung des Ermittlungsverfahrens nebst der polizeilichen (Einsatz-)Taktik. Mithin besteht die Gefahr, dass Personen, die um ihre Sicherheit fürchten, eine Lösung der Situation darin sehen, sich der Gegenseite mit ihrem Wissen anzubieten. Dabei dürfte die Strafandrohung des § 353b StGB, die auch für Personen gilt, die zunächst gem. § 1 VerpflG verpflichtet und später entpflichtet wurden, kaum beeindruckende Wirkung entfalten.59

5.

Verfahren60

Hinsichtlich der Verfahrensweise im Rahmen der Möglichkeiten verdeckter personaler Ermittlungen erhalten die von den Justizministern/-senatoren und den Innenministern/-senatoren des Bundes und der Länder gemeinsam vereinbarten Richtlinien über die Inanspruchnahme von Informanten sowie über den Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen) und Verdeckten Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung entsprechende Hinweise.

RiStBV, Anlage D, I, Ziff. 561

5.1 Über die Zusicherung der Vertraulichkeit/Geheimhaltung entscheidet im Bereich der Staatsanwaltschaft die Behördenleitung oder von dieser besonders bezeichnete Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, bei Gefahr im Verzug die Dezernentinnen und Dezernenten. Im Polizeibereich werden Regelungen getroffen, die die Entscheidung auf einer möglichst hohen Ebene vorsehen, mindestens auf der Ebene der Leitung der sachbearbeitenden Organisationseinheit.

5.2 Vor der Zusicherung der Vertraulichkeit gegenüber Informanten ist die Einwilligung der Staatsanwaltschaft herbeizuführen, es sei denn, dass der Untersuchungszweck gefährdet würde.

Ist die Einwilligung nach Satz 1 nicht herbeigeführt worden, so ist die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten.

5.3 Soll eine V-Person in einem Ermittlungsverfahren gezielt eingesetzt werden, so ist zur Bestätigung der zugesicherten Geheimhaltung für diesen Einsatz die Einwilligung der Staatsanwaltschaft herbeizuführen. Kann die Einwilligung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden, so ist die Staatsanwaltschaft unverzüglich über den Einsatz zu unterrichten.

5.4 In begründeten Ausnahmefällen unterrichtet die Polizei die Staatsanwaltschaft auch über die Identität der Informanten/V-Personen. Vertraulichkeit/Geheimhaltung ist zu gewährleisten.

5.5 Die Zusage der Vertraulichkeit/Geheimhaltung umfasst neben den Personalien auch die Verbindung zu Strafverfolgungsbehörden sowie alle Umstände, aus denen Rückschlüsse auf die Eigenschaft als Informant/V-Person gezogen werden könnten.

5.6 Die Staatsanwaltschaft fertigt über das Gespräch mit der Polizei über die Mitwirkung der Informanten/V-Personen und über die getroffene Entscheidung ohne Nennung der Namen einen Vermerk zu den Generalakten 4110.

Vertrauliche Behandlung ist sicherzustellen.

Die Polizei verfährt entsprechend.

6.

Kriminaltaktische Verfahrensweise

Über den Einsatz von V-Personen sowie über die Inanspruchnahme von Informanten sind von den Strafverfolgungsbehörden spezifische Dienstanweisungen zu erstellen; nachfolgende Punkte sind detailliert auszufüllen und sollen hier nur als Anhalt dienen:

a)
Informant/V-Person62

– Niederlegung der vertraulichen Hinweise (Informant) bzw. die Feststellung der V-Person ohne Nennung des Namens und Wohnanschrift in einer Quellenvernehmung. Keine Aussage in der Sachverhaltsdarstellung, die Rückschlüsse auf Identität zulassen

– Belehrung des Informanten/der V-Person über

– Umfang und Grenzen der Vertraulichkeitszusage

– Hinweis auf Folgen im Fall wahrheitswidriger Angaben, Tatbeteiligung

– Hinweise auf Straftatenbestände, insbesondere Falsche Verdächtigung (§ 164 StGB), Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB)

– Hinweis, dass trotz Zusicherung der Vertraulichkeit ggf. Vernehmung als Zeuge in Betracht kommen kann, wenn andere Umstände auf ihn hindeuten

– Dokumentation, Inhalte:

– Namen, Anschrift (Informant)

– Angaben über Zusicherung der Vertraulichkeit (Gründe)

– Art und Grad der Gefährdung bei Offenbarung der Identität des Informanten und/oder Begründung der Unzumutbarkeit einer offenen Zeugenaussage

– Einwilligung der Staatsanwaltschaft (Datum, Uhrzeit)

– Darlegung der „Eilsituation“ (Gefahr im Verzuge) bei nachträglicher Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft

– Zusicherung der Vertraulichkeit durch die Polizei (Datum, Uhrzeit, Name des Berechtigten)

b)
V-Person (VP)

Ergänzend sind beim Einsatz von V-Personen folgende (Verfahrens-)Hinweise zu beachten.63

– Bestimmung eines Polizeibeamten als VP-Führer

– Überprüfung der V-Person (Verlässlichkeit, Vorstrafen usw.); die Begründung eines VP-Verhältnisses setzt die begründete Annahme voraus, dass die VP zuverlässig ist.

– Motive der V-Person (Einschätzung und Bewertung der Motivationslage hat zentrale Bedeutung)

– Verpflichtung der V-Person nach dem Verpflichtungsgesetz (VerpflG)?

– Begründung des Einsatzes (Erforderlichkeit)

– Zustimmung der StA

– Erstellung des konkreten Auftrags (Einzelfall) mit Festlegung von Details und den Grenzen des Handelns der V-Person sowie Belehrung, dass vor notwendiger erheblicher Abweichung die Zustimmung des VP-Führers einzuholen ist

– Berichtspflichten festlegen bzw. klären

– Belehrung

– kein Ausübungsrecht hoheitlicher Befugnisse

– Tatprovokation und deren rechtliche Folgen

– strafrechtliche Folgen

– Folgen bei strafbaren Handlungen und (eigenwilligem) Abweichen vom Auftrag

– Dokumentation der persönlichen Verhältnisse der V-Person

c)
Überprüfung von Informationen

Es ist in der Praxis mitunter schwer zu beurteilen, wieso sich Informanten bei der Polizei melden. Liefern sie gute Informationen, so kommen sie meist selbst aus dem kriminellen Milieu. Entsprechende Informationen sind daher genau zu prüfen. Bewährt hat sich das sog. 4x4-System, welches auch auf die Bewertung anderer Informationen angewendet werden kann. Das System ist ursprünglich im Rahmen von nachrichtendienstlicher Auswertungstätigkeit entwickelt und von der Polizei übernommen worden.

Es beruht auf der Einteilung unter zwei Gesichtspunkten:64

– die Informationsquelle wird als zuverlässig (A), meistens zuverlässig (B) oder unzuverlässig (C) bewertet oder es fehlt die Erfahrung, um überhaupt eine Bewertung vorzunehmen (D)

– Die Information gilt als sicher (1), wenn sie aus eigener Wahrnehmung des Informanten stammt; sie stammt aus sicherer Quelle (2), wenn der Informant Zugang zur Quelle hatte, welche die Information direkt wahrnahm. Sie gilt als bestätigt (3), wenn die Information vom Hörensagen sich durch bereits bestehende Informationen bestätigen lässt. Sie ist unsicher (4), wenn sie zwar vom Hörensagen stammt, sich aber nicht durch weitere Informationen bestätigen lässt.

Informationen vom Typ A1, B1, A2 und B2 gelten in diesem System als wertvoll. Dagegen ist Vorsicht geboten bei Informationen der übrigen Typen.

Die Bewertung darf nicht von persönlichen Gefühlen geleitet sein, sondern muss auf einem professionellen Urteil basieren. Die Bewertung der Informationsquelle muss getrennt von der Bewertung der eigentlichen Informationen erfolgen.65

Überblick zur Systematik:66

Quelle

Definition

A

Es bestehen keine Zweifel an der Authentizität, Verlässlichkeit und Eignung der Quelle oder die Informationen stammen aus einer Quelle, die sich in allen Fällen als zuverlässig erwiesen hat.

B

Quelle, deren Informationen sich in den meisten Fällen als verlässlich erwiesen haben.

C

Quelle, deren gelieferte Informationen sich in den meisten Fällen als nicht verlässlich erwiesen haben.

X

Die Verlässlichkeit der Quelle kann nicht eingestuft werden.

Information

Definition

1

Informationen, deren Wahrheitsgehalt einwandfrei feststeht.

2

Informationen, die der Quelle, nicht aber dem Beamten, der sie weitergibt, persönlich bekannt sind.

3

Informationen, die der Quelle nicht persönlich bekannt sind, die aber durch andere bereits erfasste Informationen erhärtet werden.

4

Informationen, die der Quelle nicht persönlich bekannt sind und die auf keine andere Weise erhärtet werden können.

A

Sehr zuverlässig

1

Eigene Wahrnehmung oder sonstige zweifelsfreie Herkunft

67

B

Meist zuverlässig

2

Andere als polizeiliche Quelle, die direkten Zugang zu Informationen hatten

C

Meist unzuverlässig

68

3

Informationen vom Hörensagen, die sich mit anderen Informationen decken

X

Die Zuverlässigkeit ist nicht einschätzbar; es liegt eine unbestätigte Quelle vor

4

Unbestätigte Informationen vom Hörensagen

69

Der Vorteil dieses Systems besteht in einem einheitlichen Sprachgebrauch, wenn Bewertungsergebnisse verglichen werden.70

d)
Aktenführung71

Behördliche Informationen über Kriminalfälle und Strafverfahren werden in Akten dokumentiert. Diese bestehen traditionell aus Papier.72 Das polizeiliche Ermittlungsverfahren ist ein schriftliches Verfahren.73 Akten sind hierbei ein unverzichtbares Hilfsmittel. Alle Beweismittel müssen vollständig in die Akten aufgenommen werden. Sie ermöglichen, Tatsachen zu sichern, zu verknüpfen, zu dokumentieren und für das Verfahren verfügbar zu machen. Eine Ermittlungsakte soll die dokumentarische Zusammenfassung von Lebensvorgängen darstellen, die eine retrospektive Beurteilung eines Sachverhaltes ermöglicht.74 Es handelt sich um ein „Spiegelbild von Geschehensabläufen“. Die (Ermittlungs-) Akte ist letztlich Grundlage für prozessuale Entscheidungen.75

Abschnitt I. Nr. 5.6 RiStBV Anlage D hält die Staatsanwaltschaft dazu an, „über das Gespräch mit der Polizei, über die Mitwirkung des Informanten/der V-Person und über die getroffene Entscheidung ohne Nennung des Namens einen Vermerk zu den Generalakten 4110“ zu fertigen und vertrauliche Behandlung sicherzustellen; die Polizei hat entsprechend zu verfahren. Diese Generalakten der Staatsanwaltschaft, die zudem besonders gesichert verwahrt werden, gehören als Behördeninternum nicht zu den Ermittlungsakten i.S. der §§ 147, 163 Abs. 2, 199 Abs. 2 Satz 2 StPO und unterliegen weder der Akteneinsicht des Beschuldigten noch werden sie im Rahmen der Anklageerhebung dem Gericht vorgelegt.76

Ob die Anordnung in Anlage D der RiStBV damit gegen höherrangiges Recht (§§ 163 Abs. 2, 199 Abs. 2 Satz 2 StPO; Grundsatz der Aktenwahrheit und -vollständigkeit) verstößt und vielmehr eine Aufnahme der betroffenen Vermerke in die Ermittlungsakten geboten wäre, wird in der Literatur vereinzelt angenommen. So wird die Auffassung vertreten, dass sämtliche zu den Akten des Strafverfahrens gelangte Schriftstücke von den Ermittlungspersonen der Polizeibehörden an die Staatsanwaltschaft zu übergeben sind (§ 163 Abs. 2 Satz 1 StPO). Eine Separierung z.B. von Unterlagen über einen V-Mann-Einsatz oder über Verhandlungen mit Zeugen, denen Vertraulichkeit zugesagt wurde, entspreche nicht dem Gesetz. Eine abweichende Praxis kollidiere mit dem Grundsatz der Aktenwahrheit und Aktenvollständigkeit.77

Bleibt die Tatsache der Mitwirkung einer Vertrauensperson oder eines Informanten der Polizei bei den einzelnen Ermittlungsvorgängen unerwähnt, liegt objektiv ein Verstoß gegen den Grundsatz der Aktenwahrheit und der Aktenklarheit vor.78 Gegen diese Grundsätze wird z.B. verstoßen, wenn bei einer Antragstellung gem. § 100a StPO als verdachtsbegründendes Beweismittel u.a. das Protokoll einer Wahllichtbildvorlage vorgelegt wird, bei der eine V-Person der Polizei den Angeklagten als Täter erkannt haben soll, wobei diese tatsächlich – für das Gericht nicht erkennbar – zuvor gezielt auf den Angeklagten und weitere Verdächtige angesetzt worden war.79

Gleichwohl werden insbesondere Schriftstücke, die Informationen zu Führung und Identität der V-Personen enthalten, nicht Teil der Ermittlungsakte. In den Ermittlungsakten sind V-Personen numerisch anonymisiert oder mit Einsatzpseudonym zu bezeichnen. Numerische Bezeichnungen bzw. Einsatzpseudonyme sind für jeden Einsatz neu zu bestimmen.

Die entsprechenden Schriftstücke sind Teil einer gesonderten schriftlichen Dokumentation über die Zusicherung der Vertraulichkeit, also Teil der polizeiinternen Handakten, die in geeigneter Weise sicher aufzubewahren sind. Weder die Dokumentation noch Hinweise darauf gehören in die Ermittlungsakten.80 Zu führen sind sog. Stammakten (Identitäts-/Verwaltungsdaten) und Einsatzakten (Kenntnisse für operative Führung der V-Person). Entsprechende Vorschriften sind überdies zu berücksichtigen, z.B. Aktenordnungen.

7.

Überprüfung der V-Person

Die Begründung eines VP-Verhältnisses setzt die begründete Annahme voraus, dass die V-Person zuverlässig ist. Das bedingt eine entsprechende Überprüfung solcher Personen. Zuverlässigkeitsüberprüfungen sind regelmäßig vorzunehmen und entsprechend zu dokumentieren. Von Bedeutung ist insbesondere die Motivation der V-Person:

– finanzielle Gründe

– ethische Motive

– Vorteile im eigenen Strafverfahren

– Rache

– Ausschalten/Erforschen polizeilicher Maßnahmen usw.

Entsprechende Überprüfungen sind angezeigt, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Aussagen der V-Person gegenüber der VP-Führung nicht der Wahrheit entsprechen, sie im Einsatz eigeninitiativ handeln, oder sie Dritte über im VP-Einsatz erlangtes Wissen informiert. Zweifel an der Glaubwürdigkeit können sich etwa aus zurückliegenden Aussagedelikten oder zurückliegend unzuverlässigen Informationen ergeben.

Führt die Überprüfung der V-Person zu Zweifeln an der Zuverlässigkeit, muss dies entsprechend berücksichtigt werden, ggf. ist die Zusammenarbeit zu beenden.81 Wird die Zusammenarbeit beendet, ist zu prüfen, ob die Zusicherung der Geheimhaltung der Identität aufzuheben ist.

8.

Anspruch auf Benennung einer Vertrauensperson

Ist es durch den Hinweis einer V-Person zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen einen namentlich bekannten Beschuldigten gekommen, so hat dieser keinen Anspruch auf Benennung der V-Person. Dies gilt auch dann, wenn sich die Information als unrichtig erwiesen hat. Selbst bei einem auf leichter Fahrlässigkeit beruhenden Irrtum der V-Person ist deren Preisgabe nicht ohne Weiteres gerechtfertigt.82

Gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse kann dem Auskunftsinteresse des Betroffenen aber z.B. dann Vorrang zukommen, wenn ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Informant die Behörde wider besseres Wissen oder leichtfertig falsch über den Betroffenen informiert hat.83

II.

Nicht offen ermittelnder Polizeibeamter (NoeP)

Ein NoeP ist unter Verheimlichung seiner wahren Identität und seiner Funktion mit polizeilich relevanten Ermittlungen betraut, der Einsatz erfolgt einzelfallbezogen.84 In Abgrenzung zum Verdeckten Ermittler wird der NoeP jedoch nicht unter einer auf Dauer angelegten fremden Identität tätig. Der nicht offen ermittelnde Polizeibeamte steht im Strafverfahren grundsätzlich als Zeuge offen zur Verfügung.85

Der Einsatz des NoeP ist eine verdeckte Ermittlungshandlung, die mit der Inanspruchnahme eines Informanten, dem Einsatz einer Vertrauensperson oder dem Einsatz eines Verdeckten Ermittlers vergleichbar ist. Welche dieser verdeckten personalen Ermittlungshandlungen in einem konkreten Fall Anwendung finden, hängt von vielen Faktoren ab und wird auch von einer fundierten kriminalistischen Planung und Erfolgswahrscheinlichkeit bestimmt. In vielen Fällen der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität kommt es zum parallelen Einsatz mehrerer verdeckter Einsatzmittel.

Die Ermittlungstätigkeit des NoeP richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen eines Strafverfahrens, diese sind deshalb nicht näher beschrieben. Dies bedeutet, dass der NoeP i.d.R. als Zeuge zur Verfügung steht und im Verfahren gehört werden kann.

Sollte sich im Einzelfall die Notwendigkeit der Geheimhaltung der Identität des NoeP/Scheinkäufers ergeben, so ist die Zustimmung der Staatsanwaltschaft einzuholen.86

Der Einsatz eines polizeilichen Scheinkäufers, dies ist der Regelfall beim Einsatz eines NoeP, ist mit der sachbearbeitenden Staatsanwaltschaft abzusprechen. Die Bereiche, in denen der Einsatz eines Scheinkäufers in Frage kommt, sind begrenzt. Das Ziel des Scheinkäufers ist in den meisten Fällen der Ankauf inkriminierter Güter. Hiermit sind alle Gegenstände umfasst, die aus strafbaren Handlungen stammen, z.B. gestohlene Computer, durch Betrug erlangte Fahrzeuge, aber auch Rauschgifte. Eine andere Zielrichtung des Einsatzes liegt in der Offenlegung von kriminellen Strukturen (siehe dazu Kap. F).

III.

Verdeckter Ermittler

Der Einsatz Verdeckter Ermittler richtet sich nach §§ 110a bis 110c StPO bzw. nach den Polizeigesetzen der Länder. Entsprechende „Grenzen“ ergeben sich mithin bereits aus dem Gesetz. So richten sich gem. § 110c Satz 3 StPO die Befugnisse des Verdeckten Ermittlers nach diesem Gesetz und anderen Rechtsvorschriften. Da es sich bei Verdeckten Ermittlern um Polizeibeamte handelt, unterliegen sie auch im Einsatz der Strafverfolgungspflicht nach § 163 StPO. In den genannten Richtlinien werden Verdeckten Ermittlern jedoch einige Zugeständnisse in diesem Bereich gemacht:

– Aus kriminaltaktischen Erwägungen können Ermittlungsmaßnahmen, die in den Auftrag des Verdeckten Ermittlers fallen, zurückgestellt werden.

– Neu hinzukommenden zureichenden Anhaltspunkten für strafbare Handlungen braucht der Verdeckte Ermittler so lange nicht nachzugehen, als dies ohne Gefährdung seiner Ermittlungen nicht möglich ist; dies gilt nicht, wenn sofortige Ermittlungsmaßnahmen wegen der Schwere der neu entdeckten Tat geboten sind.87

Dies macht deutlich, dass Verdeckte Ermittler weiterhin der Strafverfolgungspflicht unterliegen, aber aufgrund ihrer besonderen Tätigkeit i.d.R. nicht sofort einschreiten müssen. Dies ist im Einsatz auch erforderlich, da es sonst sehr schnell zur Enttarnung des Verdeckten Ermittlers kommen könnte.

IV.

Verfahren innerhalb der Polizei

Bei der Anwendung der RiStBV, Anlage D, ist im Bereich der Polizei zusätzlich Folgendes zu beachten:88

1.

Inanspruchnahme von Informanten im Rahmen der Strafverfolgung

Über die Zusicherung der Vertraulichkeit entscheidet

– im Geschäftsbereich der Polizeipräsidien die Leitung der Direktion Kriminalität; diese Befugnis kann, soweit nicht Aufgaben des Polizeilichen Staatsschutzes berührt sind, auf die Leitung der Kriminalinspektion, die für die Bearbeitung der Organisierten Kriminalität zuständig ist, übertragen werden, sofern es sich um Angehörige des Laufbahnabschnitts III handelt,

– im Geschäftsbereich der Landräte als Kreispolizeibehörde die Leitung der Abteilung Polizei; diese Befugnis kann auf die Leitung der Direktion Kriminalität übertragen werden, sofern es sich um Angehörige des Laufbahnabschnitts III handelt,

– im Geschäftsbereich des Landeskriminalamts die Leitung der zuständigen Abteilung.

Bei Gefahr im Verzug entscheiden die nächsten Vorgesetzten der Sachbearbeitung. Können diese nicht erreicht werden, entscheidet die Sachbearbeitung.

Die sonst zur Zusicherung der Vertraulichkeit Berechtigten sind unverzüglich über die Inanspruchnahme zu unterrichten.

Die Inanspruchnahme von Informanten ist zu dokumentieren. Die Unterlagen sind, soweit sie nicht zu den Ermittlungsakten zu geben sind, nach näherer Weisung der Leitung der Polizeibehörde verschlossen aufzubewahren und geheim zu halten.

2.

Einsatz von V-Personen im Rahmen der Strafverfolgung

Über die Zusicherung der Geheimhaltung entscheidet

– im Geschäftsbereich der Polizeipräsidien die Leitung der Direktion Kriminalität; diese Befugnis kann, soweit nicht Aufgaben des Polizeilichen Staatsschutzes berührt sind, auf die Leitung der Kriminalinspektion, die für die Bearbeitung der Organisierten Kriminalität zuständig ist, übertragen werden, sofern es sich um Angehörige des Laufbahnabschnitts III handelt,

– im Geschäftsbereich der Landräte als Kreispolizeibehörde die Leitung der Abteilung Polizei; diese Befugnis kann auf die Leitung der Direktion Kriminalität übertragen werden, sofern es sich um Angehörige des Laufbahnabschnitts III handelt,

– im Geschäftsbereich des Landeskriminalamts die Leitung der zuständigen Abteilung.

Vor dem gezielten Einsatz von V-Personen ist die Einwilligung der in der ermittlungsführenden Polizeibehörde zur Zusicherung der Geheimhaltung Berechtigten herbeizuführen.

Die Zusammenarbeit der Polizei mit V-Personen ist zu dokumentieren. Die Unterlagen sind, soweit sie nicht zu den Ermittlungsakten zu geben sind, nach näherer Weisung der Leitung der Polizeibehörde verschlossen aufzubewahren und geheim zu halten.

3.

Einsatz von Verdeckten Ermittlern

Über den Einsatz Verdeckter Ermittler entscheidet

– im Geschäftsbereich der Kreispolizeibehörden die Behördenleitung,

– im Geschäftsbereich des Landeskriminalamts die Direktorin oder der Direktor des Landeskriminalamts.

Der Einsatz von Verdeckten Ermittlern ist zu dokumentieren. Die Unterlagen sind, soweit sie nicht zu den Ermittlungsakten zu geben sind, für den Einsatz von Verdeckten Ermittlern nach näherer Weisung der Direktorin oder des Direktors des Landeskriminalamts, für den Einsatz von sonstigen nicht offen ermittelnden Polizeibeamten nach näherer Weisung der Leitung der zuständigen Polizeibehörde verschlossen aufzubewahren und geheim zu halten.

4.

Einsatz sonstiger nicht offen ermittelnder Polizeibeamter (NoeP)

Die Ermittlungstätigkeit sonstiger nicht offen ermittelnder Polizeibeamter richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen. Sie stehen grundsätzlich im Strafverfahren als Zeugen zur Verfügung.

Vor dem gezielten Einsatz polizeilicher Scheinkäufer ist

– im Geschäftsbereich der Polizeipräsidien die Einwilligung der Leitung der Direktion Kriminalität einzuholen; diese Befugnis kann, soweit nicht Aufgaben des Polizeilichen Staatsschutzes berührt sind, auf die Leitung der Kriminalinspektion, die für die Bearbeitung der Organisierten Kriminalität zuständig ist, übertragen werden, sofern es sich um Angehörige des Laufbahnabschnitts III handelt,

– im Geschäftsbereich Landräte als Kreispolizeibehörde die Einwilligung der Leitung der Abteilung Polizei einzuholen; diese Befugnis kann auf die Leitung der Direktion Kriminalität übertragen werden, sofern es sich um Angehörige des Laufbahnabschnitts III handelt,

– im Geschäftsbereich des Landeskriminalamts die Zustimmung der Leiterin oder des Leiters der zuständigen Abteilung einzuholen.

Ergibt sich im Ausnahmefall die Notwendigkeit, die Identität nicht offen ermittelnder Polizeibeamter, z.B. polizeilicher Scheinkäufer, im Strafverfahren geheim zu halten, so veranlassen die zur Einwilligung Berechtigten, dass die Zustimmung der Staatsanwaltschaft rechtzeitig eingeholt wird oder eine unverzügliche Unterrichtung erfolgt.

Der Einsatz von sonstigen nicht offen ermittelnden Polizeibeamten ist zu dokumentieren. Die Unterlagen sind, soweit sie nicht zu den Ermittlungsakten zu geben sind, für den Einsatz von Verdeckten Ermittlern nach näherer Weisung der Direktorin oder des Direktors des Landeskriminalamts, für den Einsatz von sonstigen nicht offen ermittelnden Polizeibeamten nach näherer Weisung der Leitung der zuständigen Polizeibehörde verschlossen aufzubewahren und geheim zu halten.

V.

Beweiserhebung bei verdeckt ermittelnden Personen

Gemäß § 48 Abs. 1 StPO sind Zeugen verpflichtet, zu dem zu ihrer Vernehmung bestimmten Termin vor dem Richter zu erscheinen. Sie haben die Pflicht auszusagen, wenn keine im Gesetz zugelassene Ausnahme vorliegt. Nach dem Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 250 StPO müsste eine V-Person als Zeuge unmittelbar in der Hauptverhandlung vernommen werden. § 250 StPO bringt den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme i.S. der Forderung nach unmittelbarer mündlicher Kommunikation des Gerichts mit den persönlichen Beweismitteln in der Hauptverhandlung zur Geltung.89

Das Unmittelbarkeitsprinzip ist das zentrale Strukturmerkmal einer gerichtlichen Hauptverhandlung. Unterschieden werden formelle und materielle Unmittelbarkeit. Als formelle Unmittelbarkeit gilt das Prinzip, demzufolge die gesamte Beweisaufnahme (im engeren Sinne) in Anwesenheit aller zur Urteilsfindung Berufenen stattzufinden hat, im weiteren Sinne in Anwesenheit aller gem. § 338 Nr. 5 StPO Vorgeschriebenen.

Als materielle Unmittelbarkeit gilt das Prinzip, demzufolge immer das tatnächste bzw. Beweisthema-nächste, also das insoweit unmittelbare Beweismittel („die eigentliche Quelle“) der Entscheidungsfindung in der Hauptverhandlung zugrunde zu legen ist (Subsidiarität), denn

„mit wachsender Zahl der Zwischenglieder der Beweisführung [nimmt] die Zuverlässigkeit des zuletzt produzierten Beweisergebnisses ab. Es soll also der Augenzeuge gehört werden und nicht derjenige, dem dieser Augenzeuge erzählt haben soll, was er angeblich gesehen hat. Das Problem dieses sog. Zeugnis vom Hörensagen (das sprichwörtlich halb gelogen ist) wird noch zugespitzt durch das Zeugnis der Verhörspersonen, also der professionellen Zeugen vom Hörensagen – zugespitzt auch deshalb, weil ihre Professionalität gerade darin zum Ausdruck kommt, dass sie nicht nur hören, sondern den Zeugen auch gezielt zum Sagen bringen sollen. In Verknüpfung mit dem vorgenannten Prinzip der formellen Unmittelbarkeit soll der Augenzeuge auch unmittelbar gehört und nicht stattdessen eine von ihm stammende schriftliche Erklärung oder das Protokoll einer früheren Vernehmung verlesen werden.“90

Allerdings folgt aus dem Unmittelbarkeitsgrundsatz (noch) keine Pflicht, stets das sachnächste Beweismittel zu verwenden.91

Es stellt sich das besondere Problem, dass die Preisgabe der Identität der eingesetzten Person zum einen Leib oder Leben der Person, zum anderen öffentliche Interessen gefährden kann, sodass die oberste Dienstbehörde geneigt sein wird, diese Person nicht in der Hauptverhandlung auftreten zu lassen.92 Durch eine öffentliche Zeugenaussage besteht neben einer konkreten Gefährdung der Person die Gefahr des „Verbrennens“ der V-Person, die dann nicht mehr eingesetzt werden kann.

Der VGH Kassel identifiziert mit Beschluss vom 29.5.2013 (8 B 1005/13, 8 D 1006/13) folgende Hinweise, welche Maßnahmen in Frage kommen, um eine Gefährdung eines Zeugen auszuschließen:93

– audiovisuelle Vernehmung des Zeugen an einem geheim gehaltenen Ort

– Verweigerung von Angaben zur Person und Identität

– Entfernung der Angeklagten aus dem Sitzungszimmer

– Ausschluss der Öffentlichkeit

– optische und akustische Verfremdung von Bild und Ton, um eine Identifikation der V-Person über Gesichtszüge, wesentliche Elemente des Aussehens und über Stimme und Sprechweise sicher auszuschließen, soweit dies nach Auffassung des Landeskriminalamts erforderlich erscheint

– keine Bild- und Tonaufzeichnung

– Befragung des Zeugen in Anwesenheit seines Führungsbeamten am Vernehmungsort

– keine Zulassung von Fragen zu kriminaltaktischen Vorgehensweisen

– Verpflichtung der bei der Durchführung der Bild- und Tonübertragung bzw. zur akustischen Verfremdung eingesetzten Personen nach dem Verpflichtungsgesetz.

Ob ein Zeuge durch seine Aussage gefährdet ist und deshalb gesperrt wird, entscheidet die oberste Dienstbehörde. Die Polizei legt die entsprechenden Gründe vor.

Im Hinblick auf die entgegenstehenden Belange des Angeklagten und der gerichtlichen Wahrheitsfindung bedarf es jeweils der Prüfung, ob den bestehenden Bedenken nicht durch Schutzmaßnahmen im Rahmen der Hauptverhandlung Rechnung getragen werden kann.94 Bejahendenfalls kann – als milderes Mittel zur vollständigen Sperrung – eine Freigabe des Zeugen nach Maßgabe gewisser Vorkehrungen erklärt werden.95

Beispiel:96