Vergessene Hauptachse, Ausgabe 2020 - Franz Fischer - E-Book

Vergessene Hauptachse, Ausgabe 2020 E-Book

Franz Fischer

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Beschreibung

Deutschland hat eines der modernsten, sichersten und best ausgebauten Straßennetze der Welt. Immer und überall und in jedem Winkel des Landes. Aber stimmt das wirklich? Vergangenheit, Entwicklung und Zukunft einer vergessenen Hauptverkehrsachse. Interessierte, Studierende, Berufseinsteiger und Praktiker erhalten Einblick in die Landes-Nord-Süd-Hauptachse im Südosten von Baden-Württemberg - eine der schlechtesten Fernstraßen Deutschlands. Anschaulich stellt der Autor Theorie und politisches Handeln mit der gelebten Praxis und den Folgen dar. Ergänzend erhält der Leser Einblick in die Entstehung des deutschen Straßennetzes und Verkehrswesens. Er erfährt, wie die Verkehrsnetze entstanden sind. Die Zusammenhänge von gesellschaftlicher Entwicklung, Verkehrsmittel und Verkehrswege werden beleuchtet. Ein Schwerpunkt bildet die Verkehrspolitik von 1920 bis heute. Informationen über den aufwendigen Planungsablauf einer deutschen Bundesfernstraße und die nicht immer einfache Bürgerbeteiligung runden das Buch ab. Komplett überarbeitete, aktualisierte und erweiterte Neuausgabe.

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Seitenzahl: 707

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Wenn ein Buch erscheint, so steht immer der Autor im Vordergrund. Das ist nicht besonders fair, weil es immer vieler Menschen bedarf, die eine solche Publikation ermöglichen. Das war natürlich auch bei mir der Fall. Die lieben Menschen, die mir während des Schreibens eine Hilfe gewesen sind, sollen hier nun besondere Erwähnung finden. Ich hoffe, an alle gedacht zu haben.

Zunächst richtet sich mein Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stadtarchivs Bad Waldsee und Landesarchivs Baden-Württemberg, der Straßenbauverwaltung des Landes Baden-Württemberg, insbesondere dem Bundesministerium für Verkehr, der Bundesanstalt für Straßenwesen, des Kraftfahrt-Bundesamtes und Statistischen Bundesamtes für die hilfreiche Unterstützung, die Bereitstellung von Informationen und Abbildungen. Nicht vergessen möchte ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie, der Ortschaftsverwaltung Reute-Gaisbeuren für die hilfreiche Unterstützung bei der Recherche in Ratsprotokollen, der Schwäbischer Verlag GmbH & Co. KG für die Bereitstellung von Texten und Bildern sowie der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) und dem FGSV-Verlag.

Mein Dank gilt auch meinem Verlag. Das jemand bereit war, etwas für das Fachpublikum und den Nischenmarkt zu veröffentlichen. Dafür vielmals danke – auch für die offenen Ohren.

Selbstverständlich geht der Dank auch an alle weiteren lieben Menschen, die bereit waren konstruktiv zum Gelingen des Werks beizutragen.

Vielen Dank an alle – ich weiß das sehr zu schätzen.

Franz Fischer

INHALT

V

ORWORT

KAPITEL 1

E

NTWICKLUNG DES

S

TRAßENNETZES

Erste Anfänge

Entstehung der ersten Straßen

Entstehung der ersten Straßenverkehrsnetze

Antike, Römerstraßen

Mittelalter

Neuzeit

Industrialisierung

Zunehmende Verstädterung

Zeitalter der Eisenbahn

Entwicklung des Automobils

Beginn der Individualmotorisierung

Entwicklung moderner Teer- und Asphaltstraßen

Erstes Kraftwagenstraßennetz

Ausbau der Fernverkehrs- und Reichsstraßen, die Reichsautobahnen

Situation nach dem Zweiten Weltkrieg

Ausbau des „Grundnetzes der Bundesstraßen“

Ausbau des Autobahnnetzes

Situation nach der Wiedervereinigung Deutschlands

Verkehrspolitik um die Jahrtausendwende

Entwicklung im 21. Jahrhundert

Gegenwart

KAPITEL 2

B

UNDESSTRAßE

30 W

ISSENSSTAND

2020

Überblick über Verlauf, Lage und Bedeutung

Lage im TK25-Raster

Ausbaustandards

Höhenlage

Anschlüsse

Zuständigkeiten

Nebenanlagen

Rad- und Fußwege

Bedeutung im Straßennetz

Raumordnerische Bedeutung

Verkehrsbedeutung

Fahrleistung

Güterströme

Autobahnersatz

Behelfsumfahrung bei Autobahnstaus

Maut-Ausweichverkehr

Touristische Bedeutung

Bedeutung im Fernbusnetz

Militärische Bedeutung

Einzugsbereich

Maut

Amtliche Verkehrszahlen

Verkehrsentwicklung seit 1952

Großbauwerke

Brücken

Verkehrliche Defizite

Netzplanerische Defizite

Kapazitive Defizite

Verkehrsfluss nach dem HBS

Staus

Kurvigkeit

Längsneigung

Unfälle

Lärm

Luftschadstoffe

Zukünftige Entwicklung

Musik

KAPITEL 3

E

RRICHTUNG DER

B

UNDESSTRAßE

30

Von der Kupfersteinzeit zum Herzogtum Württemberg

Römerzeit

Poststraße und Straße in die Schweiz

Vom Königreich Württemberg zur Weimarer Republik

Erste Verbesserungen

Schwerpunktsetzung auf die Südbahn

Von der Weimarer Republik zum Dritten Reich

Zunehmende Motorisierung Anfang des 20. Jahrhunderts

Kraftwagenstraßenprogramm der Weimarer Republik

Verlegung Ravensburg - Untereschach

Planung Ortsumgehung Unteressendorf

Planung Ortsumgehung Waldsee

Von der Staatsstraße zur Fernverkehrs- und Reichsstraße

Einstellung aller Planungen im Zweiten Weltkrieg

Bundesrepublik Deutschland

Planungen nach dem Zweiten Weltkrieg

Zwischenausbau Gaisbeuren - Baindt 1956, erster Ausbauabschnitt der B 30

Ausbauplan für die Bundesfernstraßen 1957

Umsetzung des Ausbauplans für die Bundesfernstraßen

Erster Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen 1971

Umsetzung des ersten Bedarfsplans 1971 und weitere Planungen

Zweiter Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen 1976

Zunehmende Ablehnung von Straßenbaumaßnahmen

Trassenstreit von Mettenberg

Ausbau alte Baindter Steige

Planungen Ende der Siebzigerjahre

Erste Planung Egelsee - Biberach/Jordanbad

Aufgabe der Bundesautobahn 89

Freigabe der letzten als A 89 erbauten Streckenabschnitte

Dritter Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen 1980

Vierter Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen 1986

Neue Schwerpunktsetzung auf das Schienennetz

Erster Widerstand der Grünen und Rüge des Bundesrechnungshofes

Fertigstellung von Ulm bis Biberach

Straßenbaustopp durch die Hintertür

Eröffnung des ersten Bauabschnitts der Ortsumfahrung Ravensburg

Ausspielung Schiene vs. Straße

Einsparungen wegen der Wiedervereinigung Deutschlands

Fünfter Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen 1993

Eröffnung zweiter Bauabschnitt der Ortsumfahrung Ravensburg

Planungsfall 7

Ausspielung Alpentransit vs. Straße

Neubau Egelsee–Niederbiegen

Planung 3-streifiger Ausbau Oberessendorf–Biberach/Jordanbad

Reform der Straßenbauverwaltung

Bundesverkehrswegeplan 2003

Sechster Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen 2004

3-streifiger Ausbau 2004–2007

Neue FFH-Gebiete

Eröffnung neue Messestraße

3-streifiger Ausbau bei Biberach

Vorbereitung des Bundesverkehrswegeplan 2015

Erster Bundesverkehrsminister sagte Prüfung der B 30 zu

Gründung „Initiative B 30“

Waldseer Erklärung

Trassenkorridore Egelsee–Bad Waldsee

Pläne zum privatwirtschaftlichen Ausbau der Bundesstraße 30

Projektanmeldung zum Bundesverkehrswegeplan 2015

Erstmals Zustimmung zu Anmeldetrassen bei Bad Waldsee

Anmeldekonzept des Landes

Petition der „Initiative B 30“

Gutachten des Landes

Projektanmeldung des Landes

Abschluss der Petition der „Initiative B 30“

Korrekturen des Bundes zum Bundesverkehrswegeplan 2015

Bundesverkehrswegeplan 2030

Siebter Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen 2016

Widerstand

Ausblick

KAPITEL 4

E

INZELPROJEKTE DER

B

UNDESSTRAßE

30

Ursprüngliche Planung

Planungen Günzburg (A 8) - Neu-Ulm (A 80)

B 10 Nersingen - östlich Neu-Ulm

B 10 östlich Neu-Ulm - AD Neu-Ulm (B 28/B 30) Südosttangente Neu-Ulm

Planungen Neu-Ulm - Biberach an der Riß

B 30 Dreieck Neu-Ulm (Ringbrücke) - Ulm-Wiblingen (Kastbrücke)

B 30 Ulm-Wiblingen (Kastbrücke) - Achstetten

B 30 Achstetten - Äpfingen

B 30 Äpfingen - Biberach/Jordanbad

Planungen Biberach an der Riß - Baindt/Egelsee

Planungen Biberach/Jordanbad - Hochdorf

Planungen Hochdorf - Oberessendorf

Planungen Oberessendorf - Bad Waldsee

Planungen Ortsumfahrung Bad Waldsee

Planungen Enzisreute - Gaisbeuren

Planungen Baindt/Egelsee - Ravensburg/Eschach

BA I Verlegung der B 33 bei Ravensburg, Umfahrung Weststadt

BA II Verlegung der B 32 bei Niederbiegen

BA III Neubau der B 30 Niederbiegen - Ravensburg-Nord

BA IV Neubau der B 30 Niederbiegen - Egelsee (Nordbogen)

BA V Neubau der B 30 Ravensburg-Nord - Ravensburg-Süd

BA VI Neubau der B 30 Ravensburg-Süd - Eschach („B 30-Süd“)

Planungen Ravensburg/Eschach - Friedrichshafen

KAPITEL 5

P

LANUNGSABLAUF EINER

B

UNDESFERNSTRAßE

Stufe 1: Bundesverkehrswegeplanung

Stufe 2: Vorplanung

Stufe 3: Entwurfs- und Genehmigungsplanung

Stufe 4: Ausführungsplanung

Bürgerbeteiligung bei der Planung von Bundesfernstraßen

I

N

G

EDENKEN AN

A

BBILDUNGSVERZEICHNIS

T

ABELLENVERZEICHNIS

S

TICHWORTVERZEICHNIS

L

IZENZEN

Vorwort

Die Entwicklung und Geschichte des Verkehrswesens und der Verkehrsnetze im Einzelnen sowie der Bundesstraße 30 im Besonderen, unterliegen dem stetigen Wandel. So gestaltet sich auch die Entwicklung des vorliegenden Buches: Nach dem die Erstfassung 2017 im Konzept fertiggestellt war, kam es aus Aktualitätsgründen ebenso wenig zu einer Veröffentlichung, wie nach einer Überarbeitung im Jahre 2018. Nach einer weiteren Aktualisierung erschien 2019 die Erstausgabe.

Das Buch „Vergessene Hauptachse“ wird evolutionär entwickelt. Die jeweilige Ausgabe gibt den bis dahin aktuellen Recherche- und Wissenstand wieder. Ziel ist die Vermittlung wesentlicher Grundlagen, um ein erstes Verständnis zu schaffen, über die Entstehung des heutigen Verkehrsgeschehens und -netzes in der Bundesrepublik Deutschland. Aufgezeigt werden nicht nur Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene, sondern praxisorientiert die Auswirkungen und Entwicklungen an der Bundesstraße 30 in Oberschwaben - eine der heute hinsichtlich der Bedeutung, Verkehrsbelastung und des Ausbaustandards unzureichendste deutsche Bundesfernstraße. Das vorliegende Buch soll lehrreich sein, um Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Es soll auch dazu anregen eingetretene Missstände zu beheben.

Mit dem vorliegenden Band wurde die Erstausgabe 2019 wesentlich überarbeitet, aktualisiert und erweitert. Sie liegt hiermit als Neuausgabe 2020 vor. Neu beleuchtet wird die Verkehrspolitik vom Dritten Reich bis um die Jahrtausendwende. Der Finanzierung der Bundesfernstraßen wird ein wesentlich höherer Stellenwert eingeräumt, wie der Benennung von Quellen. Eingang fanden entsprechend dem Nachforschungsstand weitere Erkenntnisse, die zudem Korrekturen mit sich brachten. Daneben wurden Kapitel neu angeordnet.

Die Bundesstraße 30 hat eine teils geheimnisvolle Geschichte: Durch umfangreiche Recherchen konnten mittlerweile diverse Sachverhalte erhellt werden. Doch weiterhin liegt vieles im Dunkel. Entsprechend schwierig gestalteten sich Nachforschungen. Sie enden oft an öffentlich nicht zugänglichen Unterlagen. Dennoch konnten erneut weitere Fakten recherchiert und eingearbeitet werden. Die Recherchen sind weiterhin aufwendig und noch nicht vollständig abgeschlossen. Es ist beabsichtigt dieses Buch weiter fortzuschreiben.

Franz Fischer (Autor)

Bad Waldsee, Freitag, 13. November 2020

Entwicklung des Straßennetzes

Erste Anfänge

Der Straßen- und Wegebau ist fest mit der Menschheitsgeschichte verbunden. Jäger und Sammler transportierten zunächst nur fußläufig beispielsweise Lebensmittel und Baumaterial. Durch die beginnende Arbeitsteilung entstanden neue Verkehrsbedürfnisse. Die ersten Wege wurden nicht planmäßig erbaut, sondern von der Natur vorgegeben. Sie entstanden dort, wo Menschen und Tiere auf einfachstem Wege zu Unterkunft, Nahrungs-, Futter-, Wasser- und Lagerstätten gelangten. Transportiert wurde zu Lande und zu Wasser. Der Landverkehr wurde zunächst mit menschlicher, dann mit tierischer Muskelkraft betrieben. Mäßige Anstiege, geeignete Pfade zur Durchquerung von Sümpfen und Moore sowie Gewässerquerungen spielten eine große Rolle. Die Menschen lernten die natürlichen Pfade und Wege für die Jagd und den Transport zu nutzen. Eine dauerhafte Befestigung war aufgrund des Nomadendaseins nicht notwendig.

Entstehung der ersten Straßen

Mit der Sesshaftwerdung und der Entstehung von Hochkulturen wurden die ersten Wege und später Straßen angelegt. Somit konnten Personen schneller vorankommen und Güter schneller und bequemer transportiert werden. Breite Straßen waren anfangs nur für religiöse Zwecke gedacht oder sollten den Herrschaftsanspruch verdeutlichen. Später wurden Straßen für militärische Zwecke (Heerstraßen) und den Handel (Handelsstraßen) errichtet. Das Transportvolumen blieb gegenüber dem Wassertransport zunächst unbedeutend. Schwimmende Transportmittel auf natürliche Wasserwege bildeten erste Verkehrssysteme mit überregionalen Aufgaben.

Entstehung der ersten Straßenverkehrsnetze

Im frühen Altertum waren die Babylonier, Ägypter und Perser die ersten Völker, die sich die Vorteile eines ausgebauten Verkehrsnetzes zunutze machten und Techniken auf diesem Gebiet entwickelten. Die frühen Straßen waren sehr unterschiedlich ausgeprägt und abhängig vom Entwicklungsstand der jeweiligen Kultur. Neben einfachen Erdstraßen wurden Bohlenwege oder Schotterstraßen angelegt. Besondere Prachtstraßen erhielten schon früh einen Pflasterbelag.

Abbildung 1: Ungefährer Verlauf der Römerstraßen im mittleren Oberschwaben

Antike, Römerstraßen

Die Etrusker bauten noch vor den Römern bis zu 15 Meter breite gepflasterte Straßen mit Fußgängerstreifen in ihren Städten. Unter den Straßen befand sich bereits eine Wasserleitung. Das schachbrettartig angelegte Straßennetz diente später in der Renaissance als Vorbild italienischer Architekten.

Mit der Ausdehnung des Römischen Reiches wurde die Straßenbautechnik weiterentwickelt. Viele Römerstraßen sind noch heute vorhanden, wenn auch vielerorts nicht mehr sichtbar. Der Streckenverlauf vieler Fernstraßen - vor allem in den Alpen - deckt sich mit dem Verlauf der damaligen Römerstraßen. Viele Römerstraßen wurden mit breiteren Straßen überbaut. Die ersten Römerstraßen bildeten ein Grundnetz das die strategisch wichtigen militärischen Punkte sowie die wichtigsten und größten Städte des Römischen Reiches verband. Davon ausgehend entstand ein weiteres feinmaschigeres Netz aus Römerstraßen, das Kastelle und Legionslager über weitere Strecken mit einander verband.

Es entstand das erste dauerhafte und weitreichende Straßen- und Wegenetz in Europa. Römerstraßen waren südlich der Alpen meist mit sauber bearbeiteten Steinplatten gepflastert. Bei der Konstruktion wurde bereits zwischen Ober- und Unterbau unterschieden. Flussläufe wurden vielfach durch steinerne Bogenbrücken überspannt und ermöglichten die Überquerung von Flüssen ohne Umweg über Flussauen. Tunnel, Stützmauern und in Fels gemeißelte Geleise halfen beim Aufstieg zu Pässen. Um den Auf- und Abstieg zu erleichtern, waren manchmal zusätzlich Stufen in die Fahrbahnmitte gemeißelt und angelegt. Die überregionalen Verkehrswege wurden in erster Linie militärisch zur zügigen Fortbewegung der Legionen und zur schnellen Nachrichtenübermittlung genutzt. Später entwickelten sich Handelsbeziehungen mit zunächst für damalige Verhältnisse luxuriöse Güter wie Gewürze und Salz. Für die meisten Bürger hatten diese Wege noch keine große Bedeutung.

Rund 2 000 Jahre lang waren Römerstraßen die überwiegende Basis des europäischen Straßennetzes. Der Straßenbau und die Straßenunterhaltung auf dem rund 80 000 km langen römischen Verkehrsnetz war zentral organisiert und gesetzlich geordnet.

Neben der Anwendung des Pflasterbaus nutzten die römischen Baumeister die antike Form des Betons (Opus caementitium) zur Befestigung der Straßen.

Abbildung 2: Oben: Römerstraße bei Tall Aqibrin, Syrien (Bild: Bernard Gagnon/Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0). Unten: Querschnitt durch eine Römerstraße am Heidenkopf bei Dahlem in der Eifel (Bild: Pfir/Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0).

Römerstraßen waren bereits in mehreren Schichten aufgebaut. Sie bestanden meist aus einem bis zu einem Meter starken Straßenkörper. Den Unterbau bildete der gewachsene Boden, der bis über einen Meter Tiefe ausgehoben, geebnet und durch Stampfen verdichtet wurde. Über dem Unterbau folgte das Statumen (lateinisch für Stütze), eine Schicht aus meist hochkant gestellten, flachen, faustgroßen Natursteinen, die zum Teil mit Mörtel verfestigt wurden. In einer weiteren Schicht, die Ruderatio (lateinisch für Schüttung), wurden faustgroße Kiesel und kleinere Bruchsteine eingebaut, die mit Zement stabilisiert wurden. Darauf kam der Nucleus (lateinisch für Kern), eine Schicht aus nussgroßen Kieseln, die auch aus Steinsplitter und Kies bestehen konnte und zum Teil mit heißem Kalkmörtel oder Zementstücke stabilisiert wurde. Als Deckschicht wurden vor allem auf den wichtigsten Fernstraßen, auf Steigungen oder Abschnitte, die besonders gegen Witterungseinflüsse geschützt werden sollten, behauene Steine aus Silex, Basalt oder Steinquader - je nach Gegend - eingebaut. Sonst bestand die Deckschicht aus grobem, festgewalztem oder gestampftem Kies oder Sand - vor allem nördlich der Alpen. Manchmal wurde eine Schicht auch weggelassen oder aus einem anderen Material gefertigt. Die Deckschicht wies eine Wölbung auf. Durch diese Wölbung konnte das Regenwasser in seitliche Regenrinnen abfließen. Die unteren Schichten sollten damit trocken bleiben. Ähnlich der heutigen Straßen wurden schon Ecksteine verbaut, die den heutigen Bordsteinen ähnelten. Auf bestimmten Abschnitten wurden beidseitig erhöhte Fußwege angelegt. An Hängen herunterlaufendes Wasser wurde mittels Kanäle unter den Straßen durchgeleitet, um ein unkontrolliertes Unterspülen zu verhindern.

Abbildung 3: Auszug aus der Tabula Peutingeriana, 1-4 Jahrhundert nach Christus, Ausfertigung von Konrad Miller 1887/1888. Dargestellt ist der Bereich von den Vogesen im Westen bis Wien im Osten.

Meilensteine informierten über die Entfernungen zu Städten sowie über die Kaiser, die die jeweilige Straße erbauen und reparieren ließen.

Die wichtigsten Straßenverbindungen im Römischen Reich wurden in der „Tabula Peutingeriana“ und dem „Itinerarium Antonini“ dargestellt. Eine mittelalterliche Kopie der „Tabula Peutingeriana“ aus dem 12/13. Jahrhundert wird im Original in der österreichischen Nationalbibliothek in Wien aufbewahrt, ist jedoch kaum zugänglich. Öffentlich einsehbar ist die „Tabula Peutingeriana“ als „Carte de Peutinger“ unter euratlas.net.

Mittelalter

Nach dem der Straßenbau zur Zeit der Römer außerordentliche Fortschritte machte, geriet das erlangte bautechnische Wissen mit dem Beginn des Mittelalters in Vergessenheit.

Die fehlende Zentralgewalt nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches wirkte sich negativ auf die Siedlungsentwicklung und das Verkehrswesen aus. Mit den Völkerwanderungen im vierten und fünften Jahrhundert nach Christus verfielen größtenteils ehemals bedeutende Städte und die mit ihnen verbundenen Strukturen. Die in römischer Zeit übliche einheitliche Gestaltung der Straßen und regelmäßige Unterhaltungsmaßnahmen unter dem Einfluss einer zentralen Verwaltung existierten nicht mehr. Es fehlten die Mittel und das Interesse des neu entstandenen Gemeinwesens zur Erhaltung des Wegesystems. Erschwerend machten Raubritter und Wegelagerer die Straßen unsicher und behinderten den Warenaustausch. Bald erfolgte der größte Teil des Warenaustausches auf dem Landweg wieder zu Fuß oder auf Lasttieren entlang der alten Saum- und Viehpfade. Fahrzeuge mit Rädern waren nur noch selten anzutreffen. Die vorhandenen Römerstraßen wurden zwar weiterhin genutzt, verfielen jedoch durch Krieg und mangelnden Unterhalt zunehmend. Vielerorts wurden wenig dauerhafte Erdwege angelegt. Nur wenige Stadtstraßen waren mit einem Pflasterbelag ausgestattet.

Erst Karl der Große (*771-†814) unternahm wieder erste Anstrengungen zur Verbesserung des Verkehrsnetzes. Sein Ziel war es, die Vorherrschaft der Franken im neuen Reich zu sichern. Er suchte nach Möglichkeiten, die Reisen seines Hofes zwischen Kaiserpfalzen und Burgen zu erleichtern. Seine zahlreichen militärischen Unternehmungen erforderten gute Wegeverbindungen. Der Straßenbau wurde wieder zu einer staatlichen Aufgabe. Handel und Warentransporte gewannen wieder an Bedeutung. Da auch größere und schwere Lasten transportiert wurden, bezog Karl der Große neben den Landverkehrswegen die Wasserwege ein. Über die Wasserwege war zu dieser Zeit ein weitaus bequemerer und leistungsfähigerer Transport möglich.

Eine wichtige Rolle nahmen in dieser Zeitepoche große Pilgerwege nach Rom und insbesondere Santiago de Compostela ein. Ihr Beginn lag bei Hamburg und entlang der Hansestraße nach Riga. Sie führten über Köln, Trier und Paris nach Süden. Zu den Hauptrouten existierten Seitenäste. Kapellen, Kreuze, große Kirchen, Münster, Basilika und Gasthäuser sind noch heute entlang der Routen nachweisbar und zu Teilen vorhanden. Sie belegen die Bedeutung dieser Wege für die Entwicklung von Siedlungen, Infrastruktur und Verkehrswegen, auch unabhängig von Handel und militärischen Beziehungen.

Mit dem Erstarken der feudalen Herrschaft wuchs der Bedarf an Gütern und Waren. An den Kreuzungspunkten der neuen Handelswege, an Furten und Königsburgen wuchsen Siedlungen heran.

Ab etwa 1000 nach Christus entwickelten sich die ersten Städte im mittelalterlichen Sinne. Die sehr eng bebauten und nahezu kreisförmigen Städte waren zu ihrem Schutze von Stadtmauern und Wällen umgeben. Die Stadtausdehnung wurde durch das Erfordernis der fußläufigen Erschließung bestimmt. Auch die Versorgung mit Lebensmittel und Güter aus dem Umland beschränkte die Größe der Städte. Die größten Städte erreichten Einwohnerzahlen von 20 000 bis 30 000 Menschen. Markt, Kirche, Gasthaus und Rathaus bildeten das Zentrum. Von dort verliefen die Hauptstraßen radial gerichtet durch die Tore der Stadtmauer in das Umland.

Der allgemein schlechte Zustand der Verkehrswege sowie die geringen Reichweiten und Transportkapazitäten begrenzten noch über lange Zeit die Möglichkeiten zur Versorgung der Stadtbevölkerung aus dem Umland. Große Städte, wie wir sie heute kennen, waren im Mittelalter nicht möglich.

Wesentliche Verbesserungen der Straßeninfrastruktur erfolgten erst mit der Erhebung von Wegezöllen. Damit wurde ein Teil der Einkünfte in den Straßenbau und in die Straßenerhaltung investiert.

1520 richtete Kaiser Maximilian I. mit der Generalpostmeisterei das erste Angebot im öffentlichen Verkehr ein. Er errichtete ein regelmäßig und zuverlässig verkehrendes gewerbliches Angebot. Innerhalb des weiteren habsburgischen Besitzes entstand ein dichtes Netz von Poststationen, auf dem ab 1560 auch privater Postverkehr abgewickelt wurde. 1597 erklärte Rudolf II. das Postwesen zum kaiserlichen Hoheitsrecht. Das sogenannte Postregal beinhaltet das Alleinrecht des Staates, Posteinrichtungen zu gründen und zu betreiben. Unter dem Namen der Reichspostmeisterfamilien Taxis, die sich 1650 in Thurn und Taxis unbenannten, entstand im gesamten Kaiserreich ein regelmäßig verkehrendes Post- und Transportsystem, für dessen Nutzung Gebühren erhoben wurden. Aus dem an den Reichspostmeister verliehenen Postregal entwickelten sich Liniengenehmigungen und Konzessionen bis hin zu den heute geltenden Personenbeförderungsgesetzen der Länder. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Reisehandbücher, aus denen sich die ersten Straßenkarten entwickelten (Abbildung 4).

Abbildung 4: Europäische Postkurse 1563 nach dem Reisebuch des Giovanni da L'Herba, Karte von Joseph Rübsam, Thurn-und-Taxis-Archiv Regensburg

Neuzeit

Im 18. Jahrhundert erschwerte noch die Zersplitterung des Heiligen Römischen Reiches die Entstehung eines durchgängigen und hochwertigen Verkehrsnetzes. Durch die Zerschneidung der Verbindungen bestanden durch zahlreiche Grenzen und Zollschranken negative Auswirkungen auf den Handel und Warentransport. Dennoch kam es im Bereich des Straßenbaus zu Neuentwicklungen.

Zunächst waren es in erster Linie französische Ingenieure der École nationale des ponts et chaussées, wie etwa Daniel-Charles Trudaine (*1703-†1769), Pierre Marie Jérôme Trésaguet (*1716-†1796) oder Hubert Gautier (*1660-†1737), die Untersuchungen durchführten. Sie stellten fest, dass die Dauerhaftigkeit von Straßen unmittelbar mit der Tragfähigkeit des Unterbaus und mit der Dichtigkeit der Deckschicht zusammenhängt. Die Straßenentwässerung wurde weiterentwickelt.

Der Schotte John Loudon McAdam (*1756-†1836) entwickelte eine Schotterbauweise (Makadam), deren Kornaufbau von unten nach oben hin feiner wurde. Sein Landsmann Thomas Telford (*1757-†1834) befasste sich mit der Querneigung und Linienführung von Straßen.

Ende des 18. Jahrhunderts verloren die Fürsten ihre dominierende Stellung. Angeregt vom französischen Vorbild entstanden im deutschsprachigen Raum Kunststraßen und Chausseen. 1791 wurde Hanns Moritz Christian Maximilian Clemens Graf Brühl (*1746-†1811) zum preußischen Chausseebauintendanten ernannt. Er stand der ersten preußischen Straßenbaubehörde vor. Es begann der planmäßige und flächendeckende Ausbau von neuzeitlichen Straßen in Preußen.

Industrialisierung

Mit Anbruch des Zeitalters der Industrialisierung im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert veränderten sich die Stadtstrukturen. Die Agrarproduktion trat hinter der industriellen Produktion in den Hintergrund. Vor allem in Städten und Revieren entstanden neue Industrieanlagen.

1834 erfolgte die Gründung des Deutschen Zollvereins. Die Handelshemmnisse der kleinstaatlichen Strukturen wurden beseitigt und ein großer zusammenhängender Markt gebildet, der die industrielle Entwicklung ungemein förderte. Die Folge war eine zunehmende Urbanisierung bis hin zur verstädterten Gesellschaft.

Die zunehmende Urbanisierung stellte die wachsenden Städte vor hygienische Herausforderungen. Dem Anspruch nach einer angemessenen Erschließung bei rasch zunehmendem Verkehr musste ebenfalls entsprochen werden. Dies führte zur Pflasterung von Straßen, die Einrichtung von Straßenbeleuchtungen, Anlage von Gehwegen, die durch Borde von der Fahrbahn abgetrennt waren, Anlage von Ver- und Entsorgungsleitungen im Straßenraum und die Entwicklung erster Massenverkehrsmittel.

Entwicklung der modernen Kanalisation

Die Abwasserbeseitigung und Errichtung von Entwässerungsanlagen sind heute eng mit dem Straßenbau verbunden. Erste Entwicklungen gehen auf das Altertum zurück: Archäologen entdeckten in Mohenjo-Daro, nahe dem Fluss Indus in Pakistan, ein 4 000 Jahre altes gemauertes Entwässerungssystem. Auf 3000 vor Christus gehen Entwässerungskanäle im Euphrattal zurück. Die Römer bauten die ersten Schwemmkanalisationen. Meistens handelte es sich dabei um offene Gerinne. Wegen des hohen Bauaufwandes waren Abwasserrohre selten.

Im frühen Mittelalter ging das Wissen um die hygienische Bedeutung einer geordneten Abwasserentsorgung weitgehend verloren. In der Folge kam es bei stark wachsender Bevölkerung über Jahrhunderte zu verheerenden Cholera-Epidemien. 1739 war Wien als erste Stadt Europas vollständig kanalisiert.

Das Londoner Abwassersystem - Entwicklung des Eiprofils

Im Laufe des 19. Jahrhunderts vervielfachte sich die Bevölkerung in London. Große hygienische Probleme bestanden ab den 1840er-Jahren: Immer mehr Abwässer gelangten in die Themse oder wurden über Sickergruben entsorgt. Wiederholt traten große Cholera-Epidemien auf, die viele Opfer forderten. Zu dieser Zeit war nicht bekannt, dass die Cholera durch verseuchtes Grundwasser verursacht wurde. Stattdessen machten die meisten Experten das sogenannte Miasma dafür verantwortlich - ein übel riechender Dunst.

Nachdem durch mehrere Cholera-Epidemien über 30 000 Einwohner Londons verstarben, wurde Joseph Bazalgette (*1819-†1891) im Jahre 1856 zum Chefingenieur des Metropolitan Board of Works berufen. Unterstützt wurde er durch seinen Kollegen Isambard Kingdom Brunel (*1806-†1859). Sein Plan war, ein 135 km langes Kanalnetz zu errichten, um die jährlich mehr als 140 Milliarden Liter Abwasser östlich von London abzuleiten. Dafür entwickelte er das noch heute bei Kanalisationen verwendete und bewährte Eiprofil.

Das Projekt brachte Bazalgette immer wieder an die Grenzen seiner Ausdauer und Belastbarkeit. Der Baubeginn wurde durch das Parlament wegen finanzieller Bedenken verzögert. Die Parlamentarier ließen Bazalgette sein Konzept fünfmal überarbeiten und wiesen es jedes Mal aufs Neue zurück. Erst als im ungewöhnlich heißen Sommer des Jahres 1858 der „Große Gestank“ (engl. „Great Stink“) die Stadt heimsuchte und die Parlamentarier die Flucht ergriffen, wurde der Bau einer Kanalisation beschlossen und drei Millionen Pfund dafür bereitgestellt. Der Beschluss erfolgte jedoch nicht umgehend. Das Parlament hegte weiterhin Bedenken gegen das Projekt. Deshalb setzte es nach dem „Großen Gestank“ eine Expertenkommission ein, um der Ursache auf den Grund zu gehen. Erst als die Experten das Abwasser als Ursache feststellten, sah sich das Parlament genötigt zu handeln.

Abbildung 5: Eiprofil. Original Konstruktionsskizze zum Londoner Abwassersystem von Joseph Bazalgette, erstellt 1854

Das Londoner Abwassersystem wurde schnell zu einem der größten und wichtigsten städtebaulichen Projekte Europas im 19. Jahrhundert. Der Bau gestaltete sich als schwierig. Immer wieder wurden Schächte der damals schon bestehenden Londoner U-Bahn tangiert und führten

zu Einsturz oder Wassereinbruch. Während des Baus gab es Streiks, die den Bau verzögerten und das Budget stark belasteten. Zudem führte ein Teil der Trasse an einem Truppenübungsplatz der königlichen Artilleristen vorbei, wobei es immer wieder zu Beschuss kam. Eine Gasexplosion forderte ein Todesopfer. Zeitweilig wurden sechs Arbeiter verschüttet, wovon drei lebend und zwei tot geborgen wurden. Einer blieb vermisst. Weniger als zehn Unfälle ereigneten sich während der gesamten Bauzeit, was für diese Epoche gering war. Wegen der zahlreichen Probleme wurde Bazalgette von der Presse verhöhnt. Dies endete erst, als er Pressevertreter zu einem Tunneldurchbruch einlud, der so exakt erfolgte, dass durchweg lobende Worte folgten.

Das Londoner Abwassersystem wurde 1865 vom Prinzen von Wales eingeweiht, obwohl es erst zehn Jahre später vollständig fertiggestellt wurde. Nach der Fertigstellung des Londoner Abwassersystems hatten alle Londoner sauberes Trinkwasser. Dadurch sank die Sterberate rapide. Fortan wurde London nur noch einmal von einer Cholera-Epidemie heimgesucht - nach dem ein Sturm das flussabwärts in die Themse eingeleitete Abwasser zurück in die Stadt drängte. Bazalgette wurde 1875 zum Ritter geschlagen und 1888 zum Präsidenten der Tiefbauingenieurinstitution gewählt. Bazalgettes Abwassersystem ist noch heute in Betrieb.

Zunehmende Verstädterung

Mit der zunehmenden Verstädterung und Entwicklung der Industrie nahm im 19. Jahrhundert der Verkehr erheblich zu. Mit der Bildung von Pendlerströmen und der Zurücklegung längerer Wege stieg das Bedürfnis nach bequemeren und schnelleren Fortbewegungsmitteln. Innerhalb weniger Jahre revolutionierten Erfindungen und Entwicklungen die Möglichkeiten zur Personenbeförderung und zum Gütertransport. Dampfkraft, Elektrizität und Verbrennungsmotor ermöglichten leistungsfähige Verkehrsmittel, die eine arbeitsteilige und räumlich differenzierte Wirtschaftsstruktur erlaubte. Sie prägen die gesellschaftliche Entwicklung bis heute.

Für die breite Bevölkerung standen im 19. Jahrhundert weiterhin zunächst nur die bis dahin üblichen Verkehrsmittel zur Verfügung, bis 1817 Freiherr Karl von Drais (*1785-†1851) das Laufrad entwickelte. Die erste Fahrt unternahm er von Mannheim nach Schwetzingen.

Zeitalter der Eisenbahn

Der Ursprung der Industrialisierung war die Weiterentwicklung der Dampfmaschine durch den schottischen Erfinder James Watt (*1736-†1819). Er verbesserte den Wirkungsgrad der von Thomas Newcomen (*1663-†1729) erfundene atmosphärischen Dampfmaschine, die wiederum auf der von Thomas Savery (*1650-†1715) erfundene Dampfmaschine basierte, die auf die Kolben-Dampfpumpe von Denis Papin (*1647-†1712) zurückging. Watt erhielt 1769 für seine Weiterentwicklung der Dampfmaschine ein Patent. Nach den Verbesserungen des Wirkungsgrades lohnte es sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts, Dampfmaschinen in der wachsenden Textilindustrie zum Antrieb von Textilmaschinen einzusetzen. Schnell verbreitete sich die neue Technik in weiteren Industriebranchen, wo sie Wasser- und Windmühlen ergänzte. Die verbesserte Dampfmaschine von Watt bildete ebenfalls eine der Grundlagen für das moderne Eisenbahnwesen.

Im 19. Jahrhundert stand der Ausbau des Eisenbahnwesens im Vordergrund. Die Ursprünge der Eisenbahn gehen schon auf 1530 zurück. Damals fuhren Hunte und Güterloren über hölzerne Gleise. Erhebliche Fortschritte erlebte die Eisenbahn jedoch erst 1804, als der Engländer Richard Trevithick (*1771-†1833) die erste funktionsfähige Dampflokomotive in Betrieb nahm. Seine Maschine lief jedoch noch auf Rädern ohne Spurkränze und scheiterte daran, dass sie an den gusseisernen Schienen der ursprünglichen Pferdebahn angepasst war.

Zwar gab es schon im 18. Jahrhundert Neuentwicklungen bei Lokomotiven. Diese blieben jedoch erfolglos. Ursprünglich sollten Lokomotiven mit Reifen auf Straßen fahren. Dies scheiterte an dem schlechten Zustand der damaligen Straßen. Zu gewissen Jahreszeiten versumpfte manche Straße regelrecht. Ein Durchkommen war schon mit Fuhrwerken und Pferdegespannen mühsam, von schweren und breiten Lokomotiven ganz zu schweigen. Aus diesem Grund fiel die Entscheidung später auf Schienen. Da sich die ursprünglichen Schienen aus Holz schnell abnutzten, wurden eiserne Schienen entwickelt und eingesetzt.

1814 baute der englische Ingenieur George Stephenson (*1781-†1848) die erste Dampflokomotive, die über lange Zeit als die erste brauchbare Lokomotive galt. Stephenson erfand zwar nicht die Dampflokomotive, war aber der erfolgreichste Eisenbahnpionier des beginnenden 19. Jahrhunderts.

Unter der Leitung von Stephenson eröffnete 1825 in England die erste öffentliche Eisenbahn. Sie verkehrte zwischen Stockton und Shildon und beförderte neben Gütern erstmals Personen. Die neue Technik stieß zunächst auf Ablehnung. Kritiker befürchteten eine Gefahr für Leib und Leben. In Flugblättern machten sie darauf aufmerksam: Sie verteufelten die neue Technik und stellten zeichnerisch explodierende Züge und zerfetzte Personen dar.

Abbildung 6: Lokomotive von Richard Trevithick 1802. Gravur von 1958 aus dem Wissenschaftsmuseum. Zur Veröffentlichung freigegeben durch The British Railway Locomotive, H.M.S.O.

Abbildung 7: Links: „The Rocket“ von Stephenson, Science Museum, London (Bild: William M. Connolley/Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0); Rechts: Das legendäre Rennen von Rainhill, Illustration in The Illustrated London News etwa 1829. Im Vordergrund „The Rocket“, im Hintergrund die „Sans Pareil“ (rechts) und „Novelty“ (links).

Der Bau der Liverpool-Manchester-Eisenbahn 1830 begründete Stephensons Ruf endgültig. William James (*1771-†1837) und später Robert Stephenson (*1803-†1859), der Sohn von George Stephenson, unternahmen ab 1822 erste Vermessungen. Der Widerstand der Grundbesitzer war immens. Teilweise mussten die Vermessungen heimlich in der Nacht durchgeführt werden. Es kam zu Handgreiflichkeiten und Auseinandersetzungen. Die Arbeit wies dadurch Mängel auf. Robert Stephenson gründete 1823 ein eigenes Unternehmen, um Dampfmaschinen zu produzieren, und unternahm anschließend eine Geschäftsreise nach Südamerika, um seine Produkte zu bewerben. James musste Insolvenz anmelden.

1824 wurde ein erster Prospekt für die Liverpool-Manchester Eisenbahn veröffentlicht, mit dem für das Vorhaben geworben und die Idee verbreitet werden sollte. Die Liverpool and Manchester Railway Gesellschaft ernannte 1824 George Stephenson zum neuen Ingenieur. Stephenson überließ jedoch wegen Arbeitsüberlastung einem Angestellten die Überprüfung der Vermessungen. 1824 beriet das englische Parlament die Gesetzesvorlage zum Bau der Strecke. Es stellte sich heraus, dass George Stephenson, als er den Bahnbau im Parlamentsausschuss vertreten sollte, den juristisch vorgebildeten und ihm rhetorisch überlegenen Abgeordneten nicht gewachsen war. Es entstand der Eindruck, dass die der Gesetzesvorlage zugrunde liegenden Berechnungen ungenau waren. Der Widerstand im Parlament war erheblich. Die Mehrheit der Abgeordneten konnte sich nicht vorstellen, dass eine Eisenbahn dieser Dimension funktionieren könnte. So kam der Gesetzentwurf innerhalb von zehn Wochen 38 Mal auf die Tagesordnung des Parlamentsausschusses und drohte schließlich im Plenum zu scheitern, worauf die Abgeordneten, die den Entwurf eingebracht hatten, ihn zurückzogen. Anstelle von Stephenson, dessen Ruf durch die parlamentarische Niederlage gelitten hatte, ernannte die Gesellschaft George und John Rennie als neue Ingenieure. Diese engagierten Charles Vignoles (*1793-†1875) als Vermesser. Dieser vertrat auch die geänderten Pläne vor dem Ausschuss, als der zweite Gesetzentwurf im Parlament eingebracht wurde. Der zweite Gesetzentwurf erhielt die Zustimmung des Parlaments und wurde am 5. Mai 1826 von König Georg IV. unterzeichnet. Die genehmigte Strecke wich den Grundstücken der Gegner der ersten Planung weitestgehend aus. Da die Rennies inakzeptable Forderungen stellten und die parlamentarische Hürde genommen war, wurde erneut George Stephenson zum verantwortlichen Ingenieur ernannt. Er leitete die Bauarbeiten. Am 15. September 1830 wurde die 56,327 km lange Strecke eröffnet.

Abbildung 8: Entwurf zu einem deutschen Eisenbahnsystem aus dem Jahre 1833 von Friedrich List (1789-1846), Illustration von Robert Krause, Leipzig 1887: links unten Basel, rechts daneben der Bodensee mit Lindau, oben rechts Danzig.

„The Rocket“

Beim berühmten Rennen von Rainhill für die beste und schnellste Lokomotive dieser Bahn, welche ihr dreifaches Gewicht mit zehn englischen Meilen Geschwindigkeit in der Stunde ziehen sollte, ohne Rauch zu erzeugen, errang „The Rocket“ von George Stephenson und seinem aus Südamerika zurückgekehrten Sohn Robert den Preis, indem sie ihr fünffaches Gewicht zog, 14 bis 20 englische Meilen in der Stunde zurücklegte und damit die gestellten Bedingungen weit übertraf. Von da an leitete Stephenson den Bau der bedeutendsten Eisenbahnen in England, baute Maschinen für dieselben und wurde zu gleichem Zweck nach Belgien, Holland, Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien berufen.

Anfänge des Eisenbahnwesens in Deutschland

1833 erschien eine programmatische Schrift zum Aufbau eines Eisenbahnnetzes im Deutschen Bund. Die erste Eisenbahn mit Lokomotivbetrieb nahm 1835 den Betrieb auf. Sie verkehrte mit einer Streckenlänge von sechs Kilometern zwischen Nürnberg und Fürth. In den folgenden Jahren entstanden zahlreiche neue Eisenbahnstrecken, die im erreichten Endzustand ein dichtes Netz bildeten. Ein einheitliches und durchdachtes Schienennetz entstand anfänglich jedoch nicht, da die Eigeninteressen der deutschen Kleinstaaten großräumige Eisenbahnprojekte verhinderten. 1920 wurde die Deutsche Reichsbahn gegründet. Das Eisenbahnnetz erreichte zu dieser Zeit seine größte Ausdehnung und umfasste eine Streckenlänge von 57 650 Kilometer.

Rückgang der Bedeutung von Straße und Wasserstraße

Der Transport per Eisenbahn war wesentlich komfortabler und schneller, sodass im gleichen Zuge vor allem Straßen und auch Wasserstraßen an Bedeutung verloren. Während der Verkehr auf der Straße und Wasserstraße zurückging, nahm er auf der Eisenbahn erheblich zu.

Planung eines württembergischen Wasserstraßennetzes

Im 19. Jahrhundert kamen erste Pläne für den Bau eines Donau-Bodensee-Kanals auf. Er sollte von Ulm an der Donau über Biberach an der Riß und Ravensburg nach Friedrichshafen verlaufen. Diese Pläne wurden mit dem Erstarken der Eisenbahn zunächst zurückgestellt. Die gedankliche Idee eines Wasserstraßennetzes quer über die Schwäbische Alb, ausgehend von Mannheim über Plochingen nach Ulm und weiter zum Bodensee, hatte Friedrich Wilhelm Karl von Württemberg (*1754-†1816). Er war ab 1797 als Friedrich II. Herzog, von 1803 bis 1806 Kurfürst und von 1806 bis 1816 als Friedrich I. der erste König von Württemberg. 1802 ließ er drei Entwürfe erstellen.

Ähnliche Pläne verfolgte der württembergische Generalleutnant Ferdinand Freiherr von Varnbüler (*1774-†1830), der eine Schiffsverbindung vom Rhein und Neckar über die Flüsse Rems, Kocher und Brenz bis hin zur Donau wollte. Die Pläne kamen wegen der napoleonischen Kriege nicht zur Ausführung.

Dreißig Jahre später griff König Wilhelm I. (*1781-†1864) die Planung eines Wasserstraßennetzes wieder auf und veranlasste entsprechende Studien. Da nun das ganze Land mit Kanälen durchzogen werden sollte, wurde eine Kommission mit den näheren Untersuchungen betraut. 1834 legte die Kommission ihren Bericht vor. Sie bezeichnete „eine Eisenbahn als dasjenige Kommunikationsmittel höherer Ordnung, auf welches im Interesse der Verbindung des Neckars mit der Donau und dem Bodensee zunächst Bedacht zu nehmen sein dürfte.“ Für die Eisenbahn schlug die Kommission die Täler der Rems, des Kocher, der Brenz und von da an der Donau aufwärts nach Ulm vor. Weiter sollte sie von der Donau durch die Täler der Riß und der Schussen nach Friedrichshafen führen.

Da zu dieser Zeit in Württemberg der Eisenbahn das gesamte Interesse galt, wurden die Kanalpläne zurückgestellt, jedoch nicht aufgegeben. Thematisiert und gedanklich zu Papier brachte später der Südwestdeutsche Kanalverein die Pläne. Zur Umsetzung wurde 1921 der Neckar-Donau-Staatsvertrag zwischen dem Deutschen Reich, Baden, Hessen und Württemberg zur Schaffung eines Kraft-Wasserstraßen-Unternehmens abgeschlossen. Der Staatsvertrag sah drei Wasserstraßen vor: (1) Mannheim - Plochingen (Neckar), (2) Plochingen - Geislingen (Fils) und (3) Geislingen - Ulm (Überlandstrecke). Von 1938 bis 1940 plante Otto Konz (*1875-†1965) die Trasse des „Süddeutschen Mittellandkanals“. Für einen Kanal von Plochingen nach Ulm über die Schwäbische Alb (Neckar-Donau-Kanal) plante er zwei über zwei Kilometer lange Schiffshebewerke sowie drei Tunnel, die zum Teil eine Länge von über zwölf Kilometer aufwiesen. Die Pläne enthielten außerdem Geländeeinschnitte, Dämme und Felseinschnitte. Doch am 11. Mai 1938 verkündete ein Gesetz, dass stattdessen ein Kanal zur Verbindung des Mains und der Donau zu bauen sei. Die Pläne scheiterten endgültig in den Siebzigerjahren. Noch bis in die Siebzigerjahre waren die Filstalgemeinden angehalten die Trasse freizuhalten. Ähnlich sah es beim Donau-Bodensee-Kanal aus, wobei die Trasse bei Biberach/Riß zuerst verbaut wurde - durch die Dr. Karl Thomae GmbH (heute Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG). Eisenbahnstrecken ersetzten schließlich die Wasserstraßenpläne. Teilweise wurden die Freihaltetrassen einer anderen Nutzung zugeführt. So verläuft heute etwa bei Ravensburg die B 30 neu auf der ursprünglich für den Donau-Bodensee-Kanal vorgesehenen Trasse.

Entwicklung des Automobils

1883 gründete Carl Benz die Firma Benz & Co. Rheinische Gasmotorenfabrik, aus der die Motoren Werke Mannheim AG (heute Caterpillar Energy Solutions GmbH) und die Mercedes-Benz AG hervorgingen. Er ließ sein „Fahrzeug mit Gasmotorbetrieb“ patentieren und unternahm am 3. Juli 1886 die erste Testfahrt. Zwei Jahre später unternahm Bertha Benz die erste Überlandfahrt nach Pforzheim mit dem „Patent-Motorwagen“.

Beginn der Individualmotorisierung

Ende des 19. Jahrhunderts nahm mit dem Aufkommen von Kraftfahrzeugen die Bedeutung der Eisenbahn allmählich ab. Kraftfahrzeuge ermöglichten eine flexible, bequemere und schnellere Fortbewegung von Personen sowie einen flexibleren und schnelleren Transport von Gütern. Zunächst waren Kraftfahrzeuge nur für wenige Personen erschwinglich.

Mit zunehmender Motorisierung sah sich das Deutsche Kaiserreich genötigt, das Verkehrswesen in die Hand zu nehmen. Am 3. Mai 1909 regelte der „Erlass über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen„1, dass das Verkehrsrecht auf das Deutsch Reich überging. Bis dahin war das Verkehrsrecht Ländersache mit Einzelregelungen durch örtliche Polizeivorschriften, Oberpräsidialverordnungen oder Ministererlasse der Länder.

Die Entwicklung des Automobils schritt schnell voran: Bereits im Jahr 1900 wurden in den USA über 4 000 Automobile mit verschiedenen Antriebsarten gebaut. 1913 begann Henry Ford (*1863-†1947) die Fließbandproduktion und damit die Massenfertigung erschwinglicher Automobile. Im Deutschen Reich wurden Automobile aber erst in den Dreißigerjahren erschwinglicher.

1906 betrug der Kfz-Bestand im Deutschen Kaiserreich rd. 10 000 Pkw und rd. 16 000 motorisierte Zweiräder. 1935 waren im Dritten Reich bereits rd. 441 000 Pkw und rd. 569 000 motorisierte Zweiräder registriert. Bemerkenswert ist die hohe Zunahme vor dem Hintergrund, dass ein Pkw in den Dreißigerjahren zunächst noch zwischen 2 500 und 4 500 Reichsmark kostete und monatliche Unterhaltskosten von mindestens 67,65 Reichsmark dazukamen. Das durchschnittliche Jahreseinkommen einer vierköpfigen Arbeiterfamilie betrug jedoch nur 2 300 Reichsmark. Ein Pkw war damit für die meisten Bürger unerschwinglich.

Der zunehmende Absatz von Pkw wurde von den Investitionsentscheidungen angetrieben, die General Motors (GM) in Detroit (USA) getroffen hatte. Das Opel-Werk in Rüsselsheim war 1929 von GM übernommen und auf den neuesten Stand der Technik gebracht worden. Opel übernahm die Führung bei der Preispolitik und senkte den Preis für sein P4-Modell auf außergewöhnlich günstige 1 400 Reichsmark. Doch auch zu diesem Preis waren Pkw nur für wenige Bürger erschwinglich. Die vollständige Motorisierung der Gesellschaft würde warten müssen.

Förderung der Motorisierung durch das NS-Regime

Um die Motorisierung zu fördern, verkündete im April 1933 das NS-Regime, dass alle neu erworbenen Automobile von der Kfz-Steuer befreit seien. Die Kfz-Steuer des Dritten Reichs zählte bis dahin zu der höchsten in ganz Europa. Reichskanzler Adolf Hitler ging die Entwicklung nicht schnell genug und kündigte am 7. März 1934 ein staatliches Benzinprogramm an sowie die Absicht, ein Auto für das Volk bauen zu lassen, das nicht mehr als 1 000 Reichsmark kosten sollte.

Die Ankündigungen Hitlers sorgten für einen Aufschrei in der Presse. Daimler-Benz und die Auto Union sahen sich genötigt, wenigstens mit den Verhandlungen über das Volkswagenprojekt zu beginnen. Sie kamen mit dem Reichsverband der Automobilindustrie überein, eine

Forschungsgruppe unter der Leitung von Ferdinand Porsche einzusetzen. Der KdF-Wagen wurde zum wichtigsten Projekt der NS-Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF). Das Automobil sollte nur 990 Reichsmark kosten. Porsche wusste, dass die Rechnung nicht aufgehen konnte. Mehrfach hatte er Kalkulationen an die Reichskanzlei geschickt, laut denen ein technisch ausgereifter Volkswagen 1 500 Reichsmark, mindestens aber 1 250 Reichsmark kosten müsste. Doch Hitler hatte sich auf einen Preis von maximal 1 000 Reichsmark festgelegt. Porsche, der gute Beziehungen zu Hitler pflegte, rechnete schließlich die Zahlen schön und schenkte dem Diktator 1939 zum Geburtstag ein Cabrio2.

Im Juli 1936 begann das Volkswagenprojekt endgültig zu entgleisen. Nach einer erfolgreichen Vorführung des Prototyps am 11. Juli 1936 am Obersalzberg entschied Hitler, dass Porsches KdF-Wagen in keiner existierenden Automobilfabrik, sondern in einem eigens für 80 bis 90 Millionen Reichsmark zu errichtendem Werk gebaut werden sollte. Auch diese Kalkulationen beruhten auf falschen Berechnungen. 1938 wurde mit dem Bau des Volkswagen-Werks bei Fallersleben am Mittellandkanal (heute ein Stadtteil von Wolfsburg) begonnen. Allein die Kosten für den Bau des ersten Werkteils mit einer Jahreskapazität von 450 000 Pkw wurde nun mit 200 Millionen Reichsmark veranschlagt. In der dritten und letzten Bauphase sollte das Werk auf eine Kapazität von 1,5 Millionen Pkw jährlich erweitert und zum größten Automobilwerk der Welt ausgebaut werden.

Ungeklärt blieb weiterhin, wie der Volkswagen zu dem angestrebten niedrigen Preis von nicht mehr als 1 000 Reichsmark produziert und der Werksaufbau finanziert werden sollte.

Die ersten 50 Millionen Reichsmark wurden durch den Verkauf von Bürohäusern und anderen beschlagnahmten Gewerkschaftsvermögen finanziert. Weitere 100 Millionen Reichsmark wurden durch eine Überlastung der DAF-Hausbank und DAF-Versicherungsgesellschaft aufgebracht. Zudem sollten die künftigen Besitzer eines Volkswagens zur Vorfinanzierung gebeten werden.

Zum Erwerb eines Volkswagens wurde ein Sparsystem (Volkswagen-Sparen) eingeführt. Wöchentlich mussten zukünftige Volkswagenbesitzer mindestens fünf Reichsmark auf einem DAF-Konto bei der Bank der Deutschen Arbeit oder Commerzbank ansparen. Hierfür erhielten sie Sparmarken. Hatte das Konto 750 Reichsmark erreicht, war der Sparer zum Erwerb eines Volkswagens berechtigt. Das angesparte Guthaben wurde nicht verzinst. Die DAF strich dagegen 130 Reichsmark pro Wagen ein. Zusätzlich musste jeder Käufer eine Versicherung mit zweijähriger Laufzeit im Wert von 200 Reichsmark abschließen und sollte 60 Reichsmark Transportkosten aufbringen. Der Ansparvertrag war nicht übertragbar, außer im Falle des Todes. Wer vom Vertrag zurücktreten wollte, hatte üblicherweise kein Recht auf Rückerstattung der angesparten Summe. Später wurden diese Bestimmungen gelockert, bei Kündigung wurde jedoch von den eingezahlten Beiträgen eine Gebühr von 20 Prozent einbehalten. Bemerkenswerterweise sollen bis 1944 trotz dieser Bedingungen 336 638 Sparverträge abgeschlossen worden sein. Insgesamt wurden rund 268 Millionen Reichsmark eingezahlt. Die DAF strich zudem rund 43,8 Millionen Reichsmark an Zinsen ein.

Zur Auslieferung eines Volkswagens kam es dennoch nicht. 1939 wurden die produzierten Wagen für staatliche Zwecke reserviert. Statt des KdF-Wagens fertigte das errichtete Werk den „Kübelwagen“ Typ 82, „Kommandeurwagen“ Typ 87 mit Allradantrieb und „Schwimmwagen“ Typ 166 für militärische Zwecke. Daneben wurden Teile für Flugzeuge und die „Vergeltungswaffe“ V1 gefertigt. Keiner der KdF-Sparer erhielt auch nur ein privates Fahrzeug. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde den Sparern erklärt, dass ihre Anrechtsscheine wertlos seien.

Einige Sparer versuchten ab 1948 ihre Ansprüche mit juristischen Mitteln durchzusetzen. Da Volkswagen jedoch nie in Besitz der Gelder gelangt war, endete der Prozess 1961 mit dem Angebot der Volkswagen AG, den KdF-Sparern einen Rabatt von 600 Deutsche Mark beim Kauf eines Fahrzeuges zu gewähren, was jedoch nur knapp einem Sechstel des Neupreises entsprach. Wer keinen neuen Wagen wollte, erhielt lediglich bis zu 100 Deutsche Mark ausbezahlt.

Entwicklung moderner Teer- und Asphaltstraßen

Mit der Zunahme des Verkehrs und der Radlast stiegen die Ansprüche an die Straßenbefestigungen. Besonders problematisch war die zunehmende Staubentwicklung.

Die von McAdam begründete Straßenbauweise (Makadam-Bauweise) war einfach und kostengünstig herzustellen, brachte aber unter anderem den Nachteil der Staubentwicklung mit sich. Mit dem Aufkommen des motorisierten Verkehrs trat eine erhebliche Verschlimmerung des Problems ein. Aufgrund der höheren Fahrgeschwindigkeiten und der damit verbundenen Sogwirkung unterhalb des Fahrzeuges wurde noch mehr Staub aufgewirbelt. Dies führte sowohl zu einer massiven Belästigung, vor allem in den Städten, als auch zu einer Ausmagerung von Makadam-Straßen. Zur Abhilfe wurden Straßenoberflächen zunächst mit Sprengwagen befeuchtet. Die Wirkung war naturgemäß von kurzer Dauer. Später wurden hygroskopische Salze beigegeben, die eine Krustenbildung an der Straßenoberfläche herbeiführten. Dadurch verlängerte sich zwar die Wirkungsdauer, jedoch stiegen die Kosten.

Abbildung 9: Automatischer Sprengwagen, Abbildung aus Kortz, Paul, ed. (Deutsch) (1905) Wien am Anfang des XX. Jahrhunderts - Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung

Teer

Bei Teer im Straßenbau handelt es sich meist um Braunkohlen- oder Steinkohlenteer. Daneben existieren weitere Arten. Braunkohlenteer ist eine braune bis schwarzbraune, feste Masse. Er entsteht als wichtigstes Produkt bei der Schwelung von Braunkohle oder Braunkohlenbriketts. Bei Straßenbauten früherer Zeit kamen außerdem Peche zum Einsatz. Dabei handelte es sich um Rückstände aus der Destillation von Teeren. Daraus wurden Straßenbaubindemittel hergestellt.

Teerstraßen

Teer wurde im Straßenbau erstmals 1832 als Straßenbelag eingesetzt. In mehreren Distrikten von Gloucestershire in England wurden teerumhüllte Steine als Straßenbelag eingebaut. Den großen Durchbruch erlebten Teerstraßen jedoch erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Pionierarbeit leistete der Schweizer Ernest Guglielminetti (*1862-†1943). Guglielminetti arbeitete als Arzt auf Java und Borneo und lernte dort die Gebäudeabdichtung mittels Teer kennen. Als er eines Tages auf einer Straße unterwegs war, fiel ihm ein Behältnis mit Teer zu Boden. Er entdeckte die staubbindende Wirkung. 1901 gründete er die „Liga gegen den Staub“ (Ligue contre la poussière). Als Arzt in Monaco ließ er 1902 zur Staubbekämpfung eine Straße auf 40 Metern mit heißem Teer bestreichen. Dieses Verfahren war zur Staubfreimachung so erfolgreich, dass es schnell in vielen weiteren Ländern angewandt wurde.

Fortschritte hinsichtlich der Herstellung von Teerstraßen zeichneten sich zugleich in der Schweiz ab: Heinrich Aeberli, Straßenaufseher des Kantons Zürich, konnte sich nicht damit abfinden, dass für die Tragschicht der Straßen Hartschotter importiert werden musste. Er suchte nach einer Lösung, Schotterschichten so zu binden, dass sie weiterverwendet werden konnten. Gemeinsam mit der Langenthaler Firma Ammann entwickelte Aeberli die erste kontinuierlich arbeitende Makadam-Maschine zum Mischen von Kies und Teer. Sie wurde 1908 patentiert. Mit patentierten Ammann-Mischanlagen wurde im In- und Ausland noch vor dem Ersten Weltkrieg Mischgut für viele Straßendecken verlegt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Teer durch Mischungen mit Bitumen weitgehend ersetzt. Aus Makadam entwickelte sich Asphalt für Trag- und Deckschichten. Das Unternehmen entwickelte sich rasant: Bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts wuchs Ammann zu einem weltweit führenden Anbieter von Mischanlagen, Maschinen und Dienstleistungen für die Bauindustrie mit Kernkompetenz im Straßenbau und der Verkehrsinfrastruktur.

1905 übernahm der deutsche Apotheker Kurt Friedrich Georg Lüer (*1863-†1946) das Teer-Makadam-Verfahren. Er baute nach dem Verfahren des Schweizers Heinrich Aeberli ab 1906 bis 1914 Straßenbeläge mit Rohteer an mehreren Orten des Deutschen Kaiserreiches. Mit bescheidenen Mitteln entwickelte Lüer später einen für den Straßenbau geeigneten Teer und die für dessen Verlegung zugehörigen Maschinen. In diesem Zusammenhang gründete Lüer am 13. Mai 1918 die Gesellschaft für Teerstraßenbau m.b.H in Essen.

Bindung von Deckschichten

Fortan ging man dazu über allerorten die bis zu diesem Zeitpunkt ungebundenen Deckschichten mit Teer, Bitumen oder Zement zu binden und daraus neue Bauweisen zu entwickeln. Das Aufkommen von leistungsfähigen Erd- und Straßenbaumaschinen trug dazu bei, dass der ehemals sehr zeit- und personalintensive Straßenbau wirtschaftlicher und schneller durchgeführt werden konnte. Damit konnten erstmals auch große Bauprojekte, wie die Autobahnen, in Angriff genommen werden.

Tränkbeläge

Noch nach dem Zweiten Weltkrieg bestanden viele Fahrbahnoberflächen in Europa aus ungebundenen Deckschichten. Die Staubfreimachung wurde mittels Aufsprühen, Aufstreichen oder Tränken von bituminösen Bindemitteln verstärkt vorangetrieben. Es wurden Staubfreimachungsprogramme aufgelegt, um die Fernstraßen möglichst rasch in einen besseren Zustand zu bringen. Bis zum Jahre 1960 besaß der größte Teil der westdeutschen Bundesstraßen eine bituminöse Abdeckung. Aufgrund ständig steigender Fahrzeugzahlen und der gleichzeitigen Zunahme der Achslasten zeigte sich jedoch rasch, dass oberflächig gebundene Straßen auf Dauer den Belastungen nicht standhielten. Um den Anforderungen des modernen Straßenverkehrs gerecht zu werden, wurden äußerst tragfähige und dauerhafte Asphaltbauweisen entwickelt und die Maßnahmen zur Staubfreimachung schließlich aufgegeben.

Verbot von Teer im öffentlichen Straßenbau

Teer gilt als stark gesundheitsgefährdend. Langzeitiges Einwirken von Teer auf der Haut kann Hautveränderungen hervorrufen, die im schlimmsten Fall krebsverursachend sind. Beim Bau von Teerstraßen besteht ein Risiko für die Umwelt und die Gesundheit, insbesondere bei der Verarbeitung. Bei Kontakt mit Wasser können polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) ins Grundwasser gelangen. Wegen ihrer Persistenz, Toxizität und ubiquitären Verbreitung gelten PAK als schwerwiegende Umweltschadstoffe. In Westdeutschland ist Teer seit 1984 und in den neuen Bundesländern seit 1990 für den Einsatz im öffentlichen Straßen- und Wegebau verboten und vollständig durch Bitumen ersetzt worden.

Asphaltstraßen

Als Asphalt wird das Baustoffgemisch aus Gesteinskörnungen und dem Bindemittel Bitumen bezeichnet. Bis zur Entwicklung des modernen Asphalts war der Bau von Asphaltstraßen jedoch mit erheblichen Problemen behaftet.

Der erste bituminöse Straßenbelag war Gussasphalt, der erstmals 1835 auf einem Bürgersteig auf den Pariser Brücken Pont Royal und Pont du Caroussel eingebaut wurde. Wenige Jahre später wurde Gussasphalt auch auf Straßen eingesetzt - zunächst 1838 in Lyon, dann 1840 in Paris. Jedoch erwies sich das Erweichen des Materials im Sommer als Problem.

Ab 1854 setzte sich der Stampfasphalt als Belag für Stadtstraßen durch. Dabei handelte es sich um zerkleinerten natürlichen Asphaltstein. Große Mengen natürlichen Asphalts kommen in Europa in La Presta im Val de Travers in der Schweiz, Lobsann im Elsass und Savoie (früher Seyssel) in Obersavoyen in Frankreich vor. Mit geschätzten 10 Millionen Tonnen ist der Pitch Lake, ein Asphaltsee auf der Insel Trinidad im Karibischen Meer, das größte natürliche Asphaltvorkommen der Welt.

Nach dem Verfahren von Léon Malo wurde ab Mitte des 19. Jahrhunderts zuerst in Paris 700 bis 800 Quadratmeter der Rue Bergère mit Stampfasphalt belegt. Dieser hatte eine Lebensdauer von 60 Jahren3. Stampfasphalt wurde auf einer Betonunterlage aufgebracht und war bald in vielen Städten Europas der beliebteste Belag für stark befahrene Stadtstraßen. Mit der fortschreitenden Motorisierung erwies sich Stampfasphalt zunehmend als ungeeignet: Durch die Einwirkung des Verkehrs verdichtete er sich im Laufe der Zeit und wurde poliert. Die Fahrbahnoberflächen waren bei Regen ausgesprochen glatt und insbesondere Fahrzeuge mit Gummireifen gerieten sehr leicht ins Rutschen, was zu zahlreichen Verkehrsunfällen führte.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts löste in Europa Walzasphalt den bis dahin gebräuchlichen Stampfasphalt ab. Der Baustoff Asphalt gewann zunehmend an Bedeutung, da unter anderem der Materialpreis ständig fiel. Jedoch erforderte die Herstellung von Walzasphalt große und umfangreiche Maschinenanlagen. Durch spezielle Zusatzstoffe wurde es ab 1950 möglich, Asphalt auch in kaltem Zustand einzubauen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde der Baustoff Asphalt erheblich weiterentwickelt.

Neben Asphalt wurde Beton eingesetzt. Fahrbahndecken aus Beton entstanden vor allem auf Autobahnen, vereinzelt auf Bundesstraßen, wie der heutigen B 492 Ehingen - Allmendingen in Baden-Württemberg. Die dortige Betonfahrbahn wurde jedoch im Jahre 2009 bei Sanierungsarbeiten durch Asphalt ausgetauscht. Beton für Straßendecken zeichnet sich durch eine hohe Druck- und Biegezugfestigkeit, einen hohen Verschleiß-, Frost- und Frost-Tausalz-Widerstand und günstige Oberflächeneigenschaften hinsichtlich Ebenheit, Griffigkeit, Farbe und Lichtreflexion sowie Ableitung des Oberflächenwassers aus.

Straßenöle

Neben der Anwendung von Teer, Bitumen, Asphalt und Beton wurden Straßenoberflächen mit Ölen imprägniert. Die Wirkung der Straßenöle (aus Petroleum und Kohleteer) beruhte auf der geringen Verdunstung der schweren Ölanteile, die von der Luft durch Oxidation und Polymerisation asphaltartige, den Staub gut bindende Oberflächen bildeten. Die Anwendung war so effektiv, dass später auch in Warenhäusern und Druckereien Fußböden mit staubbindenden Ölen (Spindelöle) behandelt wurden.

Abbildung 10: Entwurf zu einem Kraftwagenstraßennetz Deutschlands, Spitzennetz, Studiengesellschaft für Automobilstraßenbau Berlin (StufA), 1926

Erstes Kraftwagenstraßennetz

Nach dem Ersten Weltkrieg entstand 1919 in Berlin-Mitte das Reichsverkehrsministerium4. Es verantwortete bis zu seiner Auflösung 1945 u. a. den Kraftverkehr.

Die zunehmende Motorisierung im frühen 20. Jahrhundert stellte hohe Anforderungen an das Straßennetz. Das führte zu ersten Planungen größerer Ausbauten: 1926 stellte Reichsminister für Verkehr, Rudolf Krohne (*1876-†1953), den Vorentwurf eines Kraftwagenstraßenprogramms der Weimarer Republik vor. Geplant war ein leistungsfähiges Straßennetz für den Kraftwagenverkehr, das die wichtigsten Städte im Reich verband. Auch waren Anbindungen an das Ausland geplant. Aus dem Vorentwurf gingen später auch die Reichsautobahnen hervor. Aufgrund der zunächst strittigen Finanzierung, der Weltwirtschaftskrise 1929 und deren Folgen sowie des Zweiten Weltkrieges wurden zwar diverse Strecken begonnen, aber insgesamt nur wenige umgesetzt.

Aufgestellt wurde der Vorentwurf eines Kraftwagenstraßenprogramms durch die Studiengesellschaft für Automobilstraßenbau (StufA). Bis 1920 waren Straßen auf die Benutzung durch Ochsenkarren und Pferdefuhrwerke ausgerichtet. Außerdem waren weder die Fahrbahnmaterialien noch die Fahrbahnbreiten einheitlich. Es gab weder für ganz Deutschland gültige Verkehrszeichen noch Verkehrsregeln. Dies führte am 15. Oktober 1924 in Berlin zur Gründung der StufA. Ihre wichtigsten Aufgaben waren die Schaffung von Fahrwegen, die für Automobile geeignet sind, und die Gestaltung von Richtlinien für den Straßenentwurf. Im Dezember 1934 wurde die StufA in Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen (FGS) und in den Achtzigerjahren in Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) umbenannt. Im Dezember 1945 löste der Alliierte Kontrollrat die Gesellschaft auf, die 1946 mit Hilfe der amerikanischen Besatzungsmacht wiederbelebt wurde und 1947 nach einem Neugründungskongress ihren Sitz in Köln einnahm.

Heute ist die FGSV ein gemeinnützig technisch-wissenschaftlicher Verein. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben ist die Aufstellung des Technischen Regelwerkes für das Straßen- und Verkehrswesen unter Berücksichtigung der neuesten Ergebnisse der Forschung und der Praxis mit dem Ziel einer einheitlichen Anwendung. Die Fachgremien der FGSV zählen über 2 100 Mitglieder.

Ausbau der Fernverkehrs- und Reichsstraßen, die Reichsautobahnen

Das Reichsverkehrsministerium veröffentlichte im Oktober 1930 „Einheitliche Richtlinien für den Ausbau der Fernverkehrsstraßen“5. Die Richtlinien enthielten technische Mindestanforderungen für den Ausbau der für den Kraftfahrzeugverkehr wichtigsten Landstraßen des Reiches. Diese wurden als Fernverkehrsstraßen bezeichnet und in einer „Reichskarte der Fernverkehrsstraßen“ dargestellt. Im weiteren Einvernehmen mit den Ländern wurden die Fernverkehrsstraßen durchlaufend mit den Nummern 1 bis 138 versehen. Die Länder vereinbarten den Ausbau entsprechend des Verkehrsbedürfnisses und der finanziellen Leistungsfähigkeit der Wegeunterhaltungspflichten durchzuführen. Der Ausbau der Fernverkehrsstraßen war jedoch rechtlich weder bindend, noch innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens durchzuführen. Das Reichsverkehrsministerium verwies auf eine schwierige Finanzlage der öffentlichen Körperschaften.

1932 gab die Deutsche Gesellschaft für öffentliche Arbeiten AG (Öffa) den Öffa-Wechsel6 heraus. Er diente der „staatlichen Arbeitsbeschaffung“. Dahinter verbarg sich vor allem eine Kreditbeschaffung für staatliche Bauvorhaben. Gegründet wurde die Öffa 1930, um die bis dahin vom Reich wahrgenommenen Aufgaben auf dem Gebiete der „wertschaffenden Arbeitslosenfürsorge“ zu übernehmen. 1933 wurde die Öffa zur zentralen Finanzierungsstelle der öffentlichen Arbeitsbeschaffung7. Der Öffa-Wechsel wurde verantwortlich gehandhabt: Es bestand ein Inflationsrisiko, weshalb entsprechende Grenzen gesetzt wurden. Zum Missbrauch kam es erst mit dem Mefo-Wechsel8, der ab Juli 1933 neben der Finanzierung der Aufrüstung der Wehrmacht für den Zweiten Weltkrieg ebenfalls der staatlichen Arbeitsbeschaffung diente.

Nach dem die Finanzierung gesichert schien, sowie der Machtergreifung Adolf Hitlers, verkündete im Juni 1933 das NS-Regime ein Gesetz zur Errichtung eines Unternehmens „Reichsautobahnen“ unter der Leitung eines „Generalinspektors für das deutsche Straßenwesen“9. Dem Unternehmen wurde „das ausschließliche Recht zum Bauen und Betreiben von Kraftfahrbahnen“ übertragen. Es war berechtigt, Nutzungsgebühren zu erheben und Enteignungen zur Erfüllung seiner Aufgaben durchzuführen. Ein Generalinspektor wurde mit der Linienfindung und Ausgestaltung der Kraftfahrbahnen betraut, wie auch mit der Planfeststellung. Hitler bestellte Dr.-Ing. Fritz Todt (*1891-†1942) zum Generalinspektor. Die Planung von Landstraßen verblieb bei den Ländern. Die Länder waren von nun angehalten, ihre Pläne mit der Reichsverwaltung abzustimmen. Die Reichsautobahnen erhielten vor allen Planungen Vorrang und wurden mit Nachdruck verfolgt. Im März 1934 begann mit der sogenannten „Arbeitsschlacht“ der Bau von zwanzig Reichsautobahnen10. „Hunderttausende erhalten Arbeit“, titelten die Zeitungen mit viel Propaganda und Pathos.

Ein weiteres „Gesetz über die einstweilige Neuregelung des Straßenwesens und der Straßenverwaltung“ regelte zum 1. April 1934 die Straßenverwaltung im Deutschen Reich neu. Die Reichsautobahnen verblieben in der Zuständigkeit des Unternehmens „Reichsautobahnen“. Die Fernverkehrsstraßen wurden in Reichsstraßen umbenannt und fielen in die Zuständigkeit des Reiches. Landstraßen 1. Ordnung gingen in die Zuständigkeit der Länder über. Landstraßen 2. Ordnung fielen in die Zuständigkeit der Landkreise11. Am 1. April 1935 ging die Straßenbaulast von rund 40 000 km Reichsstraßen auf das Reich über. Fast das gesamte Interesse der Nationalsozialisten galt jedoch weiterhin den Reichsautobahnen.

Nach dem im Reichsautobahnbau wesentliche Fortschritte erreicht waren, trat ab dem Kriegsjahr 1942 eine deutliche Stagnation ein. Mit dem Erlass vom 18. April 1943 „über die Einstellung des Straßen- und Wegebaus im Deutschen Reich“, erfolgte der Baustopp an allen Reichstraßen und Reichsautobahnen.

Am 19. März 1945 ordnete Adolf Hitler weitreichende Zerstörungsmaßnahmen im Reichsgebiet an. Der sogenannte „Nerobefehl“ befahl: Alle militärischen Verkehrs-, Nachrichten-, Industrie- und Versorgungsanlagen sowie Sachwerte innerhalb des Reichsgebietes sind zu zerstören. Obwohl der Befehl nur teilweise ausgeführt wurde, erfolgte die Zerstörung diverser Brücken und anderer baulicher Objekte der Reichsautobahnen.

Situation nach dem Zweiten Weltkrieg

Neuorganisation der Straßenverwaltung

Nach der Kapitulation Deutschlands übernahmen die Alliierten im Mai 1945 die Hoheitsrechte. Damit auch die Kompetenzen für das Verkehrswesen. In den folgenden Jahren stand im Straßenwesen die Beseitigung von fremd und eigen verantwortete Kriegsschäden im Vordergrund.

In der sowjetischen Besatzungszone gründete die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) im Juli 1945 die Gesellschaft „Deutsche Autobahnen“. Mit der Leitung wurde Hermann Kunde12 (*1903-†1961) betraut. Im August 1945 bildete die SMAD die Zentralverwaltung des Verkehrs, die im September 1945 um Kraftverkehr und Straßenwesen erweitert wurde.

In der amerikanischen Besatzungszone übertrugen die Amerikaner die Organisation und Verwaltung des Verkehrswesens bald an die wiederhergestellten oder neu geschaffenen Länder, behielten sich jedoch Aufsicht und Kontrolle vor.

Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und Rückverlagerung der Kompetenzen auf Bundesebene zogen sich die Alliierten 1949 aus der Verwaltung des Verkehrswesens zurück. Am 24. Mai 1949 trat das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. In dessen Folge schloss sich das in Bielefeld ansässige „Verwaltungsamt Verkehr“ mit der „Verwaltung Verkehr“ in Offenbach zusammen. Ab dem 6. Oktober 1949 und bis heute führt diese Behörde die Bezeichnung „Bundesverkehrsministerium“.

Die Reichsautobahnen und Reichsstraßen gingen als Bundesautobahnen und Bundesstraßen an den Bund über. 1950 ging dann auch die Baulast der Bundesfernstraßen an den Bund zurück. Die Länder wurden mit deren Verwaltung und mit Baumaßnahmen beauftragt.

1952 begann das Bundesverkehrsministerium mit vorbereitenden Arbeiten zur Aufstellung eines umfassenden Straßenbauprogramms zur Ertüchtigung und Modernisierung der westdeutschen Bundesfernstraßen.

Im September 1953 warb Bundesminister für Verkehr, Hans-Christoph Seebohm (*1903-†1967), auf der Straßenbautagung in München für eine „einheitliche Planung und Unterhaltung der Bundesautobahnen, Bundesstraßen und Landesstraßen I. Ordnung“, durch eine „einheitliche Bundesstraßenverwaltung“. In diesem Jahre trat das Bundesfernstraßengesetz in Kraft.

Zögerlicher war das Vorgehen in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Nach deren Gründung am 7. Oktober 1949 gingen auch hier die Reichsautobahnen und Reichsstraßen an die Republik über sowie im Gegensatz zur Bundesrepublik, auch „alle dem Verkehr dienenden Straßen“. Die Reichsstraßen wurden als Fernverkehrsstraßen bezeichnet und mit einem „F“ gekennzeichnet. Die Klassifikation der Straßen in der DDR bestand aus Autobahn, Fernverkehrsstraße, Landstraße I. und II. Ordnung sowie Stadt- und Schnellverkehrsstraße.

Am 16. Mai 1951 wurde im DDR-Gesetzblatt eine Verordnung zur Neuordnung des Straßenwesens verkündet13. Im Mai 1953 erfolgte die Auflösung des Ministeriums für Verkehrswesen. An seine Stelle trat das Ministerium für Eisenbahnwesen, das Staatssekretariat für Schifffahrt und Wasserstraßen und das Staatssekretariat für Kraftverkehr und Straßenwesen. Diese Trennung wurde bereits zum 1. Juni 1955 wieder aufgehoben. Am 1. Januar 1964 erfolgte die Gründung des Volkseigenen Betriebs „Autobahnbaukombinat“. Seine Aufgabe war die Erstellung von Verkehrsbauten aller Größenordnungen. Doch erst am 11. April 1968 beschloss das Präsidium des Ministerrats den Autobahnneubau in der DDR. Bis 1974/75 sollten 500 Kilometer Autobahnstrecken errichtet werden.

Abbildung 11: Entwicklung des Kraftfahrzeugbestandes in Deutschland 1950-2018, Quelle: Kraftfahrtbundesamt

Kriegszerstörung und Frostschäden

Die junge Bundesrepublik fand nach dem Kriege ein Torso begonnener Reichsautobahnen mit einer Vielzahl zerstörter Brücken und heruntergewirtschaftete Reichsstraßen sowie Landesstraßen I. und II. Ordnung vor. Noch Mitte der Fünfzigerjahre waren diverse Verkehrswege unterbrochen. Der allgemein schlechte Straßenzustand stellte Bund und Länder vor Herausforderungen. Während die Bundesfernstraßen noch den besten Zustand aufwiesen, waren etwa zwei Drittel der Landstraßen I. Ordnung und mehr als neunzig Prozent der Kreisstraßen in besonders schlechtem Zustand. Die Hauptursache für die schlechten Straßenverhältnisse lag primär auf der Vernachlässigung von Straßenunterhalt und -instandsetzung seit Kriegsbeginn.

Doch waren die Straßen auch dem modernen Verkehr nicht gewachsen. Deren Aufbau war weder frostsicher noch für schwere Fahrzeuge ausgelegt. Vor allem in den Städten waren Straßen seit den Zwanzigerjahren nicht mehr modernisiert worden. Regelmäßig in jedem Frühjahr kam es zu massiven Frostschäden, deren Beseitigung das knappe Straßenbaubudget schwer belastete14. Unter Belastung des Verkehrs, vor allem durch schwere Lastkraftwagen, bildeten sich leicht Risse, Mulden und Wellen in der Fahrbahn, bis die Straßendecke durchbrach. Schützen ließen sich Straßen nur durch Geschwindigkeitsbeschränkungen und Sperrung für den Schwerverkehr. Durch Sperrungen kam es auf den Umleitungsstrecken wiederum zu Straßenschäden15. Wurden über einen längeren Zeitraum hinweg keine Gegenmaßnahmen ergriffen, bestand die Gefahr, dass die Straßenkonstruktion verfiel.

„Frostschäden sind seit Langem bekannt. Aber erst mit der Entwicklung des Kraftverkehrs haben die Frostschäden an Straßen ein größeres Ausmaß angenommen. Diese Erscheinung ist auf die wachsende Dichte des Verkehrs und die zunehmende Schwere der Einzelfahrzeuge zurückzuführen. Besonders nach dem sehr kalten und langen Winter 1928/29 wurden erstmals im großen Umfang schwere Schäden beobachtet. Seit dieser Zeit nehmen die Schäden stetig zu. Ein besonders starkes Anwachsen ist seit der Entwicklung des Schwerverkehrs nach dem letzten Kriege festzustellen. Einen gewissen Einfluss auf die Höhe der Frostschäden hat auch die zur Aufrechterhaltung des Verkehrs erforderliche Schneeräumung, weil dadurch die isolierende Wirkung der Schneedecke entfällt. Im Frühjahr 1955 sind auf Bundesstraßen Frostschäden im Umfang von rd. 100 Millionen DM entstanden“, teilte der Bundesminister für Verkehr am 20. Juni 1956 dem Deutschen Bundestag mit. Zur sofortigen Beseitigung dieser Schäden und zum frostsicheren Ausbau der besonders schwer betroffenen

Abschnitte konnten im Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1955 jedoch nur rund 50 Millionen DM bereitgestellt werden16.

Entgegen späterer Meinung, dass gerade durch wenige und schlechte Straßen der Kraftwagenverkehr in Zaum gehalten wird, kam es zur gegenteiligen Entwicklung: Die Motorisierung nahm rasch an Fahrt auf.

Weg zu einer geordneten Ausbauplanung

Zur Straßenfinanzierung übernahm der Bund nach seiner Errichtung die Haushaltsansätze der Länder. Er setzte 1950 erstmalig, nach den Anträgen des Bundesministers für Verkehr, den Aufwand für den Straßenbau mit 213 Millionen Deutsche Mark ein. Die Aufwendungen stiegen auf 309 Millionen Deutsche Mark im Jahre 1954. Das Augenmerk lag darauf, die ehemaligen Reichstraßen wieder befahrbar zu machen und einen beachtlichen Teil der zerstörten Brücken wiederherzustellen. Der größte Teil der öffentlichen Mittel war zu dieser Zeit durch Kriegsfolgelasten und soziale Aufwendungen gebunden. Neubau- und Umbaumaßnahmen der Bundesfernstraßen wurden im außerordentlichen Bundeshaushalt ausgewiesen. Im ordentlichen Haushalt ließ sich keine Deckung finden17.

In der jungen Bundesrepublik galt der Bundesbahn zudem großes Interesse. Noch 1950 war die Eisenbahn das wichtigste Verkehrsmittel. Wegen finanzieller Bedenken verzögerte der erste Bundesfinanzminister Fritz Schäffer (*1888-†1967) die Modernisierung der Bundesfernstraßen. Auch unter seinem Nachfolger Franz Etzel (*1902-†1970) gestalteten sich Verhandlungen um Straßenbaumittel schwierig. Der Unmut in der Bevölkerung über den schlechten Straßenzustand18 wuchs und führte zu Spannungen in der Bundesregierung19.

Ein planmäßiger Ausbau der deutschen Bundesfernstraßen wurde erst durch den Erlass des Verkehrsfinanzierungsgesetzes 1955 vom 6. April 1955 möglich. Der Deutsche Bundestag beschloss zugleich einen Zehnjahresplan zum Ausbau der Bundesstraßen aufzustellen20, der schließlich 1956 ausgearbeitet war, dem Parlament wegen Differenzen mit dem Bundesfinanzminister aber nicht vorgelegt wurde21.

Die Arbeiten zur Aufstellung eines Straßenbauplanes hatten bereits 1952 begonnen22. Den ersten Entwurf für die Fortentwicklung des Bundesfernstraßennetzes stellte Bundesminister Hans-Christoph Seebohm am 24. Oktober 1952 bei der Straßenbautagung und Mitgliederversammlung der Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen in Düsseldorf vor. Dabei ging es vor allem um die Entwicklung des Bundesautobahnnetzes23.

Die Zielvorstellungen des Bundes blieben unverbindlich: Die Planung des Bundesfernstraßennetzes liegt zwar grundsätzlich im alleinigen Verantwortungsbereich des Bundesministers für Verkehr. Aufgrund des verfassungsgemäßen Föderalismus basiert sie in wesentlichen Teilen auf der Zusammenarbeit mit den Ländern. Dementsprechend gibt der Bundesminister nicht vor, wo Bundesfernstraßen auszubauen sind, sondern nimmt die Vorschläge der Länder entgegen. Die Bundesverwaltung prüft und entscheidet über die Vorschläge. Diese Praxis erschwert seit Bestehen der Bundesrepublik eine bundesweit einheitliche Gestaltung des Bundesfernstraßennetzes.