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Markus Janka

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Beschreibung

Die Aeneis des Vergil (70 –19 v. Chr.) wurde als «römisches Nationalepos» das berühmteste Werk der antiken Literaturgeschichte überhaupt. Es erzählt von den Irrfahrten, Prüfungen und Abenteuern des trojanischen Helden Aeneas, der zum mythischen Ahnherrn der Römer wird. Markus Janka bietet in dieser modernen Einführung einen Überblick über den Gang der Ereignisse, erhellt die künstlerische Gestaltung der Handlung und beschreibt die Charaktere der Protagonisten. Darüber hinaus ordnet er das Epos in das Œuvre des Vergil ein und erläutert seine Bedeutung für die augusteische Zeit.

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Markus Janka

VERGILS AENEIS

Dichter, Werk und Wirkung

C.H.Beck

Zum Buch

Die Aeneis des Vergil – das meistgelesene und am stärksten literarisch rezipierte Werk der Antike – darf zweifellos beanspruchen, zum Kanon der Weltliteratur zu gehören. In dem vorliegenden Band wird die Beziehung dieses Epos zum trojanischen Sagenkreis erhellt, erfolgt eine Einordnung in die antiken literarischen Traditionen und wird seine Stellung in der Vergilischen Dichtung bestimmt. Dem Gang der dramatischen Handlung, dem mythischen Personal und insbesondere den Abenteuern, Prüfungen und Tugenderweisen des Helden Aeneas sind die weiteren Kapitel gewidmet. Schließlich wird deutlich, weshalb dieses rund 10.000 Verse umfassende Meisterwerk eine Sonderstellung im Zeitalter des Augustus und den Rang eines «römischen Nationalepos» erlangen konnte.

Über den Autor

Markus Janka lehrt als Professor für Klassische Philologie/Fachdidaktik der Alten Sprachen an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit bilden die Themen antikes Drama, Ovid, Mythologie, Rhetorik und Erotik der Antike, Wirkungsgeschichte der antiken Literaturen sowie die Didaktik der Klassischen Sprachen und Literaturen.

Inhalt

Schaubild: Die Gesamtstruktur der Aeneis (schematische Darstellung)

Schaubild: Die Dido-Tragödie (schematische Darstellung)

1. Arma virumque cano: Die Aeneis als neu-homerischer Gesang

2. Carmen perpetuum et deductum: Die Aeneis als hellenistisches Kunststück

3. Ille ego qui …: Die Aeneis als Hauptwerk Vergils

4. Hic vir … Augustus Caesar: Die Aeneis als Epos des augusteischen Prinzipats

5. Dodekalog: Zwölf Bücher – zwölf Heldengeschichten

5.1 Der Held und seine Mission: Aeneas

5.2 Zwischen Herkunft und Zukunft: Laocoon

5.3 Auf der Suche nach neuer Zivilisation: Achaemenides

5.4 Im Bann von Amor und Fatum: Dido

5.5 Im Schutz des Väterkultes: Anchises

5.6 Prophetie und Seelenwanderung in helle Zukunft: Sibylla

5.7 Dilemma und Bewährung im gelobten Land: Latinus

5.8 Ur-Rom und palatinische Herrlichkeit: Euander

5.9 Kriegsgräuel und Heldentod: Nisus und Euryalus

5.10 Last der Verantwortung: Pallas

5.11 Amazonische Gegenkräfte: Camilla

5.12 Endkampf: Turnus

6. Imperium sine fine? Vergil heute

Literaturhinweise

Kritische Ausgabe

Ausgabe mit deutscher Übersetzung

Einführungsliteratur

Gesamtkommentar zur Aeneis

Forschungsliteratur

Fußnoten

Schaubild: Die Gesamtstruktur der Aeneis (schematische Darstellung)

Die Gesamtstruktur der Aeneis (schematische Darstellung)

Schaubild: Die Dido-Tragödie (schematische Darstellung)

Die Dido-Tragödie (schematische Darstellung)

1. Arma virumque cano: Die Aeneis als neu-homerischer Gesang

Waffen und dem Mann gilt mein Gesang, der von Trojas Strand erst

in Italien als Schicksalsflüchtling erreichte Lavinums

Strände, viel über Länder getrieben und hohe See als

Spielball der Götter, denn wild und nachtragend war Junos Grollen.

Vieles auch hat er im Krieg ertragen, als Gründer der Neustadt

trug er die Götter nach Latium, daher das Volk der Latiner,

Albas Urväter und die Grundmauern römischer Größe.

Muse, mir sollst du begründen, durch welche Hoheitsverletzung,

welchen Schmerz die Götterherrin so großes Verhängnis

einem Muster an Bravheit, so große Bewährung in Mühsal

auferlegt hat. Tobt so in Herzen der Götter das Grollen?[1]

Anfang und Titelwörter sind Schlüssel zum Gesamtverständnis eines antiken Epos. Bereits mit den ersten vier Wörtern der Aeneis stellt Vergil sein Opus in die homerische Tradition. Waffen (arma) stehen für Krieg, Streit, Kampf und Heldenepos nach dem Vorbild der Ilias, die mit der Anrufung von Achills «Zorn» (mēnis) anhob. Der unmittelbar angefügte «Mann» (virum) greift auf das erste Wort der Odyssee zurück, deren Dichter seine Muse mit andra um ein Gedicht über den Tausendsassa Odysseus ersucht hatte. Das dritte Wort (cano) profiliert den Dichter als selbstbewussten und modernen Sänger, der den homerischen Musenanruf aus der Eröffnungszeile in den achten Vers verschoben und ihm somit eine sekundäre, dienende Funktion als eine Art Hommage an die Gattungstradition zugewiesen hat. Schon bevor er mit dem im Lateinischen vierten Wort Troiae die thematische Anknüpfung an den epischen Kyklos mit den sich um den trojanischen Krieg rankenden Sagen enthüllt, stellt Vergil klar: Das vorliegende Epos ist keine lateinische Übersetzung oder Adaption der homerischen Grundtexte im Stil der Odusia seines Vorgängers Livius Andronicus (um 240 v. Chr.), sondern vielmehr ein hyper- oder transhomerisches Projekt: Es umgreift Ilias und Odyssee in einem zeitgemäßen Gesang ganz eigener Wertigkeit. Der im Relativsatz prädizierte Held, dessen Name – wie in der Odyssee – zunächst ungenannt bleibt, ist demgemäß sowohl ein Mann, der auf Irrfahrten zur See dem Zorn der höchstrangigen Göttin Juno trotzt (V. 1–4), als auch ein Mann, der in heftigen Kriegen seinem Volk und dessen Göttern mit der Gründung einer Stadt eine neue Heimat in Italien erkämpft (V. 5–7). Diese historische Mission hebt Vergils epischen Helden wesentlich von seinen deutlich aufgerufenen Rollenvorbildern Achill und Odysseus ab, rückt ihn in die Nähe des legendären Stadtgründers Romulus und erhebt ihn zur Chiffre guter römischer Herrscher. Dieser Eindruck verstärkt sich, sobald Vergil nach seiner Anfrage an die Muse nach dem Grund für das katastrophal gestörte Einvernehmen mit der Göttermutter antithetisch die Haupteigenschaft seines Helden benennt: Achills Gewaltheftigkeit und Odysseus’ Wendigkeit, die ihre Träger als ambivalente Charaktere kennzeichnen, stellt er die mustergültige pietas seines Helden entgegen, dem er dadurch eine eher eindimensionale oder «flache» Prägung zuzuschreiben scheint. Doch davon sollte sich ein Leser oder Übersetzer nicht täuschen lassen. Dieser für die römische Kultur grundlegende Wertbegriff schillert in Vieldeutigkeit: Jede Festlegung in einer vereindeutigenden deutschen Übersetzung bleibt unbefriedigend. Meinen – nur auf den ersten Blick verniedlichend erscheinenden – Versuch, mit der Arbeitsübersetzung «Bravheit» eine Wiedergabe zu finden, die auf jeden Beleg von pietas/pius in der Aeneis anwendbar ist, mag man daher ruhig kritisieren. Er deckt immerhin die wesentlichen Konnotationen der verantwortungsbewussten Einstellung und des pflichtgetreuen Verhaltens gegenüber gemeinschaftsbezogenen Autoritäten aus den Bereichen Religion, Familie und Staat ab. «Frömmigkeit» oder «fromm» oder auch «treu» und «redlich» greifen demgegenüber viel zu kurz, während «pflichtbewusst» o.ä. hinter pius an poetischer Kraft und Flexibilität zurückbleibt. Das in seiner Idealität herausfordernde Charakterbild eines in dieser Hinsicht tadellosen Helden der Verantwortlichkeit lässt sich als vergilisches Manifest der Überwindung archaischer Selbstherrlichkeit lesen. Diese überträgt er bezeichnenderweise aus der Sphäre der Heroen in diejenige der anthropomorphen Götterpersonen. Achills Zorn und Streit aus dem Prooemium der Ilias wird gesteigert zum wilden, verhängnisvollen und nachtragenden Groll der Juno (V. 4 und V. 9–11). Die hyperhomerische Volte liegt nun darin, dass Vergils Juno in ihrer antagonistischen Funktion Achills Zorn auf Agamemnon aus der Ilias mit Poseidons unheilvollem Hass auf Odysseus aus der Odyssee verbindet. So erscheint das Motiv des göttlichen Gegenspielers des Haupthelden in der Aeneis potenziert. Zugleich steht mehr auf dem Spiel: Odysseus verliert auf seinem Nostos (Heimfahrt) sämtliche Kameraden und kehrt als Einzelkämpfer in die ersehnte Heimat zurück, wo er seine soziale Führungsposition in harten und quasi-epischen Kämpfen neu erringen muss. Vergils vir bleibt dagegen als Held der Gemeinschaft auf seiner Neugründungsmission an sein genus gebunden, aus dem ja teleologisch das erst zu einigende Volk der Latiner hervorgehen soll (V. 6).

Aus der Vielzahl möglicher homerkomparatistischer Makroskopien sei hier die prominenteste als Leitfaden für die Lektüre erprobt: Die epische Narration der Heldenhandlung setzt im Umfeld der vorletzten Station des Irrfahrers vor seiner Ankunft in der ihm vorherbestimmten Heimat an. Nach der Abfahrt aus Sizilien Richtung Italien werden die Aeneaden durch den von der hasserfüllten Juno erregten Seesturm nach Karthago in Nordafrika verschlagen (Aen. 1,34–222). Über diese Unbill beklagt sich Aeneas’ schützende Mutter und Fürsprecherin Venus bitterlich beim Göttervater Zeus, der die künftige Größe von Aeneas’ Nachkommenschaft als unabänderliches Weltgeschick prophezeit (Aen. 1,223–304). Vergil schichtet damit die Handlungsabfolge zu Beginn der Odyssee um: Dort ist die Götterszene mit der subjektiv gefärbten Klage der Athene über das jammervolle Geschick ihres auf Kalypsos «Gefängnisinsel» festsitzenden Schützlings Odysseus noch vor die Exposition der Heldennot durch den epischen Erzähler gerückt. Diese gestaltet er zweisträngig, indem die Telemachie oder Ithaka-Handlung die mehr und mehr akute Gefährdung seines durch Athene zum aktiven Jungherrscher erweckten Sohnes Telemachos durch die skrupellosen Brautwerber um seine Mutter Penelope vorführt (Hom. Od., Buch 1–4). Erst im fünften Gesang richtet sich der Erzählerblick auf den bei Kalypso an Heimweh und Entrückungsüberdruss leidenden Odysseus. Dieses Changieren zwischen realistischem (Ithaka) und phantastischem Raum (Ogygia) meidet Vergils moderneres Narrativ. Dieses mythisiert Roms historische Gegenspielerin Karthago in Gestalt von Didos neugegründeter Stadt zwar als Stätte der vorrömischen Zeit und überblendet diese mit Ogygia ebenso wie mit Kirkes Insel Aia als Ort der zeitweiligen Entrückung des Helden, belässt die Stadt aber im realistischen Raum. Als Ort der Rettung des Helden aus Seenot, als Schauplatz seiner umfangreichen Abenteuererzählungen und als Schwellengebiet mit Scharnierfunktion zum anvisierten Reiseziel dient im sechsten bis zwölften/dreizehnten Gesang der Odyssee das Phäakenland mit König Alkinoos und seiner Tochter Nausikaa. In der Aeneis übernimmt Didos Karthago als Ort der Gastfreundschaft, Aufgeschlossenheit und als sympathetischer Rahmen für Aeneas’ Erlebniserzählungen vom Untergang Trojas (Aen. 2) und seinen bisherigen Irrfahrten (Aen. 3) eben diese Funktion von Scheria. Didos unbändige und selbstzerstörerische Liebe zum kongenialen Aeneas, die göttliches Eingreifen zu einem gnadenlosen Ende mit desaströsen Folgen für die Königin bringt, lässt sich als tragische Übersteigerung der im fünften Gesang der Odyssee göttlich-leichtlebigen Liebes-, Zerrüttungs- und Trennungsaffäre um Kalypso und Odysseus lesen. Vergils Schwellenzone Sizilien steuert Aeneas ebenso zweimal an wie Odysseus Kirkes Insel Aia, ebenfalls sowohl Übergangsort als auch Ausgangspunkt für die Unterweltsreise. In der Aeneis gewinnt Sizilien als Schauplatz zunächst heiterer, dann durch den Brand der Schiffe überschatteter Spiele zudem eine phäakische Qualität. Diese erweitert Vergil, indem er im Sinn der imperialien Teleologie seines Epos (S. 41–58) Aeneas auf Sizilien für die Alten und Reiseunwilligen die Stadt Acesta gründen lässt, der er somit trojanische Abkunft und dauerhafte Verbundenheit mit Rom zuschreibt. Kurz vor der Werkmitte wagen sowohl Odysseus als auch Aeneas ihr letztes Abenteuer, indem sie auf Geheiß der Kirke resp. des Anchises im Totenreich einen Kundschafter (Teiresias resp. wiederum Anchises) aufsuchen. Im Fall der Unterweltserzählung (Katabasis) von Od. 11 und Aen. 6 fallen makrostrukturelle und motivisch-szenische Analogie weitgehend zusammen. Die Ankunft des Helden am – erst mit göttlicher Hilfe als solches erkannten – Reiseziel setzt Od. 13 und Aen. 7 in enge Beziehungen. In der zweiten Werkhälfte der Aeneis kann man strukturell eine transformierende Verschmelzung der Heimkehr-Handlung der Odyssee (Gesänge 13–24) mit der Gesamthandlung der Ilias erkennen: Aus der Geschichtenfülle des zehnjährigen Krieges und der – im Fall des Odysseus – ebenfalls zehnjährigen Kriegsheimkehrerschicksale greift der Erzähler der Ilias nur eine eher episodische Ereigniskette aus der Schlussphase des bronzezeitlichen ‹Weltkrieges› heraus: den folgenschweren Rangstreit zwischen dem Oberkommandierenden Agamemnon und seinem besten Kämpfer Achill, der die Elitetruppe der Myrmidonen (2500 Mann) anführt, in der Endphase des Krieges. Der sich am Ringen um die im Besitz eines Beutemädchens liegende Kriegerehre (géras) entzündende Männerstreit bringt als Motor eine epische Handlung in Gang, die vom Chryses/Apollo-Vorspiel im ersten Gesang bis zu Hektors Bestattung im 24. Gesang ganze 51 Tage aus der erzählten Zeit umspannt. Von diesem Ausschnitt aus dem Großgemälde sind allerdings dann nur vier «Kampftage» in voller epischer Breite ausgestaltet. Der Dichter vermag es, in dieser bedeutungsvollen Verknappung das große Ganze des wahrlich sagenhaften Krieges um Troja zu spiegeln und in dieses Tableau einzubeschreiben. Diese Erzählstruktur überträgt Vergil nun in flexibler, aber gleichwohl stets greifbarer Rückbezüglichkeit vom trojanischen auf den latinischen Krieg. Dessen deutlich kürzere Dauer mit nur drei Hauptkampftagen in Anwesenheit des Aeneas passt bestens mit der Erzählökonomie der Ilias zusammen. Die zu gefährlichster Bedrohung der eigenen Truppen führende Entfernung des besten Kämpfers aus den Reihen der Achaier resp. Aeneaden wird im Fall des Aeneas mit der Gewinnung von italischen Bündnispartnern und dem Empfang von Wunderwaffen aus göttlicher Werkstatt gerechtfertigt (Aen. 8 und 9): Diese gemeinwohlorientierte Uminterpretation des archaischen, für das Gemeinwohl unempfänglichen Heldengrolls des Achill gibt die Tonlage für Vergils anfängliche und beispielhafte Gestaltung der Kriegsheldenfigur seines Aeneas vor. Dieser erscheint zudem aus der Perspektive seiner böswilligen latinischen Widersacher im Zerrbild eines neuen «phrygischen Weichlings» (vgl. Turnus in Aeneis 12,99–100) und Frauenräubers Paris. Die Rolle des für den Haupthelden in die Bresche springenden prominentesten Ersatzkämpfers Patroklos aus der Ilias, dessen Tötung durch den gegnerischen Vorkämpfer Hektor dann zum Katalysator des Rachezorns des Haupthelden wird, hat Vergil mit Pallas, dem jugendlichen Sohn des in Pallanteum, also auf dem Palatin, herrschenden Arkaders Euander, besetzt. Dessen Tötung durch Turnus löst beim pflichtbewussten Aeneas zweimal jeweils punktuellen, aber umso heftigeren Rachezorn aus. Diesen setzt Vergil als Rückfall in archaische Exorbitanz und befremdliche Neuauflage von Achills erbarmungslosem Wüten gegen Hektor im Schlussteil der Ilias in Szene.

Mit vielfältigen, kunstreich ausgemalten Gleichnissen verleiht Vergil als epischer Erzähler insbesondere den Kampfhandlungen iliadisches Kolorit. Sein Neuarrangement der Gleichnisse soll sich anhand der Erschließung der Einzelbücher in Kap. 5 nachvollziehen lassen. Daher sind in die Analysen möglichst viele Gleichnisse einbezogen. Denn mit Blick auf den inneren Zusammenhalt von Vergils Gesamtwerk (vgl. Kap. 3) blenden die Gleichnisse die natürliche und kulturelle Welt der früheren Werke ein. Sie lassen diese mithin in homerischer Stilisierung in den Rahmen der größeren Gattungsform aufrücken.

Für die durchweg kreativen Verfahren, mit denen Vergil also die griechischen Urepen durchklingen lässt und intensive Dialoge mit Figuren, Strukturen und Darstellungsweisen aufnimmt, greifen die herkömmlichen philologischen Kategorien imitatio (Nachahmung) und aemulatio (Wettstreit) zwar Wichtiges auf. Sie reichen indes nicht weit genug, wenn man den alles beherrschenden Zug der innovatio (Erneuerung) der griechisch-epischen Tradition unterschätzt. Dieser wird in den Interpretationen des Kap. 5 anhand der in zahlreichen Einzelfällen zu erhellenden Techniken der Überblendung, Umgruppierung, Hybridisierung, Präfiguration, Retrospektive und Umperspektivierung zutage treten.