Verhaltensmedizin -  - E-Book

Verhaltensmedizin E-Book

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Beschreibung

Mit Beiträgen von Hans-Christian Deter, Monika Hasenbring, Martin Hautzinger, Corinna Jacobi, Uwe Koch, Thomas Köhler, Paul Lehrer, Bernd Leplow, Reinhard Maß, Frank Rösler, Rainer Schandry, Karl-Heinz Schulz u. a. Bei Krankheiten spielen neben körperlichen auch psychische Faktoren eine wichtige Rolle. Interdisziplinär und empirisch fundiert verbindet Verhaltensmedizin dementsprechend verhaltensbezogene, psychosoziale, biologische und medizinische Aspekte bei der Erforschung von Krankheits- und Gesundheitsprozessen. Das Buch stellt die Bandbreite verhaltensmedizinischer Arbeitsbereiche vor - speziell aus psychologischer Sicht. Nach einer Einführung in die Verhaltensmedizin und relevante Methoden stellen Experten den aktuellen Forschungsstand zu spezifischen Themen dar.

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Mit Beiträgen von Hans-Christian Deter, Monika Hasenbring, Martin Hautzinger, Corinna Jacobi, Uwe Koch, Thomas Köhler, Paul Lehrer, Bernd Leplow, Reinhard Maß, Frank Rösler, Rainer Schandry, Karl-Heinz Schulz u. a. Bei Krankheiten spielen neben körperlichen auch psychische Faktoren eine wichtige Rolle. Interdisziplinär und empirisch fundiert verbindet Verhaltensmedizin dementsprechend verhaltensbezogene, psychosoziale, biologische und medizinische Aspekte bei der Erforschung von Krankheits- und Gesundheitsprozessen. Das Buch stellt die Bandbreite verhaltensmedizinischer Arbeitsbereiche vor - speziell aus psychologischer Sicht. Nach einer Einführung in die Verhaltensmedizin und relevante Methoden stellen Experten den aktuellen Forschungsstand zu spezifischen Themen dar.

PD Dr. Andreas von Leupoldt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Psychologie der Universität Hamburg. Dr. Thomas Ritz ist Professor für Klinische Psychologie am Department of Psychology der Southern Methodist University, Dallas.

Andreas von Leupoldt Thomas Ritz (Hrsg.)

Verhaltensmedizin

Psychobiologie, Psychopathologie und klinische Anwendung

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikrofilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © 2008 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart Printed in Germany

ISBN 978-3-17-019294-2

E-Book-Formate

epub:

978-3-17-028054-0

mobi:

978-3-17-028055-7

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I Einführung in die Verhaltensmedizin und angrenzende Disziplinen

Was ist Verhaltensmedizin?Andreas von Leupoldt und Thomas Ritz

Verhaltenstherapie in der VerhaltensmedizinMartin Hautzinger

Medizinische Psychologie und VerhaltensmedizinUwe Koch

II Ausgewählte Methoden in der Verhaltensmedizin

Messung der respiratorischen AktivitätDaniela Schön, Andreas von Leupoldt und Thomas Ritz

Ereigniskorrelierte Hirnrindenpotentiale in der verhaltensmedizinischen DiagnostikFrank Rösler

Funktionelle Magnetresonanztomographie, Phantome und VerhaltensmedizinGebhard Sammer

PsychoneuroimmunologieKarl-Heinz Schulz

Messmethoden des autonomen NervensystemsRainer Schandry

EMG-Biofeedback am Beispiel chronischer SchmerzenGisela Peters

Erfassung der LebensqualitätHolger Schulz

Herzratenvariabilitäts-Biofeedback: Entstehungsgeschichte und aktueller StatusRichard Gevirtz

Entspannung und StressmanagementPaul Lehrer

Mindfulness für Psychologen: Dem Wahrnehmbaren freundliche Aufmerksamkeit schenkenPaul Grossman

III Ausgewählte Anwendungsbereiche der Verhaltensmedizin bei körperlichen Störungen

Asthma bronchialeThomas Ritz

Wahrnehmung von Atemnot bei AtemwegserkrankungenAndreas von Leupoldt

Atopische DermatitisKristina Seiffert und Hans-Christian Deter

Chronische SchmerzenRegine Klinger

MigräneThomas Köhler

TinnitusSven Tönnies

Kardiovaskuläre Reaktivität und BluthochdruckClaus Vögele

Interozeption kardiovaskulärer AktivitätVolker Kollenbaum

KrebserkrankungenMonika Hasenbring und Steffen Taubert

Parkinson und Dystonie: Verhaltensmedizin der BasalganglienerkrankungenBernd Leplow

IV Klinische Psychologie in der Verhaltensmedizin

AngststörungenAlicia E. Meuret, Antje Kullowatz und Stefan G. Hofmann

Kognitive Verhaltenstherapie bei SchizophrenieReinhard Maß

Posttraumatische BelastungsstörungenFrauke Teegen

Traumatische Erfahrungen und Belastungen bei Drogenabhängigkeit und ProstitutionSybille Zumbeck

EssstörungenCorinna Jacobi

Verhaltensmedizinisch orientierte Behandlung der AlkoholkrankheitRobert Olbrich

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Sachregister

Vorwort

Der vorliegende Band gibt einen umfangreichen Einblick in den aktuellen Stand verhaltensmedizinischer Grundlagenforschung und verhaltensmedizinisch klinischer Anwendungsbereiche. Als Rahmen der Disziplin Verhaltensmedizin dient dabei immer noch die sozusagen 30 Jahre jung gebliebene Konzeption, wie sie 1977 anlässlich der Yale Conference on Behavioral Medicine als biopsychosoziales Modell von Gesundheit und Krankheit entworfen wurde. Im deutschsprachigen Raum zunächst als Gegenentwurf zur klassischen Psychosomatik verstanden, war und ist Verhaltensmedizin ein virulenter interdisziplinärer Forschungsansatz und eine äußerst erfolgreiche therapeutische Arbeitsrichtung. Durch die Integration von psychobiologischen Forschungsstrategien, die in der Tradition der Psychophysiologie, Psychoendokrinologie und -immunologie stehen, und medizinisch-psychologischen Arbeitsbereichen sowie verhaltenstherapeutischen Behandlungsstrategien gelang es, wertvolle theoretische Einsichten in die Genese und Behandlung einer Reihe von ursprünglich rein somatisch verstandenen Krankheiten zu gewinnen.

Gleichzeitig entwickelte sich aber auch auf der Basis jüngster Entdeckungen im Bereich neuronaler Plastizität und der immer besser beschreibbaren neuronalen Grundlagen des Lernens (man denke als Beispiel nur an die Flut von Publikationen zu den dopaminergen Verstärkungszentren im Gehirn) ein neues Verständnis von lernpsychologischen Behandlungsstrategien für die Verhaltensmedizin und die Verhaltensmodifikation. Erfahrung und bewusste kognitive Modifikation als Produkt expliziter Lern- und Gedächtnisprozesse und klassisches sowie operantes Konditionieren als implizite Lernvorgänge zu begreifen ist nicht neu, aber deren molekularbiologische Grundlagen und die daran beteiligte funktionelle Genetik beschreiben zu können, stellt die Verhaltensmedizin heute auf ein naturwissenschaftliches Fundament, das einzigartig ist. Die neunundzwanzig Beiträge des vorliegenden Bandes zu Definitionsfragen und zum Verhältnis zu den Nachbardisziplinen, zu ausgewählten Methoden, Interventionsformen der Verhaltensmedizin bei körperlichen Erkrankungen und zur Verhaltensmedizin bzw. Verhaltensmodifikation bei ausgewählten psychischen Störungen zeigen das enorme Spektrum, das diese Arbeitsrichtung in Forschung und Anwendung heute gewonnen hat.

Ihre Verbreitung verdankt sie dem Umstand, dass es immer wieder Einzelpersönlichkeiten gibt, die als Vertreter einer Idee im Kollegenkreis und bei ihren Schülern für innovative Anregungen sorgen und durch Eigenbeiträge und Kooperationen zum Fortschritt einer Disziplin beitragen. Dies ist Bernd Dahme an seiner Wirkungsstätte am Psychologischen Institut in Hamburg in besonderer Weise gelungen. Als einer der deutschsprachigen Pioniere der verhaltensmedizinischen Forschung hat er, basierend auf psychophysiologischen Grundlagenforschungen, Biofeedbackexperimenten, verhaltenstherapeutischen Studien und medizinisch-psychologischen Arbeiten, sehr früh den Wert dieses Ansatzes erkannt und in vielfältiger Weise Forschungen zu diesem Thema gefördert. Man denke nur an die vielen Beiträge, die er selbst zur Problematik des Asthma bronchiale geliefert hat. Persönlich kann ich mich eigentlich an keine einzige einschlägige Fachtagung der Psychophysiologen, der Verhaltensmediziner oder der Klinischen Psychologen erinnern, an der er nicht als aktiver Teilnehmer und kritischer Diskutant aufgetreten wäre. Interesse für innovative Fragestellungen, Enthusiasmus im Vertreten eigener Argumente, aber vor allem seine vorsichtige Wertung mancherübereilter Schlussfolgerungen sind nach wie vor die Qualitäten, die ihn als Forscherpersönlichkeit auszeichnen. Wie fruchtbar sich diese Haltung nicht nur in Hamburg bei seinen Kollegen und Schülern erwiesen hat, beweist der vorliegende Band, der ihm gewidmet ist. Gleichzeitig lässt sie aber auch die Prognose zu, dass nach dem Wechsel in seinen Ruhestand seine wissenschaftliche Unruhe viele weitere Projekte initiieren und diese kritisch begleiten wird.

Kiel, im Herbst 2007

Roman Ferstl

IEinführung in die Verhaltensmedizin und angrenzende Disziplinen

Was ist Verhaltensmedizin?

Andreas von Leupoldt und Thomas Ritz

Einleitung

Die Verhaltensmedizin ist im Vergleich zu anderen Fachrichtungen in der Wissenschaft eine recht junge Disziplin. Ihre eigentliche Entwicklung begann in den frühen Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts, wobei ihre Wurzeln bereits deutlich älter sind. Wie der Name vielleicht vermuten lässt, handelt es sich hierbei um eine Verbindung von verhaltensbezogenen Aspekten und solchen, die körperlicher bzw. medizinischer Natur sind. Dies deutet bereits namentlich auf den interdisziplinären Charakter dieses Wissenschaftszweigs hin, der in den vergangenen Jahren stetig an Relevanz und beteiligten Vertretern zugenommen hat. Nachfolgend sollen einige wichtige grundlegende Merkmale der Verhaltensmedizin dargestellt werden sowie die hier versammelten Disziplinen. Neben einem entwicklungsgeschichtlichen Abriss sollen zudem einige Anwendungsfelder skizziert werden, die in den nachfolgenden Beiträgen dieses Buches vertiefend behandelt werden.

1 Definition und theoretischer Rahmen der Verhaltensmedizin

1.1 Definition

Im Jahr 1977 trafen sich an der Yale University in den USA Wissenschaftler verschiedenster Fachrichtungen, die allesamt auf dem Gebiet Gesundheit und Krankheit tätig waren. Ziel dieser ersten und wegbereitenden Konferenz zur Verhaltensmedizin („Behavioral Medicine“) war die Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit der unterschiedlichen Wissenschaftszweige bei der Erforschung von Gesundheits- und Krankheitsprozessen bzw. bei der Anwendung von entsprechenden Interventionen. Die von den Teilnehmern gemeinsam verfasste Definition der Verhaltensmedizin (Schwartz und Weiss 1978) ist bis heute weitgehend anerkannt und findet sich auch in leicht modifizierter deutscher Fassung in entsprechenden Lehrbüchern:

„Im Kontext einer biopsychosozialen Sichtweise von Gesundheit und Krankheit ist die Verhaltensmedizin das interdisziplinäre Arbeitsfeld, in dem Gesundheits- und Krankheitsmechanismen unter Berücksichtigung psychosozialer, verhaltensbezogener und biomedizinischer Wissenschaften erforscht werden und die empirisch geprüften Erkenntnisse und Methoden in der Prävention, Diagnostik, Behandlung und Rehabilitation eingesetzt werden“ (nach Ehlert 2003, S. 4).

Die Verhaltensmedizin verbindet somit verhaltensorientierte Wissenschaften wie die Psychologie mit der körperlich ausgerichteten Biomedizin, um auf betont interdisziplinäre Weise alle relevanten Faktoren auf den verschiedenen Ebenen von körperlicher Gesundheit und Krankheit zu erforschen. Wichtig ist hierbei zum einen, dass die Interaktion psychischer und physischer Aspekte bei Krankheiten explizit anerkannt wird und somit eine lange Tradition der reduktionistischen Trennung von Körper und Geist aufgehoben wird. Zum anderen wird deutlich, dass die Verhaltensmedizin auf empirisch geprüften Kenntnissen beruht, deren daraus abgeleitete Methoden ebenfalls in der Empirie validiert wurden und werden. Zudem wird durch die fachübergreifende Zusammenarbeit der verschiedenen beteiligten Disziplinen nach einem bestmöglichen umfassenden Verständnis der Mechanismen von Gesundheit und Krankheit gestrebt, was durch die Beschränkung auf eine einzige Wissenschaftsschule häufig verhindert wird.

Das Handlungsfeld der Verhaltensmedizin liegt neben Gesundheitsprozessen in erster Linie bei körperlichen Erkrankungen und weniger bei psychischen Störungen. Letztere erlangen allerdings dann verhaltensmedizinische Relevanz, wenn sie mit einer körperlichen Erkrankung einhergehen, unabhängig davon, ob sie deren Ursache oder Folge sind (Kaptein und van Rooijen 1990; Strauß 2002). Die ursprüngliche Definition von Verhaltensmedizin (Schwartz und Weiss 1977) enthielt einen weiteren Satz, der bemerkenswerterweise keinen Eingang in neuere Lehrbücher und die aktuelle Definition der Disziplin durch die Society of Behavioral Medicine (SBM) gefunden hat: „Psychose, Neurose und Substanzmissbrauch sind nur insofern eingeschlossen, als sie zu körperlichen Störungen als Endpunkt beitragen (S. 379)“ (siehe auch Kaptein und Weinman 2004). Neue integrative Konzepte der Gesundheitsversorgung führen besonders im angloamerikanischen Raum zu einer zunehmenden Verknüpfung klassisch verhaltensmedizinischer und klinischpsychologischer Arbeitsfelder. Eine neuere Verhaltensmedizin-Sonderausgabe des Journal of Consulting and Clinical Psychology wird diesem Trend gerecht durch den erweiterten Titel „Behavioral Medicine and Clinical Health Psychology“ (Smith et al. 2002). Die Autoren verknüpfen die Zukunft der Disziplin mit einer zunehmenden Integration von Aspekten der wissenschaftlichen Erfassung und des Managements psychischer und körperlicher Gesundheit im Rahmen der Gesundheitsversorgung. In der Tat wird auch mit dem Fortschritt in der Grundlagenforschung von Psychiatrie, Neurowissenschaften und Verhaltensmedizin die Trennung von mentalen und körperlichen Problemen zunehmend schwieriger. Besonders der vierte Teil des vorliegenden Buches greift diese Entwicklung auf und widmet sich primär psychischen Störungen und ihrem Bezug zu einer integrierten verhaltensmedizinischen Sichtweise.

1.2 Biopsychosoziales Modell der Verhaltensmedizin

Aus der oben genannten Definition wird ersichtlich, dass die Verhaltensmedizin in einem verallgemeinerten Sinne auf einem biopsychosozialen Modell beruht. Dies bedeutet, dass zur Erklärung der Entstehung und Aufrechterhaltung der verschiedensten Krankheiten bzw. der Wiederherstellung von Gesundheit verschiedene biologische, psychische und soziale Komponenten vereint und ebenso ihre Interaktionen beachtet werden. Ausgehend von diesem multifaktoriellen Erklärungsansatz erscheint es geradezu verständlich, dass Vertreter der unterschiedlichen biomedizinischen, psychischen und sozialwissenschaftlichen Fachrichtungen (siehe unten) interdisziplinär zusammenarbeiten.

Dennoch ist der Umfang der bislang realisierten Interdisziplinarität noch weit von den Idealen einer integrativen biopsychosozialen Perspektive nach George Engel (1980) entfernt. Sein Blick auf den erweiterten Erkrankungsprozess, der sich nicht auf die Explikation des pathophysiologischen Prozesses allein beschränkt, schloss idealerweise die Analyse des Beitrags signifikanter Interaktionspartner des Patienten, der Familie und zumindest des gemeindenahen Interaktionsfeldes ein, wenn nicht auch der kulturellen und subkulturellen Bezüge, in die der Patient eingebettet ist, sowie die Gesellschaft und Nation als solche. Er verstand diese Ebenen als ineinander geschachtelte Systeme, die jeweils für sich genuine Charakteristiken und Dynamiken besitzen, jedoch jeweils auch Komponenten eines Systems höherer Ordnung darstellen und ohne Bezug zur nächsthöheren Ebene nicht vollständig charakterisiert sind.

Engel (1980) explizierte die Nützlichkeit dieser Sichtweise am Beispiel eines Patienten mit akutem Verschluss der Koronararterien. Während entsprechend einer klassischen biomedizinischen Versorgung Prozesse auf der Ebene des Organs, des Gewebes und der Zellen (ischämische Prozesse im Myokard, elektrische Instabilität, Zelltod etc.) untersucht werden und dementsprechend interveniert würde, umfasst die biopsychosoziale Versorgung eine gezielte Analyse höherer Ebenen, wie etwa typische Persönlichkeitseigenschaften und Bewältigungsmechanismen des Patienten (Bedürfnis nach Kontrolle, Erleben der Krankheit als Schwäche), die einer frühzeitigen Selbsteinlieferung des Patienten im Wege stehen könnten oder die medizinische Diagnose und Behandlung erschweren könnten. Beispielsweise könnten die unbeachteten Gefühle der Ohnmacht während einer misslungenen arteriellen Punktierung im Krankenhaus auf niedrigerer Ebene über die Mobilisierung des sympathischen Nervensystems zur Instabilität des kardialen Systems beitragen und das Risiko eines Infarkts erhöhen. Auf der Ebene der sozialen Bezüge werden weitere Einflussfaktoren in die Analyse einbezogen, wie etwa die stabilisierende Rolle von Ehepartnern und die Wichtigkeit, auch im Sinne der Genesung des Patienten, deren Gesundheit zu bewahren und Ressourcen zu stärken.

Während Verhaltensmedizin sich zur Aufgabe macht, derartige Aspekte in die wissenschaftliche Untersuchung und Behandlung einzubeziehen, bleibt angesichts des Umfangs der zu verarbeitenden Information im Einzelfall oft nur die partielle Reduktion. Dies betrifft insbesondere höhere Ebenen der Analyse über die unmittelbare Ebene der Person des Patienten hinaus. Die nachfolgenden Beiträge zu den verschiedenen Krankheitsbildern reflektieren im Kern eine Sichtweise entsprechend einem biopsychosozialen Modell sowie auch Ansätze zu einer vollständigeren Betrachtung der Erkrankung auf den Ebenen von Familie, Gemeinde und Kultur.

2 Entwicklung der Verhaltensmedizin

2.1 Historische Entwicklung

Die erstmalige Verwendung des Begriffs Verhaltensmedizin wird übereinstimmend dem Buch „Biofeedback: Behavioral Medicine“ von Berk aus dem Jahr 1973 zugeschrieben (Kaptein und van Rooijen 1990; Ehlert 2003). Der komplementäre Begriff „Behavioral Paediatrics“ für die Verhaltensmedizin bei Kindern findet sich hingegen bereits in einem Übersichtsartikel von Kraft und Bratteng aus dem Jahre 1968. In den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts fand im amerikanischen Sprachraum allerdings schon eine Diskussion dahingehend statt, dass die Verhaltenswissenschaften eine größere Relevanz in der Medizin erhalten müssen. Die Notwendigkeit ihres Einbezugs in die Ausbildungscurricula von Medizinern wurde in diesem Zusammenhang im Jahre 1952 von der Vereinigung der amerikanischen Medizinhochschulen erkannt (Berry 1953) und die Frage der Umsetzung nachfolgend regelmäßig in Fachorganen diskutiert (Stainbrook und Wexler 1956; West 1959).

Die gegenseitige Beeinflussung körperlicher und psychischer bzw. verhaltensbezogener Aspekte bei Gesundheits- und Krankheitsprozessen ist allerdings keine Erfindung des vergangenen Jahrhunderts. Bereits in der Antike finden sich entsprechende Ansätze in Philosophie und Medizin. Ein viel zitiertes Anwendungsbeispiel stellt beispielsweise das sogenannte Liebesfieber dar. Bei Mesulam und Perry (1972) werden hierzu verschiedene überlieferte Fallbeschreibungen der antiken Ärzte Erasistratos (300–240 v. Chr.) und Galen von Pergamon (129–199) sowie des frühmittelalterlichen Ibn Sina (987–1037) gelistet. Allen Berichten ist gemein, dass persistierende körperliche Symptome und Erkrankungen von Patienten auf unerfüllte Liebe zurückgeführt und anschließend geheilt werden konnten. Interessant ist hierbei, dass das geheime Verliebtsein erst durch genaue Verhaltensbeobachtungen seitens der Ärzte entdeckt wurde. Ibn Sina hat hierzu die Pulsdiagnostik eingesetzt, die er wie folgt beschrieb:

„Die Technik besteht darin, dass viele verschiedene Namen genannt und mehrfach wiederholt werden, während man die Finger am Puls lässt. Wenn er sehr unregelmäßig wird und fast verschwindet, wird der Vorgang wiederholt. Ändert er sich bei der Erwähnung eines bestimmten Punkts wiederholt, so kannst Du daraus auf Name, Erscheinung, Beruf und ähnliche Kennzeichen des Geliebten schließen“(nach Hölzl 1999).

Zur anschließenden Therapie bemerkt Sina:„Wenn schließlich keine andere Heilung erkennbar ist, als die beiden nach den Vorschriften von Religion und Gesetz zu vereinen, so tue dies. Wir haben Fälle gesehen, in denen der Patient nach der Vereinigung mit seiner Geliebten in kürzester Zeit seine frühere Gesundheit und Stärke völlig wiedergewann [...]. Dies hat uns über die Maßen erstaunt und wir erkannten die Abhängigkeit (Unterordnung) der menschlichen Natur (der Körpervorgänge) von psychischen (geistige) Vorstellungen“(nach Hölzl 1999).

Dieses Vorgehen entspricht im Kern dem heutigen verhaltensmedizinischen Verständnis der Behandlung von Erkrankungen, da neben der somatischen Diagnostik gleichwertig die psychischen bzw. sozialen Umgebungsbedingungen zur Deutung und Behandlung von Erkrankungen herangezogen wurden.

Auch in fernöstlichen Kulturkreisen findet sich ein Jahrtausende altes Verständnis einer Einheit von Körper und Geist. In der Tradition des Yoga zeigt sich beispielsweise, dass durch gezielte willentliche Beeinflussung physiologischer Funktionen durch Atemtechniken, Meditation bzw. körperliche Übungen ein gesteigertes psychisches Wohlbefinden erreicht werden kann, was wiederum positive Auswirkungen auf das physische Geschehen hat. Eine moderne Variante dieses Vorgehens findet sich in verschiedenen Biofeedbackprozeduren (Pomerleau und Brady 1979), welche, wie nachfolgend noch erläutert wird, eine hohe Bedeutung in der Verhaltensmedizin besitzen.

Im christlichen Mittelalter wurde diese ganzheitliche Sichtweise von einer rigiden Trennung zwischen Körper und Geist abgelöst. Das wohl prominenteste Beispiel stellt hier der französische Philosoph und Naturforscher René Descartes dar. Dieser trug durch seine 1641 in den erkenntnistheoretischen „Meditationes de prima philosophia“ veröffentlichte reduktionistische Sichtweise wesentlich zu dieser Auffassung bei, indem er eine Abkopplung des Körperlichen (res extensa) vom Gedanklichen (res cogitans) postulierte (Wiesendanger 1987). Diese Vorstellungen des „Leib-Seele-Dualismus“ konservierten sich lange Zeit in einer rein somatisch orientierten Behandlung von Erkrankungen.

Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Zusammenwirken von psychischen und physischen Einflussfaktoren bei der Entstehung von Krankheiten wiederentdeckt. Dies ist maßgeblich auf den Einfluss der psychoanalytischen Vorstellungen Sigmund Freuds und seiner Anhänger zurückzuführen. Freud ging in seinem Konversionsmodell davon aus, dass unterdrückte Affekte und intrapsychische Konflikte sich als physische wie auch psychische Krankheitssymptome manifestieren können. Wilhelm Reich (1933) erweiterte die Freud’sche Abwehrtheorie zur „Charakteranalyse“, in der er die körperliche Manifestation von Abwehrmechanismen in skelettmuskulären Verspannungen („Charakterpanzer“) aufzuspüren suchte und Überlegungen zu Folgen für verschiedene Organfunktionen und deren Erkrankungen anstellte. In psychoanalytischer Tradition entwickelten sich auch die psychosomatischen Theorien (z. B. Alexander 1950), welche den Ursprung spezifischer organischer Erkrankungen in bestimmten Persönlichkeitscharakteristiken, interpersonellen Konflikten und spezifischen Reaktionen auf diese Konflikte sahen. Demnach führten erworbene oder konstitutionelle Vulnerabilitäten eines bestimmten Organs oder Organsystems bei Vorliegen einer dieser interpersonellen Charakteristika zur Ausbildung einer spezifischen Krankheit. Nach Alexander (1950) sind vor allem Neurodermitis, Asthma bronchiale, Ulcus, rheumatöse Arthritis, Diabetes und essentielle Hypertonie solche psychosomatischen Krankheiten. Ein akuter Asthmaanfall wird hier beispielsweise als „unterdrückter Schrei nach der Mutter“ interpretiert. Die Behandlung dieser Erkrankungen wurde vor allem mit psychoanalytischer Methodik durchgeführt, wobei ab Mitte des vergangenen Jahrhunderts viele psychosomatische Fachabteilungen und Kliniken entstanden. Aufgrund der bislang weitgehend nicht stattgefundenen bzw. von vornherein nicht möglichen empirischen Überprüfung der psychoanalytischen Konzepte und Entstehungsmodelle von Krankheit sowie durch den häufig wenig verständlichen bzw. als realitätsfern geltenden psychoanalytischen Sprachgebrauch hat sich die Psychosomatik in der Medizin nur eingeschränkt durchsetzen können (Ehlert 2003).

Ungeachtet dessen existiert weitgehend unabhängig von akademischer Forschung ein Praxisfeld der psychoanalytisch oder psychodynamisch orientierten Körpertherapien, wie etwa Bioenergetik (Lowen 1975) und Biodynamik (Boyesen und Boyesen 1977), die sich vielfach in der Nachfolge Reichs und in verschiedenen Varianten angereichert durch isolierte medizinische und neurowissenschaftliche Erkenntnisse sowie pragmatische Übernahme von systemtheoretischen Ideen und fernöstlichen Energetik-Philosophien einer Behandlung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen verschrieben haben. Eine Wiedereinbettung dieser wie auch anderer alternativer und komplementärer Behandlungsverfahren in die akademische Forschung und ihre Nutzbarmachung für eine erfolgreichere verhaltensorientierte Behandlung von körperlichen und psychischen Erkrankungen ist wünschenswert und wird beispielsweise in den USA durch das 1988 gegründete National Center for Complementary and Alternative Medicine (NCCAM) der National Institutes of Health finanziell unterstützt.

Ein deutlicher Einfluss auf eine integrierte Sichtweise von Psyche, Verhalten und Körper bei der Entstehung und Behandlung von körperlichen Erkrankungen und letztlich auf die Entstehung der Verhaltensmedizin bestand in den erfolgreichen Forschungsergebnissen zur Verhaltensmodifikation. Insbesondere die aus der behavioristischen Schule hervorgegangene kognitive Verhaltenstherapie konnte auf eine Vielzahl von empirisch gesicherten Erfolgen in der Behandlung von psychischen Störungen, aber auch von medizinisch relevanten Problemen wie z. B. der Raucherentwöhnung, verweisen (siehe auch Beitrag von Martin Hautzinger in diesem Band). Genaue Analysen dysfunktionalen Verhaltens, überprüfbare Störungsmodelle und Behandlungspläne sowie validierte Methoden zur Verhaltensänderung, basierend auf elaborierten lerntheoretischen Konzepten, führten zu einer zunehmenden Akzeptanz in medizinischen Fachkreisen und zu einer Anwendung bei körperlichen Erkrankungen (Pearce und Wardle 1989; Pommerleau und Brady 1979). Neben den bis dato fehlenden wirksamen Interventionsmethoden zur Veränderung von dysfunktionalem Verhalten waren es aber auch die erfolgreichen Forschungsmethoden und Befunde aus der experimentellen Psychologie, welche nun aussichtsreich für das Feld von Gesundheit und Krankheit zur Verfügung standen (Katz und Zlutnick 1975).

Zudem gilt auch der erfolgreiche Einsatz von Biofeedbackverfahren als wesentlicher Einfluss für die Entstehung der Verhaltensmedizin. Mit den durch Neil Miller und Kollegen anfangs im Tierexperiment demonstrierten Erfolgen in der instrumentellen Konditionierung autonomer Prozesse wurde in den 70er und 80er Jahren eine Flut von Untersuchungen begründet, die sich des Biofeedbacktrainings von Organfunktionen widmeten (Miller 1978). Hierbei werden dem bewussten Erleben meist kaum zugängliche autonome Vorgänge mittels entsprechender Geräte aufgezeichnet, in elektrische Signale umgewandelt und zumeist visuell oder akustisch rückgemeldet. Patienten werden dabei trainiert, das Signal und somit den entsprechenden physiologischen Vorgang in eine gewünschte Richtung hin zu beeinflussen. Forschung zu Biofeedbackverfahren hat damit in großem Umfang die verhaltensbezogene Erforschung und Modifikation von Körperprozessen in den Mittelpunkt des Interesses eines psychologisch und medizinisch orientierten Fachpublikums gerückt. Das Unvermögen, die früheren tierexperimentellen Erfolge zu replizieren, und die sich häufenden negativen Ergebnisse von Interventionsstudien haben einer realistischeren Zielsetzung des Biofeedbacks Vorschub geleistet, indem sich Behandlungsmodalitäten nun zunehmend auf Prozesse beschränken, die direkt oder indirekt durch Mobilisierung von Funktionen des somatischen oder zentralen Nervensystems modifizierbar sind, wie etwa über die Atmung, Skelettmuskelaktivierung oder elektrokortikale Prozesse. Chronische Rückenschmerzen etwa, denen in vielen Fällen eine erhöhte Anspannung der Rückenmuskulatur zugrunde liegt, werden seit Jahren mittels Biofeedback erfolgreich behandelt (siehe auch den Beitrag von Gisela Peters in diesem Band). Hierbei wird die Spannung der Rückenmuskulatur elektromyographisch mittels Oberflächenelektroden erfasst und dem Patienten beispielsweise als Tonsignal rückgemeldet, welches bei steigender Anspannung ebenfalls ansteigt. Der Patient trainiert nun die Reduktion der Muskelspannung über eine Verringerung der Tonhöhe (Rief und Birbaumer 2006). Zusätzlich können diese Verfahren dazu beitragen, den Betroffenen den Zusammenhang zwischen psychischen und körperlichen Aspekten ihrer Erkrankung zu verdeutlichen, sowie über das Erlernen von Kontrolle über die eigenen Körperfunktionen zu einer gesteigerten Selbstwirksamkeitserwartung führen.

Nicht vergessen werden darf, dass die seit Jahren immense und stetig ansteigende Kostenbelastung des Gesundheitssystems einen enormen Druck auf die Heilberufe ausübt. Effiziente, evidenzbasierte und kostengünstige Behandlungsmethoden gewannen somit auch von volkswirtschaftlicher Seite her an Bedeutung. Bereits in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde darauf hingewiesen, dass die Verhaltensmedizin mit ihren erfolgreichen und empirisch gesicherten Methoden bei der Prävention, Diagnostik, Behandlung und Rehabilitation einen wirksamen Beitrag zur Reduktion von Kosten leisten kann, was zu ihrer verstärkten Verbreitung beitragen dürfte (Kaptein und van Rooijen 1990).

2.2 Aktueller Stand der Verhaltensmedizin

Mittlerweile gilt die Verhaltensmedizin als etablierter Wissenschaftszweig, dessen biopsychosoziales Erklärungsmodell für eine Vielzahl von Erkrankungen und deren Interventionen als weithin akzeptiert bezeichnet werden kann. Das Interesses an dieser Disziplin wächst hierbei stetig. Während für das Jahr 1977, in welchem die wegweisende Yale Konferenz stattfand, erst eine Publikation mit dem Stichwort „Behavioral medicine“ in der Wissenschaftsdatenbank PubMed gelistet wird, finden sich für das Jahr 1987 schon 18 derartige Publikationen, für das Jahr 1997 bereits 43 und für das Jahr 2005 mittlerweile 63 Veröffentlichungen. Eine Vielzahl von nationalen wie auch internationalen verhaltensmedizinischen Fachzeitschriften (u. a. Annals of Behavioral Medicine, Behavioral Medicine, Journal of Behavioral Medicine, International Journal of Behavioral Medicine oder Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin), Büchern und Kongressen beschäftigen sich fortlaufend mit verhaltensmedizinischen Themen. Im Kern überwiegend verhaltensmedizinisch relevante Arbeiten werden auch in weiteren renommierten internationalen Fachzeitschriften der Nachbardisziplinen, wie Psychosomatic Medicine und Health Psychology, publiziert. Zudem gibt es eine Reihe von nationalen wie auch internationalen wissenschaftlichen Gesellschaften, die der Förderung dieser Disziplin verpflichtet sind (International Society of Behavioral Medicine, ISBM; Society of Behavioral Medicine, SBM). In Deutschland ist dies seit zwei Jahrzehnten die Deutsche Gesellschaft für Verhaltensmedizin und Verhaltensmodifikation e. V. (DGVM).

Seminare zur Verhaltensmedizin werden mittlerweile an psychologischen wie auch an medizinischen Fakultäten angeboten, wobei diese zumeist noch nicht zum Pflichtcurriculum zählen. Eine zunehmende Verbreitung der verhaltensmedizinischen Ausbildung für angehende Psychologen und Mediziner wäre, wie bereits von Pearce und Wardle (1989) angemerkt, essentiell, um verhaltensmedizinischen Erkenntnissen und Methoden zukünftig eine noch stärkere Bedeutung in der Praxis zukommen zu lassen. Auf aktuelle Trends in der verhaltensmedizinischen Forschung und Praxis wird vertiefend in den nachfolgenden Beiträgen zu den einzelnen Störungsbildern eingegangen. Angemerkt sei an dieser Stelle lediglich, dass die rasanten methodischen Entwicklungen, z. B. in der Psychoneuroimmunologie und den Neurowissenschaften, zunehmend in die Arbeit von Verhaltensmedizinern einfließen werden. Biofeedbackverfahren, die mittels funktioneller Magnetresonanztomographie die gezielte Beeinflussung der Aktivität spezifischer Hirnareale erlauben, sind nur ein Beispiel für diese spannenden Entwicklungen (Weiskopf et al. 2003). Eine Reihe neuerer Trends in der Verhaltensmedizin greift auch das Sonderheft des Journal of Consulting and Clinical Psychology auf (Keefe et al. 2002).

3 Wichtige psychologische Konzepte in der Verhaltensmedizin

Psychologische Konzepte und Modellvorstellungen sind in die Entwicklung von Interventionsverfahren eingeflossen, die zunächst für die Behandlung psychischer Störungen eingesetzt wurden. Empirische Belege für die Effektivität vieler dieser Verfahren führten zu einer erfolgreichen Ausweitung der Anwendung auf körperliche Erkrankungen, was, wie voranstehend erwähnt, vor allem für die verhaltenstherapeutischen Konzepte zutrifft. Aber auch andere Modellvorstellungen und Interventionen haben große Bedeutung für die Verhaltensmedizin erlangt, z. B. Entspannungstechniken oder Motivationstechniken, welche in den spezifischen Beiträgen dieses Buches näher vorgestellt werden sollen. Grundlegende Konzepte, die in die Verhaltensmedizin von psychologischer Seite eingebracht werden, sind im Überblick bei Flor et al. (1999) und Rief und Nanke (2003) dargestellt. Im Folgenden gehen wir kurz schlaglichtartig auf einige neuere Entwicklungen ein, die für die verhaltensmedizinische Forschung von aktueller Relevanz sind.

3.1 Kognitive Repräsentation von Krankheit

Im Zuge einer konsequenteren Anwendung der kognitiven Perspektive in der Verhaltensmedizin sind in den letzten Jahren zunehmend die kognitiven Modelle, die sich Patienten von ihrer Krankheit machen, in den Vordergrund gerückt (Weinman und Petrie 1997). Krankheitsrepräsentation kann dabei auch als Oberbegriff für eine Reihe von Konzepten stehen, die in ihrer Anwendung auf den Krankheitsbereich die Wahrnehmung von Wesen und Verlauf der Erkrankung durch den Patienten thematisieren. Der Begriff integriert Konzepte der Symptomwahrnehmung („Krankheitsidentität“), der Kausalattributionen zur Verursachung, der Wahrnehmung der zeitlichen Dynamik sowie Kontroll- und Konsequenzerwartungen, persönliche Sinnbildung und emotionale Bewertungen. Während Erkenntnisse zu diesen Elementen einer kognitiven Krankheitsrepräsentation in Zusammenhang mit verschiedenen Krankheitsbildern teilweise schon untersucht wurden (siehe etwa die umfangreiche und differenzierte Literatur zur wahrgenommenen Kontrolle bei Gesundheit und Krankheit, Strickland 1978; Steptoe 2001), bietet die neuere Forschung erstmals die Gelegenheit der Zusammenführung und des direkten Vergleichs dieser verschiedenen Konzepte bezüglich ihrer Vorhersagekraft für präventive Maßnahmen, den Krankheitsverlauf und die Compliance mit Behandlungsmaßnahmen. Die Beschäftigung mit diesen Konzepten stellt eines von vielen Beispielen dafür dar, dass Verhaltensmedizin längst nicht mehr auf die Anwendung des behavioristischen Paradigmas auf medizinische Fragestellungen reduzierbar ist.

3.2 Soziale Bezüge

Ein Einbezug der sozialen Bezüge zum Verständnis von Ätiologie und Aufrechterhaltung von Störungen, Krankheitsbewertungen oder Inanspruchnahme von Behandlungen ist seit jeher Teil einer biopsychosozial ausgerichteten Verhaltensmedizin. Mittlerweile belegt ein formidabler Grundstock an Studien die Wichtigkeit der sozialen Unterstützung für Gesundheit und Erkrankung (Uchino et al. 2006; Di-Matteo 2004), jedoch ist weitere Forschung zu den vermittelnden Mechanismen nötig, die den Einfluss struktureller Aspekte der sozialen Unterstützung (z. B. Größe des familiären Netzwerks) oder funktionaler Aspekte (Qualität des sozialen Kontakts) erklären können.

Ein zunehmend mehr beachtetes Feld der sozialen Bezüge betrifft den Einfluss soziodemographischer Diversität, wie etwa kulturelle Zugehörigkeiten, ethnische Besonderheiten und sozioökonomischer Status, auf den Umgang mit Erkrankung und die Aufrechterhaltung von Gesundheit (Whitfield et al. 2002). Barrieren oder auch Ressourcen der Behandlung können in spezifischen kulturellen, religiösen und folkloristischen Konzepten von Erkrankung bestehen, wie etwa bezüglich der Ursachen und Behandlung von Asthma (Pachter et al. 1995) oder der Kommunikation von körperlichen Symptomen (Rhee 2005). In Zeiten der Ressourcenverknappung der sozialen Gesundheitssysteme und zunehmenden finanziellen Verantwortungsübertragung auf den Einzelnen rückt auch der sozioökonomische Status der Patienten als wichtiger Prädiktor von Erkrankungen und deren Behandlung in den Vordergrund (Anderson und Armstead 1995).

3.3 Stress und Emotion

Im Gegensatz zur populären Konzeptualisierung von Stress als intrapsychischem Phänomen („Ich habe Stress“) ist die wissenschaftliche Betrachtung des Phänomens eher mit der Charakterisierung aversiver Situationen und ihren Konsequenzen für den Organismus verbunden. Während eine umfangreiche Literatur sich mit der physiologischen Reaktivität auf experimentelle Stresssituationen beschäftigt hat (siehe z. B. kardiovaskuläre Reaktivität, Claus Vögele in diesem Band), sind in den letzten Jahren vermehrt die Wirkungen von chronischem Stress ins Blickfeld gerückt. McEwen (1998) hat dafür das Konzept der allostatischen Belastung eingeführt (siehe dazu Beitrag von Karl-Heinz Schulz in diesem Band), welche die akkumulierten Effekte einer andauernden Über- oder Unteraktivierung der organismischen Regulationssysteme bezeichnet. So kann Langzeitbelastung etwa in einer Herabregulierung der Immunabwehr resultieren, während einmalige, kurzfristige Belastungen teilweise stärkende Effekte auf die Immunabwehr haben können. Besonders der chronische Charakter allostatischer Belastung, ob durch anhaltende organismische Aktivierung, in hoher Frequenz wiederholte Aktivierungen, fehlende Erholung oder inadäquate Aktivierung von Teilsystemen, die zur Überkompensation anderer Systeme führt, ist im Zusammenhang mit dem Erstauftreten von Erkrankungen sowie ihrem Management von großer Wichtigkeit.

Die Folgen von Belastung durch Stress wirken sich intrapsychisch durch Veränderungen der Emotionalität (spezifische Emotionen, Stimmungen wie Angst oder emotionale Reaktivität wie etwa ärgerliche Gereiztheit) aus. Global wird dies meist über Maße der negativen Affektivität erfasst, die erwiesenermaßen einen engen Bezug zum Symptombericht und Aspekten der chronischen Erkrankung hat (siehe z. B. Jonas und Lando 2000; Watson und Pennebaker 1989). Die neuere verhaltensmedizinisch relevante Forschung erbringt demgegenüber zunehmend Hinweise auf die Wichtigkeit positiver Emotionalität (Pressman und Cohen 2005). So zeigt sich in experimentellen Studien die Wirkung der Auslösung positiver Emotionen auf die Erholung von Blutdruckwerten nach einem unangenehmen Film (Fredrickson und Levenson 1998), im Hinblick auf Persönlichkeitsmerkmale etwa der positive Effekt von Optimismus auf die Entwicklung der Lungenfunktion (Kubzansky et al. 2002) oder die Vorhersagekraft positiver, jedoch nicht negativer, Affektivität auf das Erkrankungsrisiko nach experimenteller Infektion (Cohen et al. 2006).

3.4 Bewältigung

Die auf dem Stress-Bewältigungskonzept von Lazarus und Folkman (1984) basierte Forschung zu Appraisal und Coping hat im Bereich der klinischen Versorgung von organischen Erkrankungen vielfältige Anwendung gefunden, wie etwa bei der Untersuchung des Einflusses verschiedener Bewältigungsstile auf den Krankheitsverlauf oder die Verarbeitung medizinischer Eingriffe. Dabei stand im Wesentlichen eine relativ statische Auffassung von Bewältigung ähnlich Persönlichkeitsstilen im Vordergrund. Neuere Impulse für die Bewältigungsforschung wären von einer Rückbesinnung auf den Prozesscharakter von Bewältigung zu erwarten sowie durch eine Verbindung zur klinischen Interventionsforschung (Somerfield und McGrae 2000). Damit einher geht der Einsatz von Längsschnittuntersuchungen, die lebensnahe Datenerfassung etwa über elektronische Tagebücher und eine Konzentration auf krankheitsbereichsspezifische Aspekte und Formen der Bewältigung. Beispielsweise könnte der Umfang, in dem ein Asthma-Schulungsprogramm zum Erfolg führt, stark von der Tendenz des Patienten abhängen, die Realität der Chronizität und Episodenhaftigkeit der asthmatischen Erkrankung zu akzeptieren. Jedoch könnte eine Tendenz zur Nichtakzeptanz (oder Verleugnung) im Laufe des Schulungsprogramms ebenfalls beeinflusst werden, so dass der dynamische Charakter dieses Bewältigungsmerkmals zusätzlich zur Aufklärung von Varianz in Maßen des Interventionserfolges (wie etwa wahrgenommene Kontrolle über das Asthma-Management, Umfang der Verwendung von Notfallmedikation) beitragen könnte.

4 Disziplinen in der Verhaltensmedizin

Wie bereits geschildert, ist die Verhaltensmedizin ein interdisziplinäres Arbeitsfeld, auf dem verschiedenste Disziplinen vertreten sind, die in unterschiedlichem Maße Gemeinsamkeiten wie auch Unterschiede in ihren Kerntätigkeiten im Vergleich zur Verhaltensmedizin aufweisen (siehe Abbildung 1). Zwischen diesen gibt es starke Überschneidungen, wobei allen Fachrichtungen die Beschäftigung mit Gesundheits- und Krankheitsprozessen des Menschen gemeinsam ist. Die nachfolgende Aufzählung beschränkt sich auf die wichtigsten Disziplinen, da eine vollständige Abhandlung den vorliegenden Rahmen deutlich sprengen würde. Es sei angemerkt, dass innerhalb der verschiedenen Fachrichtungen wiederum unterschiedliche Berufsgruppen vertreten sind, die sich mit spezifischen verhaltensmedizinisch relevanten Teilaspekten beschäftigen.

Die übergeordneten Disziplinen der Psychologie und Medizin umfassen eine Reihe von Unterdisziplinen, die teilweise unabhängig voneinander wichtige Beiträge zur Verhaltensmedizin leisten (Abbildung 1). Während auf psychologischer Seite besonders die Spezialgebiete der Gesundheits-, biologischen und klinischen Psychologie Wissen beisteuern und relevante Themen aufgreifen, liefern auf medizinischer Seite im deutschsprachigen Raum die drei klassischen psychosozialen Teildisziplinen der Psychosomatik, medizinischen Psychologie und medizinischen Soziologie wichtige Beiträge. Themenbereiche, Geltungsanspruch und Abgrenzung gegenüber Nachbardisziplinen werden von diesen Teildisziplinen unterschiedlich aufgefasst, teilweise auch motiviert durch berufspolitische Erwägungen in Zeiten der Einsparungen und Umstellung der Curricula (Liedtke und Hoffmann 2001; siehe auch den Beitrag von Uwe Koch in diesem Band). Sowohl auf medizinischer als auch psychologischer Seite leisten darüber hinaus eine Reihe weiterer Teildisziplinen wichtige Beiträge.

Abb. 1: Die Verhaltensmedizin und beteiligte Disziplinen und Unterdisziplinen

Die Gesundheitspsychologie hat sich als Disziplin etwa zur selben Zeit etabliert wie die Verhaltensmedizin. Sie versteht ihre Aufgabe in der Förderung und Erhaltung von Gesundheit, Prävention und Behandlung von Krankheiten, der Identifikation von ätiologischen und diagnostischen Korrelaten von Gesundheit und Krankheit sowie der Auseinandersetzung mit versorgungsstrukturellen und gesundheitspolitischen Themen. Letzteres Themenfeld dürfte das offensichtlichste Unterscheidungskriterium zur Verhaltensmedizin bilden, und tendenziell ist sie auch aktiver in dem Bereich der gesundheitsfördernden Maßnahmen. Die Gesundheitspsychologie wird oft auch als diejenige Subdisziplin der Psychologie aufgefasst, die alle psychologisch orientierte Forschung und Anwendung im Bereich von Gesundheit und Krankheit zusammenfasst.

Die Klinische Psychologie beschäftigt sich primär mit der Diagnose, Entstehung, Aufrechterhaltung und Behandlung von psychologischen Störungen und ist ein anwendungsorientierter Bereich der Psychologie. Sie behandelt ebenfalls die biologischen und sozialen Einflussfaktoren auf diese Störungen. Kerntätigkeiten sind epidemiologische Forschung, Entwicklung und Anwendung von psychotherapeutischen Interventionen sowie von diagnostischen Verfahren. Vor allem die klinischen Interventionsverfahren, die neben verhaltenstherapeutischen auch gesprächstherapeutische, psychoanalytische oder systemische Ansätze umfassen, reichen weit über das in der Verhaltensmedizin angewandte Repertoire hinaus. Die validierten Methoden zur Verhaltensmodifikation, insbesondere der kognitiven Verhaltenstherapie, sowie zur klinisch psychologischen Forschung sind wesentlicher Bestandteil der Verhaltensmedizin.

Die Biologische Psychologie beschäftigt sich mit den biologischen Prozessen, die dem menschlichen Verhalten und Erleben unterliegen bzw. mit diesem einhergehen.

Sie hat verschiedene Spezialdisziplinen wie die Physiologische Psychologie, Psychophysiologie, Psychopharmakologie, Psychoimmunologie oder Neuropsychologie. Diese zumeist in der Grundlagenforschung angesiedelten Disziplinen liefern wichtige Erkenntnisse über die Rolle des Zentralnervensystems und spezifischer Organsysteme bei psychischen Prozessen, welche für die Entstehung von Erkrankungen bzw. den Erhalt von Gesundheit von Bedeutung sind. Die Psychophysiologie entwickelte das Biofeedback, welches eine wichtige Rolle in der Verhaltensmedizin spielt.

Ein zunehmender Beitrag wird auch von weiteren Teildisziplinen der Psychologie geliefert, wie etwa der Sozialpsychologie und Entwicklungspsychologie. Von ihnen werden besonders im Hinblick auf zukünftige Themen der Verhaltensmedizin zunehmend Impulse ausgehen, die Fragen wie beispielsweise partnerschaftliche Interaktionsdynamiken, soziale Selbstwahrnehmung, Rollenherausbildung und Meinungsbildung bei der Inanspruchnahme von Behandlungsangeboten aufklären helfen sowie auch die Rolle psychologischer Aspekte bei der Entwicklung von Erkrankungen über die Lebenszeitperspektive hinweg.

Die Psychosomatik weist von allen Disziplinen die meisten Ähnlichkeiten mit der Verhaltensmedizin auf und kann zudem entwicklungsgeschichtlich auf eine längere Tradition und Verbreitung in der Medizin zurückblicken. Beide Disziplinen beschäftigen sich im Wesentlichen mit den Interaktionen zwischen Psyche und Körper bei der Entstehung und Behandlung von Erkrankungen bzw. der Erlangung von Gesundheit. Der grundsätzlichste Unterschied liegt in den Ursprüngen der Disziplinen, die im Fall der Psychosomatik von psychoanalytischen Modellvorstellungen geprägt war, welche die Entstehung von Störungen vorwiegend mit bestimmten Persönlichkeitscharakteristiken, interpersonellen Konflikten bzw. entsprechenden spezifischen Reaktionen darauf erklärten. Die Verhaltensmedizin hingegen basierte von Anbeginn an auf Prinzipien der Lerntheorie und kognitiven Psychologie und war an Prozessen des Verhaltens bzw. seiner Modifikation orientiert. Die Verhaltensmedizin war bereits in der Entstehung interdisziplinär ausgerichtet, stärker an empirischen und naturwissenschaftlichen Methoden orientiert und beschäftigt sich heute auch mit Fragen der Krankheitsprävention, die in der Psychosomatik von geringerer Bedeutung sind. Dieser Unterschied ist im deutschsprachigen Raum noch deutlicher als im angloamerikanischen, wo sich eine stetige Annäherung oder gar weitgehende Übereinstimmung in den Themen und zugrunde gelegten wissenschaftlichen Paradigmen abzeichnet. So hat die American Psychosomatic Society erst kürzlich den klärenden Zusatz „Dedicated to the integration of biological, psychological, and social factors into medicine“ angenommen, und psychoanalytisch orientierte Beiträge finden nur noch in Ausnahmefällen Eingang in Psychosomatic Medicine, dem Publikationsorgan der Gesellschaft.

Die Medizinische Psychologie integriert psychologische und soziologische Aspekte von Krankheit und Gesundheit in die Medizin, was auf praktischer wie auch forschungsbezogener Ebene erfolgt. Sie widmet sich den biopsychosozialen Bedingungen, die Gesundheit fördern bzw. diese wiederherstellen. Ein Schwerpunkt dieser Disziplin ist die Untersuchung der Arzt-Patient-Beziehung. Die medizinische Psychologie gehört mittlerweile zum Pflichtcurriculum in der medizinischen Ausbildung und vermittelt die psychologischen Wissensvoraussetzungen und psychosozialen Basiskompetenzen für den Umgang von Medizinern mit Patienten.

Die Medizinische Soziologie betrachtet überwiegend Gesundheitsverhalten und medizinische Praxis vor dem Hintergrund ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Bedingtheit. Typische Themen der Disziplin sind etwa soziodemographische Einflussfaktoren auf Gesundheit und Krankheit, gesellschaftliche Organisation des Gesundheitswesens, gesellschaftliche Definitionen von Gesundheit und Krankheit oder kulturelle Unterschiede im Umgang mit Erkrankungen.

Weitere Teildisziplinen der Medizin mit ihrer sicherlich längsten Tradition befassen sich auf vielen Spezialgebieten mit dem Aufbau und der Funktionsweise des menschlichen Körpers sowie der Entstehung und Behandlung von Krankheiten. Ihre naturwissenschaftlich ausgerichteten Spezialgebiete reichen von der Molekularmedizin bis hin zur Anatomie, wobei die medizinische Forschung Grundlagenwissen liefert, welches in der Behandlung von Krankheiten praktisch angewandt wird. Beispielsweise liefert auch die Epidemiologie spezifischer Erkrankungen wichtiges Grundlagenwissen, das für die weitere Theorienbildung in der Verhaltensmedizin unerlässlich ist. Sie untersucht Gesundheits- und Krankheitsprozesse ganzer Populationen in Abhängigkeit von der Umwelt und den jeweiligen Lebensbedingungen.

Die Neurowissenschaften umfassen mehrere Subdisziplinen, die sich mit den neuronalen Steuerprozessen befassen. Diese liefern das Grundlagenwissen für das Verständnis menschlichen Erlebens und Verhaltens, welches wiederum relevant für die Erforschung der Interaktionen zwischen psychischen und physischen Aspekten bei Gesundheits- und Krankheitsprozessen ist. Die beteiligten Fachrichtungen umfassen beispielsweise die Neurophysiologie, Neuroanatomie, Neurochemie, Neurobiologie und Neuropharmakologie. Untersucht werden kleinste molekulare Zellprozesse, synaptische Interaktionen, Signalübertragung der Nervenbahnen sowie Hirnstrukturen und ihre Funktionen, welche die Grundlagen für kognitive Prozesse und Verhalten sind. Der Einfluss der Neurowissenschaften ist durch die technischen Fortschritte der letzten Jahre stetig gewachsen.

5 Anwendungsfelder der Verhaltensmedizin

Wie bereits aus der eingangs aufgeführten Definition der Verhaltensmedizin ersichtlich wird, finden sich in dieser Disziplin eine Reihe von recht unterschiedlichen Anwendungen. Vereinfacht könnte postuliert werden, dass die Verhaltensmedizin auf allen relevanten Ebenen von Gesundheit und Krankheit tätig ist. Eine genauere Klassifikation ihrer Anwendungsfelder könnte nach Grundlagenaspekten und praktischen Anwendungsbereichen, nach den entsprechenden Störungen oder Symptomkomplexen, dem Zeitpunkt der Intervention, nach Charakteristiken der Interventionen, nach Versorgungsmodellen oder Zielpopulationen vorgenommen werden, wobei mit jeder Variante eine gewisse Beliebigkeit assoziiert wäre – nicht zuletzt aufgrund der vielen Überlappungen der einzelnen Bereiche. Nachfolgend sollen daher einige wichtige Bereiche kurz skizziert werden, wobei auf ein spezifisches Ordnungssystem verzichtet werden soll.

5.1 Diagnostik

In der verhaltensmedizinischen Diagnostik kommen sehr viele unterschiedliche diagnostische Verfahren zum Einsatz. Diese umfassen physiologische Messmethoden, wie sie in einigen nachfolgenden Beiträgen beschrieben werden, aber auch eine Vielzahl von psychologischen Verfahren. Mit Letzteren sollen auf emotionaler, kognitiver, motorischer, biologischer und sozialer Ebene Verhaltensweisen elaboriert werden, welche für spezifische Gesundheits- und Krankheitsprozesse relevant sind. Es geht hierbei darum, dass vorliegende Problem möglichst genau in all seinen für die Entstehung und Aufrechterhaltung relevanten Aspekten zu erfassen, zu analysieren und zu strukturieren, um darauf aufbauend ein biopsychosoziales Störungsmodell zu entwickeln. Von diesem ausgehend können Veränderungen geplant und in nachfolgenden Interventionen umgesetzt werden. Zur Diagnostik werden häufig Interviews mit unterschiedlich hohem Grad an Strukturierung eingesetzt. Ein Beispiel ist das Strukturierte Klinische Interview für DSM-IV (SKID) nach Wittchen et al. (1997), welches mittels vorformulierter Fragen das Vorliegen psychischer Störungen erfasst. Weiterhin können Symptomchecklisten, Fragebögen, Verhaltensbeobachtungen, oder Tagebücher eingesetzt werden. Diese Verfahren liegen oft in spezifischen Ausführungen für die entsprechende Störung vor und können in der Praxis häufig auch kombiniert werden. Die Arbeit an derartigen Verfahren, die einerseits psychometrische Validität, andererseits aber auch die für die klinische Praxis angemessene Ökonomie aufweisen müssen, wird auch künftig von zentraler Wichtigkeit sein, da sie das zentrale Bestimmungsstück des biopsychosozialen Modells, die Erfahrung der Erkrankung aus der Sicht des Patienten, wissenschaftlich zu erfassen suchen.

Bei der Behandlung körperlicher Erkrankungen ist die Diagnostik komorbider psychischer Erkrankungen von erheblicher Wichtigkeit und erklärtes Ziel der Verhaltensmedizin, da diese eine rein medizinische Behandlung völlig unwirksam machen können. Nach wie vor werden diese Komorbiditäten zu selten erkannt bzw. adäquat behandelt. Kunik et al. (2005) demonstrierten in diesem Zusammenhang, dass von 204 Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung und komorbider Depression oder Angststörung weniger als die Hälfte vorab entsprechend diagnostiziert wurden und lediglich 31 % dieser Patienten eine irgendwie geartete Behandlung dieser komorbiden Störungen erhielten. Ein wichtiges künftiges Forschungsfeld liegt somit besonders auch in der Diagnostik emotionaler Störungen in der Allgemeinmedizin (Coyne et al. 2002).

5.2 Interventionen

Verhaltensmedizinische Interventionen sind mannigfach und zielen vornehmlich auf die Unterstützung des Heilungsprozesses, die Verhinderung von Krankheitsprogression oder die Verbesserung des Umgangs mit der Erkrankung ab. Grob unterschieden können sie die Verbesserung somatischer und erfahrungsbezogener Aspekte des Krankheitsprozesses zu verbessern suchen. Erstere Aspekte umfassen z. B.die Unterstützung der Regulation des jeweiligen Organsystems oder das korrigierende Einwirken auf psychologische Einflussfaktoren, die mit einer direkten Verschlechterung pathophysiologischer Prozesse verbunden sind. Die Unterstützung der psychologischen Bewältigung und medizinischen Behandlung der Erkrankung, wie etwa des Umgangs mit Ängsten und Stimmungsverschlechterungen oder der Mitarbeit an der Umsetzung des medizinischen Behandlungsplans, gehört zu den eher erfahrungsbezogenen Aspekten verhaltensmedizinischer Interventionen. Eine wichtige Bedeutung beim Entwurf oder der Adaptation von verhaltensorientierten Behandlungsverfahren für spezielle Erkrankungen kommt einer Mechanismen-Orientierung zu, welche die Ausweisung und Testung eines psychophysiologischen oder psychosozialen Rationals beinhaltet. Während beispielsweise die Empfehlung zur Anwendung von Stressbewältigungs- oder Entspannungsverfahren generell für eine breite Palette psychischer oder körperlicher Erkrankungen im Sinne einer unspezifischen Stärkung von Ressourcen der Patienten dienlich sein kann, sollte für die verhaltensmedizinische Indikation ein spezifischeres Wirkungsmodell ausgewiesen und geprüft werden. Dies könnte mögliche spezifische positive Wirkungen explizieren, beispielsweise die Reduktion des sympathischen Tonus bei Bluthochdruckpatienten (Blumenthal et al. 2002) durch Entspannung. Andererseits könnten aber auch mögliche abträgliche Effekte derselben Intervention bei anderen Erkrankungen, wie beispielsweise Bronchokonstriktionen bei Asthmapatienten (Ritz 2004) oder die Auslösung von Angstanfällen bei Patienten mit komorbider Panik (Ley 1988), vermieden werden.

5.3 Evaluation

Die kontinuierliche Arbeit an verhaltensmedizinisch sinnvollen Interventionen unterzieht sich zunehmend strengeren Kriterien des Wirkungsnachweises. Standards für randomisierte kontrollierte klinische Studien aus der evidenzbasierten Medizin können mittlerweile als allgemein akzeptiert gelten. Während ein solider Grundstock an Studien inzwischen die Wirksamkeit psychosozialer Interventionen bei körperlichen Erkrankungen bestätigt, hält die Auseinandersetzung um die wissenschaftlichen Standards, die von der verhaltensmedizinischen Forschung dabei gefordert werden, unvermindert an (siehe dazu eine Sonderausgabe von Psychosomatic Medicine, Jan/Feb 2003). Diese Entwicklung ist auch im Hinblick auf die Begründung der Verhaltensmedizin auf dem historischen Fundament der Biofeedbackdebatte wichtig. Auf der anderen Seite würde eine Verabsolutierung der Wichtigkeit randomisierter Kontrollgruppenstudien zur Vernachlässigung anderer Ebenen der Erkenntnisgenerierung, wie Einzelfallanalysen oder unkontrollierte klinische Beobachtungen, führen und damit die Entwicklung neuer kreativer Behandlungsansätze behindern. Das methodische Instrumentarium zur Evaluation von Interventionen hat sich mit der Entwicklung statistischer Verfahren wie etwa dem Multilevel Modelling in den letzten Jahren stetig verbessert (Schwartz und Stone 1998). Eine Herausforderung für viele Bereiche der Verhaltensmedizin besteht in der Entwicklung von Outcome-Kriterien der klinischen Signifikanz gegenüber der rein statistischen Signifikanz (Keefe et al. 2002). Wieviel Veränderung der Punktwerte einer Lebensqualitätsskala muss z. B. eine Intervention zur Verbesserung des Krankheitsmanagements in einer Gruppe von Asthmapatienten erzielen, um wirklich effektivund im Sinne der Verbesserung des körperlichen oder psychologischen Status des Patienten gelten zu können?

5.4 Rehabilitation

Die Veränderungen in der Gesundheitsversorgung und der Altersstruktur westlicher Gesellschaften haben besonders auch im Bereich der tertiären Versorgung zu einschneidenden Veränderungen geführt. Die Langzeitversorgung von chronisch Erkrankten und die Verbesserung ihrer Lebensqualität gehen zunehmend in den Wirkungsbereich der allgemeinmedizinischen Versorgung über, was zur Folge hat, dass neue Formen der Kollaboration mit der Verhaltensmedizin entstehen (Klapow et al. 1997). Die strukturellen Veränderungen fordern auch neue Formen der Versorgung und Überwachung von Patienten, bei denen neue Technologien eine zentrale Rolle spielen können. Die Entwicklung und Evaluation internetbasierter oder telemedizinischer Versorgungsformen stellt eine neue Herausforderung für verhaltensmedizinisch arbeitende Wissenschaftler und Praktiker dar, die nur interdisziplinär unter sorgfältigem Einbezug der Bedürfnisse der jeweiligen Patientenzielgruppen gelöst werden können (Wade und Wolfe 2005). Zugleich bieten diese neuen Versorgungsformen einmalige Gelegenheiten für die verhaltensmedizinische Forschung, Erkrankungen und ihr Management alltagsnah zu beobachten und zu beeinflussen und bislang soziodemographisch oder geographisch schwerer erreichbare Patientengruppen in die wissenschaftliche Betrachtung einzuschließen.

5.5 Prävention

Tendenziell lässt sich bislang eine Überantwortung der Präventionsarbeit, insbesondere der Primärprävention, in den Wirkungsbereich der Gesundheitspsychologie erkennen, wogegen sich die verhaltensmedizinische Arbeit stärker auf Interventionen nach Erkrankungsbeginn und auf die Tertiärprävention konzentriert hat (Kaptein und Weinman 2004). In beiden Bereichen stellt besonders der Einbezug epidemiologischer Erkenntnisse eine wichtige Quelle zur Entwicklung von Präventionsprogrammen dar. Beispielsweise demonstrierten Wagena et al. (2004) in einer Befragung von 12 103 Teilnehmern der Maastrichter Kohortenstudie, dass Raucher mit chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen wie COPD, Asthma oder Emphysem dreimal häufiger depressivals nichtrauchende Personen mit denselben Krankheiten waren und zudem eine stärkere psychologische Belastung im General Health Questionnaire (GHQ) aufwiesen. Auch im Vergleich zu rauchenden Personen mit anderen chronischen Erkrankungen wie Herzerkrankungen oder Rheuma wiesen sie ein fast doppelt so hohes Risiko depressiver Symptome auf. Diese Befunde liefern der verhaltensmedizinischen Prävention wichtige Hinweise darauf, dass das Rauchverhalten ein mögliches Bindeglied für die hohe Komorbiditätvon chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen und Depression sein kann. Auf der diagnostischen Ebene nach dem biopsychosozialen Modell wird deutlich, dass neben der medizinischen Diagnostik auch die Erfassung der Emotionalität sowie von gesundheitsschädigendem Verhalten bei diesen Patienten notwendig ist. Als Konsequenz für die verhaltensmedizinische Prävention ergibt sich damit eine Notwendigkeit von verhaltensmodifizierenden Maßnahmen, wie etwa der Teilnahme an Rauchentwöhnungsprogrammen dieser Patientengruppe oder Schulungsprogrammen zur Raucher-Vorbeugung für Risikogruppen.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Verhaltensmedizin ist eine junge, interdisziplinäre und naturwissenschaftlich orientierte Fachrichtung, welche auf einem biopsychosozialen Modell basierend Gesundheits- und Krankheitsmechanismen unter Einbezug psychosozialer, verhaltensbezogener und biomedizinischer Wissenschaften erforscht. Empirisch geprüfte Erkenntnisse und Methoden aus den verschiedenen Disziplinen werden hierbei zur Prävention, Diagnostik, Behandlung und Rehabilitation von überwiegend körperlichen Erkrankungen eingesetzt. Dieses Vorgehen ermöglicht ein umfassenderes Verständnis von Gesundheit und Krankheit als die Beschränkung auf einzelne wissenschaftliche Erklärungsansätze und ermöglicht somit effizientere Interventionen. Eine weitere Verbreitung verhaltensmedizinischer Ansätze in Ausbildung und Praxis der auf dem Gebiet von Gesundheit und Krankheit tätigen Berufsgruppen muss das Ziel der weiteren Entwicklung der Verhaltensmedizin sein.

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Verhaltenstherapie in der Verhaltensmedizin

Martin Hautzinger

Einleitung

Die Verhaltenstherapie integriert Erkenntnisse der Lerntheorie, Sozialpsychologie, kognitiven Psychologie und der Emotionspsychologie in der Beschreibung und Therapie psychischer und somatischer Erkrankungen. Grundlage ist die Annahme, dass der Erwerb oder die Veränderung von Verhalten oder Einstellungen auf Lernvorgängen beruhen. Dies ermöglicht den klinischen Einsatz von Verhaltenstherapie bei allen psychischen Störungen, sei es als primäre oder ergänzende Therapie, und einer Großzahl körperlicher Erkrankungen.

1 Verhaltenstherapie

Die Verhaltenstherapie nahm ihren Ausgang vor etwa 100 Jahren von lernpsychologischen Experimenten zu konditionierten Reflexen und konditioniertem Vermeidungsverhalten (Bechterew 1912; Pavlov 1927). Diese lerntheoretischen Grundlagenexperimente wurden dann erstmals von Watson (1913) mit der berühmten, wenngleich umstrittenen Konditionierung einer Tierphobie auf klinische Phänomene angewandt. Wolpe (1958) entwickelte daraus eine Behandlungsmethode, die systematische Desensibilisierung, was im engeren Sinne als Beginn der Verhaltenstherapie verstanden werden kann.

Verhaltenstherapie war zunächst synonym mit der klinischen Anwendung von Prinzipien des klassischen und operanten Konditionierens (Skinner 1950). Grundaxiome dieses Modells waren, dass normales und pathologisches Verhalten sich nach denselben Prinzipien entwickeln und dass jegliches Verhalten nach Lernprinzipien modifiziert werden kann (Kazdin et al. 1976). Behandlungsinterventionen, die aus diesem Denkansatz abgeleitet wurden, waren neben der systematischen Desensibilisierung beispielsweise Reizüberflutung und Münzverstärkung.

Eine zweite theoretische Entwicklungslinie basierte auf der Sozialpsychologie, d. h. der Beobachtung, dass insbesondere soziales Verhalten außer durch Konditionierungsprozesse auch durch Beobachtung und Modellernen erworben werden kann. In gewisser Verwandtschaft zum operanten Konditionieren war die Grundannahme, dass ein bestimmtes Verhalten sich dann ausbildet oder ändert, wenn dies den Bedürfnissen des Organismus dient (Bandura 1969). Auf der Basis der sozialen Lerntheorie wurde eine Reihe von Behandlungsmethoden entwickelt, wie z. B. das Training sozialer Kompetenz (Ullrich und Ullrich de Muynck 2005). Ziel der Therapie ist eine soziale Kompetenz zu erwerben, die es ermöglicht, Kompromisse zwischen Selbstverwirklichung und sozialer Anpassung zu erreichen. Die genannten Methoden lehren Patienten nicht nur, wie umgrenzte Probleme zu lösen sind, sondern zielen auch darauf ab, grundsätzlich Fertigkeiten des Problemlösens zu vermitteln. Ein weiteres Axiom dieses Therapieansatzes besagt, dass es in vielen Fällen wichtiger ist, adaptives Verhalten zu stärken und weiterzuentwickeln und damit Verhaltensressourcen zu erweitern, als sich auf die Beseitigung störenden Verhaltens zu konzentrieren.

Wegen der theoretischen und praktischen Begrenzungen der bisher angesprochenen Modelle, kam es in den 70er Jahren zur sog. „kognitiven Revolution“ in der Verhaltenstherapie. Es war auch vorher schon experimentell gezeigt worden, dass kognitive Prozesse bereits bei scheinbar einfachen Konditionierungsexperimenten im Tierlabor eine Rolle spielen und grundsätzlich einen großen Beitrag zur Erklärung von Verhalten leisten können (Lundh 1993). Im Gegensatz zur klassischen Verhaltenstherapie erklärt die kognitive Theorie Verhalten als Ergebnis von überdauernden Einstellungen, Wahrnehmungen und Gedächtnisprozessen. Insbesondere emotionale Reaktionen werden als Konsequenz von Überzeugungen, Gedanken und Annahmen interpretiert. Es konnte empirisch gezeigt werden, dass Umweltstimuli an sich weniger bedeutsam für die Reaktion eines Menschen sind als vielmehr die Wahrnehmung und Interpretation durch die betroffene Person (Mahoney 1977; Meichenbaum 1979).

Dementsprechend ist die Therapie darauf ausgerichtet, Wahrnehmungs- und Denkprozesse zu beobachten und zu analysieren. Soweit sie sich als dysfunktional erweisen, wird dann versucht, sie zu ändern, wofür eine Reihe von Interventionsmöglichkeiten entwickelt wurde, wie beispielsweise die Analyse automatischer Gedanken mit dem Tagesprotokoll negativer Gedanken, Reattribuierungstechniken oder Rollentausch (Linden und Hautzinger 2005). Ziel der Therapie ist zunächst, die Verbindung zwischen einer unangenehmen Emotion und der vorausgehenden Kognition herauszuarbeiten und in der Folge dann auch zu verändern (Beck 1993; Ellis 1984).

Während zunächst die Frage war, ob die kognitive Therapie als eigenständige Behandlungsrichtung anzusehen ist, war in der weiteren Theorieentwicklung wie praktischen Anwendung eine zunehmende Integration von kognitiven und verhaltensorientierten Ansätzen zu beobachten. Der aktuelle Entwicklungsstand kann am ehesten durch den Oberbegriff der kognitiven Verhaltenstherapie gekennzeichnet werden. Dies bedeutet, dass „inneres“ und „äußeres“ Verhalten in integrierten Modellen zusammengefasst und mit lern-, sozial- und kognitionspsychologischen Methoden verändert wird.

Wenn Psychotherapie zum Ziel hat, neues Verhalten zu erwerben oder bestehendes Verhalten zu verändern, dann ist jegliche Form von Psychotherapie ein Lernprozess und sollte daher, wenn sie den Anspruch erhebt, auf wissenschaftlicher Evidenz zu basieren, sich auf grundlagenwissenschaftliche Erkenntnisse des Lernens beziehen (Eysenck 1964). Dies kann als Grundaxiom der kognitiv-behavioralen Psychotherapie verstanden werden.

Dies gilt grundsätzlich für den Erwerb von z. B. sozialer Kompetenz ebenso wie für das Konditionieren hormoneller oder immunologischer Reaktionen. Die kognitive Verhaltenstherapie ist nicht ein in sich geschlossenes System, sondern geht davon aus, dass unterschiedliche Phänomene und Reaktionsweisen auf unterschiedliche Art erworben wurden oder durch unterschiedliche Methoden modifiziert werden können. Das bedeutet, dass Verhaltenstherapie auf alle bekannten Verfahren des Lernens im weitesten Sinne zurückgreift, um die Entstehungsgeschichte von gesunden wie auch pathologischen Reaktionen verstehen zu können bzw. um Veränderungen zu bewirken (Reinecker 1994; Margraf 2000).

2 Verhaltensmedizin

Es ist von grundsätzlicher Bedeutung, dass Verhaltenstherapie nicht nur psychologische Parameter im engeren Sinne berücksichtigt, sondern ebenfalls biologische Voraussetzungen von Verhalten in alle Modelle integriert. So bezogen sich die Konditionierungsexperimente von Pawlow (1927) auf den Speichelfluss. Operante Paradigmen wurden unter dem Stichwort des „Biofeedback“ (Rief und Birbaumer 2000) zur Veränderung von muskulärer Verspannung, Blutdruck oder Vigilanzregulation eingesetzt. Ebenso werden biologische Determinanten von Verhalten auf zentralnervöser wie peripher vegetativer und motorischer Ebene als Verhaltensdeterminanten mitberücksichtigt. Hierzu gehören ethologisch zu verstehende Verhaltensbereitschaften (Seligman 1971) ebenso wie Kenntnisse über die psychobiologischen Regulationsmechanismen des Menschen (Birbaumer und Schmidt 2006; Förstl, Hautzinger und Roth 2005).

Aus dieser theoretischen Grundorientierung folgt, dass Verhaltenstherapie unter dem Begriff der Verhaltensmedizin inzwischen auch eine etablierte Indikation bei der Behandlung vieler somatischer Erkrankungen hat, wie z. B. Hauterkrankungen, Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, gastrointestinale Erkrankungen, Diabetes mellitus, Krebs, Migräne, Epilepsie oder chronische Schmerzzustände (Wahl und Hautzinger 1989; Ehlert 2003; siehe weitere Beiträge in diesem Band).

3 Anwendung von Verhaltenstherapie

Aus den bisherigen Ausführungen lässt sich ableiten, dass es ein sehr breites Spektrum von Anwendungsmöglichkeiten verhaltenstherapeutischer Interventionen geben muss. Hierbei bietet es sich an, zwischen kausalen, kompensierenden, korsettierenden, komplettierenden und korrigierenden Therapiezielen zu unterscheiden (Linden 1996).

3.1 Kausale Behandlungsziele

Klassischerweise wird Psychotherapie mit kausalen Behandlungszielen in Verbindung gebracht. Es wird beispielsweise im psychoanalytischen Modell eine Störungsursache beschrieben und eine Besserung der Beschwerden von einer Veränderung eben dieses kausalen psychodynamischen Prozesses erwartet. Bei näherer Betrachtung ergeben sich solche Ansatzpunkte für eine kausale Therapie im klinischen Bereich jedoch eher selten, so dass bei vielen Störungen entweder die Ursachen mit der erforderlichen Genauigkeit gar nicht identifizierbar sind oder sie ihrer Natur nach psychotherapeutisch nicht angehbar sind oder aber die Ursache, die zur Entwicklung einer Störung geführt hat, nicht identisch ist mit den Faktoren, die eine Störung aufrechterhalten.

3.2 Kompensierende Behandlungsziele

Wegen der eben genannten Gründe haben sog. kompensierende Therapieziele in der klinischen und speziell verhaltenstherapeutischen Praxis eine sehr viel größere Bedeutung. Hierbei ist das Ziel zu lernen, mit bestehenden Störungen, die selbst nur bedingt zu verändern sind, besser fertig zu werden bzw. Sekundärfolgen zu verhindern. Ein Beispiel ist das Training der Stressverarbeitungskompetenz. Die Grunderkrankung selbst kann in diesen Fällen nicht verändert werden. Durch einen klugen Umgang mit Belastungen oder eine bessere Form sozialer Kommunikation können jedoch Folgen der Erkrankung gemildert und sogar die Rezidivhäufigkeit verringert werden.

3.3 Korsettierende Therapieziele

Bei diesen Zielen werden weder die Erkrankung noch der betroffene Mensch selbst unmittelbar therapeutisch beeinflusst. Dies hindert jedoch nicht daran, das Lebensumfeld des Patienten so zu strukturieren, dass die Störung weniger Sekundärfolgen hat. Als Beispiel kann die Behandlung von Demenzkranken genannt werden. Hier liegt der Schwerpunkt der Therapie auf der Verhaltensänderung von Bezugspersonen (Hautzinger 2005).

3.4 Komplettierende Therapieziele

Bei diesen hat die Verhaltenstherapie allein keinen Einfluss auf die Grunderkrankung, jedoch wird sie genutzt, um eine eigentlich wirksame Behandlung überhaupt erst zum Einsatz bringen zu können. Beispiele hierfür sind die Veränderungen von Krankheitskonzepten von Patienten, um es ihnen leichter zu machen, eine erforderliche Langzeitmedikation einzunehmen (Linden 1996; Meyer und Hautzinger 2004).

3.5 Korrigierende Therapieziele

Bei diesen soll ein Verhalten verändert werden, das selbst keinen Krankheitswert hat, jedoch zur Entstehung oder Verschlimmerung von Krankheitszuständen beiträgt. Hierzu gehören beispielsweise Raucherentwöhnung oder Gewichtsreduktion.

4 Indikationsspektrum der Verhaltenstherapie

Aus dieser Vielfalt möglicher Behandlungsindikationen für Verhaltenstherapie ergibt sich, dass Verhaltenstherapie bei sehr unterschiedlichen klinischen Zuständen eingesetzt werden kann (siehe Kasten). Die Indikationen reichen von organischen Psychosen (z. B. Demenz) über endogene Psychosen (z. B. Schizophrenie, Bipolare affektive Störungen), alle Neurosen (z. B. Ängste, Somatoforme Störungen, Depression), Reaktionen (z. B. Anpassungsstörungen, Posttraumatische Belastungen) und Persönlichkeitsstörungen über nahezu alle chronischen somatischen Erkrankungen (z. B. Epilepsie, Hypertonie, Diabetes) bis hin zu vielfältigen präventiven Maßnahmen (z. B. Unfallopfer, Berentung, Rauchen).

Diese Breite an möglichen und sinnvollen Interventionsmöglichkeiten (Linden und Hautzinger 2005; Wahl und Hautzinger 1989; Ehlert 2003) ist eine Stärke doch auch ein Problem dieser Therapieform. Für die Anwendung der Verhaltenstherapie in der allgemeinen Patientenversorgung bedeutet dies, dass es kaum jemals eine Bedarfsdeckung durch Verhaltenstherapie geben kann. Stattdessen ist zu klären, was vordringliche Indikationen sind, wo Verhaltenstherapie die einzige Behandlungsoption darstellt und wie begrenzte Ressourcen am besten einzusetzen sind. Die Frage der Indikationssteuerung stellt ein dringendes und wissenschaftlich bislang nicht hinreichend bearbeitetes Problem dar.

Anwendungsbereiche der Verhaltenstherapie (nach Kröner-Herwig 2004)

Psychische Störungen

Schizophrene und wahnhafte Störungen,

Affektive Störungen und Depressionen

Angsterkrankungen und Zwangsstörungen

Hypochondrie und somatoforme Störungen

Dissoziative Störungen

Substanzmissbrauch und -abhängigkeit

Pathologisches Glückspiel und Impulskontrollstörungen

Essstörungen, Adipositas

Sexualstörungen, Sexualdevianz

Psychische Reaktionen und Anpassungsstörungen

Posttraumatische Belastungsstörung

Persönlichkeitsstörungen

Störungen im Kindes- und Jugendalter (Verhaltensstörungen, Lernstörungen, Angst und Depression, Mittelabusus, Adipositas, Enuresis usw.)

Geistige Behinderung, Oligophrenie

Tiefgreifende Entwicklungsstörungen, Autismus

Somatische Störungen

Hirnorganische und neurologische Erkrankungen

Körperliche Erkrankungen und psychosomatische Störungen

Schmerzen (akute, chronische, unterschiedlichste Lokalisation)

funktionelle kardiale Störungen gastrointestinale Störungen

Asthma

Immunerkrankungen, Aids

Onkologische Erkrankungen gynäkologische und reproduktionsmedizinische Probleme

Diabetes

Schlafstörungen

Hysterektomie, Mastektomie

5 Anwendungsbeispiel: Gesundheitsängste

Funktionelle Modelle zu Gesundheitsängsten (Hypochondrie, F 45 im ICD-10) berücksichtigen eine konstitutionelle oder erworbene Ängstlichkeit als Bereitschaft zu ausgeprägten Angstreaktionen, eine vegetative Reagibilität, eine Aufmerksamkeitspräferenz auf Gesundheitsgefahrenstimuli, kognitive Schemata und Grundannahmen, die dazu führen, dass Patienten sich in vielen alltäglichen Situationen in Gefahr erleben, einen Denkstil im Sinne katastrophisierender Kognitionen und Kompetenzmängel des Individuums im Umgang mit Belastungen.

Die Bereitschaft, auf Bedrohungsstimuli mit Angstreaktionen zu antworten, zeigt bei Tieren wie bei Menschen eine gewisse interindividuelle Streuung. Es gibt eine Fülle von Stimuli, die anlagebedingt zu Angstreaktionen führen, wie beispielsweise Höhe, Flatterbewegungen, bestimmte Mimik und Affekt oder Unbekanntes. Bei welcher Stimulusintensität welches Ausmaß an Orientierungs- und schließlich Angstreaktion auftritt, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich und teilweise angeboren oder Folge individueller Lernerfahrungen. Die Extreme der Normalverteilung der Ängstlichkeit können sowohl bei pathologischer Angstfreiheit wie pathologischer Überängstlichkeit zu Anpassungsproblemen führen und Krankheitswert haben.