Verhängnisvolles Verlangen nach dem Ex - Michelle Smart - E-Book
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Verhängnisvolles Verlangen nach dem Ex E-Book

Michelle Smart

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Beschreibung

Livia muss mit ihrem getrennt lebenden Mann in die Südsee fliegen - ein Albtraum! Nur weil Massimos Großvater dort mit der Familie seinen Neunzigsten feiert, lässt sie sich darauf ein. Aber schon im Privatjet wird Livia klar, dass sie für ihren Ex noch immer verhängnisvolle Leidenschaft empfindet. Auch in der Strandvilla unter Palmen, die sie sich teilen, muss Livia irgendwie seiner erotischen Anziehungskraft widerstehen, sonst fängt alles wieder von vorn an: erst die himmlische Lust, dann die bittere Einsamkeit …

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Seitenzahl: 202

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IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2019 by Michelle Smart Originaltitel: „A Passionate Reunion in Fiji“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2435 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Kara Wiendieck

Abbildungen: Harlequin S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 04/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733714055

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Livia Briatore schritt die wenigen Stufen der Metalltreppe zur Kabine des eleganten Jets hinauf. Ihr Herz hämmerte so wild, dass sie glaubte, die Schläge bis in die Haarspitzen zu spüren. Die Sonne ging gerade unter. Und die Dunkelheit, die sich über das Land legte, passte perfekt zu der düsteren Stimmung, in der sie sich die vergangenen Monate befunden hatte.

Die Crew war dieselbe wie vor zwei Jahren, als sie zum ersten Mal an Bord gekommen war. Zwar wurde sie genauso herzlich begrüßt, sah jedoch auch die fragenden Mienen.

Livia erwiderte das Lächeln, wobei die Muskeln um ihren Mund protestierten. In den vergangenen vier Monaten hatte sie kein einziges Mal gelächelt.

Beklemmende Angst stieg in ihr auf. Sie biss die Zähne zusammen, drückte den Rücken durch und hob das Kinn. Dann betrat sie die luxuriöse Kabine, in der sie die kommenden sechsundzwanzig Stunden auf dem Flug nach Fidschi verbringen würde.

Unvermittelt wurde sie hellwach, als ihr der vertraute Geruch der teuren Ledersitze in die Nase stieg, in den sich der dunkle Zitrusduft des Mannes mischte, der in einem der Sitze saß, einen aufgeklappten Laptop auf dem Schoß.

Der Schmerz traf sie so unvermittelt, dass sie beinahe gestolpert wäre.

Als Livia zum ersten Mal an Bord dieses Flugzeuges gekommen war, hatten Aufregung und Vorfreude ihr Herz schneller schlagen lassen.

Damals, als sie von demselben Flughafen in Rom abgeflogen waren, hatte sie mehr Glück empfunden, als es eigentlich auf der Welt geben konnte. Und der Mann, dessen Aufmerksamkeit jetzt ausschließlich dem Laptop galt, hatte den Start kaum abwarten können, um sie in die Schlafkabine zu ziehen und mit ihr Liebe zu machen.

Übrig geblieben war von den Flammen der Leidenschaft, die sie binnen eines Monats nach dem ersten Treffen vor den Altar geführt hatten, nur Asche. Sie schob die schmerzhaften Erinnerungen beiseite und zwang sich weiterzugehen.

Sie hatte ein Versprechen gegeben – und das würde sie halten, egal, wie sehr es wehtat.

Im Jet befanden sich vier luxuriöse, einander gegenüberliegende Sitze, dazwischen der Mittelgang. Massimo schob seine Trennwand vor, als sie diagonal von ihm Platz nahm. Nun konnte sie nur noch seine Schuhe sehen. Wie eh und je waren sie auf Hochglanz poliert – eine Eigenart von ihm, die sie früher für bezaubernd gehalten hatte. Ihr Mann war der am wenigsten eitle Mensch, den sie je kennengelernt hatte, aber immer stolz auf seine makellosen Schuhe.

Sie schloss den Sicherheitsgurt und presste die Hände fest aufeinander, um sich davon abzuhalten, auf ihre Fingernägel zu beißen. Gestern hatte sie eine teure Gelbehandlung vornehmen lassen, damit niemand merkte, dass sie bis auf die Kuppen heruntergekaut waren. Vor allem Massimo sollte das nicht sehen. Nichts an ihr sollte auf ein gebrochenes Herz hinweisen.

So gut es eben ging, hatte Livia es zusammengeflickt und einen eisernen Panzer umgelegt. Das war das einzig Gute an ihrer Kindheit: Sie hatte gelernt, alles zu überleben.

Deshalb würde sie auch die nächsten vier Tage überstehen. Vier Tage, danach brauchte sie ihn nie mehr zu sehen!

Der Pilot meldete sich über die Sprechanlage und informierte sie, dass sie bald starten würden. Bei der Ankündigung erwachte Massimo zum Leben. Er ließ die Trennwand hinunter, klappte den Laptop zu, verstaute das Gerät und legte ebenfalls den Gurt an. Nicht einmal blickte er zu ihr hinüber, aber Livia war sich jeder seiner Bewegungen überaus bewusst. Der Anblick seiner Muskeln unter dem exklusiven Hemd mit den nachlässig aufgekrempelten Ärmeln und den am Hals gelösten Knöpfen versetzte ihr einen Stich. Zweifellos hatte er die Krawatte, die er während der Konferenz in London getragen hatte, abgelegt, kaum dass er den Veranstaltungsort verlassen hatte. Massimo war ein Außenseiter, der sich nur dann an die Regeln hielt, wenn er es für notwendig hielt.

Livia wusste nur deshalb von der Konferenz, weil seine Assistentin es beiläufig in einer Mail erwähnt hatte, in der es um die Vorbereitungen für den heutigen Tag ging.

Erst als das Flugzeug zur Startbahn rollte, hob er den Blick. Unvermittelt schaute Livia in diese karamellbraunen Augen, in die sie vor langer Zeit voller Verwunderung gesehen hatte. Es war nur ein kurzer Seitenblick, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf das Fenster neben sich richtete, doch er reichte, damit sie ein flaues Gefühl im Magen bekam und sich ihre Kehle wie zugeschnürt anfühlte.

Schon lange bevor sie einander kennengelernt hatten, war ihr Massimos Gesicht vertraut gewesen. Als private Krankenschwester seines Großvaters hatte sie das Familienporträt der Briatores, das im Wohnzimmer des alten Mannes hing, unzählige Male betrachtet. Und wie magisch wurde ihr Blick stets von einem bestimmten Familienmitglied angezogen, dessen Lächeln so gezwungen wirkte. Es war ein schönes Gesicht. Schmal und lang, mit hohen Wangenknochen, einer ausgeprägten Nase und einem breiten Mund – ein Gesicht, das sowohl zu einem Bauarbeiter passte, aber auch zu einem Bankier oder Dichter. Dass es in Wahrheit zu einem der reichsten Selfmade-Milliardäre der Welt gehörte, war nicht wichtig.

Begegnet war sie ihm dann zum ersten Mal in der Kirche, in der seine Schwester heiratete.

Als sie ihn zum ersten Mal wirklich hatte lächeln sehen, hatte sich ein warmes Gefühl in ihrem Inneren ausgebreitet. Denn sie war der Grund für dieses Lächeln. Livia konnte sich nicht mehr daran erinnern, was sie gesagt hatte, aber nach unzähligen verstohlenen Blicken während der Zeremonie und der anschließenden Fotosession war sie in die Bar des Hotels gegangen, in dem die Hochzeitsparty stattfand. Plötzlich hatte sie gespürt, wie die Luft um sie herum sich elektrisch aufzuladen schien. Noch bevor sie den Kopf drehte, wusste sie, dass er neben ihr stand. Normalerweise so schlagfertig, war ihr in diesem Moment erst einmal rein gar nichts Gewitztes eingefallen. Doch was auch immer sie in diesem unbehaglichen Augenblick gesagt hatte, hatte dieses Lächeln auf seine Lippen gezaubert. Das Unbehagen verschwand, und es war, als hätten sie einander schon immer gekannt.

Und jetzt brachte er es nicht einmal über sich, sie anzuschauen.

Livia hatte keine Ahnung, wie sie ein ganzes Wochenende mit seiner Familie zum neunzigsten Geburtstag seines Großvaters überstehen und allen ein glückliches Paar vorspielen sollte.

Während unter ihm die Lichter Roms verschwanden, versuchte Massimo verzweifelt, den Nebel aus seinem Kopf zu vertreiben.

Nachdem klar war, dass er auf der Konferenz in London sprechen würde, schien es sinnvoll, anschließend nach Rom zu fliegen und Livia abzuholen. Eine logische Schlussfolgerung, ganz einfach.

Er hatte angenommen, dass es nach vier Monaten Funkstille keine große Sache war, sie wiederzusehen. Immerhin hatte er sie nicht im Geringsten vermisst. Nicht, dass er bei seinem Arbeitspensum überhaupt Zeit gehabt hatte, sie zu vermissen. Ohne die Belastung durch seine temperamentvolle Frau, die permanent seine Aufmerksamkeit einforderte, hatte er sich endlich wieder seinen Geschäften widmen können – so wie früher, bevor sie in sein Leben geschneit war und es völlig auf den Kopf gestellt hatte. An dem Tag, an dem sie gegangen war, hatte er sich das Bett für sein Büro gekauft, dessen bloße Erwähnung sie vorher so wütend gemacht hatte. Seither hatte er die meisten Nächte darin geschlafen. Es war viel bequemer als das Sofa, das er bisher benutzt hatte, wenn er bis tief in die Nacht gearbeitet und entschieden hatte, dass es zu spät war, noch nach Hause zu fahren.

Er hatte nicht erwartet, dass sich sein Puls beschleunigte und seine Hände feucht wurden, sobald er in seiner Heimatstadt landete und dieselbe Luft wie sie atmete.

Natürlich konnte er sein logisches Denken verfluchen. Warum hatte er nicht darauf bestanden, dass sie nach Los Angeles flog, wo er ohnehin auftanken musste? Sie hätte dort zusteigen können! Schade, dass es nicht möglich war, getrennt in Fidschi anzukommen, weil es den ganzen Zweck ihrer Reise zunichtemachen würde! Aber er hätte alles so arrangieren können, dass sie nur ein Minimum an Zeit gemeinsam in seinem Jet hätten verbringen müssen und nicht die ganzen sechsundzwanzig Stunden, die ein Flug ans andere Ende der Welt dauerte!

Er war alle Ausreden durchgegangen, die ihm eingefallen waren, um sie nicht mitzunehmen. Aber letztlich lief es auf einen Punkt hinaus: Es ging hier um seinen Großvater. Jimmy Seibua. Um seinen todkranken Großvater, der mit seiner Familie und einer Armee aus medizinischem Personal zu einer Kreuzfahrt von Rom nach Fidschi aufgebrochen war. Vor drei Tagen hatten sie die Insel erreicht. Allein die Freude auf dieses Wochenende hatte seinen Großvater am Leben erhalten – ein letzter Besuch in seiner Heimat, die er im Alter von zweiundzwanzig Jahren verlassen hatte. Jimmy würde seinen neunzigsten Geburtstag im Kreis seiner Liebsten auf der Insel feiern, auf der er geboren worden war und die heute Massimo besaß. Und für seinen Großvater gehörte Livia zur Familie. Er liebte sie wie eine Enkelin.

„Willst du mich den ganzen Flug über ignorieren?“

Massimo biss die Zähne zusammen, als Livias leise Stimme an sein Ohr drang.

Das war eine Eigenart seiner Frau. Sie war immer direkt. Wenn sie mit irgendetwas nicht glücklich war, stellte sie sicher, dass er es erfuhr. Lange Zeit war Massimo die Quelle all ihren Unglücks gewesen. Als sie schließlich verkündet hatte, dass sie ihn verlassen würde, hatte ihn das nicht überrascht. Stattdessen hatte er Erleichterung empfunden. Die Ehe mit Livia hatte sich von einer leidenschaftlichen Beziehung in ein Minenfeld verwandelt. Und sie fragte sich ernsthaft, weshalb er so viel Zeit bei der Arbeit verbrachte? Die letzten Monate hatte sie ihm im Bett nur den Rücken zugekehrt. Sie hatte sogar wieder angefangen, Nachthemden zu tragen.

Er schluckte den Kloß hinunter, der sich in seiner Kehle gebildet hatte. „Du warst beim Friseur“, stellte er fest.

Ihr dickes kastanienbraunes Haar, das in weichen Wellen bis fast zum Po gefallen war, reichte ihr nun bis knapp über die Schultern. Außerdem wirkte es heller, honigblonde Strähnen mischten sich perfekt mit ihrer natürlichen Farbe. Livia mochte nicht die schönste Frau der Welt sein, aber für ihn war sie immer atemberaubend gewesen. Das lag an dem Gesamtpaket. Eine sexy Sirene mit einem bezaubernd lauten Lachen. Genau dieses Lachen hatte er in der Kirche gehört, während sie auf seine Schwester, die Braut, warteten. Und als er die Frau entdeckte, zu der dieses Lachen gehörte, hatte er gespürt, wie sich seine gesamte Existenz veränderte. Er war auf der Stelle verliebt gewesen. In Livia hatte er die Frau gefunden, von der er gar nicht gewusst hatte, dass er sie suchte. Zumindest hatte er das damals geglaubt.

Ihre ausdrucksstarken dunkelbraunen Augen weiteten sich, bevor sie ein ersticktes Lachen ausstieß. „Mehr fällt dir nicht ein?“

Eine Antwort wartete sie gar nicht erst ab, sondern löste den Gurt und sprang auf. Vage wurde ihm bewusst, dass sie abgenommen hatte.

Ihre sonst so sinnlichen vollen Lippen presste sie zu einer schmalen Linie zusammen, als sie an ihm vorbeiging. Einen Moment später fiel die Tür zum Badezimmer mit einem lauten Knall ins Schloss.

Massimo fuhr sich mit einer Hand übers Kinn. Er hatte nicht erwartet, dass es leicht werden würde, aber alles war tausend Mal schwerer, als er es sich ausgemalt hatte.

Livia saß auf dem geschlossenen Toilettendeckel, die Arme um die Brust geschlungen, und beschwor sich, nicht in Tränen auszubrechen. Weder hatte sie mit diesem Wirbel an Emotionen gerechnet noch mit dem Schmerz in ihrer Seele.

Sie hatte genug Tränen um diesen Mann vergossen – so viele, dass sie geglaubt hatte, keine mehr zu besitzen.

Massimo hatte sie nie geliebt. Das war die Wahrheit, an die sie sich immer erinnern musste.

Aber sie hatte ihn geliebt. Aufrichtig und tief.

Im Gegenzug hatte er ihr das Herz gebrochen.

Und das Schlimmste war, dass er keine Ahnung davon hatte. Trotz seiner phänomenalen Intelligenz besaß ihr Mann die emotionale Tiefe eines Regenwurms. Sie war nur zu blind gewesen, es zu realisieren.

Sie schloss die Augen und atmete langsam aus.

Es hatte keinen Sinn, sich verrückt zu machen. Sie hatte ihn geliebt. Und obwohl sie den Nachhall dieser Liebe noch spürte, empfand sie keine Gefühle mehr für ihn. Sie liebte ihn nicht mehr. Sie war nur hier, weil sie ihr Versprechen halten wollte, das sie ihm an dem Tag gegeben hatte, als er sie kampflos hatte gehen lassen.

Er wollte gar nicht, dass sie blieb. Tatsächlich war er erleichtert gewesen – das hatte sie in seinen Augen gesehen.

Nach drei weiteren tiefen Atemzügen stand sie auf und drückte die Toilettenspülung.

Sie war Livia Briatore, geborene Esposito, Tochter von Pietro Esposito, Don Fortunatos rechter Hand – brutal ermordet, als sie acht Jahre alt gewesen war. Aufgewachsen war sie in Secondigliano, einem Viertel im Norden von Neapel, umgeben von Drogen und Gewalt. Schon in jungen Jahren hatte sie gelernt, keine Angst zu zeigen. Am besten, man zeigte überhaupt keine Gefühle.

Ihre alten Schutzmechanismen hatte sie nie ganz ablegen können. Und gerade war sie heilfroh darüber. Um die kommenden vier Tage zu überstehen, würde sie einen Panzer um ihr Herz brauchen.

Als Livie sich wieder auf ihren Ledersitz gleiten ließ, stellte sie wenig überrascht fest, dass Massimo wieder an seinem Laptop arbeitete. Diesmal hob er sofort den Kopf und schaute sie an. „Ich habe Kaffee für uns bestellt. Möchtest du etwas essen?“

„Ich habe schon gegessen“, erwiderte sie mit gepresster Höflichkeit, verschwieg jedoch, dass es sich bei ihrem Essen lediglich um eine halbe Scheibe Toast gehandelt hatte. Ihr Bauch fühlte sich viel zu verkrampft an, als dass sie irgendetwas hätte zu sich nehmen können.

Es war also nicht verwunderlich, dass zwischen ihnen eine unbehagliche Atmosphäre herrschte. Aber sie hatten einen langen Flug vor sich, und den wollte Livia nicht in unangenehmem Schweigen verbringen. „Was hast du in den letzten Wochen gemacht?“

Er verzog das Gesicht und wandte sich wieder dem Laptop zu. „Mich beschäftigt“, antwortete er knapp.

Livia bohrte ihre Fingernägel in die Oberschenkel. Wie sie dieses Wort hasste! Es war seine Rechtfertigung, weshalb er nie da war. „Bist du zu beschäftigt, um für fünf Minuten mit der Arbeit aufzuhören und dich zu unterhalten?“

„Ich muss diese Daten analysieren und meine Ergebnisse weiterleiten.“

Vor zwei Jahren hätte er ihr die Daten und seine Analyse erklärt, weil er richtig annahm, dass sie beides interessierte. Tatsächlich fand sie alles an Massimo interessant. Aufregend. Die Art und Weise, wie sein Verstand arbeitete, faszinierte sie. Wie hätte es anders sein können? Er war der Mann, der die Pausen während seines Informatikstudiums genutzt hatte, um ein webbasiertes Plattformspiel zu entwickeln, das die Welt im Sturm erobert hatte. Nach dem Studium hatte er es für zweihundert Millionen Dollar verkauft. Mit diesem Geld war er nach Amerika gegangen, wo er seine Firma Briatore Technologies gegründet hatte, während er gleichzeitig sein Promotionsstudium vorantrieb, das er mit einem zweiten Doktortitel in angewandter Physik beendete. Seine Firma, dessen alleiniger Eigentümer er nach wie vor war, beschäftigte heute weltweit über tausend Mitarbeiter, die nach umweltfreundlichen Lösungen und Alternativen für die vielen Probleme suchten, die durch die Verwendung von fossilen Brennstoffen entstanden. Er befand sich auf einer Ein-Mann-Mission, um den ganzen Planeten mit seinen Ideen zu retten. Dass er dabei ein Vermögen verdiente, empfand er beinahe als Zufall.

Es wäre also sehr leicht für ihn gewesen, ihr das Gefühl zu geben, dumm zu sein. Aber das hatte er nie getan. Alles, was sie nicht verstand – und wenn es um seine Arbeit ging, war das fast alles –, erklärte er ihr geduldig, jedoch nie herablassend. Und sein Gesicht leuchtete auf, wenn sie die abstrakteren Details begriff, wie zum Beispiel eine Lithium-Ionen-Batterie funktionierte oder was die Bindung von Kohlenstoffen in der Praxis bedeutete.

Es hatte sie so sehr gefreut, dass dieser kluge und erfolgreiche Mann mit einem Gesicht und einem Körper, um den ihn Götter beneiden konnten, von ihr genauso begeistert zu sein schien wie sie von ihm. All seine emotionalen Schwächen hatte sie überhaupt nicht wahrgenommen. Doch nachdem der erste Rausch der Lust vorüber war, hatte er sich wieder seiner eigenen Welt zugewandt.

Wie gerne hätte sie gewusst, was sie getan hatte, das ihn die Flucht hatte ergreifen lassen. Aber jedes Mal, wenn sie versuchte, ihn dazu zu bringen, sich ihr zu öffnen, zog er sich nur noch weiter zurück.

Die Stille zwischen ihnen, nur unterbrochen von Massimos Tippen auf der Tastatur, wurde immer drückender.

Sie beobachtete ihn. Wie immer, wenn er sich konzentrierte, erschien die vertraute Furche zwischen seinen Brauen. Wie konnte er sie nur so nachhaltig ausblenden?

Doch sie erkannte auch kleine Veränderungen an ihm. Erste graue Härchen an seinen Schläfen, wo es zuvor nur dichtes schwarzes Haar gegeben hatte. Der Vollbart, als wolle er sich nicht mehr die Mühe machen, sich überhaupt zu rasieren. Dunkle Ringe unter den Augen, als habe er mit der Rasur auch das Schlafen aufgegeben. Nicht, dass er jemals viel geschlafen hätte. Sein Gehirn war zu beschäftigt, um zu schlafen.

Livia schluckte den Kloß hinunter, der in ihrer Kehle aufstieg. Massimo war sechsunddreißig – alt genug, sich gehen zu lassen, wenn er das wollte.

Ohne hinzuschauen, griff er nach dem starken schwarzen Kaffee neben dem Laptop und trank einen großen Schluck. Seine Aufmerksamkeit war ganz auf das Display gerichtet. Wieder begann er zu tippen. Das Geräusch erinnerte sie an Nägel, die über eine Tafel kratzten.

Auf einmal konnte sie es nicht mehr ertragen. Livia sprang auf, machte drei Schritte auf ihn zu und knallte den Laptop zu.

2. KAPITEL

Massimo biss die Zähne zusammen und legte beschützend eine Hand auf seinen Laptop, damit Livia ihn nicht an sich riss und zu Boden schmetterte. „Wofür war das denn?“

Obwohl sie nicht gerade groß war, strahlte sie eine überwältigende Präsenz aus. So, wie sie jetzt wütend über ihm thronte, empfand er ihren Anblick als atemberaubend.

„Seit einer Stunde sind wir in der Luft, und du hast nur zehn Worte mit mir gewechselt.“

„Fünfundzwanzig“, berichtigte er sie. „Ich habe fünfundzwanzig Worte gesagt.“

„Und jetzt verhältst du dich nicht nur unhöflich, sondern auch pedantisch.“ Sie fasste die Haare mit den Händen zusammen, dann ließ sie den Zopf wieder los. „Wie sollen wir deinen Großvater und den Rest deiner Familie überzeugen, dass wir noch zusammen sind, wenn du mich keines Blickes würdigst und auch nicht mit mir redest?“

„Ich bin nicht unhöflich. Das ist eine wichtige Zeit für mich. Am Montag stellen wir die Prototypen für …“

„Das interessiert mich nicht!“, fiel sie ihm ins Wort. „Woran auch immer du arbeitest, es interessiert mich nicht. Ich bin hier, um dir zum Wohle deines Großvaters einen Gefallen zu tun. Das Mindeste, was du tun kannst, ist, mich mit Respekt zu behandeln.“

„Wenn ich respektlos war, entschuldige ich mich dafür“, erwiderte er steif, obwohl er am liebsten ein Was hast du denn erwartet? zurückgeschossen hätte. Livia hatte ihn verlassen, nicht umgekehrt. Sie war diejenige, die ihn ausgelacht hatte, als er vorschlug, sie könnten ein Baby bekommen. Wie konnte sie erwarten, dass er es in ihrer Nähe aushielt?

Verdammt, er wusste nicht mal, wie er sich im Moment in ihrer Gegenwart verhalten sollte. Seine Aufmerksamkeit auf das Display zu richten war die einzige Möglichkeit, die verrückten Emotionen, die ihn durchströmten, im Zaum zu halten. Dass diese Gefühle noch immer existierten, widersprach allem, woran er glaubte. Aber Livia war es schon immer gelungen, Gefühle in ihm hervorzurufen, die in seiner Welt eigentlich keinen Platz besaßen – Gefühle, die viel tiefer als bloße Lust oder Freundschaft reichten. Sie nahm zu viel Raum in seinem Kopf ein. Sie lenkte ihn ab.

„Ich will keine Entschuldigung. Die meinst du ohnehin nicht ernst. Das tust du nie. Deine Entschuldigungen sind völlig bedeutungslos.“

Diesen Vorwurf hatte sie ihm oft gemacht. Normalerweise eskalierte ihr Temperament danach vollends. Massimo mochte sinnlose Konfrontationen nicht – er hielt sie für Energieverschwendung. Üblicherweise ging er weg, wenn sie sich weigerte, seinen vernünftigen Argumenten zuzuhören.

Leider konnte er im Augenblick nirgendwohin flüchten.

Sein eigenes Temperament zu kontrollieren und einen kühlen Kopf zu bewahren, wenn alle um ihn herum ihren verloren hatten, war eine Fähigkeit, auf die er stolz war.

Ganz langsam atmete Massimo durch die Nase ein und betrachtete ihr wütendes Gesicht. „Woran ich arbeite, ist wichtig. Ich bin damit fertig, bevor wir in Los Angeles landen. Danach können wir uns bis zur Landung auf Fidschi unterhalten, wenn du das möchtest.“

Sie lachte humorlos auf, ließ sich auf den Platz ihm gegenüber fallen und starrte ihn an. „Gut. Du erweist mir einen überaus großen Gefallen, wenn du dich mit mir unterhältst, wenn ich es möchte. Vielen Dank. Das ist sehr freundlich von dir.“

Dann verschränkte sie die Arme vor dem Bauch, wobei sie ihre Brüste leicht anhob. Er wusste, dass sie das nicht absichtlich tat – jede Intimität zwischen ihnen war schon längst gestorben, bevor sie ihre Ehe für beendet erklärt hatte. Trotzdem lenkte ihn die Bewegung genug ab, um ein Prickeln über seinen Körper wandern zu lassen.

Livias Körper konnte einen Mann zum Weinen bringen. Sogar in der Kleidung, die sie jetzt trug, enge alte Jeans und ein schwarzer Rollkragenpullover, zeichneten sich ihre weiblichen Kurven deutlich ab. Als er zum ersten Mal mit ihr geschlafen hatte, hatte er geglaubt, er sei gestorben und befinde sich im Himmel. Dass sie noch Jungfrau war, hatte ihn überrascht und elektrisiert. Überrascht, weil er nie auf die Idee gekommen wäre, eine vierundzwanzigjährige Frau mit einem so wundervollen Lachen und ihrem ausgeprägten Selbstbewusstsein könne noch unberührt sein. Elektrisiert, weil er sie aus einem seltsam primitiven Gefühl heraus, das er noch nie zuvor erlebt hatte, als seine Frau bezeichnen konnte.

Sex hatte noch nie zu seinen Grundbedürfnissen gezählt. Als er von dem dünnen Teenager zu einem attraktiven Mann geworden war, hatte er sich vor eindeutigen Angeboten von Frauen kaum retten können – ein Zustand, der sich nach seinem Abschluss noch verschlimmert hatte, als er durch den Verkauf seines Computerspiels reich geworden war. Manchmal, in der richtigen Stimmung, ging er auf die Angebote ein und fand im Sex eine komfortable, jedoch flüchtige Ablenkung von der Arbeit. Livia war die erste Frau gewesen, mit der er wirkliche Intimität erlebt hatte. Nachdem sie zusammengekommen waren, hatten sie anfangs die Hände nicht voneinander lassen können. Zum ersten Mal in seinem Leben war Massimo von Lust und Leidenschaft verzehrt worden.

Ob sie sich einen Liebhaber genommen hatte? Der Gedanke versetzte ihm einen heftigen Stich. Einen Moment lang musste er die Augen schließen und den Schmerz mit langsamen Atemzügen vertreiben.

Wenn es so war, ging es ihn nichts an. Außerdem wäre es unrealistisch zu erwarten, dass sie während ihrer Trennung enthaltsam gelebt hatte. Und ohne seinen Großvater wären sie längst geschieden.

„Wann hast du Jimmy das letzte Mal besucht?“, fragte sie plötzlich, womit sie effektiv seine Versuche torpedierte, sich auf den Bildschirm und nicht auf die tickende Bombe ihm gegenüber zu konzentrieren.

Dass er den Kopf hob und sie aus karamellbraunen Augen anschaute, bereitete Livia nur kurze Befriedigung.

„Warum fragst du?“

„Weil er sich am Tag vor seiner Abreise darüber beschwert hat, dass du dich nie meldest. Daraufhin habe ich Lindy eine Mail geschickt.“

Lindy war Massimos persönliche Assistentin – ein Drachen von einer Frau, die seine geschäftlichen Termine managte. Sie war die einzige Person auf der Welt, die wusste, dass ihre Ehe nur noch auf dem Papier existierte. Ihre jeweiligen Familien glaubten, sie seien noch immer ein glückliches Paar.