Verrat und Verführung - Helen Dickson - E-Book
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Verrat und Verführung E-Book

HELEN DICKSON

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Beschreibung

England, 1708: Können diese klaren blauen Augen lügen? fragt sich Lord Simon Rockley, während er auf dem Ball wie gebannt die schöne Christina Atherton beobachtet. Eine geheime Mission hat ihn nach Oakbridge Hall, den Landsitz der Athertons, gebracht: Er ist dem gefährlichen Straßenräuber Buckley auf der Spur, den er in den Geheimgängen unter dem Schloss vermutet. Ihn zu überführen lautet der Auftrag des adligen Geheimagenten. Und bestimmt nicht, Christina zu einer leidenschaftlichen Nacht zu verführen! Doch genau das ist es, was Simon macht. Ohne zu wissen, ob seine hinreißende Geliebte eine Verräterin ist …

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Seitenzahl: 348

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IMPRESSUM

HISTORICAL erscheint alle zwei Monate in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag:

Postfach 301161, 20304 Hamburg

Tel.: +49(040)600909-361

Fax: +49(040)600909-469

E-Mail: [email protected]

Geschäftsführung:

Thomas Beckmann

Redaktionsleitung:

Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)

Cheflektorat:

Ilse Bröhl

Lektorat/Textredaktion:

Ilse Bröhl

Produktion:

Christel Borges, Bettina Schult

Grafik:

Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Vertrieb:

Axel Springer Vertriebsservice GmbH, Süderstraße 77, 20097 Hamburg, Telefon 040/347-29277

Anzeigen:

Christian Durbahn

Es gilt die aktuelle Anzeigenpreisliste.

© 2010 by Helen Dickson

Originaltitel: „The Bride Wore Scandal“

erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

in der Reihe: HISTORICAL ROMANCE

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Übersetzung: Vera Möbius

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL

Band 283 (6) 2011 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg

Fotos: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht als eBook in 11/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

ISBN: 978-3-86349-816-0

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

HISTORICAL-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Satz und Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany

Der Verkaufspreis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL MYLADY, MYSTERY, TIFFANY HOT & SEXY, TIFFANY SEXY

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Helen Dickson

Verrat und Verführung

PROLOG

Am Ufer des breiten Flusses stieg der Reiter ab. Nachdem er sich umgesehen und niemanden entdeckt hatte, zog er seinen Soldatenrock aus. Der Tag war heiß, das Wasser unwiderstehlich. Dann setzte er sich auf einen Baumstumpf und streifte die Stiefel ab. Auch von seinem Hemd und der Kniehose befreite er sich. Alle Kleidungsstücke legte er auf den Boden. Auf dem Weg zum Wasserrand streckte er seine muskulösen Arme empor. Sein kräftig gebauter, wohlgeformter Körper schimmerte goldbraun unter den sengenden Sonnenstrahlen.

Sekunden später versank er im plätschernden Wasser und schwamm zur Mitte des Flusses.

Nur eine halbe Meile entfernt, ritt eine junge Frau auf einer kastanienbraunen Stute einen schmalen, gewundenen Pfad entlang. Zwischen hohen Buchen und Eichen wechselten Licht und Schatten auf ihrem langen blonden Haar. Kleine Tiere suchten im raschelnden Unterholz nach Futter, Eichhörnchen sprangen von einem Ast zum anderen. Am blauen Himmel flogen Vögel umher oder zwitscherten in den Bäumen. Vor der Reiterin erstreckte sich eine Wiese voller rosa-weißer Feuernelken, Margeriten und goldener Butterblumen, von einem Bach begrenzt.

Nackt tauchte der dunkelhaarige Mann aus dem Fluss auf, die Bronzehaut mit glitzernden Tropfen bedeckt.

Währenddessen ritt Christina Atherton im Schatten der Mauer dahin, die ihr Heim Oakbridge Hall umgab. Nun drosselte sie das Tempo. Leise stöhnte sie in der Hitze. Nur der Bach würde ihr Kühlung bieten, und so lenkte sie ihre Stute über die Wiese. Kurz vor dem Ufer stieg sie ab, streichelte den Pferdehals und drehte sich um. Liebevoll betrachtete sie das schöne, stattliche alte Herrschaftshaus. In diesem Moment wollte sie nicht an die Sorgen denken, die sie darin erwarten würden.

Mit anmutigen Schritten und leicht wiegenden Hüften näherte sie sich dem Wasserrand, setzte sich ins Gras und zog ihre Schuhe aus. Dann ließ sie ihren Blick umherschweifen, um sich zu vergewissern, dass sie allein war, bevor sie ihre Röcke ein wenig hob und die Strümpfe nach unten rollte und sie abstreifte. Erleichtert bewegte sie ihre Füße im kalten Wasser und störte die winzigen Elritzen, die unter der Oberfläche hin und her schwirrten.

In ihr Vergnügen versunken, bemerkte sie den Reiter nicht, der im Schatten der Bäume, nicht weit entfernt, anhielt und sie beobachtete. Als er sah, wie sie ihre Röcke raffte, als sie aus dem Bach stieg, sich am Ufer niederließ und die langen, schlanken Beine ausstreckte, um sie trocknen zu lassen, lächelte er.

Christina legte sich ins Gras, Farnwedel streichelten ihre Wangen. Vor vielfältigem Leben schien der Boden unter ihr zu summen und zu surren. Durch gesenkte Wimpern musterte sie einen glänzenden schwarzen Käfer, der hastig davonkrabbelte, bewunderte winzige blaue und weiße Blumen. Nach einer Weile setzte sie sich auf. Nur widerstrebend schlüpfte sie in ihre Strümpfe und Schuhe.

Reglos saß der Beobachter auf seinem Pferd. Von der Schönheit der jungen Frau gefesselt, konnte er seinen Blick nicht von ihr abwenden. Nach seiner langen Enthaltsamkeit empfand er wachsende sinnliche Gefühle. Ihr hellblondes Haar fiel in üppigen Wellen über die Schultern, von der Sonne vergoldet. Plötzlich war er versucht, die Wiese zu überqueren und mit allen Fingern durch diese Locken zu streichen. Sicher würden sie sich seidenweich anfühlen. Nur mit eiserner Willenskraft widerstand er diesem Impuls und begnügte sich mit dem bezaubernden Anblick.

Als Christina auf ihre Stute stieg, hörte sie lautes Gekläff, dem ein schmerzliches Winseln folgte. Ohne lange zu überlegen, ritt sie auf das Geräusch zu und kehrte ins kühlere Dunkel des Waldes zurück. Erstaunt sah sie einen kleinen weißen Hund von unbestimmbarer Rasse, in einem Dornengestrüpp verfangen.

Sie kannte das bedauernswerte Tier. Eilig schwang sie sich aus dem Sattel und lief zu dem Hund, um ihn zu befreien. Da knurrte er verängstigt, fletschte die Zähne und schreckte zurück.

„Toby – braver Hund. Du meine Güte, in welche Schwierigkeiten hast du dich gebracht?“ Sie neigte sich hinab und lächelte ihn an. „Sträub dich nicht so“, murmelte sie. „Wer ich bin, weißt du doch.“ Um ihn zu besänftigen, streckte sie eine Hand aus und atmete erleichtert auf, weil er ihre Stimme wiederkannte.

Sobald er merkte, dass er ihr vertrauen konnte, ging das Knurren in ein Wimmern über. Er kroch auf seinem Bauch zu ihr, soweit es die Dornen zuließen, und leckte ihre Fingerspitzen ab.

„Halt jetzt still, Toby. Gleich werde ich dich befreien. Rutsch nicht so herum! Damit machst du es mir und dir selber nur schwerer.“

Christina kniete nieder. Vorsichtig begann sie die Zweige aus dem Hundefell zu lösen und wünschte, sie würde ihre Reithandschuhe tragen, als die scharfen Dornen sich in ihre Hand bohrten. Blutstropfen fielen auf ihr Kleid. Hinter ihr erklangen schwere Schritte, und ihr Herz pochte schneller. Entschlossen zwang sie sich, den Mann zu ignorieren, den sie für den Besitzer des Hundes hielt. Aber sie konnte ihre Furcht nicht zügeln. Ganz allein mit ihm im Wald – ein beklemmender Gedanke …

„Oft genug habe ich Euch gesagt, Ihr sollt Euren Hund nicht überall herumlaufen lassen, wo es ihm gefällt“, warf sie ihm vor. Ihre schmerzenden Hände und ihr Mitgefühl für die gequälte Kreatur schärften ihre Stimme. „Auf der benachbarten Wiese weiden Schafe. Sollte Toby ihnen Angst einjagen, wird Farmer Leigh wahrscheinlich zu seiner Flinte greifen. Nehmt Euren Hund lieber an die Leine, wenn er Euch etwas bedeutet.“ Unfähig, dem armen im Dornengestrüpp verhedderten Tier zu helfen, kauerte sie sich auf ihre Fersen und seufzte bedrückt. Mit einem Handrücken wischte sie über ihre erhitzte Stirn und befleckte sie mit Blut. „Tut mir leid, ich kann ihn nicht von den Dornen befreien. Also müsst Ihr Euch selber um ihn kümmern.“

Jemand kauerte sich an ihrer Seite nieder. Unter einer engen Kniehose spannten sich harte Muskeln an. Erst als der Mann sprach, erkannte sie, dass er nicht der Besitzer des Hundes war.

„Überlasst das mir.“ Der Fremde holte ein Messer hervor. Geschickt und methodisch zerschnitt er die Zweige.

Toby war bald erlöst, wedelte mit seinem Stummelschwanz und leckte die Hand seines Retters ab, der ihn untersuchte. Abgesehen von ein paar oberflächlichen Kratzern war der Hund unverletzt.

Erst danach wandte sich der Mann zu der jungen Frau, die weder lächelte noch irgendetwas sagte. Mit Augen, die ein dunkles, mysteriöses Blau aufwiesen, schaute sie ihn an.

„So, das wäre erledigt“, erklärte er. „Wem immer das Tier gehört, sein Halter wird uns für unseren Beistand danken. Selber hätte es sich niemals in dieser schlimmen Lage helfen können. Zweifellos war es hinter Hasen her.“

Drei Eindrücke gewann Christina gleichzeitig – durchdringend blickende Augen in eigenartigem Silbergrau, eine tiefe, kultivierte, wohlklingende Stimme und die Hände, die Toby von den Stacheln befreit hatten. Sie verrieten die Stärke eines Mannes, den es nicht störte, sie zu beschmutzen, aber wiesen auch auf darauf hin, dass sie einem Gentleman gehörten. Diese Kombination sandte einen sonderbaren warmen Schauer über ihren Rücken. Auf die bebende Erregung, die sie erfasste, war sie völlig unvorbereitet. Dieses Gefühl ging von ihrer Brust aus, wo ihr Herz viel zu heftig klopfte, und breitete sich in ihrem ganzen Körper aus.

Unverwandt schaute er sie an. Dann neigte er den Kopf zu ihr. Von diesen betörenden Silberaugen gebannt, die näher und näher zu ihren eigenen gerieten, konnte sie sich nicht bewegen. Das wollte sie auch gar nicht. Außerdem fehlte ihr die Kraft dazu. Der Fremde faszinierte sie und raubte ihr förmlich den Atem.

Mit einer Hand umfasste er ihr Kinn, sein Mund berührte ihren. Ohne sich dessen bewusst zu werden, schmiegte sie ihre Lippen an seine. Der Kuss war sanft und zugleich bezwingend. Ringsum schien alles zu versinken, bis nurmehr sie und dieser Fremde existierten, in einem magischen Kreis verbunden, der die graue Wirklichkeit fernhielt.

Wie bedeutsam diese Begegnung war, ahnte sie. Offenbar stand sie auf der Schwelle einer großen Enthüllung, deren Sinn sie noch nicht verstand. Von überwältigenden Emotionen ergriffen, glaubte sie, ihr Herz würde anschwellen. Es kam ihr so vor, als würde sie in einen dunklen, tiefen Teich voller wirbelnder Wellen hinabgezogen, in die Turbulenzen einer Sehnsucht, die sie nie zuvor gekannt hatte und die dieser Fremde zu stillen vermochte.

Nun ließ er ihr Kinn los und rückte ein wenig von ihr ab. „Wie ich sehe, sollte ich öfter hierher reiten“, sagte er leise.

„Und ich hätte Euch nicht erlauben sollen, mich zu küssen.“

„Gewiss nicht“, bestätigte er lächelnd. „Aber ich hätte es gar nicht erst versuchen dürfen. Macht es Euch sehr viel aus?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nicht allzu viel.“

„Dann ist kein Schaden entstanden, der nicht wiedergutzumachen wäre.“

Unentwegt schauten sie einander an. Erst jetzt bemerkte Christina, dass sein dichtes dunkles Haar nass war, nach hinten gestrichen, was die ausgeprägten Wangenknochen betonte. In die breite Stirn hing eine feuchte Locke. Ein glatt rasiertes, markantes Kinn, eine gut geformte Nase und sinnliche Lippen vervollständigten den Charakter seines Gesichts, den sie nicht zu ergründen vermochte. Über den wachsam blickenden Augen zogen sich die Brauen ein wenig zusammen und verliehen ihm einen staunenden Ausdruck.

Er war ungewöhnlich attraktiv. Aber eine kämpferische maskuline Intensität in seinem kühnen Blick weckte ihr Unbehagen. Obwohl sie einander nur einige Sekunden lang anstarrten, schien der Moment eine Ewigkeit zu dauern, bevor sie die Lider senkte.

Schließlich standen sie auf. Zufrieden saß der Hund zu ihren Füßen. Jetzt bemerkte Christina die gut gebaute, kraftvolle, hochgewachsene Gestalt des Mannes, seine stolze Haltung. Ohne sein Interesse zu verhehlen, musterte er sie immer noch. Eigentlich müsste mir bange sein, dachte sie, allein im Wald mit einem völlig Fremden …

Aber sie empfand keinerlei Furcht, und das konnte sie sich nicht erklären. Trotz seiner Größe und seiner Arroganz erschien er ihr nicht bedrohlich. Wie sollte sie ihn einschätzen? Vielleicht besaß er ein kompliziertes Wesen, schwer zu fassen, und er würde das Herz der Frau brechen, die ihn liebte.

„Natürlich habt Ihr recht, Sir“, brach sie das Schweigen und lächelte unsicher. „Ohne Eure Hilfe würde Toby nach wie vor in diesem Dornengestrüpp festsitzen. Er ist ein bisschen zerkratzt, der arme kleine Kerl. Aber wäre er in die Falle eines Wilddiebs geraten, hätte es ihn viel schlimmer getroffen. Vielen Dank für Euren Beistand. Verzeiht mir, dass ich anfangs so unfreundlich mit Euch sprach. Ich hielt Euch für Tobys Besitzer.“

„Wenn Ihr ihn nächstes Mal trefft, werdet Ihr ihm ganz gehörig die Leviten lesen, nicht wahr? Kennt Ihr den Hundehalter gut?“

„Eh … ich … nein“, stammelte sie, verärgert über ihre Unsicherheit. „Nicht besonders gut.“

„Wenn Ihr mir verratet, wo er wohnt, bringe ich ihm den Hund.“ In ihren Augen flackerte etwas auf, das ihm wie Angst vorkam. So schnell, wie es erschienen war, verschwand es wieder. Aber es erregte seine Neugier. „Das würde mir keine Mühe machen.“

„Nein, danke“, entgegnete sie. Etwas zu schnell, fand er. Nur sekundenlang wich sie seinem Blick aus. „Darum kümmere ich mich selber.“

„Wie Ihr wollt.“

Während er ihr Gesicht betrachtete, fühlte er sich versucht, die zarten, makellosen, leicht geröteten Wangen zu liebkosen. Einfach vollkommen, ihre Züge … Weich und rosig, schön geschwungen und leicht geöffnet, forderten ihre Lippen ihn zu einem weiteren Kuss heraus. Die fein gezeichneten Brauen wölbten sich über diesen herrlich geheimnisvollen dunkelblauen Augen, die zwischen dichten schwarzen Wimpern leuchteten, offen und arglos – und trotzdem so unergründlich wie das Meer.

Ihre Schönheit entfachte ein Feuer in seiner Brust, genau dort, wo sich sein Herz befand, und das verblüffte ihn. Diese Emotion konnte er nicht beschreiben. Dafür fehlten ihm die Worte. In ihren Wangen verdunkelte sich die Röte. Spürte auch sie die Lockung einer starken Anziehungskraft, die der Kuss verursacht hatte?

„Wohnt Ihr weit von hier entfernt?“, fragte er, verwundert über sein Interesse. Warum sorgte er sich um eine Frau, die allein durch den Wald ritt? Wegen ihrer verletzlichen Weiblichkeit? Oder weil sie nicht im Mindesten um ihre Sicherheit zu fürchten schien? Woran immer es liegen mochte, es irritierte ihn, denn er hatte weder Zeit noch Geduld, sich wegen einer Person zu sorgen, die er gar nicht kannte. Aber sie faszinierte ihn und weckte den Wunsch, sie näher kennenzulernen.

„O nein, ganz in der Nähe.“

„Und wo genau ist das?“

Sein Lächeln beschleunigte ihren Puls erneut. „Wie gesagt, nicht weit …“

Unerwartet ergriff er ihre blutbefleckten Hände. Die Stirn gerunzelt, inspizierte er die Kratzer. „Wie ich sehe, habt Ihr den Zwischenfall nicht so gut überstanden wie der Hund. Reitet möglichst schnell heim und lasst Euch verarzten. Obwohl – ich glaube, Ihr könntet Euer Hände auch drüben im Bach waschen.“

Irgendetwas am Klang seiner Stimme beunruhigte Christina. Langsam entzog sie ihm ihre Hände. „So schlimm sind die Kratzer nicht. Bald werden sie heilen, aber … Oh! Vorhin habt Ihr mich beobachtet, nicht wahr? Als ich …“

„Ja, ich sah, wie Ihr Eure Füße ins Wasser getaucht habt, falls Ihr das meint.“ Seine funkelnden Augen schienen sie auszulachen, und er genoss ganz offensichtlich ihre Verwirrung. „Dabei fiel mir auf, was für hübsche Füße Ihr habt.“

Was für eine plumpe Vertraulichkeit, dachte Christina, zutiefst verlegen. Dass er sich Zeit genommen hatte, um sie zu beobachten – nein, um ihr nachzuspionieren, so musste man es bezeichnen –, wies sie auf seine mangelnden Manieren hin. „Und wie lange habt Ihr mich angestarrt?“

Nun, er hatte ihre Schönheit ausgiebig bewundert, und seine offenkundige Belustigung ließ sie wieder erröten. „Lange genug, um die bezaubernde Szene nicht zu vergessen. Übrigens, Ihr habt auch sehr ansehnliche Beine.“

„Oh!“ Entrüstet rang sie nach Luft. „Ihr hättet nicht hinschauen dürfen, Sir! Oder Ihr hättet Euch bemerkbar machen müssen. Dann wäre ich nicht in diese peinliche Situation geraten und hätte mich bedeckt.“

„Nun, ich wollte Euch nicht stören und mir diesen reizvollen Anblick nicht missgönnen. Andererseits, wenn ich es recht bedenke …“ Er kniff die Augen leicht zusammen. „Hätte ich geglaubt, Ihr würdet meine Anwesenheit begrüßen und mir vielleicht sogar erlauben, Euer Fußbad zu teilen, wäre ich zu Euch gegangen.“

„Und zum Lohn für Eure Frechheit in den Bach geworfen worden!“, konterte sie erbost. Unwillkürlich fühlte sie sich wie ein wehrloses Huhn, mit einem listigen Fuchs konfrontiert, der es zu verschlingen drohte. Unfassbar, wie dreist er sie behandelte! Jetzt verlor die Erinnerung an den Kuss alle Magie. Auch die Freundlichkeit, die er Toby erwiesen hatte, bedeutete nichts mehr.

„Das hätte ich riskiert, um festzustellen, dass ich eine sterbliche Schönheit betrachtet habe, keine überirdische Vision.“

„Das hätte Euch ein Tritt gegen das Schienbein genauso gut klargemacht“, fauchte Christina.

Er lachte leise. „Wäre mir früher bewusst gewesen, was für eine hinreißende Schönheit sich in meiner Nähe aufhielt, hätte ich Euch gebeten, mit mir im nahegelegenen Fluss zu baden. Das war an diesem heißen Nachmittag sehr erfrischend.“

„Ach, Ihr benehmt Euch wirklich schamlos“, fuhr sie ihn an. Verächtlich hob sie ihre von der Sonne leicht gebräunte Nase. „Und da Ihr zudem ein Fremder seid und ich eine Dame bin, dürft Ihr wohl kaum erwarten, ich würde Eure kühnen Avancen willkommen heißen.“

Provozierend legte er den Kopf schief. „So abweisend wart Ihr vorhin nicht.“

Diese Bemerkung überhörte sie geflissentlich. „Könntet Ihr mir endlich verraten, wer Ihr seid?“

„Ich heiße Simon. Bis vor Kurzem war ich Soldat.“

„Und jetzt?“

„Das habe ich noch nicht beschlossen“, erwiderte er und zuckte nonchalant die Achseln. „Außerdem wollt Ihr gar nicht hören, was ich mache.“

Christina zog eine schön geschwungene Braue hoch. „Warum will ich das nicht hören? Ich interessiere mich für alle Lebewesen, sogar für ehemalige Soldaten und Männer, die noch nicht wissen, was sie tun möchten.“ Mit ihrem frostigen Ton hoffte sie, ihn zu einer Antwort herauszufordern.

Eine Zeit lang schwieg er. Sie sah ihm an, dass er überlegte, ob er ihre Neugier befriedigen sollte. Schließlich entschied er sich dagegen. Damit enttäuschte er sie, was Christina sofort albern fand. Natürlich hatte er keinen Grund, ihr irgendetwas über sich selbst zu erzählen, und es ging sie auch gar nichts an.

„Was ich tue – oder vielleicht tun werde –, kann eine kultivierte junge Dame wohl kaum ernsthaft interessieren.“ Erneut funkelte jenes teuflische Amüsement in seinen Augen, trotzdem schenkte er ihr ein sanftes Lächeln. „Bitte, verzeiht mir meine Kühnheit. Ihr seid eine so entzückende Augenweide. Nur deshalb ließ ich mich hinreißen. Seid barmherzig.“

Langsam musterte er Christina von oben bis unten. Sein Blick erschien ihr beinahe wie eine Berührung. Trotz der Hitze des Tages erschauerte sie. Dann versuchte sie ihr Kinn möglichst würdevoll zu heben. In der Kopfhaltung dieses unverschämten Mannes erkannte sie eine gewisse Überheblichkeit, die ihr ebenso missfiel wie die zielstrebige Entschlossenheit, auf die sein markantes Kinn hindeutete. Und sie gewann den unangenehmen Eindruck, ihr Tadel würde den attraktiven Fremden keineswegs entmutigen, sondern zu neuen Frechheiten anspornen.

„Warum sollte ich Gnade vor Recht ergehen lassen?“, fragte sie kühl. „Leider muss ich befürchten, dass Ihr ein Leichtfuß seid.“

„Da würden Euch viele Leute zustimmen. Aber glaubt mir, wenn ich Euch versichere – eine so schöne und charmante junge Dame, wie Ihr es seid, ist mir noch nie begegnet.“

Verwirrt vom warmherzigen Klang seines Kompliments, fand sie keine passende Antwort. In ihrer Unschuld vermochte sie nicht festzustellen, ob er sie verspottete oder die Wahrheit sagte. Er glich keinem der Männer, die sie jemals gekannt hatte. Plötzlich wurde ihr der beengte Raum zwischen den Bäumen bewusst, die Nähe dieses Fremden und der Gefahr, die er womöglich darstellte. Vielleicht war er ein Dieb, ein Frauenschänder oder sogar ein Mörder. Teils von Vernunft, teils von wachsender Angst bewegt, wandte sie sich von ihm ab und ging zu ihrem Pferd.

Der Fremde schaute ihr erheitert nach und bewunderte den anmutigen Schwung ihrer Hüften, den stolz erhobenen Kopf. Also war die junge Frau eine Dame, zumindest bildete sie sich das ein.

Jedenfalls brauchte sie, was ihre Manieren betraf, eine Lektion. Und er war genau der Richtige, der sie ihr geben würde.

Mit schnellen Schritten folgte er ihr, legte ihr beide Hände um die schmale Taille und hob sie in den Damensattel, als wäre sie federleicht. Ihr stockte der Atem. Nachdem sie die Zügel ergriffen und die unruhige Stute unter Kontrolle gebracht hatte, rief sie Toby zu sich. Voller Verachtung schaute sie auf den Mann hinab. „Darf ich fragen, was Ihr hier macht? Der Wald ist Privatbesitz.“

Boshaft grinste er sie an. „In dieser Gegend halte ich mich zum ersten Mal auf, und ich versuche mich nur zurechtzufinden.“

„Dann schlage ich vor, Ihr finden Euch woanders zurecht. Hier seid Ihr nicht willkommen.“ Ohne ein weiteres Wort drückte sie ihre Ferse in die Flanke der Stute und ritt davon. Gehorsam rannte der Hund hinterher.

„Da wir ein so erfreuliches Zwischenspiel genossen haben“, rief der Fremde ihr nach, „würde ich es eigentlich verdienen, den Namen meiner verführerischen Gefährtin zu erfahren!“

Christina ignorierte ihn.

Aber sein spöttisches Gelächter gellte ihr noch immer in den Ohren, als sie Oakbridge erreichte.

Als Christina in den Stallhof ritt, eilte ihr Tom Bradshaw entgegen, um ihr zu helfen. Missbilligend starrte er den Hund an, der sie begleitete.

Ein Mann in mittleren Jahren, arbeitete Tom seit seiner Jugend für die Familie Atherton. Er war ein Mann weniger Worte, anständig und diskret, und Christina konnte sich stets auf ihn verlassen. Rückhaltlos vertraute sie ihm. Außerdem besaß er ein bemerkenswertes Geschick im Umgang mit Pferden. Ebenso wie ihrem älteren Bruder William hatte er ihr das Reiten beigebracht, sobald sie alt genug gewesen waren, um im Sattel zu sitzen.

Auf Oakbridge war Tom der einzige Bedienstete, der wusste, was hier vorging. Nämlich, dass der junge Master sich in eine äußerst schwierige Situation gebracht hatte, aus der er nicht so leicht herauskommen würde …

„Bitte, Tom, kümmere dich um den Hund.“ Christina stieg ab und übergab dem Oberreitknecht die Zügel. „Ich fand ihn im Wald, in einem Dornengestrüpp gefangen. Allzu schlimm ist er nicht verletzt. Aber vielleicht solltest du ihn ein bisschen sauber machen, bevor du ihn zu seinem Besitzer bringst.“ Sarkastisch verzog sie die Lippen. „Wo du den findest, weißt du sicher. Um diese Stunde liegt er vermutlich noch im Bett.“

Dann ging sie ins Haus, fest entschlossen, den Fremden zu vergessen. Inständig hoffte sie, ein Wiedersehen mit diesem zugleich so faszinierenden wie unausstehlichen Menschen würde ihr erspart bleiben. Und doch … Das stimmt nicht ganz, gestand sie sich bei der Erinnerung an den zärtlichen Kuss ein, beim Gedanken an die Sanftmut, die seine Augen wie silbergrauen Samt schimmern ließ. Jener Moment war ihre erste Begegnung mit der machtvollen Anziehungskraft zwischen Mann und Frau gewesen – mit einer Sehnsucht, die den Körper zu entflammen und alle zusammenhängenden Gedanken zu verscheuchen schien.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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