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Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. Auf sehr spezielle, romantische Weise findet Toni, der Hüttenwirt seine große Liebe in einer bezaubernden Frau, die aus einer völlig anderen Umgebung stammt als der markante Mann der Berge. Sie lernt durch ihn Schönheit und Idylle seiner Heimat kennen und lieben. Gemeinsam eröffnen die beiden allen Besuchern die Werte und Besonderheiten ihres Lebens auf der Alm. Romantik, Beschaulichkeit, dramatische Spannung und feinsinnige Gespräche: Das ist die Welt von Toni, dem Hüttenwirt, der sich niemand entziehen kann. Am Vormittag verkündeten Pfarrer Zandler und Oberin Justina am Ende der Messe, dass Chris und Heddy Mutter und Tochter sind. Chris war ihr Kind sofort nach der Entbindung weggenommen worden - von ihrer eigenen Mutter! Was mit ihrem Kind geschehen war, sagte man ihr nicht. Erst Jahre später fand sie heraus, in welcher Familie es aufwuchs. Es schien ihm an nichts zu fehlen. Als sie sich dort erkundigen wollte, wurde sie rüde von der »falschen« Mutter abgewiesen. Um die Entwicklung ihrer Tochter nicht zu gefährden, blieb sie schweren Herzens im Hintergrund. Außerdem hatte Heddy in Richard einen liebevollen Vater gefunden, der nicht wusste, dass sie nicht sein leibliches Kind war. Hier in Waldkogel haben sich Mutter und Tochter unerwartet wiedergefunden. Dank sei unseren Engeln vom Engelssteig! Spontan hatten die Waldkogeler beschlossen, am Nachmittag in einer Feier auf dem Marktplatz Heddy als Chris' Tochter in ihrer Mitte zu begrüßen. Es kamen weit mehr Waldkogeler, als am Vormittag in der Messe waren. Denn rasend schnell hatte sich im ganzen Ort die erfreuliche Neuigkeit herumgesprochen. Das Schicksal ihrer geliebten Polizistin ging allen zu herzen. Alle freuten sich mit ihr und beglückwünschten sie zu ihrer Tochter. Viele beschenkten Heddy und Chris mit Blumen aus den eigenen Gärten. Aber auch Richard wurde herzlich aufgenommen. Die Männer scharten sich um ihn und sprachen ihre tiefe Anteilnahme über den unerhörten Betrug aus. Von Stunde zu Stunde fiel Richards Verkrampfung ab.
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Seitenzahl: 124
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Am Vormittag verkündeten Pfarrer Zandler und Oberin Justina am Ende der Messe, dass Chris und Heddy Mutter und Tochter sind. Chris war ihr Kind sofort nach der Entbindung weggenommen worden - von ihrer eigenen Mutter! Was mit ihrem Kind geschehen war, sagte man ihr nicht. Erst Jahre später fand sie heraus, in welcher Familie es aufwuchs. Es schien ihm an nichts zu fehlen. Als sie sich dort erkundigen wollte, wurde sie rüde von der »falschen« Mutter abgewiesen. Um die Entwicklung ihrer Tochter nicht zu gefährden, blieb sie schweren Herzens im Hintergrund. Außerdem hatte Heddy in Richard einen liebevollen Vater gefunden, der nicht wusste, dass sie nicht sein leibliches Kind war. Hier in Waldkogel haben sich Mutter und Tochter unerwartet wiedergefunden. Dank sei unseren Engeln vom Engelssteig!
Spontan hatten die Waldkogeler beschlossen, am Nachmittag in einer Feier auf dem Marktplatz Heddy als Chris’ Tochter in ihrer Mitte zu begrüßen. Es kamen weit mehr Waldkogeler, als am Vormittag in der Messe waren. Denn rasend schnell hatte sich im ganzen Ort die erfreuliche Neuigkeit herumgesprochen. Das Schicksal ihrer geliebten Polizistin ging allen zu herzen. Alle freuten sich mit ihr und beglückwünschten sie zu ihrer Tochter. Viele beschenkten Heddy und Chris mit Blumen aus den eigenen Gärten. Aber auch Richard wurde herzlich aufgenommen. Die Männer scharten sich um ihn und sprachen ihre tiefe Anteilnahme über den unerhörten Betrug aus.
Von Stunde zu Stunde fiel Richards Verkrampfung ab. Alle waren sehr herzlich zu ihm. Er bekam viele Anregungen, diesem oder jenem Verein beizutreten, obwohl er nicht in Waldkogel ansässig war. Das war ihre Art, ihn in ihrer Mitte aufzunehmen.
Später wurde Musik zum Tanzen gespielt. Chris und Richard ließen kaum einen Tanz aus. Nachdem die letzten Waldkogeler gegangen waren, halfen sie beim Aufräumen. »Du siehst ziemlich erschöpft aus, Chris«, sagte Heddy. »Du hast einen ganz roten Kopf.«
Chris lächelte.
»Erschöpft bin ich nicht. Es war alles sehr schön, aber auch sehr turbulent. Werdet ihr hier allein fertig? Ich möchte mich nur einen Augenblick irgendwo hinsetzen und zur Ruhe kommen. Ich habe so viele Bilder im Kopf.«
Heddy gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Das verstehe ich sehr gut. Geh nach Hause! Wir schaffen das hier gut. Es war ein aufwühlender Tag und hat viel Kraft gekostet. Soll ich später bei dir vorbeikommen?«
»Danke, Heddy, aber nein! Ich werde nicht heimgehen, sondern mich irgendwo in der Natur hinsetzen. Dort finde ich innere Ruhe.«
»Geh zum Bergsee! Der Blick über das Wasser beruhigt.«
»Gute Idee«, sagte Chris.
Heddy umarmte Chris und küsste sie zum Abschied auf die Wange. Sie sahen sich in die Augen und spürten das enge Band zwischen ihnen.
»Bis morgen, mein Kind!«, sagte Chris. »Bis morgen, ruf mich an, wenn du ausgeschlafen hast! Ich komme dann mit Brötchen zu dir«, sagte Heddy. Chris streichelte ihr die Wange. Sie nahm ihre Tasche und ging.
Wendy sammelte die Tischdecken auf den Biertischen ein. Ihr fiel auf, wie Richard Chris nachsah.
Sie trat dicht an ihn heran und flüsterte ihm zu:
»Geh’ ihr nach!«
Er konnte nicht verbergen, dass er sich ertappt fühlte. Er errötete und rieb sich das Ohrläppchen.
Wendy schmunzelte.
»Ich weiß nicht recht ...«, murmelte Richard. »Vielleicht will sie lieber allein sein.«
»Kann sein, kann aber auch nicht sein!«, sagte Wendy. »Wenn du ihr nicht nachgehst, findest du es nie heraus.«
»Das ist zweifelsfrei richtig.«
»Richard, ich habe gesehen – wir alle haben gesehen –, wie schön ihr miteinander getanzt habt.«
Richard lächelte.
»Ich habe viele Jahre nicht mehr getanzt. Auch Chris hat seit der Tanzschule nicht mehr das Tanzbein geschwungen. Aber wir fanden ganz schnell in den Rhythmus. Es war herrlich!«, sagte Richard.
»Ihr versteht euch überhaupt gut, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf«, sagte Wendy. »Jedenfalls hat es für mich als Außenstehende den Eindruck.«
Richard unterdrückte ein Lächeln, was ihm nicht ganz gelang.
»Nun, Chris ist eine bemerkenswerte Frau. Das muss ich sagen. Sie hat viel Leid erfahren. Trotzdem hatte sie Verständnis für mich und kam mir immer entgegen, wenn ich drohte, im Sumpf des Kummers zu versinken. Chris ist besonders. Mir ist noch niemals jemand begegnet, der nach großem, eigenem Kummer so mitfühlend war. Es hätte auch sein können, dass sie mich ablehnt.«
»Schmarren«, schimpfte Wendy, »nie und nimmer! Chris hat ein großes Herz. Aber so gut kennst du sie sicher noch nicht.«
»Das stimmt«, sagte Richard. »Diese üble Sache hat alles überschattet. Wir sprachen fast ausschließlich über den Kindesraub, sie betreffend, und über das Kuckuckskind, von meiner Seite aus gesehen.«
Wendy lächelte. »Das ist zu verstehen, Richard. Aber das Thema ist nun vorbei, auch wenn ihr es dann und wann noch einmal berührt. Diese Sache ist Teil eures Lebens. Doch jetzt hast du, jetzt habt ihr, Gelegenheit euch näher kennenzulernen. Außerdem solltet ihr das wirklich. Chris ist Heddys Mutter und du bist ihr Vater, egal wie du es nennen willst. Du warst immer Heddys Vater und sie will, dass es so bleibt. Chris und du seid über Heddy miteinander verknüpft. Deshalb kann es nur von Vorteil sein, wenn ihr euch besser kennenlernt.«
Richard rieb sich das Kinn.
»Da ist etwas Wahres dran«, sagte er leise. Er schaute auf seine Schuhspitzen und seufzte.
»Wendy, ich werde deinen Rat annehmen und sehen, wohin Chris gegangen ist.«
»An den Bergsee! Ich nehme an, Chris ist zum Bergsee. Hätte sie in ihre Wohnung gewollt, hätte sie die andere Richtung eingeschlagen. Außerdem ist es wohltuend, am Bergsee zu sitzen und auf das Wasser zu schauen. Das beruhigt. Das kenne ich von mir.«
Wendy lächelte Richard an.
»Ich wünsche dir einen schönen Abend. Es war ein sehr aufregender Tag für euch beide. Sprecht darüber! Das wird euch beiden guttun.«
Richard schmunzelte.
»Was hast du?«, fragte Wendy. »Hat dir schon jemand gesagt, dass du Toni sehr ähnlich bist?«
Wendy grinste.
»Ja, das wird mir oft gesagt. Mich freut es, dass ich ihm ähnlich bin, in der Art und Weise, wie ich das Leben sehe und angehe. Das ist auch kein Wunder. Toni ist mein leiblicher Vater. Okay, ich habe viele Verhaltensweisen und Angewohnheiten von Ole übernommen. Ole hat mich großgezogen, so wie du Heddy. Aber es ist schon schön für mich, wenn ich mit Toni verglichen werde. Toni und ich sind uns gefühlsmäßig sehr nahe. Diese Nähe gibt und gab es mit Ole nie. Aber das wurde mir erst klar, als ich Toni gefunden hatte.«
»Ich denke, Heddy empfindet Chris gegenüber ebenso«, sagte Richard.
Wendy berührte kurz Richards Arm.
»Warte einen Augenblick, Richard«, sagte Wendy. Sie ging in den Laden von Veronika und Franz Boller.
Es dauerte nicht lange, dann kam sie wieder mit einer Einkaufstüte.
»Hier, das nimmst du mit. Da sind einige belegte Brote drin, die Veronika als Proviant verkauft, und verschiedene Getränke, zwei Bier in Dosen, Cappuccinos, Saft in Dosen und Wasser. Ich habe beobachtet, dass ihr nicht zum Essen gekommen seid. Außerdem hast du dann einen Grund, Chris anzusprechen. Ah, und Müsliriegel sind auch noch drin. Aber jetzt geh endlich!«
»Du bist mehr Tonis Tochter, als du denkst«, sagte Richard. Er lachte und zwinkerte ihr zu.
Dann ging er davon.
Wendy sah ihm nach und schmunzelte. Sie hatte Richard von Weitem beobachtet, als er Chris zum ersten Mal begegnet war. Sein Blick hatte Bände gesprochen. Mal sehen, wie das mit den beiden weitergeht.
*
Richard sah Chris von Weitem. Um sich bemerkbar zu machen, pfiff er laut eine Volksmelodie. Chris sah sich um und winkte. Richard winkte zurück. Er hörte auf zu pfeifen, beschleunigte seinen Schritt und eilte zur Bank, auf der Chris saß.
»Setz dich!«, sagte Chris.
»Danke, es ist schön hier.«
»Ja«, murmelte Chris.
Richard packte die Tüte aus, die er mitgebracht hatte. »Greif zu!«
»Danke, ich habe tatsächlich Hunger«, sagte Chris. »Das war vielleicht ein Trubel. Ich bin nicht zum Essen gekommen. Dabei hatten die Waldkogeler so viel Leckeres mitgebracht.«
»Das ist auch meine Schuld. Ich habe dich immer wieder zum Tanzen aufgefordert.«
»Schmarren! Es war schön.«
»Das freut mich.«
Sie griffen beide zu und aßen. Jeder griff nach einem belegten Brot und einer Dose mit Mineralwasser.
»Ich muss gestehen, dass es Wendys Idee war. Sie hat die Sachen in dem Laden am Marktplatz geholt.«
»Dann hat Wendy dich losgeschickt?«, folgerte Chris sofort.
Richard sah sie verlegen an.
»Nun, ganz so war es nicht. Okay, Wendy hat mich ermuntert, dir zu folgen. Sie hat beobachtet, wie ich dir nachgesehen habe. Aber ich war unschlüssig. Ich dachte, du wolltest allein sein.«
»Halb und halb«, sagte Chris.
Dann lächelte sie ihn an und sagte leise:
»Es kommt immer auf die Gesellschaft an.«
»Das heißt, ich störe nicht?«
»Aber nein, du doch nicht, Richard!«
»Das freut mich.«
Sie aßen weiter. Eine Weile wechselten sie kein Wort, dann sagte Richard:
»Ich bin froh, dass ich mich durchgerungen habe, an die Öffentlichkeit zu gehen.«
»Ist dir jetzt leichter ums Herz?«, fragte Chris.
»Viel, viel leichter«, seufzte er. »Ich bekam sehr viel Anteilnahme, sowohl von den Frauen, als auch von den Männern in Waldkogel. Besonders die Mannsbilder, wie man hier sagt, zeigten viel Verständnis. Sie waren wirklich sehr freundlich. Ich überlege, ob ich ganz nach Waldkogel ziehe. Ich wollte mir ohnehin eine andere Bleibe suchen. Das habe ich dir schon erzählt.«
»Es ist deine Entscheidung. Jeden Tag, die Strecke nach München zu pendeln, ist anstrengend.«
»Das stimmt. Aber ich könnte es vielleicht so einrichten, dass ich nicht jeden Tag in der Firma sein muss.«
Chris war mit dem Brot fertig und griff nach einem Müsliriegel. Sie aß ihn auf, bevor sie antwortete:
»Hast du schon mit Heddy darüber gesprochen?«
»Nein, Chris, es war nur so eine vage Idee gewesen. Erst jetzt ist es mir ernst. Die freundlichen Gespräche mit den Burschen und älteren Männern haben mich ermutigt.«
»Ich bin sicher, Heddy würde sich sehr freuen. Es wäre dann einfacher für dich, sie zu sehen.«
»Diese Gedanken gehen mir auch durch den Kopf. Ich bin jetzt davon überzeugt, dass ich schnell Anschluss in der Gemeinde finden werde.«
»Ich kann dir gern dabei helfen«, bot Chris an.
»Das wäre sehr gut. Verstehe mich richtig, es ist eine Idee. Ich will nichts übers Knie brechen. Ich werde nicht nur eine Nacht darüber schlafen. Ich lasse mir Zeit. Gleichzeitig werde ich meine Fühler ausstrecken nach einer Wohnung oder einem kleinen Haus.«
»Ich sage oft, wenn etwas sein soll, kommt alles irgendwie zusammen«, erwiderte Chris. »Dann ergibt es sich wie von selbst.«
»Mmm, da liegt ein Funken Wahrheit darin.«
Richard trank einen gekühlten Cappuccino.
»Bis jetzt bin ich auf der Kuhalm gut untergebracht. Wendy überlässt sie mir sicher noch eine Weile, wenn ich sie darum bitte.«
»Davon kannst du ausgehen. Du musst nichts überstürzen.«
»Das sagt sich so leicht. Wie du dir denken kannst, will ich die Wohnung in München räumen, so schnell es geht. Ich fühle mich dort nicht mehr wohl. Zuviel erinnert mich an Silvia. Ich will einen neuen Anfang machen. Dazu muss ich mir einen Plan machen, wie ich das am besten abwickele.«
»Willst du die Wohnung wirklich verkaufen?«
Richard zuckte mit den Schultern.
»Du meinst, ich könnte sie vermieten?«
»Ja, nun, ich will mich nicht in deine Angelegenheiten einmischen. Es gibt noch andere Möglichkeiten, als sie zu verkaufen.«
»An was denkst du dabei?«, fragte Richard.
»Du nimmst deine persönlichen Sachen heraus und Heddy kann ihre Dinge holen, die sie in Waldkogel haben möchte. Dann leerst du die Schränke und lässt die Sachen abholen. Die leere Wohnung kannst du als Wohngemeinschaft, anbieten. Ich weiß, dass Wohnungen für WGs in München gesucht sind. So hast du wenig Arbeit. Du kannst auch eine Hausverwaltungsgesellschaft mit der Verwaltung beauftragen. Das kostet zwar etwas, aber du musst dich nicht darum kümmern. Ich kann verstehen, dass du die Wohnung meidest. Damals war ich froh, als ich volljährig war und bei meiner Mutter ausziehen konnte. Als sie dann nach dem Unfall verstarb, war es schwer für mich, die Wohnung zu räumen. Das einzig Gute daran war, dass ich Hinweise auf Heddy fand.«
Richard seufzte. »Es muss schlimm für dich gewesen sein. Vielleicht hättest du mit mir sprechen oder einen Brief schreiben sollen.«
»Richard, daran habe ich oft gedacht. Aber ich war mir unsicher. Lassen wir das Thema! Es war heute so ein schöner Tag. Jetzt wissen alle Waldkogeler, dass Heddy meine Tochter ist. Im Grunde hat das niemanden verwundert. Das haben mir viele bestätigt. Nun ja, bei unserer Ähnlichkeit. Egal, ich bin jedenfalls sehr glücklich. Das Versteckspiel hat ein Ende.«
»Ich bin auch erleichtert. Ich werde ein neues Leben beginnen, entweder hier in Waldkogel oder in München. Waldkogel wäre schon praktischer.«
»So sehe ich das auch«, sagte Chris.
Sie sah Richard an und ergänzte:
»Mir kommt da noch eine Idee. Heddy will doch in München studieren. Du hast dort deine Arbeitstelle. Vermiete die große Wohnung und ihr sucht euch eine kleine Wohnung, falls ihr in München übernachten wollt. Es wäre natürlich auch möglich, dass ihr in der WG ein Zimmer für euch behaltet. Aber das kommt für dich wohl nicht infrage.«
Richard schüttelte den Kopf.
»Richtig, Chris, das kommt für mich nicht infrage. Ich will mich dort nicht mehr aufhalten, auch nicht für einige Stunden oder eine Nacht. Ich käme mir wie ein Verräter vor, als wäre ich mit Silvias Tat einverstanden. Ich kann sie nicht mehr zur Rechenschaft ziehen. Deshalb will ich mich nicht in einer Wohnung aufhalten, die sie eingerichtet hat. Ich will dir etwas anvertrauen. Wenn ich dort bin, bilde ich mir ein, ihren Geist zu spüren. Klingt irre, wie?«
Chris schmunzelte.
»Nein, das ist es nicht. Ich verstehe, wie du das meinst. Es gibt gute Orte und es gibt schlechte Orte. Jeder Ort hat ein eigenes Flair, eine eigene Aura.«
»Waldkogel und die Menschen hier sind umgeben von gutem Flair.«
»Das stimmt, Richard, das stimmt wirklich. Man spürt es deutlich. Man kann nicht mit jedem Menschen über solche Empfindungen sprechen. Schön, dass du diesen besonderen Geist ebenfalls spürst«, sagte Chris. »So ist es«, stimmte ihr Richard zu. »Ich denke, dass schon etwas Wahres dran ist. Man sagt, es gäbe mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als unsere Schulweisheit uns glauben lässt. Flair und Ausstrahlung zähle ich dazu. Als Mann darf man das nicht sagen. Wir sind erzogen, uns an beweisbare Fakten zu halten.«
»Aber wenn man diese Dinge spürt, ist es auch eine Tatsache, auch wenn noch kein Gerät es messen kann«, sagte Chris.
»Genauso ist es. Schön, dass du auch so denkst!«, freute sich Richard. Chris lächelte ihn an. Richard lächelte zurück. »Du hast auch eine wunderbare Ausstrahlung«, sagte er leise. Er hatte es nur denken wollen, aber es ist ihm herausgerutscht. Er wurde rot und war verlegen.
»Entschuldige, ich hätte das nicht sagen sollen«, murmelte Richard.
»Unsinn, es war ein Kompliment. Außerdem kann ich dieses Kompliment zurückgeben. Es ist schön, sich mit dir zu unterhalten.«
