Vicious Magic: Tückische Macht (Band 3) - Linda Winter - E-Book

Vicious Magic: Tückische Macht (Band 3) E-Book

Linda Winter

0,0
4,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

**Der Kampf von Licht und Gold** Um die Menschheit zu beschützen, ist Lyssa bereit alles zu tun. Schließlich ist sie als Agentin der Magic Control Agency jahrelang dazu ausgebildet worden. Doch als sie in die Fänge einer magischen Rebellengruppe gerät, muss sie sich einer Wahrheit stellen, die sie ihr ganzes Leben hinterfragen lässt. Es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit – und die Metallmagierin muss nicht nur herausfinden, auf welcher Seite sie steht, sondern auch, wer sie wirklich ist. Denn die Rebellen drohen einen Krieg heraufzubeschwören, der die ganze Welt vernichten soll. Und mit ihr den Mann, der Lyssa einst verraten hat und nun unerschütterlich an ihrer Seite kämpft … Die neue Fantasy-Reihe von Linda Winter, der Autorin des E-Book-Bestsellers »Princess of Night and Shadows«. Tauch ein in die aufregende und mitreißende Welt der Magic Control Agency! //Dies ist der dritte Band der Urban-Fantasy-Trilogie »Vicious Magic«. Alle Bände der Fantasy-Liebesgeschichte bei Impress: -- Vicious Magic: Verzwickte Gaben (Band 1) -- Vicious Magic: Wilde Biester (Band 2) -- Vicious Magic: Tückische Macht (Band 3) -- Sammelband der Urban-Fantasy-Trilogie Vicious Magic Diese Reihe ist abgeschlossen.//

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impress

Die Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.

Tauch ab und lass die Realität weit hinter dir.

Jetzt anmelden!

Jetzt Fan werden!

Linda Winter

Vicious Magic: Tückische Macht (Band 3)

**Der Kampf von Licht und Gold**Um die Menschheit zu beschützen, ist Lyssa bereit alles zu tun. Schließlich ist sie als Agentin der Magic Control Agency jahrelang dazu ausgebildet worden. Doch als sie in die Fänge einer magischen Rebellengruppe gerät, muss sie sich einer Wahrheit stellen, die sie ihr ganzes Leben hinterfragen lässt. Es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit – und die Metallmagierin muss nicht nur herausfinden, auf welcher Seite sie steht, sondern auch, wer sie wirklich ist. Denn die Rebellen drohen einen Krieg heraufzubeschwören, der die ganze Welt vernichten soll. Und mit ihr den Mann, der Lyssa einst verraten hat und nun unerschütterlich an ihrer Seite kämpft …

Wohin soll es gehen?

Buch lesen

Vita

© privat

Linda Winter, 1985 in Deutschland geboren, zog es früh in die Ferne. Nach einem Auslandsjahr in Australien studierte sie Archäologie und Interkulturelle Kommunikation und arbeitete bei den Vereinten Nationen, ehe sie ihre Liebe für das Schreiben wiederentdeckte. Heute lebt sie in ihrer Wahlheimat Wien, reist am liebsten durch die Welt und schreibt fantastische Geschichten für Jugendliche.

Kapitel 1

FREYA LIND

Ein Gefühl von Leere weckt mich. Als würde mir etwas fehlen. Ein lebenswichtiges Körperteil oder bedeckende Kleidung oder … meine Magie.

Ich schlage die Augen auf, blicke empor zu einem leuchtenden Sternenhimmel. Irritiert runzle ich die Stirn. Irgendetwas erscheint mir seltsam daran. Die Himmelskörper sind zu groß und haben perfekte Zacken. Wie ungewöhnlich.

Nachdem ich mir den Schlaf aus den Augen geblinzelt habe, besehe ich sie mir genauer. Nein. Das ist kein Sternenhimmel. Es sind angeklebte Plastiksterne, wie ich sie früher in meinem Kinderzimmer an der Tapete kleben hatte, weil ich im Dunkeln partout nicht einschlafen wollte. Fake.

Erinnerungen prasseln auf mich ein. Die interspezifische Konferenz im Rathaus. Ein heimtückischer Mord. Das Schlangengift. Ergreift sie! Meine Flucht. Ein schwarzer Hoodie. Blaze. Wir sehen uns auf der anderen Seite. Eine verlassene Bahnstation. Die silberäugige Führerin. Mister Clearwater. Alistair.

Willkommen zurück, Schwesterherz.

Augenblicklich wechsle ich in den Agentenmodus, sitze senkrecht im Bett. Mit meinen geschärften Sinnen nehme ich die Umgebung in Blitzgeschwindigkeit wahr. Den Geruch nach gechlortem Waschmittel mit einem Hauch Lavendel. Die bedrückende Enge des düsteren Raumes und die kühle Lufttemperatur. Die warmgelegene Matratze unter meinem Hintern. Ich werfe die nassgeschwitzte Daunendecke von mir und schwinge meine Beine über den Bettrand. Meine nackten Fußsohlen treffen auf kalten Stein.

Aufmerksam schweifen meine Augen durchs Zimmer, tasten sich über die gräulichen Umrisse. Neben dem Bett steht ein Nachttisch, darauf eine Karaffe und ein Wasserglas. Ja klar, als ob ich das anrühre. Links von mir befindet sich eine Kommode, daneben ein Stuhl. Platz für mehr Mobiliar ist in diesem kargen Raum nicht vorhanden. Eine Tür suche ich vergeblich. Die Wand mir gegenüber verdecken dunkle Gardinen. Mein Fluchtinstinkt klopft an, gemeinsam mit einer ordentlichen Portion Klaustrophobie. Ich unterdrücke beides.

Geh strategisch vor, Lyssa. Nachdenken, dann handeln.

Diese Mission darf nicht scheitern. Ich darf nicht scheitern.

Ich schließe meine Augen, um mich zu konzentrieren. Wie Hammerschläge auf den Kopf spüre ich jeden einzelnen Herzschlag, der das Blut durch meine Adern treibt. Ich bin bemüht, meine Sinne abzuschalten, krame angestrengt in meinen letzten Erinnerungen. Die sedierende Wirkung des Betäubungsmittels ist noch nicht vollständig verklungen, was das Ganze zu einer zähen Angelegenheit macht.

Vor meinem inneren Auge sehe ich eine Staubwolke, die sich lichtet. Ein schwarzer SUV. Ein verqueres Familienbild. Ich bin Freya. Freya Lind.

Ich massiere meine Schläfen. Freya Lind. Dieser Name spukt in meinem Kopf herum wie ein übler Ohrwurm. Die Telepathin muss ihn mir eingepflanzt haben. Sie wollen mich glauben lassen, ich wäre eine von ihnen. Teil ihrer irren Familie.

Ich schüttle den Kopf, um die Stimmen und Erinnerungsfetzen loszuwerden, die dort umherschwirren. Fokus, Lyssa! Du bist da, wo du sein wolltest. Im Unterschlupf von Legacy. Spiele dein Spiel. Erkläre, dass die Sache mit dem Eisenklumpen, den du auf die Führerin geschossen hast, eine Impulshandlung war.

Überzeuge sie. Und dann – vernichte sie.

Als ich diesen Plan aber formte, nahm ich an, wenn ich die Führerin zur Strecke bringe, würde die ganze Truppe mit ihr fallen. Zum Rand der Medaille werden. Zu Grau. Nun ist auch Mister Clearwater einer von ihnen. Unser Oberboss. Ausgerechnet. Legacy ist bereits an der Macht. Sind sie überhaupt aufzuhalten?

Tief atme ich ein, um diese pessimistischen Gedanken gar nicht erst zuzulassen. Ich lasse meinen Nacken kreisen und strecke meine steifen Glieder, unterziehe meinen Körper einer kurzen Bestandsaufnahme. Ich fühle mich dank der unfreiwilligen Sedierung ausgeschlafen und scheine unverletzt, bin im Besitz meiner Sinne, meines Verstandes und meiner Erinnerungen. Meine Magie …

Da ist es wieder. Das Gefühl der Leere.

Mein Atem flacht ab und mein Puls beschleunigt sich. Mit wachsender Panik springe ich vom Bett, streiche über meinen rechten Arm und kratze mir in meiner Verzweiflung mit den Fingernägeln die Haut auf.

Wo ist mein Gold?!

Ich sehe an mir hinab. Mich umhüllt ein knielanges Stoffhemd. Keine Ahnung, wer es mir angezogen hat. Keine Ahnung, wer mich ausgezogen hat. Doch das ist mir gerade völlig egal. Ich finde kein Metall. Nichts. Gar nichts. Keinen Ring. Kein Piercing. Nichts!

Okay. Bleib ruhig, Lyssa. Denk nach.

Selbstverständlich haben sie mir alles Metall genommen. Sie wissen, wer ich bin. Eine Ferrokinetin. Ich bin eine Gefahr für sie. Sie vertrauen mir nicht. Wieso sollten sie mir meine Waffe lassen?

Dennoch inspiziere ich den Raum eingehend mit meiner Magie. Nope. Kein Metall. Keine Schraube, die das Bett zusammenhält, kein Stahlträger in den schiefergrauen Felswänden, keine metallene Türklinke. Nicht mal ein Schloss aus Eisen. Nichts. Rein gar nichts. Als wäre dieser Raum in langer Voraussicht erbaut und eingerichtet worden, um eine Ferrokinetin in Gefangenschaft zu nehmen.

Ich erinnere mich wieder an Blaze’ Worte. Sie werden vorbereitet sein.

Habe ich einen Fehler begangen? Ist mein undurchdachter Plan zum Scheitern verurteilt? Habe ich in meiner Überstürzung Legacy freiwillig und kampflos meine Gabe überlassen?

Doch dann fällt mir der eigentliche Grund ein, warum ich hier bin. Kymo.

Ich stürme zu den schweren Samtgardinen, reiße sie in einem Ruck auf. Der Ausblick lässt mich für einen Moment meine Mission vergessen. Flach lege ich meine Hände gegen die kalte Glasscheibe, starre ungläubig hinaus. Vor mir erstreckt sich ein schneebedeckter Gebirgskamm. Die spitzen Gipfel recken sich wie die Zahnreihe einer karnivoren Riesenpflanze in den sternenbehangenen Nachthimmel. Der Anblick ist zugleich bedrohlich und atemberaubend schön.

Es ist Sommer. Wieso sind die Berge mit Schnee bedeckt? Selbst in den Snowy Mountains liegt Ende Dezember kein Schnee mehr.

Das Glas beschlägt von meinem Atem und ich reibe den Dunst mit der Handkante weg, betrachte abermals den Himmel. Die Sterne schweben wie glitzernde Punkte in der Dunkelheit. Die Agentin in mir versucht sich an ihnen zu orientieren und die Himmelsrichtung herauszufinden. Ein vertrautes Sternbild jedoch suche ich vergeblich. Der Mond wacht als helle Sichel über den Bergen.

Moment.

War nicht … abnehmender Mond? Wieso ist nun zunehmender Mond?!

Eine schreckliche Ahnung beschleicht mich. Das sind nicht die Blue Mountains. Das ist nicht mal Australien. Und die südliche Hemisphäre ist es auch nicht. Ich befinde mich auf … der nördlichen Erdhalbkugel.

Was sagte Alistair? Der Flug dauert zwanzig Stunden.

Ich besehe mir das Gebirge genauer. Möglicherweise sind es die Alpen. Europa. Zwanzig Stunden. Das würde passen. Aber wenn ich nicht in Australien bin, wo ist Kymo? Wohin werden sie Blaze bringen?

Mit dieser neuen Angst meldet sich mein »Kopflos in den Kampf«-Instinkt. Wie lange bin ich hier? Wie viel Zeit habe ich in meiner bewusstlosen Blase der Finsternis vergeudet?

Ich reiße mich von dem Gebirgspanorama los, ziehe mir das Hemd über den Kopf und eile zur Kommode, öffne die erste Schublade. Im Licht der Fake-Sterne erkenne ich akkurat gefaltete Kleidung. Rot. Silber. Gold. Die Farben der Magie. Ich wähle aus dem Bauch etwas in einem schimmernden Goldton. Nachdem ich es entfaltet habe, stellt es sich als eleganter Jumpsuit heraus. Auf der Brust eingenäht ist das Legacy-Symbol.

Darin werde ich aussehen wie Elton John in seinen besten Zeiten, aber in Gold – und sei es nur Fake-Gold – fühle ich mich beschützt und stark. Zur Sicherheit fische ich noch ein Höschen aus der Schublade und schlüpfe hinein, ehe ich mich in den elastischen Fummel zwänge. Der Hosenanzug ist mir mindestens eine Nummer zu klein und ich komme mir vor wie eine festliche Presswurst. Bald ist Weihnachten. Passt ja. Der Stoff spannt sich über meinen Armmuskeln, die Nähte weiten sich. Da hat mich jemand deutlich schlanker eingeschätzt. Legacy weiß alles über mich. Haemokinet Arschloch war stundenlang in meinem Blut. Aber die Kleidergröße war zu viel?

Wahrscheinlich geben sie mir absichtlich unpraktische Kleidung, damit ich nicht kämpfen kann. Tja, falsch gedacht. Ich kann immer kämpfen. Ob im Cocktailkleid, Pyjama oder Eva-Kostüm.

Ich drücke die Schublade zu und trete zurück an die Fensterfront. Fluchend zerre ich den unbequemen Stoff aus meiner Arschrille. Wieso Europa? Ist es der Hauptsitz von Legacy? Der Unterschlupf, in dem Blaze sein Leben verbrachte? Wunderbar. Dann sitze ich direkt an der Quelle.

Ich nehme mir drei Sekunden Zeit, meine nächsten Schritte zu planen.

Spiele dein Spiel. Verlange, dass sie Kymo freilassen. Du bist in Panik geraten, als du die Silberaugen gesehen hast. Du bist wirklich an dem Legacy-Schwachsinn interessiert. Deine Gabe wird sich verdünnisieren, sollten sie Telepathie anwenden.

Entschlossen drehe ich mich vom Fenster weg, werfe meine Haare über die Schulter und schreite barfuß zur gegenüberliegenden Wand. Dann hebe ich den Arm – und hämmere energisch dagegen.

Ich habe nicht erwartet, dass man sofort auf mich reagiert. Kurz bin ich perplex, als Fels auf Fels scharrt und die Wand sich zur Seite bewegt. Eine Öffnung entsteht, in der sich eine Frau mit strengem Pferdeschwanz, steinernem Gesichtsausdruck und einem silbernen Anzug aufbaut. Im Gegensatz zu meiner ist ihre Klamotte perfekt auf ihren Körper zugeschnitten. Um ihren Kopf schwirrt ein eigenartiger Vogel mit weißen Augen und ebenso weißem Gefieder. Ich scanne die Fremde mit meinem prüfenden Agentenblick. Keine Waffen. Kein Metall. Ihre magische Gabe kann ich nicht auf Anhieb erraten, doch sie ist keine Mentalmagierin und ich entspanne mein Gehirn, das sich bereits einen passenden – und verdammt heißen – Tagtraum bereitgelegt hat.

»Ich möchte zur Führerin«, teile ich der silberglänzenden Salzsäule mit.

Sie macht eine zackige Kopfbewegung, die wohl ein zustimmendes Nicken sein soll. »Folgen Sie mir«, sagt sie in perfektem britischem Englisch.

Wir schreiten durch mannshohe Tunnel, die grob in den Berg geschlagen und mit silberner Farbe getüncht wurden. Da wir hier von Legacy sprechen, wird es das Werk von Terrakineten sein und ich schätze, der raue Look ist gewollt. Als hätte ein gigantischer Maulwurf mit seinen Schaufelhänden ein Höhlensystem durch den Stein gegraben. Holzfackeln sind an den Wänden befestigt und tauchen alles in ein schummriges Licht. An jeder Wegbiegung, die wir passieren, prangt das Legacy-Symbol – die Triquetra mit zwei darüber gekreuzten Schwertern – und daneben eine römische Ziffer. Ich will mir den Weg merken und präge sie mir ein. Rechts XVI, links IV, rechts XX …

Doch irgendwann kommt mein mitgenommenes Hirn durcheinander und die Systematik hinter den bezifferten Korridoren erschließt sich mir nicht. Nach einer gefühlten Stunde landen wir in einer Sackgasse. Abermals meldet sich Klaustrophobie in mir. Gibt es hier überhaupt genug Luft? Ich entdecke weder Fenster noch Luftlöcher. Denk nach, Lyssa. Wir sind hier bei Legacy. Aerokineten sorgen für Sauerstoff.

Die Frau berührt die Felswand und geräuschvoll rollt der Stein beiseite. Als wären wir bei den Flintstones zu Gast. Von dem silbernen Schacht gelangen wir in eine gigantische goldene Höhle mit Kuppeldecke. Staunend sehe ich empor. Ein blumiger Duft liegt in der Luft, das beruhigende Plätschern von Wasser und sanfte Gesänge dringen an mein Ohr. Meine Magie aber interessiert sich nur für eines. Das Gold. Die Höhle ist von oben bis unten mit reinem Blattgold ausgekleidet. Ich muss meine gierige Magie zügeln, bevor der Wandbelag auf uns hinabfällt und sich in diverse Waffen verwandelt.

Zügig durchschreiten wir dieses magische Höhlenparadies. Fluoreszierende Blumen sprießen aus dem Felsgestein und wackeln mit ihren Blütenköpfen zu dem lieblichen Gesang der farbenfrohen Vögel, die gemeinsam mit dem ominösen weißen Flattergetier um unsere Köpfe schwirren. Ist das die Zauberflöte von Mozart? Wasserfälle rauschen aus dem Nichts hinab und lösen sich in irisierende Bläschen auf, die durch die Höhle schweben. Feen mit schillernden Flügeln flattern umher, Feuerfeen heizen den unzähligen Feuerschalen ein. Eine giftgelbe Natter schlängelt sich zischend zwischen meinen Füßen hindurch. Keine Fauna. Ein Wandler. Ich nehme Abstand von dem Tier. Wandler, auf die man treten kann, sind mir suspekt. Einmal mit dem Zeh daneben und schon können sie dich auf schwere Körperverletzung verklagen.

Ich folge meinem schweigsamen Tour-Guide, bin bemüht, die Bewunderung für diesen Ort nicht überhandnehmen zu lassen. Solch ein freies Zusammenspiel von Magie ist mir fremd. Irgendwann bleibt die Frau stehen, dreht sich zu mir um und nickt abermals. Dann – verschwindet sie einfach. Puff. In Schall und Rauch. Die Magische besitzt die Gabe der Unsichtbarkeit. In unserer Welt gilt sie als ausgestorben. Hier unten existiert sie.

Ich starre auf ein gähnendes schwarzes Loch in der goldenen Felswand. Der Vorhof zur Hölle? Tief atme ich durch, hebe mein Kinn und schreite hindurch. Es prickelt auf meiner Haut, als ich durch eine unsichtbare Membran trete. Aerokinese? Illusion? Im nächsten Augenblick finde ich mich in einer Höhle in den Farben der Magie wieder. Es ist kalt, trotz der Feuerschalen. Eine unangenehme Spannung liegt in der Luft. Mentalmagie. In aller Eile scanne ich das Interieur. Eine Sitzgruppe aus Felsstühlen und einem klobigen Steintisch zu meiner Rechten, ein rotes Ledersofa und passende Sessel zu meiner Linken. Ein Wasserspiel, in denen Eisfeen tollen. Ich finde auch Metall. Stahl, Gold, Silber, Kupfer, Messing … kein Eisen. Klar, Legacy verachtet Eisen. Es hemmt Magie.

Nachdem ich die Nebensächlichkeiten abgehakt habe, konzentriere ich mich auf das Wesentliche. An der hinteren Wand, auf der fett das Legacy-Symbol prangt, steht ein Felstisch aus dem gleichen Stein wie der Berg. Der große Flachmonitor von Samsung, das schlanke MacBook und das vibrierende Smartphone wirken deplatziert in dieser kuriosen Höhlenumgebung. Hinter dem digitalen Equipment und einigen sauber gestapelten Akten sitzt die Führerin.

Ihre Silberaugen, die im Licht der Flammen in den feurigsten Tönen changieren, jagen mir einen Schauer über den Rücken. Wie zwei weitgeöffnete Luken geradewegs in die Mentalhölle. Nimmt die Gedankenwühlerin es mir übel, dass ich sie an der verlassenen Bahnstation attackiert habe? Tja, ich nehme ihr auch so einiges übel. Und Freunde werden wir in diesem Leben ohnehin nicht mehr.

Ich trete mutig ein paar Schritte vor. Sie reagiert, indem ihre Silberaugen beginnen, sich psychedelisch zu drehen. Wie eine zaghafte Spinne krabbelt ihre Magie über meine Schädeldecke. Sie will mich lesen? Vergiss es. Ich habe eine Telepathen-Chefin. Ich weiß, wie der Hase läuft.

NUR STROH!

Ich puste meine Gedanken hinfort, verschränke die Arme vor der Brust und halte ihrem gruseligen Blick stand. Der Elastikstoff spannt sich um meinen Bizeps. Ich vernehme das leise Reißen der Fäden. Ist dieser Jumpsuit für Models mit Größe Zero gefertigt worden? Ich schätze, im Untergrund gibt es nicht viel zu futtern.

»Soll ich Ihnen einen guten Morgen oder einen guten Abend wünschen?«, beginne ich das Gespräch, auch wenn ich ihr gar nichts Gutes wünsche. Aber mein Geduldsfaden ist so dünn wie die Nähte, die meinen Anzug zusammenhalten, und wenn er reißt, kann ich meine Schauspielrolle als angehende Terroristin endgültig an den Haken hängen. »Wo wir schon dabei sind – in welcher Zeitzone befinde ich mich?«

»Ich hoffe, dein Schlaf war geruhsam«, begrüßt die Führerin mich. Kein Lächeln. Keine Antwort auf meine Fragen. Dafür ruft die Stimme ein Déjà-vu in mir hervor.

Lyssa. Wie wäre es mit Lyssa?

»Selten so tief geschlafen«, erwidere ich ebenso kühl. »Was ein gutes Betäubungsmittel doch bewirken kann. Macht jedes Schlaflabor unnötig.«

Ihr Gesicht zeigt keine Reaktion. Sie mag keinen Small Talk? Da haben wir was gemeinsam.

»Wo ist Kymo?«, verlange ich zu wissen. »Die Chronokinetin, die ihr entführt habt?«

Ihr Handy vibriert und sie dreht es herum, sodass es verstummt. Hat sie hier unten Netzempfang?

MEINE GEDANKEN SIND FREI.

»Kymopoleia Mauboy ist in Sicherheit«, teilt sie mir wenig informativ mit. Meine Aufmerksamkeit wird abgelenkt, als eine Feuerfee heran flattert und auf den Tee der Führerin pustet. Der Geruch nach Asche weht zu mir. Dampf steigt von der Tasse auf.

Irritiert schüttle ich den Kopf. »In Sicherheit?«, frage ich nach. »Was heißt das?«

Eine Eisfee lässt im Flug drei Kandisstücke Zucker in den Tee plumpsen. Dabei trällert sie die Mondscheinsonate von Beethoven. »Sie bleibt in sicherer Verwahrung, bis der Krieg beendet ist«, präzisiert die Gedankenleserin in aller Seelenruhe, greift nach einem Löffel und rührt in ihrem Heißgetränk. EDELSTAHL. Scheiße.

Ich lasse die Luft aus meiner angespannten Lunge. »Das war nicht abgesprochen!«, stoße ich aus.

Ihr Löffel bekommt einen Knick und die Telepathin legt ihn beiseite. Eine strenge Falte bildet sich über ihrem Nasenrücken, durchbricht die starre Mimik, die ihr ein zeitloses Äußeres verleiht. »Ich kann mich an keine Absprache erinnern«, erwidert sie ungerührt.

Ich schlucke meine gedankliche Beleidigung hinunter. »Ich verlange, dass sie augenblicklich befreit wird«, sage ich mit Nachdruck.

Die tadelnde Falte wird tiefer. Der Kandiszucker knackt in dem Tee, während die Telepathin ihn an ihre Lippen führt. Sie trinkt ein paar Schlucke, ihr Silberblick liegt dabei unverwandt auf mir. Ich bin bereit, den heißesten Tagtraum, der je geträumt wurde, vor meinem geistigen Auge abspielen zu lassen, als sie die Tasse sinken lässt. »Und wenn ich es nicht tue?«, erkundigt sie sich.

Zähneknirschend schweige ich, denn die Antwort sitzt vor mir mit psychedelischen Silberaugen. Ich bin nicht in der Position zu verhandeln.

»Deine Freundin ist meine Absicherung.« Klirrend stellt sie die Tasse wieder ab. Augenblicklich schwirrt eine Feuerfee herbei. »Bis unser gegenseitiges Vertrauen wiederhergestellt ist.«

»Wiederhergestellt?« Ich lache trocken. »Wieso sollte ich Ihnen vertrauen, solange Sie meine Freunde bedrohen? Solange Sie mich bedrohen?«

Sie deutet auf einen Felshocker, der in diesem Moment scharrend aus dem Boden hochfährt. »Bitte, nimm Platz«, fordert sie mich auf. »Wir haben einiges zu besprechen.«

Bequem sieht das steinerne Möbel nicht aus. Widerstrebend setze ich mich. Kälte kriecht in meinen Hintern. Nun bin ich den gefährlichen Silberaugen viel zu nah, als gut für mich und meine Mentalmagiephobie ist. »Ich muss wissen, dass es Kymo gut geht. Ich will sie sehen«, verlange ich.

Die Telepathin tippt auf ihre Tastatur und dreht den Bildschirm so, dass ich ihn sehen kann. Ich beuge mich vor. Kymo sitzt an einem Tisch in einem Raum mit glatten Betonwänden und löffelt einen undefinierbaren Brei, während ihre Augen wachsam durch die Zelle schweifen. Sie sieht unverletzt aus, trägt ihre Jeans und ein T-Shirt, in dem ich sie zum letzten Mal gesehen habe. Um ihr Handgelenk liegt ein Eisenring.

Ich lehne mich zurück, nachdem ich alle Details aufgenommen habe. »Wo ist sie?«

»Du verstehst sicherlich, dass ich dir ihren Aufenthaltsort nicht nennen kann.«

Wütend kralle ich meine Finger in den kalten Stein des Sitzes, muss mit aller Kraft meine Magie im Zaum halten, die sich an den Edelstahllöffel herantastet. Brav und folgsam zu sein ist schwerer, als ich annahm. »Wo bin ich hier?«, presse ich zwischen den Zähnen hervor.

Die Telepathin dreht den Monitor wieder zu sich und lehnt sich gegen die kerzengerade Steinlehne ihres Stuhls, faltet ihre feingliedrigen Hände auf der Tischplatte. Sie trägt keinen Ring. Keinen Schmuck. Angst? Wohl kaum. Mein Blick fällt auf ihr Handy. Wenn ich es schaffe, mit meiner Magie Impulse zu dem Touchscreen zu leiten … ob ich in der Lage wäre, eine Nachricht zu schicken?

Eher würde es vor unseren Augen explodieren. So wie damals, als ich mein superteures MCA-Handy schrottete. Unser Personalchef war alles andere als begeistert, als ich ihm die Einzelteile auf den Schreibtisch legte. Sie haben Eigentum des Rats beschädigt!

Ich werde mir gewahr, dass ich denke, und schiebe eilig einen Tagtraum darüber. Blaze’ Lippen wandern meinen Bauch hinab …

»Du bist daheim«, sagt die Führerin.

Daheim? »Ich wohne in Sydney und nicht in dieser Felshöhle«, erkläre ich ihr nachdrücklich. »Und wenn Sie mir schon nicht sagen wollen, wo ich bin, dann, mit wem ich das Vergnügen habe? Wie heißen Sie? Königin der Unterwelt?«

Sie zaubert eine zweite Tasse und einen weiteren Edelstahllöffel unter dem Tisch hervor, schiebt mir beides auf einer Untertasse entgegen. Ein paar Feen schwirren herbei, lassen Kräuterblätter und Zuckerstücke hineinplumpsen und kippen schließlich heißes Wasser drüber. Obwohl mir die Zunge am Gaumen pappt und mein Magen peinliche Geräusche von sich gibt, rühre ich ihn nicht an. Ich erinnere mich, wie Blaze alles, was ich ihm anfänglich vorsetzte, wie Gift beäugte. Und daran, wie die australische Premierministerin starb.

»Ich habe keinen Durst«, lüge ich. »Ich möchte Antworten. Das ist nur fair, wenn ich Teil Ihrer Truppe werden soll.«

»Du weißt, wer ich bin«, sagt die Führerin schlicht.

Ihre verstörende Ruhe und der kalte Blick kitzeln an meinem sensiblen Nervenkostüm. »Ach ja? Tu ich das?«

»Tief in dir.« Ihre monotone Stimmlage hat was von einem Sekten-Guru. »Dort weißt du, wer ich bin. Und auch, wer du bist.«

»Ich weiß, wer ich bin.« Mein Löffel bekommt eine Beule. »Wer sind Sie?«

Abermals legt sie eine Schweigeminute ein. Ihre Augen verlassen mich dabei nie. Trotz der Kälte in diesen felsigen Gemäuern läuft mir Schweiß den Nacken hinab, so krampfhaft bin ich bemüht, meine Gedanken mit einem sündigen Tagtraum zu überlagern. Die Telepathin umfasst den Henkel ihrer Tasse und spreizt den kleinen Finger dabei elegant ab. Ihre Haltung ist so steif, als würde ihre Wirbelsäule nur eine Position kennen. Sie erinnert mich an die Balletttänzerin aus Black Swan. Auf den ersten Blick mag die grazile Frau harmlos erscheinen, doch fraglos sticht sie dich ohne Vorwarnung nieder und zuckt dabei nicht mit der Wimper.

»Mein Name ist Athena Franklin«, stellt sie sich schließlich vor.

Athena Franklin. Mein Gehirn rattert. Eine Telepathin dieses Namens war im achten interspezifischen Weltkrieg eine berüchtigte Armeeführerin. Durch Gedankenmanipulation tötete sie Tausende. Auf ihre Massaker begründet sich das heutige Verbot der spontanen Telepathie.

»Du schlussfolgerst richtig.« Athenas Mundwinkel heben sich zu einem wissenden Lächeln. Verdammt. Ich habe meine Gedanken nicht verpixelt. »Meine Urahnin war die berühmte Athena Franklin.« Stolz hebt sie ihr spitzes Kinn. »Und so wie ich … stammst auch du von ihr ab.«

Hä? »Ganz bestimmt stamme ich nicht von einer wahnsinnigen Mörder-Telepathin ab«, entfährt es mir heftiger als beabsichtigt. Bleib brav, Lyssa! »Und halten Sie sich von meinen Gedanken fern«, warne ich sie. »Oder lehrt man hier unten keine Manieren?«

»Verzeih, deine Gedanken liegen offen dar.« Sie neigt den Kopf zur Seite und löst ihren Blick von meinen Augen, um den Rest von mir zu begutachten. »Deine Abwehr ist brüchig. Dein Tagtraum ist überaus plastisch und detailliert, aber inkonsistent. Du solltest ein Ereignis wählen, das dich weniger emotional durcheinanderbringt.« Ein heiseres Keuchen entkommt meiner Kehle. Sie sieht, was ich mir vorstelle. Sie sieht meinen Tagtraum mit … Stopp mit der Panik, Lyssa! Sein Gesicht hast du dir nie vorgestellt.

Dennoch macht es diese Situation nicht minder unangenehm.

»Gefällt Ihnen der kostenlose Privat-Porno?«, erkundige ich mich.

»Die Ausbildung an der MCA scheint nicht sonderlich tiefgreifend zu sein.« Athena Franklin schüttelt sanft den Kopf, mit dem erbarmungslosen Gesichtsausdruck eines Henkers. »Eine Schande, dass den Magischen ihr eigenes Wissen verwehrt bleibt. Doch nicht mehr lang und diese Welt ist wieder in unserer Hand.« Sie fährt glücklicherweise fort, ehe ich etwas darauf erwidern kann. »Nun habe ich mich vorgestellt.« Ein kühles Lächeln legt sich auf ihre Lippen. »Wer bist du?«, fragt sie mich und ihre Silberaugen bekommen ein enthusiastisches Hintergrundleuchten.

Echt jetzt? Small Talk? Sie weiß alles über mich, da bin ich mir sicher. Hat sie zu viel Freizeit zwischen dem ganzen Morden, Herrschen und Schwingen reißerischer Reden?

»Ich heiße Lyssa Liberty, bin die Tochter menschlicher Eltern und will, dass meine Freundin augenblicklich befreit wird«, stelle ich mich vor und schenke ihr ein Lächeln, das ich von Agrinya geklaut habe. Ultimativ fake.

»Da muss ich dich leider enttäuschen.« Athena greift unter ihren Schreibtisch und holt ein supermodernes Tablet zu Tage. »In allen drei Dingen.«

Du bist adoptiert, flötet Agrinya in meinem Kopf.

MEINE GEDANKEN SIND NICHT EXISTENT.

Hilflos sehe ich zu, wie der Löffel der Führerin sich kringelt. KANN MEINE MAGIE MIR BITTE BEISTEHEN? Athena Franklin greift nach dem Löffel und betrachtet das missgestaltete Besteck sichtlich beeindruckt. Andächtig legt sie es auf einen Stapel Akten. Als wäre dieses Kringelschwänzchen eine unvergleichliche Glanzleistung. Wenn sie dieses hässliche Ding für bemerkenswert hält, soll sie sich auf was gefasst machen.

»Du bist emotional zwiegespalten«, stellt sie fest und tippt auf dem Display des Tablets herum. »Das ist nur verständlich. Wir können dieses Gespräch erst fortführen, wenn du dir deiner wahren Identität bewusst bist. Daher –«

»Ich bin mir meiner Identität bewusst«, unterbreche ich sie.

Die Führerin sieht von ihrem Gerät auf und räuspert sich. Es ist ein leises, unaufdringliches Geräusch und doch klingt es wie eine unmissverständliche Warnung. Bei dem Blick in ihre Silberaugen blitzt die Erinnerung an meine letzte mörderische Begegnung mit einer Telepathin auf. Meine Goldklinge, die durch Sarah Jones’ Kehle gleitet. Der kupfrige Geruch nach Blut. Das Chaos, das sie in meinem Gehirn hinterließ.

Lyssa. Wie wäre es mit Lyssa?

Mit unerbittlichem Silberblick stiert die Führerin mich in den Steinschemel. »Dein Name ist Freya Lind.« Sie wirbelt mir ihre Worte scharf wie Rasierklingen um die Ohren. »Du bist meine Tochter und in diesem Berg zur Welt gekommen. Dein Vater ist Sven Lind. Du kennst ihn unter dem Namen Thomas Clearwater. Er ist ein Urenkel der abtrünnigen Soldatin Freya Lind. Deine –«

Ich klammere mich an den Steintisch. »Halten Sie den Mund!« Mein Löffel erhebt sich und schießt mit dem spitzen Stiel voran auf die Telepathin zu. Ehe er ihr das Auge ausstechen kann, saust eine Windfee herbei und fängt das mörderische Besteck ab. Mit meinem Edelstahllöffel in den winzigen Händen düst sie davon. Meine Verwunderung über die Bodyguard-Fee lenkt mich um ein Haar von dem ab, was für den Bruchteil eines Moments in Athenas silbernen Strudeln aufblitzt. Angst. Sie fürchtet mich.

»Tu das nie wieder, wenn dir deine geistige Freiheit etwas bedeutet.« Ihre Stimme ist so eisig wie die Polarkappen des Südpols.

»Pfuschen Sie nie wieder in meinem Gehirn rum, wenn Ihnen meine Gabe etwas bedeutet«, erwidere ich ebenso eisgekühlt. »Die gehorcht nämlich nur mir. Mir«, betone ich und lege meine flache Hand an die Brust. »Lyssa Liberty.«

Ihr Gesicht ist eine starre Maske, doch dahinter arbeitet es. Sie ist auch nur ein Mensch. Und jedes humanoide Geschöpf hat eine Schwachstelle. Ich bin ihre. Sie weiß, sie kann mein Gedächtnis nicht löschen. Das Risiko, dass meine Gabe sich verflüchtigt, ist zu groß. Sonst hätte sie es längst getan.

Ein versöhnliches Lächeln durchbricht ihre Versteinerung. »Du glaubst mir nicht?« Sie reicht mir das Tablet. »Es gibt jemanden, dem du sicherlich vertraust.«

Ich fasse das Gerät nicht an. »Wem? Dem Weihnachtsmann?«

»Dir.«

Mein Blick fällt auf das Display. Ein Video ist geöffnet. Das Bild ist schwarz, der Play-Button wartet darauf, berührt zu werden. Wie hypnotisiert starre ich ihn an. Ich zögere, weil ich tief in mir die Wahrheit kenne – und fürchte. So sehr, wie ich nie etwas gefürchtet habe.

»Fürchte nicht die Wahrheit«, sagt Athena geduldig. »Es bedeutet, du hast dich der Lüge ergeben.«

Ich bin Lyssa. Lyssa Liberty. Ferrokinetin. MCA-Agentin. Geboren in Perth. Meine Eltern sind Susan und Josh Liberty.

Ich gebe mir einen Ruck, reiße ihr das Tablet aus den Händen und drücke auf den Button. Das Video läuft an und das schwarze Bild weicht einem Kinderzimmer, dessen grob in einen Fels gehauene Wände mit Blattgold belegt sind. Hinter den bodentiefen Fenstern glitzern Sonnenstrahlen auf den schneebedeckten Gipfeln einer Gebirgskette. Davor sitzt auf einem Himmelbett mit sonnengelbem Baldachin ein junges Mädchen im Schneidersitz. Ihre Hautfarbe ist auffallend blass, als hätte sie nie die Sonne gesehen. Sie trägt einen goldfarbenen Jumpsuit, auf der Brust ist das Legacy-Zeichen eingestickt. Die langen goldblonden Haare sind zu zwei Zöpfen geflochten und oberhalb der Ohren zu Schnecken gekringelt.

Ich will aussehen wie Prinzessin Leia.

Ich kenne dieses Mädchen. Ich bin dieses Mädchen.

Ich halte das Tablet so fest in meinen Händen, dass das Aluminium protestiert und das Panzerglas knirscht, will es zu Boden werfen, bis es in tausend Splitter zerbirst und der Chip zerbricht. Stattdessen starre ich untätig auf mein jüngeres Ich. Eine vertraute Melodie erklingt, ein fröhliches Lied, das zum Tanzen auffordert. Die Klänge entstammen der goldenen Spieluhr, die auf der Tagesdecke thront. Die Ballerina tanzt und dreht sich in ihrem Tüllkleid. Das Mädchen summt dazu und spielt mit ihrem Goldarmbändchen. Die Kamera wackelt und ich vernehme eine leise Stimme im Hintergrund. Mini-Ich stöhnt entnervt, richtet sich dann mit geradem Rücken auf und hebt das Kinn. Mit blassen Augen blickt sie herausfordernd in die Linse.

»Mein Name ist Freya Lind«, stellt sie sich vor. Man hört den Widerwillen in ihrer Stimme. »Meine Mum verlangt von mir, dass ich dieses dumme Video aufnehme, weil sie mir meine Erinnerung nehmen will.«

»Freya«, zischt jemand im Hintergrund. Athena. Eindeutig.

Das Mädchen rollt mit den Augen und zieht eine Grimasse. »Ich bin Freya Lind. Prinzessin von Magic Legacy. Meine Mutter ist Athena Franklin. Sie ist die Königin und ich werde ihr eines Tages –« Ihre Aufmerksamkeit wird abgelenkt, ihr Blick wandert von der Kamera weg. Sie streckt die Zunge raus, woraufhin jemand sie mit einem Stofftier bewirft, das sie kichernd auffängt. Es ist ein kleiner roter Drache. »Mein Vater ist Sven Lind«, fährt sie fort.

Ein schlanker, großgewachsener Mann erscheint auf der Bildfläche, beugt sich zu ihr hinab und gibt ihr einen Kuss auf die Stirn. Kurz dreht er sich zur Kamera. Es ist Mister Clearwater. Er ist jünger, sein Haar hat er zu einem lustigen Minipli frisiert und reicht ihm bis zu den Schultern. Die Strenge und Ernsthaftigkeit jedoch besaß er damals schon, seine violettfarbenen Augen wirken erschöpft und magielos. Wortlos und ohne den Anflug eines Lächelns verschwindet er aus dem Bild.

Mini-Ich drückt den Plüsch-Drachen an ihre Brust, sieht wieder in die Kamera. »Ich bin eine Ferrokinetin und wenn ich groß bin, werde ich die Königin der Welt sein«, verkündet sie selbstbewusst.

Wieder die Stimme im Hintergrund. Sie klingt befehlend.

Mini-Ich stöhnt und wirft den Drachen beiseite. »Aber bevor ich Königin der Welt werde, werde ich zum Maulwurf«, leiert sie gelangweilt herunter. »Meine Magie mag es in diesem Berg nämlich nicht.« Ihr Blick wird trotzig. »Und ich mag es hier auch nicht. Deshalb werde ich morgen nach Australien fliegen. Nach …« Sie runzelt die Stirn.

»Perth«, flüstert Athena, diesmal kann ich sie ganz genau verstehen.

Mini-Ichs Gesicht erhellt sich. »Nach Perth«, sagt sie voll Stolz. »Dort scheint die Sonne und es ist warm. Ich kann den ganzen Tag am Strand spielen und im Meer schwimmen und –«

»Das reicht, Athena«, höre ich Mister Clearwater sagen.

»Ich war noch nicht fertig!«, entrüstet sich Mini-Ich.

Das Bild verwackelt. Dann endet das Video.

Meine Hände zittern so stark, dass das Tablet aus meinen Fingern gleitet und geräuschvoll auf den Felstisch knallt. Dann ist da nur noch mein Herzschlag in den Ohren und ein einziger Gedanke, der durch meinen ansonsten leeren Kopf schwirrt.

Mein gesamtes Leben war eine Lüge. Ich bin eine Lüge.

»Sag mir nicht, du hättest es nicht gespürt.« Ich hebe meinen Blick, sehe meine Mutter an. Eine Telepathin. Welch Ironie. »Reversible Gedächtnisauslöschung ist niemals perfekt. Es verbleiben Spuren und die machen sich bemerkbar. Sei es ein Déjà-vu, ein Traum oder Stimmen, die man hört. Schwarze Löcher in der Vergangenheit.« Sie betrachtet mich, wie eine Lehrerin ihre beste Schülerin betrachtet. »Du hast deine Rolle herausragend gespielt«, lobt sie mich. »Du warst einer der besten Maulwürfe, die wir je ausgesandt haben. Von meiner Tochter habe ich nichts anderes erwartet. Nun jedoch endet deine Zeit als Lyssa Liberty. Als meine Tochter und Inhaberin einer einzigartigen Gabe bist du die zukünftige Herrscherin über diese Welt. Doch bis dahin – gibt es viel zu tun.«

Ich starre in ihre silbernen Strudel wie auf das Testbild eines Fernsehers, warte darauf, dass die hässlichen Pixel und das nervtötende Rauschen verschwinden. Leider ist es kein Testbild. Switchen zwecklos. Dies hier ist mein Leben.

Athenas Augen schweifen ab und ich folge ihrem Blick. Ein Biokinet löst sich auf ihren mentalen Befehl hin von der Wand. Seine felsige Tarnhaut wandelt sich in einen silbernen Anzug und blasse menschliche Haut. Er kommt auf mich zu und nimmt ungefragt meine Hand. Der Schock sitzt zu tief in meinen Gliedern und ich wehre mich nicht, sehe tatenlos zu, wie er mit seinem Zeigefinger über mein linkes Handgelenk streicht und dauerhaft goldene Linien aufleuchten. Das Tattoo. Das Legacy-Symbol. Tinte magischer Oktopusse.

Es war immer da. Verborgen in mir. Ich war ein Maulwurf im Nest meiner menschlichen Fake-Eltern. Ich habe sie alle belogen und betrogen. Meine Freunde. Meine Kollegen. Meinen Arbeitgeber. Jede einzelne Sekunde meines Lebens habe ich ihnen etwas vorgespielt, ohne es zu ahnen. Lyssa war ein Trugbild. Ein Fake.

Ich würde es gern vehement von mir weisen, trotz der überwältigenden Beweislast. Aber wenn ich ehrlich zu mir selbst bin … tief in mir wusste ich es. Ich war schon immer zwei Seiten einer Medaille. Die auferlegte Muster-Agentin und die Rebellin im Herzen.

Doch … Freya Lind? Der Name fühlt sich so falsch an wie die Mutter, die vor mir sitzt. Ich fühle mich wie ein AI, der noch programmiert werden muss. Ein Roboter, den man mitten in der Herstellungsphase stehengelassen und vergessen hat. Mein Verstand und mein Herz suchen etwas, an dem sie sich festhalten können. Bloß ist da nichts. Kein Anker. Keine Wurzel. Und meine Magie hat sich in ihren ganz eigenen Schockzustand zurückgezogen.

Meine Magie mag es in diesem Berg nicht.

»Deine Magie war das Problem, Freya«, schnappt Athena meinen Gedanken auf. »Ich war gezwungen, dir deine Erinnerungen zu nehmen und dich wegzuschicken. Du bist die erste Ferrokinetin aus der Abstammungslinie der Linds. Dein Vater und ich, wir waren so glücklich.« Ihr Lächeln wirkt gezwungen. »Doch du warst nicht Herrin deiner Gabe.« Sie nimmt mein stählernes Kringelschwänzchen in die Hand, betrachtet es von allen Seiten. »Derartige Fälle sind uns hier unten nicht unbekannt. Magie gedeiht am besten in Freiheit.« Sie legt das Besteck beiseite und inspiziert mich wie Lewis ein erfolgversprechendes Untersuchungsobjekt im Labor, das seine Karriere befeuern könnte. »Ich bin stolz, dass du die talentierte Ferrokinetin geworden bist, die ich in dir gesehen habe.«

Ich höre ihr zu, bin gezwungen, unverwandt in das Testbild zu glotzen. Meine Stimme ist mir abhandengekommen, gemeinsam mit meinem Leben. Vielleicht werde ich nie wieder sprechen. So etwas passiert. Verstummt nach einem Schock. Ein Trauma. Es gibt Schlimmeres. Zum Beispiel, zehn Jahre ein Fake-Leben zu leben und dann zu erfahren, dass man die Tochter einer irren Fanatikerin ist. Einer Telepathin.

Einer Telepathin? Moment.

Du bist adoptiert. Deine Eltern sind Magische. Durch dein Blut fließen …

Mein Herz macht einen kräftigen Satz, als würde es nach langer Zeit seine Arbeit wieder aufnehmen. Wie ein Sturzbach rauscht das Blut durch meine Adern. Ich baue eine Mauer um meine Gedanken, ehe ich sie zulasse.

Pyrokinese und Empathie.

»Du bist verständlicherweise verwirrt«, interpretiert Athena aus meiner Mauer und meinem lauten Herzklopfen. »Ruh dich ein wenig aus. Erinnere dich, wer du bist und wozu du geboren wurdest.« Sie macht eine ausschweifende Handbewegung. »Dies hier ist deine Heimat. Wir sind deine Familie.« Sie faltet ihre Hände wieder zusammen. Ihre Strudel bekommen eine unangenehme Sogwirkung. Glühende Finger streichen meine Schenkel entlang … »Du kannst dich für oder gegen die Wiederherstellung deiner früheren Erinnerungen entscheiden«, spricht sie. »Diese eine Wahl gewähre ich dir. Das Ergebnis jedoch wird das Gleiche sein und mit den Konsequenzen wirst du leben müssen. Du wirst für mich kämpfen, Freya, freiwillig oder nicht. Für die Magie. Für uns alle.« Sie schenkt mir ein schauriges Lächeln. »Königin der Welt ist kein unerreichbarer Kindertraum mehr. Es ist deine Zukunft. Deine Bestimmung. Lebe sie oder gehe mit dieser Welt unter.«

Kapitel 2

NICHTS

Ich liege auf dem Himmelbett von Mini-Me und starre zum sonnengelben Baldachin empor, während Tränen meine Wangen hinabkullern. Keine Ahnung, wie lange ich hier schon herumliege und über nichts sinniere. Und mit »Nichts« meine ich mich. Die umgekippte Mondsichel ist einmal am Fenster vorbeigewandert, der Himmel hinter der schneebedeckten Gebirgskette dämmert. Sterne wie Fake-Sterne verglühen einer nach dem anderen. Und ich liege noch immer hier.

Zwei Silbergekleidete haben mich hier in meinem ehemaligen Kinderzimmer abgesetzt und sind wortlos verschwunden. Dampfender Kaffee und ein üppiges Frühstück mit Croissants, Marmelade und Orangensaft haben mich erwartet. Angerührt habe ich nichts davon, auch wenn der Koffein-Entzug sich durch einen dumpfen Kopfschmerz bemerkbar macht, der sich zu dem Herzschmerz und dem leeren Gefühl in meinem Inneren gesellt.

Ist Freya ein Kaffeejunkie wie Lyssa? Oder bevorzugt sie Tee?

Diese Fragen jedoch sind lächerlich im Vergleich zu der einen Frage, die im Raum steht wie ein rosafarbener Elefant mit Partyhütchen. Diejenige, die mein ganzes Leben zusammenfasst und so bedeutungsschwer ist, dass sie mit Leichtigkeit den Uluru unter sich begraben würde.

Wer bin ich?

Ich finde keine Antwort auf diese Frage.

Meine größte Angst ist eingetreten, mein schlimmster Albtraum in Erfüllung gegangen. Mein Leben lang habe ich mich gegen Gedächtnisauslöschung ausgesprochen und Wilde davor bewahrt. Es ist ein grauenvolles Schicksal, das niemand verdient. Und nun – bin ich selbst ein Fake. Über diese makabre Ironie würde ich gern lachen, stattdessen weine ich. Solange bis ich nicht mehr weinen kann. Mittlerweile bin ich derart dehydriert, dass sich meine Sorge verflüchtigt, ins Bett zu pinkeln, weil mein Körper sich weigert, jemals wieder aufzustehen.

Ich fühle mich verloren. Wie eine Feder im Orkansturm. Wie eine Eisscholle inmitten des Südpazifiks, die langsam unter der erbarmungslosen Sonne wegschmilzt, bis nichts mehr von ihr übrig ist. Nur ein paar verirrte H2O-Atome in einem unendlichen Ozean voll Plastikmüll.

Bei diesem Gedanken steigt Panik in mir auf. Die Agentin klopft an. Sie ist noch immer da, auch wenn ich nun nichts bin. Immerhin habe ich sie über ein Jahr gelebt. Ich darf nicht verschwinden! Ich mag ein Fake sein, doch die Welt dort draußen ist es nicht. Und sie braucht mich.

Ich muss etwas tun, bevor ich mich auflöse. Irgendetwas! Man sende mir einen Cryokineten, der mich – einsame Eisscholle – wiederherstellt. Einen Meermenschen, der mich zur Arktis schleppt. Stoppt die Erderwärmung!

Ruhig, Lyssa.

Nein. Nicht Lyssa. Freya.

Ich schließe die Augen, atme tief durch, um die Verwirrung in meinem Kopf halbwegs zu ordnen. Einen Anker. Ich brauche einen Anker. Etwas, das mich festhält, mich rettet, bevor ich nicht mehr bin. Bevor ich … Nichts bin. Nur Luft!

Ich wische die Tränen von meinen Wangen und springe hastig vom Bett. Panisch schäle ich mich aus dem knallengen goldenen Jumpsuit, der mich zu ersticken droht und pfeffere ihn in eine Ecke. Schon besser. Noch immer nichts, aber wenigstens kann ich nun frei atmen und denken.

Nur mit einem Höschen bekleidet trete ich vors Fenster. Der ungewohnte Ausblick ruft ein Gefühl in mir hervor, das mir vertrauter ist, als ich zugeben mag. Ein Gefühl des Wiedererkennens. Mein Leben war gepflastert mit Déjà-vus, spätestens, seitdem ich für die MCA arbeite. Mehr als einen flüchtigen Gedanken habe ich nie daran verschwendet. Nun könnte ich mir all meine Erinnerungen zurückholen. Die ersten neun Jahre meines Lebens. Dann wäre ich wieder jemand. Ich wäre Freya Lind.

Doch was geschieht mit dem Rest? Würde ich Lyssa Liberty einfach vergessen? Wie eine ausgediente Socke, die sich auf Nimmerwiedersehen in den Tiefen einer Waschmaschine verirrt?

Im Geiste gehe ich durch, was alles in meinem Leben Lüge ist. Lewis. Meine Eltern. Meine Vergangenheit. Allen voran ich. Ist Lyssa Liberty es überhaupt wert, konserviert zu werden? War irgendetwas an ihr wahr? Letzten Endes war sie nur Mittel zum Zweck, um meine Gabe gedeihen zu lassen. Ein paar Erinnerungen, die eine wahnsinnige Telepathin in mir implantierte. Nicht mehr.

Abermals nimmt das Gefühl von Nichts überhand und ich eile zu dem niedrigen Kinderschreibtisch. Ich schiebe das Frühstück beiseite, schnappe mir einen Farbstift und einen Bogen Papier. Dann setze ich mich halbnackt auf den bunten Plastik-Schemel und beginne mit meiner Liste.

Unschlüssig schwebt meine Hand über dem leeren Blatt. Die Bedeutung von Blaze’ Buch wird mir erst jetzt richtig bewusst. Weder kannte er seine Eltern noch seinen Namen oder woher er stammt. Wie ein seelenloses Objekt wurde er zum Krieger ausgebildet. Das Buch war sein Anker in einer Welt, in die er nicht hineinpasste. Wenn er nichts war, war das Buch alles.

Ich starre auf die Leere vor mir, die mein Inneres widerspiegelt. Was mag ich? Es ist eine simple Frage. Schließlich gebe ich mir einen Ruck und setze den roten Stift an.

Gold

Kaffee

Schokolade

Australien

Sonnenschein

Tanzen

Kämpfen

Ich kaue auf dem gummiartigen Endstück des Kinderstiftes. Meine Freunde kann ich nicht auflisten. Abgesehen davon, dass sie Fake-Freunde sind, weil ich Fake bin, können sie manipuliert werden. Somit kann ich ihnen nicht trauen. Ein lebendes Geschöpf kann nicht mein Anker sein, wenn ich – arme Eisscholle – verloren auf hoher See bin.

Nachdenklich sehe ich aus dem Fenster. Die Morgensonne taucht hinter den Bergen auf, tunkt die schneebedeckten Gipfel in rosafarbenen Zuckerguss. Osten, registriert die Agentin in mir.

Ich wende mich wieder der Liste zu. Wieso hat Blaze mich aufgeschrieben? Wieso vertraute er mir nach nur zwei Begegnungen genug, um mich als Anker zu wählen? Als Person des Vertrauens, falls er manipuliert werden sollte? Ich hätte ein Fake sein können. Am Ende war ich ein Fake.

Goldmädchen. Er hat Goldmädchen aufgeschrieben. Weil ich das im Herzen bin. Die Magie kann nicht lügen. Er vertraute dem Kern von mir, dem, was auch immer er in mir sah, ganz egal mit welchen Erinnerungen.

Wir werden immer die Gleichen sein.

Ich setze den Stift wieder an, meine Aufmerksamkeit jedoch wird abgelenkt von einem beschriebenen Blatt Papier, das zwischen dem Stapel hervorlugt. Ich ziehe es heraus. Es ist eine Liste, geschrieben in einer akkuraten Kinderschrift. Mein Herz zieht sich zusammen, als ich sie lese.

Für Lyssa Liberty

Das mag ich:

Gold

Schokolade

Sonnenschein

Tanzen

Kämpfen

Ohne die Liste zu Ende zu lesen, zerknülle ich beide Zettel und werfe sie zu dem Jumpsuit. War ich immer nur Freya? Existierte Lyssa Liberty überhaupt nicht?

Dieser Gedanke macht mich traurig. Ich mochte Lyssa. Ihr Leben, ihren Job – trotz grottiger Bezahlung und langweiliger Aufträge – und ihre Freunde. Ich habe sie gern gelebt.

Ich stehe auf, hole die Zettel wieder und entknittere sie. Wenn Freya und Lyssa sich gar nicht so sehr voneinander unterscheiden, wovor habe ich dann Angst? Unsere Magie kann nicht lügen.

Ich strecke meine Fühler aus. Wieder finde ich kein Metall. Athena hat Angst. Angst, dass ich nicht mehr Freya bin. Oder … weil ich noch immer Freya bin. Denn wenn wir uns im Herzen nicht unterscheiden – dann war Klein-Freya neugierig und alles andere als brav. Sie hatte ihren eigenen Kopf.

Die Magie wollte sich nicht zeigen. Liegt es nur an der mangelnden Freiheit oder an dem Sinn und Zweck, zu dem meine Magie missbraucht werden sollte?

Ich schließe meine Augen. Vielleicht gehe ich die Frage »Wer bin ich?« falsch an. Ich muss mich nicht auf das konzentrieren, was fake ist, sondern auf das, was wahr ist.

»Ich bin eine Ferrokinetin«, sage ich laut. »Ich bin eine Blondine. Ich habe eine Ansammlung brauner Leberflecken links meines Bauchnabels. Mit neun Jahren wurden mir meine Erinnerungen genommen. Ich bin die biologische Tochter eines Empathen und einer Telepathin …«

Ich stocke in meiner Auflistung an Wahrheiten. Agrinyas Stimme echot in meinem leergefegten Kopf nach. Du wurdest adoptiert. Durch dein Blut fließen inaktive Empathie und Pyrokinese.

Nicht Telepathie. Pyrokinese.

In Ermangelung eines Spiegels trete ich vors Fenster und besehe mir mein Spiegelbild. Meine üblicherweise bernsteinfarbenen Augen leuchten mir ungewöhnlich blass entgegen. Folge des Goldentzugs. Mit dem Zeigefinger fahre ich meine Konturen nach. Ein gerades Kinn, nicht spitz. Ein ovales Gesicht, nicht herzförmig. Markante Wangen- und Kieferknochen. Athena ist der zierliche Typ. Ich bin von Natur her sportlich und muskulös, habe einen kräftigen Körperbau und bin mit meinen ein Meter achtzig großgewachsen. Ich habe keinerlei Ähnlichkeiten mit ihr.

Athena Franklin ist nicht meine Mutter. In diesem Moment erscheint mir ausgerechnet Agrinyas Stimme wie ein Anker in einer durchrüttelten Welt. Ich mache keine Fehler, Liebes. Athena lügt. Ich weiß nicht, wieso. Ich weiß nicht, ob es relevant ist. Ich weiß nur eines – dies ist mein Anker.

Ich mag nicht wissen, wer ich bin. Doch ich weiß, wer ich nicht bin. Ich bin nicht die Tochter dieser Wahnsinnigen. Ich will weder die Weltherrschaft noch einen Krieg. Und ganz bestimmt bin ich niemandes Waffe.

Ich drehe mich um. Mein Blick bleibt an dem Frühstück hängen, das meinen Magen vor Freude grummeln lässt, und ich fälle eine Entscheidung. Freya Lind ist einen mentalen Tod gestorben. Lyssa Liberty hat nie existiert. Ich bin weder das eine noch das andere. Also muss ich mich neu erfinden. Schritt für Schritt. Atemzug für Atemzug. Jede Sekunde entscheide ich aufs Neue.

Ich habe eine zweite Chance bekommen in diesem irrsinnigen Fake-Spiel. Meine Mission ist nicht gescheitert, ich bin lediglich zu einer neuen Spielfigur geworden. Sie mag unberechenbar sein, doch nicht minder kampfbereit.

Ich werde dieses Spiel gewinnen. Für die Welt dort draußen. Für meine Freunde.

Aber um den Sieg davonzutragen, benötige ich alle Informationen. Athena wird mir nie über den Weg trauen, wenn ich die Gedächtnisrekonstruktion ablehne.

Mit neuer Entschlossenheit schreite ich zum Schreibtisch, greife nach dem Croissant und tunke es in die Marmelade. Meiner schlimmsten Angst kann ich mich unmöglich mit leerem Magen stellen.

Kapitel 3

WAHRHEIT UND LÜGE

»Ich freue mich, dass du dich entschieden hast, zurückzukommen, Freya.« Athena nickt wohlwollend.

Ich habe das Frühstück bis auf den letzten Krümel in mich hineingeschaufelt, mich wieder in den goldenen Jumpsuit gezwängt, und sitze nun kerzengerade auf dem Felsschemel vor der Führerin.

»Ich möchte wissen, wer ich bin.« Meine Stimme klingt monoton, gibt nichts von meinem chaotischen Gefühlsleben preis. »Ich habe mich der MCA nie dazugehörig gefühlt. Meine Ansichten waren … ungewöhnlich. Sie wurden nicht immer gutgeheißen. Ich bin mir nicht sicher, wie viel du weißt, aber ich habe öfter gegen die Regeln verstoßen.«

»Ich weiß alles über dich, Freya.« Ihr Silberblick dreht begeistert auf. Ich schweige, mein Kopf voll Stroh. Ich bin niemand. Und niemand denkt nichts. »Und das tut auch die Welt.« Athena dreht ihren Monitor zu mir.

FERROKINETIN LYSSA LIBERTY AUF DER FLUCHT

Die Homepage der CNN ist gepflastert mit Fotos von mir – seriöse Passbilder wie lässige Schnappschüsse im Bikini – Seite an Seite mit Horrorfotos von Kriegsschauplätzen. Ich scanne jede Headline in dem Bestreben, so viel wie möglich aufzunehmen.

TAUSENDE FALLEN MAGISCHER FLORA ZUM OPFER. Die beste Waffe gegen Würgekletten. LEGACY KAPERT AL JAZEERA. CNN setzt auf implementierte Eisenchips. MAGISCHE MEGAFLUTWELLE SCHWAPPT ÜBER TOKYO. Was Elementarmagie so gefährlich macht. GIFTTOD DES US-PRÄSIDENTEN. Spinnenwandler obduziert. ZAHL TELEPATHISCHER SELBSTMORDE STEIGT RASANT AN. Wie erkenne ich ein Telepathie-Opfer? ANREICHERUNG DER ERDATMOSPHÄRE MIT REINEN EISENPARTIKELN. Südafrika und Russland in der Testphase.

Mein Blick schweift zur Taskleiste, ehe Athena den Monitor wieder von mir wegdreht. 24. Dezember.

Fünf Tage habe ich unter dem Einfluss des Betäubungsmittels geschlafen. Morgen ist Weihnachten. Ho, ho, ho.

»Es wird am Abend eine Feier zu Ehren der Heiligen Nacht der Elemente abgehalten«, teilt Miss Gedankenleserin mir mit. Heilige Nacht der Elemente? Ach ja. Geschichtskurs erstes Academy-Jahr. Die Menschen klauten den alten magischen Brauch und feierten stattdessen die Geburt eines Typen, der verkündete, die Welt sei von einem Mann erschaffen worden. »Du hast diese Nacht immer geliebt.« Ihr Lächeln soll wohl sentimental wirken, jagt mir aber einen Schauer über den Rücken. »Es ist die letzte große Zusammenkunft unserer Familie vor der dritten Phase. Deine Rückkehr wird ihnen Kraft und Motivation verleihen. Die Prinzessin ist zurück, die goldene Führung wiedervereint. Bald wird die Welt uns gehören. Der Magie.«

Ich nicke, denn glaubwürdige Worte wollen nicht kommen.

»Ich sehe, du bist noch immer unsicher«, liest sie mir von den Augen ab und ich ärgere mich über mich selbst. Spiel besser! »Liegt dir etwas auf dem Herzen, ehe ich mit der Rekonstruktion beginne?«

Ich atme kurz durch, ehe ich meine Gedanken weit genug öffne, um eine der Fragen durchrutschen zu lassen, die in mir brennen. »Warum habt ihr mir auf der Konferenz im Rathaus das Schlangengift zugeschoben? Es war Alistair, oder?«, wage ich mich vor. »Ich wäre auch so gekommen.«

»Diese Welt hasst dich, Freya.« Athenas Stimme klingt verächtlich. Doch ich habe die Antwort, die ich brauche. Es war Alistair. Nicht Lakshmi und nicht Agrinya. »Sie jagen dich, obwohl du unschuldig bist. Ich wollte dir den Abschied leichter machen. Dir die Wahrheit vor Augen führen und zeigen, wie die Menschheit tickt, wie ihre Welt funktioniert. Sie haben dich sofort verdächtigt, obwohl du es nicht warst.«

»Danke, Athena.« Sorgfältig verschließe ich meinen Kopf, lasse den Wind hindurchfegen und widerstehe ihrem prüfenden Blick. »Es hat mir in der Tat die Augen geöffnet.«

»Dann wollen wir auch deine Erinnerungen öffnen.« Athena erhebt sich. Ihre dünnen Absätze klackern laut auf dem Steinboden, hallen in meinem hohlen Kopf nach. Einige Windfeen folgen ihr um den wuchtigen Tisch. Das Flattern der schillernden Schwingen macht mich nervöser, als ich ohnehin bin. Das Zischen, das sie ausstoßen, klingt gehässig. Fels reibt an Fels und neben mir wächst ein weiterer Felsschemel aus dem Boden.

Ich bin bemüht, meine Mentalmagiephobie zu unterdrücken. Leider kann mein Körper nicht lügen und trotz der Kälte in diesem Fels breche ich erneut in Schweiß aus. Ich kontrolliere meinen Atem und werfe einen schnellen Blick auf die Uhr von Athenas Handy. 10:36.

»Du brauchst dich nicht zu fürchten«, merkt Athena mir meine Nervosität an. »Es ist ein kurzer Eingriff.« Sie setzt sich auf den Schemel, ist mir nun so nah, dass ich in ihren silbernen Strudeln zu ertrinken drohe. Ein Geruch nach Blut umgibt die Telepathin, der Übelkeit in mir erregt. Als käme sie geradewegs aus einem Folterkeller. »Bei reversibler Gedächtnisauslöschung werden lediglich die stillgelegten Areale des Gehirns geöffnet.«

Ich schlucke den Würgereiz hinunter, den der Gestank, die silbernen Strudel und der Gedanke an mein waberndes Gehirn auslösen, das in Athenas Händen liegt. »Ich habe darüber an der Academy gelernt«, bringe ich hervor. »Es dauert nur wenige Minuten, eine reversible Gedächtnisauslöschung umzukehren.«

Und es dauert mindestens fünfzehn Minuten, ein Gedächtnis zu löschen.

Ich schiele abermals zu ihrem Handy. 10:37.

Ein unterkühltes Lächeln umspielt Athenas schmale Lippen. »Mach dir keine Sorgen, Freya.« Sie überschlägt ihre Beine und beugt sich vor, sodass ihr kupfriger Geruch noch penetranter in meine Nase steigt. »Beim letzten Mal hat es reibungslos funktioniert.«

Was tue ich hier? Bin ich völlig wahn–

Lyssas innere Stimme verfliegt, als ich ohne Vorwarnung eingesaugt werde, mit einer mentalen Kraft, wie ich sie noch nie erlebt habe. Verzweifelt halte ich mich an einem verruchten Tagtraum mit Blaze fest, bis er mir entwischt. Dann falle ich. Tief und immer tiefer werde ich hineingesogen in das schillernde Silber der Mentalhölle. Schwerelosigkeit empfängt mich und ich vereine mich mit ihr. Ich verliere meinen Körper, meinen Verstand und werde zum Nichts, spüre weder Wärme noch Kälte, Liebe oder Hass. Da ist kein Herzschlag. Keine Magie. Dafür höre ich Stimmen. Seltsam verzerrt rasen sie in Lichtgeschwindigkeit heran und an mir vorbei. Fetzenweise schnappe ich einige Worte auf.

Ich bin nicht Lyssa. Ich bin Freya. Freya Lind.

Zu den Stimmen gesellen sich Bilder, die wie eine Power-Point-Präsentation in Turbo-Geschwindigkeit an mir vorbeiziehen. Schneebedeckte Berggipfel, von der Abendsonne in Blut getränkt. Leuchtende Sterne unter einem sonnengelben Baldachin. Mit Gold überzogene Felswände. Eine Ballerina im Tüllrock tanzt zu einer vertrauten Melodie, die sich in die ätherischen Stimmen mischt.

Du bist eine Ferrokinetin. Deine Gabe ist zu kostbar, um sie zu verstecken.

Im nächsten Moment finde ich mich in einer prunkvollen Festhöhle wieder, Trommelmusik und verführerische Sirenenstimmen erfüllen das Nichts, Feuer erhitzt meine gefühllosen Wangen. Magie lässt die Luft vibrieren. Der köstliche Duft nach gebratenem Fleisch und exotischen Gewürzen weht mir entgegen. Wein schwappt in gläsernen Karaffen vorbei, bunte Cocktails und blubbernde Säfte. Davon kosten darf ich nicht. Magische jeder Art wirbeln über die Tanzfläche, mit glitzernden Kleidern und Funken sprühenden Augen. Ich bin nicht Teil von ihnen. Flauschige Tiere huschen über den Boden, hüpfen über die Buffets und kriechen die Wände empor. Magische Fauna, mit der ich nicht spielen darf. Pflanzen klappern mit ihren grünen Zähnen und schlingen sich um die Knöchel der Tanzenden. Gestrüpp, das ich nicht ärgern darf.

Denn ich war unartig. Ich behalte meine Magie für mich.

Hier ist es dunkel, kalt und langweilig. Ich will nach draußen. Sag ihr, ich will nach draußen!

Gold und Glitzer werden abgelöst von roten Felswänden. Der Geruch nach Blut, Metall und Schweiß verdrängt jenen nach Champagner und Festbraten. Mein Herz pocht schneller, als ich das Klirren von Waffen vernehme, Kettenrasseln und Kampfschreie.

Wieso darf ich nicht den Drachen sehen? Ich will den Drachen sehen!

Meine kleinen Finger legen sich um eiserne Gitterstäbe. Ich bewundere die Krieger, jene, die mich faszinieren, und jene, die mich ängstigen. Sie spielen mit solch einer Leichtigkeit mit ihrer Magie, dass der Neid mich zerfrisst. Die Gitterstäbe lösen sich auf und ich trete in eine Arena, deren Boden in Blut getränkt ist. Mit meiner Schwertspitze ziele ich auf einen Löwen, der brüllend den goldblonden Lockenschopf zurückwirft.

Das sind unsere Krieger, Freya. Eines Tages werden sie uns den Weg zur Macht ebnen. Sie werden die Bösen vernichten, die unsere Welt gestohlen haben. Du möchtest kämpfen wie sie? Dann lass deine Magie frei, anstatt sie vor uns zu verbergen. Ohne Magie bist du wertlos. Willst du wertlos sein, Freya?

Die Szenerie wechselt. Ich übe mich im Schwertkampf mit einem Jungen meines Alters. Sein blondes Haar ist streng zurückgekämmt, seine Augen haben die Farbe von blühendem Flieder. Apollo Franklin. Mein Bruder. Unsere Schwerter sind aus Silber und obwohl ich das Metall nicht befehligen kann, bin ich siegreich. Das bin ich immer. Apollo hasst es. Aber ich fühle mich nicht wie eine Siegerin. Meine Magie gehorcht mir nicht und ich muss kämpfen wie ein Mensch. Es ist erniedrigend.

Eines Tages wirst du mir folgen, Freya. Du möchtest doch nicht, dass dein Bruder deinen Platz einnimmt? Seine Gabe ist gewöhnlich. Deine ist einzigartig.

Der Sog der Erinnerungen wirft mich in eine Höhle, die mit jeder Art von Metall angefüllt ist. Gold, Silber, Bronze, Eisen, Stahl, Kupfer … Nickel.

Ich will nicht. Es juckt mich. Nie wieder Nickel!

Die Szene switcht zu einem kargen Raum, in dem es nach Desinfektionsmittel stinkt. Ich sitze auf einem Stuhl, mein Blut fließt durch einen Schlauch in eine Konserve. Meine Arme sind fixiert, um mich davon abzuhalten, die Kanüle herauszuziehen.

Dein Blut ist kostbar, Freya. Wir werden es gewissenhaft verteilen. Wäre es nicht schön, wenn alle magischen Geschöpfe gegen Eisen immun wären?

Das Blut in der Konserve verschwimmt und eine gigantische Goldkuppel wölbt sich über mir. Ich stehe mit Athena auf einem Balkon und winke zu unserer Familie hinab. Jubel wallt durch die Felshöhle.

Eines Tages wirst du die Königin der Welt sein. Möchtest du das, Freya?

Die jubelnden Geschöpfe verblassen und eine Fensterscheibe materialisiert sich vor mir, sperrt mich ein und nimmt mir die Freiheit. Wütend trommle ich mit meinen Fäusten dagegen. Das schneebedeckte Gebirge verhöhnt mich. Die Sonne ist unerreichbar. Ebenso wie meine Magie.

Ich möchte raus! Ich will nicht mehr hier sein!

Das Glas zerfließt und plötzlich liege ich bäuchlings in einem düsteren Felsschacht. Unter mir sind Luftlöcher und ich erkenne Mum und Dad. Ich halte die Luft an, lausche.

»Wenn sie die Wahrheit erfährt, könnte es dein Untergang sein.«

»Drohst du mir?«

»Als ob ich das je könnte, Athena.«

Ich falle aus dem Schacht, plumpse aufs Bett. Ein Mann mit goldblondem Minipli steht vor mir, nimmt mein Gesicht in beide Hände. In seinen lustigen violettfarbenen Augen schimmern Tränen.

Ich liebe dich, Freya, vergiss das nicht. Ich werde immer über dich wachen. Sei stark. Vertraue niemandem. Wir sehen uns bald wieder. Versprochen.