Videns - Sonja Schmitz-Herscheidt - E-Book

Videns E-Book

Sonja Schmitz-Herscheidt

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Beschreibung

Der junge Videns besitzt als Einziger die Fähigkeit, die intelligenten Riesenechsen zu sehen, die durch einen Fluch in eine schwarz-weiße Parallelwelt verbannt worden sind. Doch diese Echsenschatten werden zu einer wachsenden Bedrohung, nicht nur für Videns selbst, sondern auch für die anderen Bewohner des einsamen Dorfes in den Bergen. Auf der Suche nach Antworten stoßen Videns und ein Mädchen namens Aliena auf eine Prophezeiung, die ein mögliches Ende der Echsenschatten vorhersagt. Als kurz darauf auch noch die Herrscherin der Echsen, ein weißer Drache, auftaucht, befinden sich Aliena und Videns schon bald mitten in einem Strudel von Ereignissen, der sie nicht nur zusammenschweißt, sondern sie auch bis an ihre Grenzen bringt - und darüber hinaus ...

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 1

Es war düster und stickig in der kleinen Schlafkammer. Durch das winzige Fenster drang nur wenig Licht. Die Wände aus massiven, glatt polierten Baumstämmen schienen sich im Halbdunkel noch näher zusammenzuschieben, als wollten sie die Menschen in dem Zimmer zwischen sich zermalmen.

Lucia strich sich eine graue Haarsträhne, die sich aus ihrer Zopffrisur gelöst hatte, aus der Stirn und schaute zu dem großen, weiß gestrichenen Bett hinüber. Ihr Blick glitt über die Rose, die in das Kopfende des Bettes geschnitzt war und wanderte hinunter zu dem bleichen, regungslosen Gesicht des kleinen Mädchens, das dort lag. Seine geschlossenen Augen waren von blauen Schatten umgeben. Das blonde Haar lag auf dem Kissen ausgebreitet wie die Ranken einer Blume. Das mühsame Atmen des Kindes war in dem stillen Raum überlaut zu hören.

Lucia krampfte sich das Herz zusammen beim Anblick des Mädchens. Sie hatte die kleine Rosa untersucht, alle nur denkbaren Krankheitsursachen ausgeschlossen, hatte alle Heilmittel versucht, die ihr zur Verfügung standen, doch nun war sie am Ende ihrer Weisheit angelangt. Sie konnte Rosa nicht helfen.

Wie gerne hätte sie Claudia getröstet. Die Mutter des Mädchens saß auf einem Stuhl neben dem Bett. Tränen liefen langsam über ihre Wangen und tropften auf ihre im Schoß gefalteten Hände. Ihr dunkelblondes Haar, das zu einem Zopf geflochten war, hatte sich teilweise gelöst und stand in Locken wie ein wirrer Strahlenkranz um ihr gerötetes Gesicht.

Lucia bemerkte, wie Claudia zu ihrem Mann hinüberschaute, der am Fuße des Bettes stand. Marcus war ein großer, stolzer Mann, aber jetzt sanken seine Schultern, als müsste er eine Last tragen, die seine Kräfte überstieg. Die Blicke seiner Frau konnte er nicht erwidern. Seine blauen Augen waren starr auf die geschnitzte Rose gerichtet.

„Wir müssen doch etwas tun können!“ Claudias Stimme war voller Verzweiflung. Ihr Blick wanderte hilfesuchend zu Lucia. Diese trat zu ihr und legte tröstend eine Hand auf ihre Schulter. So gerne hätte sie geholfen. „Es tut mir leid. Ich habe alles getan, was ich konnte. Aber ich weiß einfach nicht, was ihr fehlt. Es ist keine Krankheit, die ich kenne, und keines meiner Kräuter kann Rosa helfen.“

Marcus blickte Lucia mit versteinerter Miene an. „Heißt das …“ Er räusperte sich und setzte dann nochmals an. „Heißt das, dass sie vielleicht nicht wieder gesund wird?“

Lucia nickte ernst. Es war möglich, dass sich Rosas Zustand noch weiter verschlechterte. Sie schaute in die verzweifelten Gesichter der beiden Eltern und fragte sich, ob sie vielleicht irgendetwas übersehen hatte. Gab es wirklich nichts mehr, was sie tun konnte? Sie durfte doch nicht so einfach aufgeben! Gedankenverloren rieb sie sich über die Stirn.

Plötzlich kam ihr eine Idee. Lucia spürte, wie ihr Herz schneller klopfte. Es mochte ein abwegiger Gedanke sein, verrückt sogar, aber mit einem Mal sah Lucia eine letzte Möglichkeit, Rosa zu retten.

Sie zögerte, doch dann sagte sie vorsichtig: „Vielleicht gäbe es noch jemanden, der uns helfen könnte …“

Mit einem Ruck hob Claudia den Kopf. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen, um Lucia besser ansehen zu können. „Aber du bist unsere Heilerin. Wer könnte uns außer dir noch weiterhelfen?“

Lucia schaute ihr fest in die Augen. „Oben, in der alten Hütte am Waldsee wohnt seit kurzem ein junger Mann. Videns heißt er.“

Es kamen nur selten Reisende in diese abgelegene Gegend, aber eines Tages war dieser Fremde wie aus dem Nichts in Silva, ihrem kleinen Dorf in den Bergen, aufgetaucht. Er hatte herumgefragt, ob es irgendwo eine Bleibe für ihn gäbe. Einer der Bauern hatte ihm ein Bett angeboten, wenn er für ihn im Wald arbeiten wolle, aber er hatte offenbar abgelehnt. Schließlich war jedoch die Rede auf die alte, halb verfallene Hütte gekommen, oben am Waldsee, die seit einigen Jahren leer stand.

Früher hatte hier der alte Benedictus gehaust, ein verschrobener Kauz, der die Leute im Dorf immer gemieden hatte. Nach seinem Tod hatte sich niemand mehr für die Hütte interessiert. Nun war dort der Fremde eingezogen.

Claudia meinte ungeduldig: „Ja, ich habe von diesem Videns gehört. Aber warum kommst du jetzt auf ihn?“

Lucia räusperte sich, bevor sie fortfuhr: „Die Leute erzählen sich, dass er die Echsenschatten sehen kann.“

Schon bald nach der Ankunft des Fremden waren die ersten Gerüchte aufgetaucht, der Fremde sei ein Seher, er habe die Fähigkeit, in die Parallelwelt der Echsenschatten hinüberzuwechseln und sogar mit ihnen zu sprechen. Keiner wusste, woher dieses Gerücht stammte, aber es hatte sich in Windeseile verbreitet. So war es auch zu Lucia gelangt.

Sie hatte den Satz kaum zu Ende gesprochen, als Marcus schon verärgert den Kopf schüttelte. „Fängst du auch noch damit an, Lucia“, schnaubte er. „Da kommt so ein hergelaufener Lump, den niemand kennt. Und schon denken sich die Leute wer-weiß-was aus.“

Seine Stimme hallte laut in der kleinen Kammer. Es war, als müsse er seiner Anspannung nun irgendwie Luft machen. „Woher wollen das denn alle so genau wissen? Hat dieser Videns es selbst gesagt? Das ist Unsinn. Niemand kann die Schatten sehen.“

Während Marcus sprach, hatte Claudia ihre Augen nicht von Lucia abgewandt. „Aber wie könnte er uns helfen, selbst wenn etwas dran wäre an diesem Gerücht?“, fragte sie verwirrt. „Was hat Rosas Krankheit mit den Echsenschatten zu tun?“

Marcus knurrte ärgerlich und wollte mit einer Handbewegung das Gespräch beenden, aber Lucia antwortete trotzdem: „Ich habe nachgedacht: Bevor Rosa vorgestern so krank wurde, war sie doch am Nachmittag weggelaufen.“

Claudia nickte, und sofort schossen ihr wieder die Tränen in die Augen. „Ja, sie ist uns ausgebüxt. Eigentlich wollte sie nur kurz zum Kaninchenstall gehen, aber stattdessen ist sie anscheinend drüben zur Wiese hinübergelaufen und dann in den Wald. Das hat sie vorher noch nie getan.“ Claudias Schultern bebten. „Als sie nicht nach Hause kam, habe ich gleich angefangen, sie zu suchen. Aber dann tauchte sie eine halbe Stunde später wieder auf …“

Lucia beobachtete sie aufmerksam. „Hat Rosa erzählt, wo sie gewesen ist?“

Claudia schüttelte langsam den Kopf. „Nein, das war seltsam. Sie wollte es absolut nicht sagen. Aber ich hatte das Gefühl, dass sie Angst hatte. Und abends ging es ihr dann plötzlich so schlecht, dass sie nichts mehr erzählen konnte.“

„Warum fragst du das alles, Lucia?“, fuhr der Vater ungeduldig dazwischen. „Worauf willst du denn hinaus? Dass sie bei diesem Kerl im Wald gewesen ist?“

Lucia schaute ihn ruhig an. „Nein, nicht bei ihm, Marcus. Aber könnte es nicht sein, dass sie am Schwarzen See gewesen ist? Es ist nicht weit dorthin.“

„Aber ich habe es ihr streng verboten, dorthin zu gehen“, warf die Mutter ein. „Immer wieder habe ich es ihr gesagt. Jeder weiß, dass am Schwarzen See ein Echsenschatten haust.“

Lucia lächelte wissend. „Manchmal ist es gerade das.“

Marcus runzelte die Stirn und sog verärgert die Luft ein. „Du willst also damit sagen, dass der Echsenschatten schuld an der Krankheit unserer Rosa ist?“

Lucia zuckte die Achseln. „Es könnte zumindest so sein. Rosa könnte ihn irgendwie gegen sich aufgebracht haben. Vielleicht hat er sie verflucht oder sie mit irgendetwas angesteckt, das wir nicht kennen.“

„Und um das herauszufinden, willst du tatsächlich diesen …“ Er suchte nach einem passenden Wort. “Aufschneider fragen?“

„Er heißt Videns“, korrigierte ihn die Heilerin mit sanfter Stimme und nickte. „Wenn das Gerücht stimmt, und er tatsächlich die grauen Echsen sehen und mit ihnen sprechen kann, dann kann er vielleicht herausfinden, was mit Rosa nicht stimmt. Und wenn wir wissen, was sie befallen hat, können wir ihr mit seiner Hilfe vielleicht noch irgendwie helfen!“

Marcus schüttelte sofort den Kopf. „Das ist doch alles totaler Unsinn!“ Er schlug mit der geballten Faust so heftig auf das Fußende des Bettes, dass Lucia zusammenzuckte. „Er wird uns nicht helfen können. Was wissen wir von ihm? Nichts! Solch ein Scharlatan kommt mir doch nicht auf den Hof.“

Claudia hob beschwichtigend die Hände. „Marcus, nicht so laut“, mahnte sie. „Warum regst du dich so auf? Wir versuchen doch nur, Rosa zu helfen.“ Sie schaute wieder zu Lucia hinüber. „Ich meine, wir sollten alles versuchen.“ Schließlich wanderte ihr Blick zu dem bleichen Gesicht ihrer Tochter. „Wir haben nichts mehr zu verlieren.“

„Du greifst nach einem Strohhalm, Claudia“, seufzte Marcus resigniert. „Auch dieser Videns wird uns nicht mehr helfen können.“

„Aber wir müssen es doch wenigstens versuchen“, flehte seine Frau. „Wir sollten ihn herholen, so schnell wie möglich. Bevor es zu spät ist!“

Marcus schüttelte grimmig den Kopf, doch Lucia bot trotzdem an: „Ich kann sofort losgehen, um ihn zu holen. In zwei Stunden könnte ich zurück sein. Vorausgesetzt, er lässt sich überreden mitzukommen.“

Claudia war aufgestanden und legte sanft ihre Hand auf die ihres Mannes, die immer noch auf dem Fußende des Bettes lag. „Bitte …“ Sie schaute ihn flehentlich an. Er erwiderte ihren Blick. Dann nickte er widerstrebend. „Also gut.“

Ein erleichtertes Lächeln glitt über Claudias Gesicht, doch Marcus setzte gleich hinzu: „Es wird nichts bringen, Claudia. Dieser Fremde ist ein Betrüger, du wirst sehen.“

Während er sprach, war Lucia schon auf dem Weg zur Tür. Mit einem entschlossenen Ruck öffnete sie sie und drehte sich noch einmal um. „Ich werde alles versuchen, ihn möglichst schnell hierher zu bringen.“

„Beeil dich“, mahnte Claudia.

Lucia nickte entschlossen und verließ die Kammer.

Kapitel 2

Als sie hinaus ins Freie trat, hielt Lucia kurz inne und sog die frische Sommerluft tief in ihre Lungen ein. Mit weit ausgreifenden Schritten und voller Tatendrang überquerte sie dann den Hof. Nichts war schlimmer, als hilflos dem Leiden eines Kindes zuzusehen. Sie war entschlossen, Rosa zu helfen.

Dieser Videns war die einzige Hoffnung, die ihnen jetzt noch blieb. Sie selbst war ihm bisher noch nicht begegnet, und sie wusste auch nicht, was von diesen Gerüchten zu halten war. Nie zuvor hatte sie von jemandem gehört, der tatsächlich eine der grauen Echsen oder „Echsenschatten“, wie sie allgemein genannt wurden, zu Gesicht bekommen hatte. Jeder wusste, dass es sie gab, aber niemand wusste, wie sie tatsächlich aussahen.

Sie hausten an bestimmten Orten, die jeder kannte und kaum jemand zu betreten wagte. Auch wenn man sie nicht sehen konnte, so waren die Schatten doch immer da – und sie waren gefährlich. Schließlich gab es genug gruselige Geschichten, die abends am Herdfeuer erzählt wurden: von Echsenschatten, die Menschen angelockt hatten, um sie zu töten und von Menschen, die spurlos verschwunden waren. Was, wenn auch die kleine Rosa einem dieser unsichtbaren Echsenschatten zum Opfer gefallen war und der jetzt ihr Leben bedrohte?

Sie brauchte diesen Videns, um es herauszufinden. Sie musste es zumindest versuchen. Es war tatsächlich der letzte Strohhalm, nach dem sie noch greifen konnte, um Rosa zu retten.

Lucia fühlte sich verantwortlich für das Mädchen, denn sie war die Heilerin des Dorfes. Sie wurde gerufen, wenn die Menschen krank oder verletzt waren. Schließlich war sie die Einzige, die über das Wissen von den Pflanzen und ihren heilenden Kräften verfügte, das über Generationen an sie weitergegeben worden war. Schon vielen Menschen hatte sie mit ihren Kräutern und Mitteln helfen können. Leider war auch sie manchmal machtlos. Aber es war für sie jedes Mal ein Kampf, den sie gegen eine Krankheit aufnahm und den sie gewinnen wollte.

Mit schnellen, entschlossenen Schritten stapfte Lucia die Dorfstraße hinauf, die nach den Regenfällen der letzten Tage aufgeweicht und voller Pfützen war.

Silva war ein kleines Dorf, mit niedrigen Holzhäusern, die sich schutzsuchend aneinanderdrängten. In einer flachen Senke gelegen, war es von Wiesen, Weiden und Feldern umgeben - und den Bergen mit ihren tiefen Wäldern. Vor langer Zeit hatten sich in diesem Tal Menschen angesiedelt, hatten die Bäume gefällt, Häuser gebaut, Felder bestellt. Einige Bauern hatten es zu Wohlstand gebracht, vor allem durch den Handel mit Holz aus den endlosen Wäldern. Dort wuchsen die riesigen Fichten und Tannen, deren Holz die Bauern in die Städte in der Ebene verkauften, sogar bis zu den betriebsamen Handelshäfen am Meer. Dennoch war Silva immer ein bescheidenes Bergdorf geblieben, fern der großen Städte und Handelsrouten.

Eilig überquerte Lucia den Dorfplatz mit dem Brunnen und bog dann nach links. Eben öffnete sich die Tür eines Hauses, und eine Frau mit einem Korb über dem Arm trat heraus. Sie grüßte freundlich. Unter gewöhnlichen Umständen wäre Lucia stehengeblieben, um sich ein wenig zu unterhalten. Nun aber nickte sie der Frau nur freundlich grüßend zu und eilte weiter.

Am Rand des Dorfes lag der Hof von Magnus. Er war der Bruder von Marcus und der reichste Bauer des Dorfes. Ihm gehörte ein großer Teil des Grundes um das Dorf herum: Wiesen, Felder und auch weite Teile des Waldes. Auf sein Wort hörten die Leute.

Lucia passierte die Weiden und Äcker, die zu seinem Hof gehörten, bis sie schließlich den Waldrand erreichte. Als sie in den dichten Wald eintauchte, rissen die Wolken auf, und die Sonnenstrahlen brachen hindurch. Das warme Licht des Nachmittags lag auf den Blättern der riesigen, alten Bäume und warf tanzende Schatten auf den feuchten Waldboden.

Endlos zogen sich die Wälder von hier aus hinauf ins Gebirge. Hier hausten wilde und gefährliche Tiere, Bären und Wölfe und, wie die Leute im Dorf in langen Winternächten am Feuer erzählten, auch Kobolde und riesige Echsen.

Die alte Hütte lag, verborgen in einem Seitental, an einem See, der hier von einer Quelle gespeist wurde. Durch die Hänge der Berge vor den kalten Nordwinden geschützt, stand sie am Rande einer kleinen Lichtung.

Als Lucia das Ufer des Sees erreicht hatte, blieb sie für einen Moment schwer atmend stehen und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Der Anstieg war anstrengend gewesen, aber sie hatte ihre Schritte nicht verlangsamt.

Der Waldsee lag dunkel und still vor ihr. Die Wasseroberfläche war so glatt, dass sich die Bäume, die Hütte auf der anderen Seite und der wolkenverhangene Himmel darüber in ihr spiegelten. Ein schmaler Pfad schlängelte sich am Ufer entlang bis zur Hütte. Lucia folgte ihm eilig.

Als sie gerade die grasbewachsene Lichtung vor der Hütte erreicht hatte, öffnete sich die Tür. Das Knarren der rostigen Angeln hallte deutlich über den See.

Aus dem Schatten des Eingangs löste sich die Gestalt eines jungen Mannes, der sich unter dem niedrigen Türsturz duckte und dann langsam hinaustrat.

Lucia blieb abrupt stehen und starrte den Mann verblüfft an, der sie seinerseits ebenfalls bemerkt hatte und innehielt. Nach all den Gerüchten, die Lucia schon über diesen rätselhaften Fremden gehört hatte, war sie auf Vieles gefasst gewesen. Es war die Rede von einem jungen, ernst dreinblickenden Mann gewesen. Daraufhin hatte sie sich einen kraftvollen, imposanten Menschen vorgestellt, jemanden, dem man seine magischen Fähigkeiten sofort ansah.

Nun stand tatsächlich ein sehr junger Mann vor ihr. Aber er war alles andere als imposant. Der Fremde war um die zwanzig und groß gewachsen. Kastanienbraunes, leicht gelocktes Haar fiel ihm widerspenstig in die Stirn und verdeckte fast seine Augen, die von einem tiefen Blau waren.

Lucias Blick glitt über das jugendliche, glattrasierte Gesicht des Fremden mit den ebenmäßigen Zügen, die schlanke, hoch aufgeschossene Gestalt mit den schmalen, aber muskulösen Schultern. Er trug sehr einfache Kleidung: ein bräunliches Hemd, darüber eine braune Jacke, eine dunkle Lederhose, ausgetretene Lederschuhe.

Lucia kämpfte gegen ein Gefühl der Enttäuschung an, während sie sich wieder in Bewegung setzte und auf den jungen Mann zuschritt, der sie abwartend musterte. Zweifel stiegen in ihr auf. Sie fragte sich, ob ihr Weg hierher doch umsonst gewesen sein mochte. Auch der Fremde taxierte sie mit zusammengekniffenen Augen, abwartend und, wie Lucia fand, ein wenig feindselig.

„Ich grüße dich“, sagte sie und neigte leicht den Kopf, woraufhin er ebenfalls den Kopf senkte, jedoch, indem er sein Gesicht schräg anwinkelte und sie nicht aus den Augen ließ, was der Verbeugung einen fragenden, misstrauischen Anschein verlieh.

Lucia räusperte sich. Sie war sonst selten um Worte verlegen, nun aber zögerte sie. „Mein Name ist Lucia. Ich bin die Heilerin des Dorfes. Wir sind uns bisher noch nicht begegnet.“

Der junge Mann nickte abwartend, antwortete aber nicht. So fuhr sie eilig fort: „Du bist Videns, nicht wahr?“ Wieder ein Nicken.

Lucia holte tief Luft. „Ich komme zu dir, weil ich im Dorf von dir gehört habe. Es geht das Gerücht um, dass du die Echsenschatten sehen und mit ihnen sprechen kannst.“

„Wer sagt das?“ Seine Stimme war erstaunlich tief.

Lucia wies mit einer vagen Geste hinter sich, den Berg hinunter. „Die Leute unten im Dorf …“

Der Fremde fluchte leise und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Miene verfinsterte sich. Er schien verärgert zu sein, aber Lucia war sich nicht sicher, ob sich das auf sie bezog oder die Gerüchte, von denen sie gesprochen hatte. Sie spürte, wie ihre Chancen sanken.

Trotzdem fuhr sie fort: „Ich brauche deine Hilfe. Es geht um ein kleines Mädchen, das sehr krank ist, und ich hatte gehofft, du könntest uns helfen. Vielleicht hat ein Echsenschatten etwas damit zu tun …“

„Hör zu“, unterbrach Videns sie grob. Er beugte sich vor und hob die Hand, wie um ihre Äußerung wegzuwischen. „Was diese Gerüchte angeht: Ich weiß nicht, wer sich diesen Schwachsinn ausgedacht hat, aber ich kann die grauen Echsen weder sehen, noch mit ihnen reden. Genauso wenig wie irgendjemand sonst. Und eure Probleme können mir gestohlen bleiben.“

Lucia schaute verzweifelt hinauf in sein Gesicht. Ihre schlimmsten Befürchtungen waren dabei, sich zu bewahrheiten. „Es stimmt also nicht? Du kannst sie nicht sehen?“

„Das habe ich dir doch gerade gesagt!“

Lucia senkte den Kopf und stammelte: „Aber … die kleine Rosa ist sehr krank. Ich hatte so gehofft … Es war unsere letzte Chance … Ich hatte gedacht, dass sie vielleicht einen Echsenschatten gegen sich aufgebracht haben könnte und dass es ihr deswegen so schlecht geht. Aber wir können sie nicht mehr fragen, was sie gemacht hat. Sie ist bewusstlos …“

Tränen brannten in ihren Augen, als sie in das gleichgültige Gesicht ihres Gegenübers blickte, der nur die Achsel zuckte. „Tja, tut mir leid.“

Lucia schnappte nach Luft. Seine Kaltschnäuzigkeit brachte sie in Rage. „Wie kann man nur so herzlos sein?“, fauchte sie. „Ein kleines, unschuldiges Mädchen … Sie ist doch erst fünf.“

Für einen Augenblick meinte sie eine Regung im Gesicht ihres Gegenübers gesehen zu haben, eine Spur von Mitleid. Aber es war ja egal. Er konnte ihr nicht helfen.

Seine Stimme klang weicher, als er nun sagte: „Es tut mir wirklich leid. Aber ich kann nichts für dich tun.“

„So ist es dann wohl. Da kann man nichts machen.“ Lucia senkte mutlos den Kopf. „Ich muss wieder zurück“, sagte sie leise. „Unten warten sie auf mich …“ Sie verneigte sich zum Abschied. „Auf Wiedersehen.“ Mit schweren Schritten machte sie sich auf den Rückweg.

Sie war am Boden zerstört. Wie konnte sie nun mit leeren Händen zurückkehren und Rosas Eltern in die Augen schauen? Langsam überquerte sie die Lichtung und schlug den Pfad am Ufer entlang ein. Ein leichter Wind war aufgekommen und kräuselte die Oberfläche des Sees.

In diesem Moment hörte sie schnelle Schritte hinter sich. „Warte!“

Sie drehte sich um. Hinter ihr stand der junge Fremde. Seine blauen Augen schauten durchdringend auf sie hinunter. Vielleicht war ihm doch noch etwas eingefallen? Er schien sehr aufgebracht zu sein. Lucias Herz begann, schneller zu klopfen.

Ein weiterer, stärkerer Windstoß strich über das Wasser und rauschte in den Blättern der Bäume am Ufer. Lucia spürte die kühle Luft auf ihrem erhitzten Gesicht und bemerkte, wie eine Böe durch die braunen Locken des Mannes fuhr.

In diesem Moment stockte ihr der Atem. Dort, mitten auf seiner Stirn, direkt über den dunklen Augenbrauen, war ein rotes Mal, wie eine kaum vernarbte Wunde. Lucia fuhr durch den Kopf, dass es aussah wie ein drittes Auge. Das Auge eines Sehers!

Ihr Blick und ihre Reaktion war Videns offenbar nicht verborgen geblieben. Unwillkürlich fuhr er sich mit der Hand an die Stirn und ließ sie dann schnell wieder sinken. „Was wäre …“ Seine Augen schienen die Heilerin durchbohren zu wollen. „Was wäre, wenn ich die grauen Echsen doch sehen könnte?“

Lucia traute ihren Ohren kaum. Ein erster kleiner Funke Hoffnung breitete sich in ihr aus und gewann schnell an Kraft. Sie begann auf Videns einzureden: „Du könntest Rosa vielleicht retten! Sie ist sehr krank, aber ich weiß nicht, was sie befallen hat. Meine Kräuter konnten ihr nicht helfen. Es ist jedoch möglich, dass sie allein am Schwarzen See gewesen ist. Jeder weiß, dass dort ein Echsenschatten haust. Was, wenn sie ihn verärgert hat und er sie daraufhin mit einem Fluch belegt hat? Vielleicht könnten wir sie retten, wenn wir den Schatten besänftigen.“

„Du stellst dir das so einfach vor …“, murmelte Videns finster.

Doch Lucia fuhr aufgeregt fort: „Du hast es in der Hand, das Leben dieses kleinen Mädchens zu retten! Nur du könntest mit dem Schatten reden!“

Videns schien nicht überzeugt. „Und was hätte ich davon?“

„Sehr viel sogar!“, rief Lucia aus. „Das Mädchen ist die Tochter von Marcus, einem einflussreichen Bauern hier im Dorf. Er ist der Bruder von Magnus. Von dem hast du sicherlich schon gehört.

Wenn du sie rettest, hast du zwei mächtige Freunde. Sie könnten dir hier ein wenig unter die Arme greifen, vielleicht helfen, die Hütte instand zu setzen!“ Lucia wusste, dass sie Versprechungen machte, die sich womöglich nicht einhalten ließen, aber das war ihr in diesem Moment völlig egal. „Und vor allem Claudia, Rosas Mutter, wäre dir natürlich unendlich dankbar!“

Der Fremde musterte Lucia kritisch und murmelte halb zu sich selbst: „Es wäre sehr ungewöhnlich, dass ein Echsenschatten …“

Lucia presste ihre Hände gegeneinander, damit sie nicht zitterten. „Aber es ist doch möglich, nicht wahr?“

Videns nickte langsam. „Aber wenn es nicht so ist, oder aber, wenn es nicht so funktioniert, wie du dir das vorstellst, und es Rosa schlechter geht, bin ich am Ende derjenige, dem die Schuld daran gegeben wird.“

„Natürlich nicht. Du kannst ja nichts dafür!“

„Bist du sicher, dass alle so denken werden?“ Seine dunkelblauen Augen blitzten kalt.

Lucia biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht.“

Videns ließ seinen Blick über den See schweifen. Für einen Moment herrschte Stille. Lucia hielt den Atem an.

Schließlich wanderten die Augen des jungen Mannes zurück zu ihr, als suche er etwas in ihrem Gesicht. Vielleicht hatte er es gefunden, denn er nickte entschlossen. „Also gut, ich komme mit dir. Warte einen Augenblick, dann können wir aufbrechen.“

Lucia entfuhr ein Seufzer der Erleichterung, während sich der junge Mann umdrehte und zur Hütte zurückkehrte.

Nach einigen wenigen Augenblicken kam er wieder heraus. Er hatte sich ein Messer in den Gürtel gesteckt und hielt einen kleinen Beutel in der Hand, den er in seiner Jackentasche verstaute. Nachdem er die Tür sorgfältig hinter sich verschlossen hatte, wandte er sich der Heilerin zu.

„Worauf warten wir noch?“, fragte er barsch, schob sich an ihr vorbei und begann, in großen Schritten den Uferpfad hinunterzugehen. Sie folgte ihm eilig.

Kapitel 3

Gleich beim ersten Anblick dieser zierlichen Frau, wie sie dort vor der Hütte stand, mit ihrer straffen Zopffrisur und dem einfachen, dunkelgrünen Kleid, wusste Videns, dass Ärger im Verzug war. Er hatte inzwischen ein Gefühl für sowas.

Dabei hatte er gehofft, endlich einen Platz gefunden zu haben, wo er seine Ruhe hatte. Er war hierher in die Berge geflüchtet, wo ihn niemand kannte, niemand von seiner Vergangenheit wusste. Hier wollte er alles abschütteln, wieder neu anfangen.

Nach dem Tod seines Vaters hatte er lange genug versucht, die Feindseligkeiten zu ignorieren, die bösen Blicke, die Drohungen. Bis die Situation schließlich eskaliert war. Flucht war die einzige Lösung gewesen. Wegzugehen – und irgendwo neu anzufangen.

Aber anscheinend war das unmöglich. Woher, verdammt nochmal, war dieses Gerücht aufgetaucht? Es konnte doch absolut niemand wissen! Und jetzt stand diese ältere Frau, Lucia, vor ihm, und alles schien wieder von vorn anzufangen.

Sein erster Reflex war, es zu leugnen. Wenn er jetzt die Gerüchte zum Schweigen bringen könnte, würden ihn die Leute hoffentlich in Ruhe lassen. Vielleicht gab es noch die Chance, dass sie ihn irgendwann als einen spleenigen Einsiedler im Wald akzeptieren würden. Letztendlich ging es doch niemanden an, was er mit seinem Leben machte.

Aber dann schaute er in die Augen dieser Heilerin, und er sah ihre Verzweiflung. In diesem Moment verstand er, was sie bewegte: dass sie sich verantwortlich fühlte, dass sie alles tun musste, um ein Kind zu retten. Und er kam sich plötzlich schäbig und feige vor. Konnte er mit dem Bewusstsein weitermachen, dass er vielleicht ein Menschenleben auf dem Gewissen hatte, weil er nicht den Mut oder den Willen aufgebracht hatte, zu dem zu stehen, was er war: ein Sonderling, einer, der anders war als die anderen?

Er sah Lucia hinterher, wie sie mit hängenden Schultern umkehrte. Und in diesem Augenblick musste er sich eingestehen, dass es so nicht weiterging. Er musste sich doch noch im Spiegel anschauen können. Er war tief gesunken, aber so tief nun auch wieder nicht.

Und jetzt war er auf dem Weg ins Dorf, während er sich und die ganze Welt verfluchte. Videns wusste, dass er im Begriff war, die einzige Chance zu vergeben, die er hatte, um unterzutauchen und sich zu verstecken. Er warf einen Blick über die Schulter zu der Heilerin, die hinter ihm ging. Ein nervöses Lächeln glitt über ihr Gesicht, als sie seinen Blick bemerkte.

Egal, wie es jetzt weiterging, sie wusste auf jeden Fall Bescheid. Er konnte nicht mehr zurück.

Der Weg wurde breiter und Lucia beschleunigte ihre Schritte, um neben Videns zu gehen. Schüchtern sprach sie ihn an: „Darf ich dich etwas fragen?“

Er schaute kurz zu ihr hinüber und nickte widerwillig.

„Wie kommt es, dass du die Echsenschatten sehen kannst? Ich meine, niemand kann das.“

Videns trat nach einem Stein, sodass er zur Seite geschleudert wurde und antwortete unwirsch: „Ich doch. Das muss dir genügen.“

Er hatte gehofft, Lucia damit zum Schweigen zu bringen, aber sie ließ sich offenbar nicht so schnell entmutigen. Nach ein paar Schritten fragte sie: „Warum hast du gemeint, dass es ungewöhnlich wäre, wenn ein Echsenschatten Rosa verflucht hätte?“

Videns schüttelte ungeduldig den Kopf, antwortete aber trotzdem: „Das ist es nicht. Die grauen Echsen können niemanden verfluchen. Sie sind keine Hexer. Aber sie können einem Menschen Schaden zufügen, zum Beispiel indem sie ihm Lebensenergie entziehen. Dafür müssen sie sich aber in seiner Nähe aufhalten.“

Das war der Punkt, der Videns Kopfzerbrechen bereitete. Er fuhr fort: „Die Sache ist die: Echsenschatten verlassen nie den Ort, an dem sie hausen. Ich habe es jedenfalls noch nie erlebt. Wenn Rosa aber krank ist, muss die graue Echse noch bei ihr sein.“

„Aber es könnte doch so sein, oder?“

Videns nickte langsam. Möglich war es. Wenn aber der Schatten vom Schwarzen See Rosa tatsächlich bis zum Hof gefolgt war, hatte er sich offenbar über ein uraltes Verbot hinweggesetzt. Dies war noch nie geschehen. Videns fragte sich, was die Konsequenzen daraus sein mochten.

Sie gingen schweigend weiter, bis Lucia wieder das Wort ergriff: „Was ist eigentlich in dem Beutel da, den du mitgenommen hast?“

Videns war so tief in Gedanken versunken gewesen, dass er zusammenzuckte. Er seufzte entnervt. „Kräuter, Harz und sowas. Ich verbrenne es, und der Rauch beruhigt die Schatten - manchmal.“

Er zuckte gleichgültig die Achseln. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass es für die anwesenden Zuschauer irgendwie befriedigender war, wenn sie auch etwas zu sehen bekamen. Sie hatten dann das Gefühl, dass Videns tatsächlich etwas tat und nicht nur wie angewurzelt herumstand und in die Gegend starrte. Und manchmal besänftigte es eben auch die Schatten.

„Wie sehen sie denn aus, diese grauen Echsen? Sind sie so schrecklich, wie die alten Legenden sie beschreiben?“

Videns beschleunigte seine Schritte in dem Versuch, ihren Fragen zu entkommen, aber Lucia hielt mit. „Stimmt es tatsächlich, dass die Schatten die Überbleibsel der Echsen sind, die sich damals nach dem Krieg nicht ergeben wollten und weitergekämpft haben?“

Videns blieb so plötzlich stehen, dass Lucia einige Schritte weiterging, bevor auch sie anhielt. Videns baute sich vor ihr auf und redete barsch auf sie ein: „Hör zu. Das geht dich alles überhaupt nichts an. Es ist besser, wenn du deine Nase nicht zu tief in diese Sachen hineinsteckst, glaub mir. Lass uns zu diesem Kind gehen, ich sehe, was ich tun kann, und das war’s. Danach sehen wir uns am besten nie wieder.“

Lucia wich einen Schritt zurück und nickte eingeschüchtert, während Videns sich wieder in Bewegung setzte.

Er warf einen Blick über die Schulter auf die Heilerin, die jetzt wieder hinter ihm ging. Offenbar gehörte diese Lucia zu jenen Leuten, die die Legenden noch gut kannten, fast so gut wie er selbst: die alten Geschichten, die von den riesigen Echsen berichteten, die seit grauer Vorzeit die Wälder und Berge durchstreiften. Bis heute gab es sie, diese furchteinflößenden, gewaltigen Kreaturen. Sie waren außerordentlich stark und gefährlich. Aber nicht nur das. Sie waren auch sehr intelligent, und viele von ihnen waren prachtvoll anzuschauen, da ihre Schuppenpanzer in allen Farben des Regenbogens leuchteten.

Jahrhundertelang hatten Menschen und Echsen in Frieden miteinander gelebt. Die meiste Zeit gingen sie sich aus dem Weg, Zusammenstöße gab es selten. Einige Geschichten erzählten sogar davon, wie Menschen und Echsen Freundschaft schlossen.

Dann jedoch waren die Menschen immer weiter in die einsamen Sümpfe, die Ebenen, Gebirge und Wälder vorgedrungen, wo die Echsen lebten. Auf diese Weise war es immer häufiger zu Auseinandersetzungen und Kämpfen gekommen, bis schließlich ein schrecklicher Krieg zwischen Echsen und Menschen entbrannt war. Zehn Jahre hatte der Krieg getobt, bis die Menschen am Ende das Heer der Echsen in einer grausamen Schlacht in die Knie gezwungen hatten.

Die Herrscher der Echsen, ein weißer und ein schwarzer Drache, und die meisten ihres Volkes hatten sich damals ergeben und waren vom Kaiser ins Exil hoch oben in den Bergen verbannt worden. Sein Berater, der weise Zauberer Magus, hatte sie zur Strafe mit einem Fluch belegt, der bis zum heutigen Tag andauerte.

Die meisten der Echsen hatte sich diesem Urteil unterworfen. Einige jedoch, die die Menschen so unstillbar hassten, dass sie sich nicht ergeben wollten, hatten weitergekämpft. Jahre waren vergangen, in denen die rebellischen Echsen ohne Gnade für ihre Opfer und gegen den Befehl ihrer eigenen Herrscher weiter töteten. Schließlich waren auch sie von den kaiserlichen Truppen besiegt worden. Und Magus hatte die feindlichen Echsen mit einem furchtbaren Fluch belegt, mit dem er sie zwang, diese Welt zu verlassen und zu grauen Schatten ihrer selbst zu werden.

Seit diesem Tag mussten sie in einer schwarzweißen Parallelwelt dahinvegetieren. Zwar blieben sie am gleichen Ort, aber sie waren nunmehr für die Menschen unsichtbar. In ihrer Welt gab es keine Farben mehr, keine Geräusche und keine Gerüche. Sie spürten weder Regen, noch Sonne, noch Wind auf ihren grauen Schuppen. Sie waren wie Geister, wie Erinnerungen an ihre frühere Existenz, festgekettet an eine farblose Welt. Viele von ihnen litten unter ihrem Los und waren müde geworden unter der Last ihrer Strafe. Andere jedoch waren immer noch von tiefem Hass erfüllt.

Videns war in seinem Leben schon einigen von ihnen begegnet. Er fragte sich unwillkürlich, was ihn erwartete, wenn Lucia Recht behalten sollte.

„Wir sind gleich da“, riss Lucia Videns aus seinen Gedanken. „Der Hof von Marcus liegt auf der anderen Seite des Dorfes.“ Sie hatten die ersten Häuser erreicht und folgten einem matschigen Pfad, der leicht abschüssig durch das Dorf führte. Eine Frau kam ihnen entgegen, die ein Kind an der Hand hielt. Beide blieben mit offenen Mündern stehen, als sie Lucia und Videns erblickten. Die Frau fand gerade noch rechtzeitig die Sprache wieder, um Lucia zu grüßen. „Guten Tag, Lucia. Guten Tag, äh, Videns. Wohin seid ihr denn so eilig unterwegs?“

Lucia beschränkte sich auf einen Gruß und ein: „Wir müssen schnell weiter …“ Videns spürte förmlich, wie sich die Blicke der Frau in seinen Rücken bohrten, als sie ihren Weg fortsetzten.

Sie begegneten noch weiteren Dorfbewohnern, die sie alle neugierig musterten, bevor sie schließlich ihr Ziel erreichten. Videns konnte sich gut vorstellen, wie binnen weniger Stunden die Gerüchteküche im Dorf brodeln würde. Lucia, zusammen mit dem Fremden! Was da wohl wieder los war …!

Videns war erleichtert, als sie endlich den Bauernhof erreicht hatten. Mehrere Scheunen und Stallgebäude bildeten einen Innenhof, an dessen Stirnseite sich ein großes, massives Haupthaus befand. Hier saßen wohlhabende Bauern, das war deutlich zu sehen.

Spätestens jetzt war Videns klar, dass es sehr wichtig für ihn sein würde, wie die nächsten Minuten verliefen. Wenn er das Kind retten konnte, sah seine Zukunft vielleicht besser aus, als er gedacht hatte. Wenn er keinen Erfolg hatte, konnte er sich darauf einstellen, dass seine Tage in der Hütte am Waldsee gezählt waren.

Zusammen mit Lucia schritt er über den großen, sauber gefegten Hof. Sie hatten ihn kaum zur Hälfte überquert, als die schwere, geschnitzte Haustür aufgerissen wurde und ein Mann und eine Frau heraustraten.

Die Frau eilte ihnen entgegen, während der Mann ihr langsamer folgte. Sie umarmte Lucia herzlich und wandte sich dann Videns zu. Sie hatte lange, dunkelblonde Haare, die sie zu einem Zopf geflochten hatte und trug eine weiße Bluse zu einem blauen Rock mit einem roten, eingewebten Muster. Videns bemerkte, wie fein und gut verarbeitet der Stoff war. Der Mann hinter ihr war ebenfalls stattlich gekleidet. Unwillkürlich schaute Videns an sich herunter. Er war sich seiner schäbigen Kleidung durchaus bewusst. Es hatte einmal Zeiten gegeben, in denen auch er bessere Kleidung getragen hatte.

Die junge Bäuerin schien dem jedoch keine Beachtung zu schenken. Obwohl Tränen in ihren Augen schimmerten, lächelte sie ihn an und neigte grüßend den Kopf, während sie sagte: „Wir freuen uns sehr, dich kennenzulernen, Videns! Ich bin Claudia, dies ist mein Mann Marcus.“ Sie wies auf den Mann, der sie inzwischen eingeholt hatte. „Wir sind dir so dankbar, dass du gekommen bist, um uns zu helfen.“

Der Mann warf Videns einen misstrauischen Blick zu, so als teilte er nicht unbedingt die Dankbarkeit seiner Frau. Doch auch er begrüßte die Ankömmlinge mit einem höflichen Kopfnicken und sagte dann: „Lasst uns hineingehen. Wir haben keine Zeit zu verlieren!“

Gemeinsam traten sie durch die Eingangstür in das Haupthaus. Es war aus wuchtigen Baumstämmen errichtet, so wie sie nur in den endlosen Wäldern des Gebirges zu finden waren. Sie waren so perfekt zusammengesetzt, dass zwischen ihnen kein Spalt zu sehen war.

Videns sah sich nervös in dem dunklen Flur um. Er wusste nicht, was ihn erwartete. Es war gar nicht unwahrscheinlich, dass sich Lucia geirrt hatte und Rosas Krankheit eine ganz natürliche Ursache hatte. Normalerweise durfte der Echsenschatten vom Schwarzen See Rosa nicht bis hierher gefolgt sein. Dann wäre der Raum, den er gleich betreten würde, leer wie jeder andere.

Wenn jedoch tatsächlich eine graue Echse der Grund für die Krankheit des Kindes war, konnte es bald sehr ungemütlich für ihn werden. Mit einer nervösen Geste rieb er die Handflächen aneinander und folgte den anderen, die schon vorausgegangen waren. Durch einen dunklen, langen Gang gelangten sie in den hinteren Teil des Gebäudes, wo sich das Krankenzimmer befand.

Doch noch bevor sie ihr Ziel erreicht hatten, wusste Videns, dass Lucia Recht gehabt hatte. Immer deutlicher spürte er die starke Präsenz eines Echsenschattens. Es war, als stände jemand direkt neben ihm, unsichtbar, aber bereit zum Schlag. Videns fühlte, wie er eine Gänsehaut bekam.

Nun hatten sie die Tür erreicht. Marcus wartete kurz, bis sich alle versammelt hatten und öffnete sie dann. Er lud Videns mit einer Geste ein, als erster hineinzugehen. Dieser zögerte einen Augenblick mit klopfendem Herzen. Die Präsenz des Echsenschattens lag schwer und drückend auf ihm.

„Also los“, murmelte er.

Kapitel 4

Videns betrat das Zimmer und ließ seinen Blick schweifen: dunkle Wände, ein weiß gestrichenes, wuchtiges Bett; auf weißen Kissen ein bleiches, schlafendes Mädchen mit blondem Haar. Auf der rechten Seite ein kleines Fenster mit roten Vorhängen.

Videns schloss die Augen. Er musste die Perspektive wechseln. Das fiel ihm manchmal leicht, manchmal war es schwieriger. Es war wie das Umlegen eines Hebels. Erst wenn er so etwas wie ein leises „Knacks“ im Kopf spürte, wusste er, dass er es geschafft hatte. Er hielt den Atem an und wartete auf den Ruck in seinem Kopf.

Da war er.

Er öffnete langsam die Augen. Zunächst schien es, als hätte es nicht funktioniert und alles wäre unverändert. Das Bett war immer noch weiß, die Kissen ebenso. Doch als er näher hinschaute, bemerkte er, dass die Haare des Mädchens nun von einem schimmernden Grau waren.

Rosas Mutter hatte inzwischen den Raum betreten und stand neben dem Bett. Ihre Bluse war weiß wie vorher, doch ihre Haare waren grau, das Gesicht ebenso. Ihre grauen Lippen bewegten sich, als würde sie sprechen, aber Videns konnte sie nicht hören. In die Schattenwelt drangen keine Geräusche.

Alles in dieser Parallelwelt war völlig farblos und still. Er selbst jedoch war ein Eindringling. Sein Blick glitt über seine Hände. Sie waren unverändert sonnengebräunt, der Ärmel seiner Jacke nach wie vor braun. Videns war sich bewusst, dass er wie ein farbiger Fremdkörper in dieser grauen Welt wirkte. Er hörte seinen eigenen Atem unnatürlich laut in der absoluten Stille. Es hatte das Gefühl, als sei er mit dem Kopf unter Wasser getaucht. Er hörte nur sein Atmen und das Rauschen des Blutes in seinen Ohren.

Er sah sich suchend um. Dort, rechts von ihm in einer dunklen Ecke, stand der Echsenschatten. Er war schlank und sehr groß. Unter der Zimmerdecke musste er seinen langen Hals beugen. Wie alle Geschöpfe seiner Art stand er auf zwei Beinen. Sein gesamter Körper war mit grau schimmernden Schuppen bedeckt. Seinen langen, kräftigen Schwanz hatte er auf dem Boden um sich herum abgelegt. Seine hinteren Tatzen waren zwei krallenbewehrte Pranken, seine Vordertatzen jedoch ähnelten ein wenig den Händen eines Menschen mit fünf schuppenbesetzten, langen Krallen. Auf dem schlanken Hals saß der wuchtige Kopf einer Echse, mit schmalen Augen, einem Maul, in dem die Reihen scharfer Zähne zu sehen waren, und kaum sichtbaren Ohren.

Die Augen mit den schlitzförmigen Pupillen waren auf das Bett des Mädchens gerichtet. Jetzt schien die graue Echse jedoch den Eindringling bemerkt zu haben. Mit einem Ruck fuhr ihr Kopf herum und drehte sich zur Seite, sodass sie Videns mit einem Auge mustern konnte. Die Farben schienen sie regelrecht zu blenden, denn sie blinzelte irritiert, während sich das Maul lautlos fauchend öffnete.

Videns hatte mit diesem Überraschungseffekt gerechnet. Er formte einen Satz, mit dem er den Echsenschatten weiter einschüchtern wollte. „Du hast hier nichts zu suchen. Du weißt, dass du den See nicht verlassen darfst.“

Er rollte diesen Satz zu einer festen Kugel zusammen und schoss ihn mit einem Ruck auf seinen Gegner zu. Der Satz verließ seinen Kopf in Form eines blauen, leuchtenden Balles.

Videns beobachtete, wie die pulsierende Kugel durch den schwarz-weißen Raum flog und den Schatten direkt am Kopf traf. Der zuckte wie unter einem Schlag zusammen. Sein Schwanz schlug wild auf den Boden, doch es war kein Geräusch zu hören. Seine kalten Echsenaugen schienen Videns durchbohren zu wollen.

Eine graue, pulsierende Kugel verließ den Reptilienkopf und flog auf ihn zu. Im nächsten Augenblick traf sie ihn mit einem kalten Schlag an der Schläfe. Eine hohe Stimme in seinem Kopf krächzte: „Wer bist du, Eindringling? Wer will mich daran hindern, hierher zu kommen und das Mädchen zu bestrafen? Sie hat mit Steinen nach mir geworfen, sie hat mich missachtet.“ Der Echsenschatten baute sich in seiner ganzen Größe vor ihm auf und fletschte die Zähne.

Videns formte die nächsten Sätze zu einer Kugel und schoss sie ab: „Du verstößt gegen die Regeln, wenn du einen Menschen angreifst. Und du weißt selbst, dass das Mädchen nicht absichtlich gegen dich gehandelt hat. Sie kann dich nicht sehen. Sie wird Steine in den See geworfen haben.“

Der Schatten ließ sich nicht beeindrucken. Eine neue Kugel schoss auf Videns zu und schlug an seinem Kopf ein. „Sie ist schuldig, und deshalb nehme ich von ihrer Lebensenergie.“

Videns spürte, wie an seiner Schläfe ein Schmerz zu pochen begann, doch er versuchte, ihn zu ignorieren. Er formte eine weitere Kugel und schoss sie ab: „Nein! Das wirst du nicht, denn ich selbst werde dich daran hindern. Ich bin ein mächtiger Zauberer, ein Abkömmling des Zauberers Magus, der dich einst in die Schattenwelt verbannte. Ich befehle dir, von dem Kind abzulassen.“

Mit Befriedigung bemerkte Videns, wie der Echsenschatten unsicher wurde. Er schien ein wenig in sich zusammenzusacken. Sein Blick flackerte unruhig.

Offenbar hatte Videns ihn mit seiner Lüge einschüchtern können. Selbstverständlich hatte er nichts zu tun mit dem Zauberer Magus und der Legende von der Verbannung der Echsen in die Schattenwelt. Aber er musste seinen Gegner verunsichern und von seinen Plänen abbringen.

Sofort formte er die nächsten Sätze und warf sie in einer blauen Kugel auf die graue Echse: „Ich rate dir: Denke nicht einmal daran auszuprobieren, was ich mit dir machen könnte. Ich will es dir in jedem Fall ersparen.

Stattdessen biete ich dir einen Handel an. Wenn du das Mädchen in Frieden lässt, erhältst du zum Dank und zur Wiederherstellung deiner Ehre von mir einen Monat Lebensenergie.“

Der Schatten beäugte ihn misstrauisch. Er schien seine Möglichkeiten abzuschätzen. Dann schickte er seine Botschaft: „Wenn du mir zwei Monate gibst, ziehe ich mich zurück.“

Das Pochen in Videns’ Schläfe nahm zu. Er musste bald zu einer Einigung kommen. Schwäche zu zeigen wäre fatal.

Er rollte eine letzte Botschaft zusammen. „So sei es. Ich gebe dir zwei Monate, und du versprichst, dem Mädchen nie wieder etwas zuleide zu tun.“

Der Echsenschatten nickte zähnefletschend und beugte seinen Hals, sodass sein Kopf sich dem von Videns näherte. Der Schatten wandte den Kopf zur Seite und musterte ihn abwartend mit einem Auge. Videns stand jetzt so dicht vor ihm, dass er die einzelnen, grauen Schuppen an seinem Kopf und die messerscharfen Zähne in seinem Maul sehen konnte.

Er wusste, was er zu tun hatte. Schon einmal zuvor hatte er einen solchen Handel mit einer grauen Echse geschlossen. Obwohl die Schatten weder Nahrung noch Flüssigkeit zu sich nehmen mussten, suchten sie immer nach einer Möglichkeit, ihre Lebensenergie aufzufüllen. Der einzige Weg dazu war jedoch, sie von Menschen oder Tieren abzuziehen.

Videns schloss die Augen, um sich besser konzentrieren zu können. Vor seinem inneren Auge erschien ein durchsichtiger Behälter, der bis zum Rand mit einer strahlend blauen Flüssigkeit gefüllt war, die wie von innen zu leuchten schien. Dies war seine Lebensenergie, so wie sie in diesem Moment vorhanden war. Es geschah häufiger, dass sich Videns diesen Vorrat anschaute. Es gab ihm Hoffnung und Mut, wenn er sah, wieviel davon für ihn zur Verfügung stand.

Aber diese Menge konnte sich jederzeit verändern, je nachdem, was ihm widerfuhr. Als er sich nur mit knapper Not aus dem brennenden Haus seiner Eltern hatte retten können, war der kristallene Behälter fast leer gewesen.

Statt die blaue Flüssigkeit nur zu betrachten, musste Videns dieses Mal darauf zugreifen, und es musste schnell gehen. Er tauchte seine Hände in den Behälter und schöpfte etwas von der leuchtenden Substanz heraus. Sein Gefühl sagte ihm, wieviel er nehmen musste. Die Flüssigkeit lag kühl und glatt in seinen Händen, ohne zwischen seinen Fingern hindurch zu rinnen.

Als er nun seine Augen öffnete, befand sich die Substanz immer noch dort. Langsam streckte er die Arme aus, während sich der Echsenschatten weiter vorbeugte, als wollte er die Flüssigkeit trinken. Ein bläulicher Lichtstrahl erhob sich daraus und dehnte sich dann zu dem Schatten hin aus. Sobald das Licht den Kopf der Echse berührte, begann diese, die Lebensenergie gierig aufzusaugen. Videns spürte es, als wenn etwas an ihm ziehen und reißen würde. Er biss die Zähne aufeinander, während er versuchte stillzuhalten und die Hand nicht zurückzuziehen. Es dauerte nur einen kurzen Moment, dann waren die Hände leer. Der Lichtstrahl verblasste erst und verschwand dann ganz.

Müde ließ Videns seine Arme sinken. Er fühlte sich erschöpft und ausgelaugt. Für einen Moment schloss er die Augen. Dann sah er stumm zu, wie der Echsenschatten ihm langsam und würdevoll zunickte, sich darauf umdrehte und schließlich durch die Wand hindurch verschwand.

Kapitel 5

Videns blinzelte, um wieder in seine Welt zurück zu wechseln. Er konzentrierte sich auf seinen Körper und spürte seinen eigenen, schnellen Herzschlag, den pochenden Schmerz hinter seiner Stirn. Mit einem Ruck rutschte er zurück in eine Welt voller Farben und Geräusche. Im gleichen Moment hörte er, wie Claudia aufschrie. „Rosa!“

Er zuckte zusammen. Alle Geräusche wirkten überlaut nach der Stille, und die Farben, die ihn umgaben, waren grell und blendend.

Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete Videns, wie sich Claudia zu ihrer Tochter hinunterbeugte, die in diesem Moment die Augen aufgeschlagen hatte. Schluchzend küsste sie Rosas Gesicht. Marcus stand neben seiner Frau. Auch seine Augen schimmerten feucht.

Rosa sah ihre Eltern fragend an, während sie sich in ihrem Bett aufsetzte. „Mama, was hast du?“, fragte sie mit ihrer hellen Stimme und streckte die Arme nach ihr aus.

Wortlos drückte Claudia ihre Tochter an sich. Statt ihrer antwortete Lucia, die ebenfalls an das Bett getreten war: „Du warst sehr krank, kleine Rosa, aber nun freuen wir uns alle sehr, dass du wieder gesund geworden bist.“ Sie lächelte und das Mädchen lächelte zurück.

Videns hatte sich inzwischen auf eine Truhe gesetzt, die neben der Tür an der Wand stand. Mit dem Ärmel wischte er sich den Schweiß von der Stirn, während er zu dem Bett hinüberschaute.

In diesem Augenblick drehte sich Lucia um und sah ihn an. Ein erleichtertes Lächeln lag auf ihrem Gesicht, als sie nun zu ihm herüberging. Sie hielt Videns ihre Hand hin. „Danke! Danke, dass du Rosa gerettet hast.“

Widerwillig ergriff er sie und nickte zur Antwort. Ihre Dankbarkeit war ihm suspekt. Schon häufiger hatte er erlebt, wie Menschen ihm zunächst dankbar gewesen waren und ihn später dennoch verachtet hatten.

„War es wirklich ein echter Echsenschatten?“, fragte die Heilerin neugierig.

Videns nickte. „Ja, es war tatsächlich so, wie du vermutet hast. Rosa hatte Steine ins Wasser des Schwarzen Sees geworfen und ihn offenbar dabei getroffen. Er war ziemlich verärgert.“

Sie wurden durch Claudia unterbrochen, die Videns überschwänglich umarmte und immer wieder „Danke“ murmelte. Marcus kam hinzu, während Videns versuchte, sich mit einem verkniffenen Lächeln von ihr loszumachen. Die Herzlichkeit der Eltern war ihm unangenehm.

Nun reichte ihm Marcus die Hand. „Videns! Du hast das Leben unserer Tochter gerettet. Wir sind dir unendlich dankbar.“ Videns lächelte steif.

Claudia fügte hinzu: „Wir stehen für immer in deiner Schuld. Bitte sei heute Abend unser Gast und iss mit uns!“ Die Gelegenheit, an ein gutes Essen zu kommen, wollte Videns sich allerdings nicht entgehen lassen. Schließlich konnte er sich in diesen Tagen kaum einen Kanten Brot leisten. Mit einem höflichen Lächeln antwortete er: „Danke, die Einladung nehme ich gerne an.“

Während sich Marcus, Claudia und Lucia bald wieder Rosa zuwandten, nutzte Videns die Gelegenheit, das Zimmer zu verlassen. Er kehrte durch den dunklen Flur zum Eingang zurück und stieß die schwere Eichentür auf. Erleichtert sog er die frische Abendluft ein, die ihm entgegenströmte. Es tat gut, der engen, dunklen Kammer entronnen zu sein, in der immer noch die Präsenz der Echse zu hängen schien.

Der Echsenschatten ging Videns trotzdem nicht aus dem Kopf. Es war das erste Mal gewesen, dass ein Schatten seinen angestammten Ort verlassen hatte. Bisher war er immer wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass die grauen Echsen sich nicht bewegten. Nun musste er feststellen, dass er sich geirrt hatte.

Sein Instinkt sagte ihm, dass sich etwas verändert hatte, aber er wusste nicht, wie lange dies schon andauerte und was es bedeuten könnte. Er spürte, wie sich ihm bei diesem Gedanken die Nackenhaare aufstellten. Es war, wie wenn ein fest gefügtes Gebäude plötzlich einen Riss bekommen hätte, der von Minute zu Minute länger und größer wurde.

Videns war auch die Aggressivität des Echsenschattens aufgefallen. Er war froh, dass es ihm gelungen war, ihn einzuschüchtern, auch wenn er dabei zu einer Notlüge hatte greifen müssen. Er hatte darauf gehofft, dass der Echsenschatten vor einem Zauberer am meisten Respekt haben würde, noch dazu vor einem, der von dem berühmten Magus abstammte. Ein anderes Mittel hätte er nicht gehabt. Die Waffen aus seiner Welt waren in der Schattenwelt wirkungslos.

Er kannte die Geschichten über den Zauberer Magus zur Genüge. Damals, als der große Krieg gewonnen und die Echsen besiegt worden waren, hätten die Menschen alle Echsen töten können, aber der weise Magus hatte den Kaiser von diesem Vorhaben abgebracht. Er war es gewesen, der die unterworfenen Echsen mit dem Zauber von Tag und Nacht gestraft hatte.

Seit dieser Zeit waren die weiblichen Echsen zusammen mit ihrer Herrscherin Alba nur am Tage wach. In der Nacht verfielen sie in eine todesähnliche Starre. Der schwarze Herrscher Nerus und alle männlichen Echsen jedoch erwachten des nachts. So konnten sie sich nur in der kurzen Zeit der Dämmerung begegnen.

Der weise Magus war es auch gewesen, der schließlich mit seinen magischen Kräften die letzten, abtrünnigen Echsen zu dem gemacht hatte, was sie heute waren, graue Schatten in einer grauen Welt. Er hatte sie hart gestraft, indem er ihnen das Wichtigste genommen hatte, was sie hatten: ihre Farben.

Aber all dies war schon sehr lange her. Es gab keine Verbindung zwischen Videns und dem großen Zauberer aus der Vergangenheit.

Dabei hatte er sich schon oft gefragt, woher er die Fähigkeit hatte, die Echsenschatten zu sehen. Mit seinen Eltern konnte er darüber nicht mehr sprechen. Seine Mutter war schon vor einigen Jahren gestorben, sein Vater im vergangenen Winter.

Er war ein einfacher Pächter gewesen, mit einem Stück Land, ein paar Schweinen, einer Kuh, einem Pferd und einer Schar Hühner. Seine Eltern waren fleißige, ehrliche Leute gewesen, aber sie hatten Videns im Grunde nie wirklich verstanden.

Schon seit seiner frühen Kindheit hatten die Echsenschatten ihn verfolgt. Als kleiner Junge hatte er sich vor ihnen gefürchtet und hatte seinen Vater angefleht, sie zu vertreiben. Aber dieser hatte immer nur den Kopf geschüttelt und ihn auf ganz sonderbare Art angesehen. Er mochte ihn für verrückt gehalten haben, aber er hatte es nie gesagt.

Seine Mutter hatte ihn in ihrer Liebe immer beschützen wollen, ohne dass sie wirklich verstand, was ihn quälte. So war Videns immer allein gewesen mit seinen Dämonen. Und niemand hatte ihm je eine Antwort geben können, warum er als Einziger die Echsenschatten sehen konnte.

In guten Zeiten hatte er sich ausgemalt, dass er auserwählt sei, vom Schicksal dazu bestimmt, große, heldenhafte Taten zu vollbringen. In schlechten Zeiten, wenn die Dorfjungen ihn mit Steinen bewarfen und ihn nachts die Bilder der Echsen quälten, dachte er, er sei verflucht und gestraft, weil er eine Schuld auf sich geladen hatte, von der er nichts wusste, aber die so groß sein musste, dass sie sein Leben zerstörte.

Wie sehr hätte er sich gewünscht, tatsächlich ein Nachfahre dieses alten Zauberers zu sein. Dann hätte er zumindest einen Platz in der Geschichte gehabt.

Gedankenverloren lehnte Videns an der dunklen Hauswand aus massiven Baumstämmen und starrte auf den Hof hinaus. Gerade sah er an der Straße einen Karren halten, vor den ein mächtiges Kaltblutpferd gespannt war. Der Kutscher zog die Zügel an, blieb jedoch sitzen. Jetzt erst bemerkte Videns, dass hinten auf der Ladefläche ein Mädchen gesessen hatte, das jetzt heruntersprang und nach einem Bündel griff, das es sich über die Schulter warf.

Das Mädchen rief dem Mann auf dem Kutschbock noch etwas zu, bevor der Karren wieder weiterrumpelte und wandte sich dann der Hofeinfahrt zu.

Mit entschlossenen Schritten kam die junge Frau auf Videns zu, der Zeit hatte, sie zu betrachten. Sie war jünger als er selbst, vielleicht 17 Jahre alt, und hatte lockiges, rotblondes Haar, das sie offen trug. Sie war zwar nicht besonders groß, aber ihre Haltung verriet Selbstbewusstsein. Ihre blauen Augen musterten Videns neugierig. Dieser blieb regungslos an die Wand gelehnt stehen, bis sie direkt vor ihm stand.

Sie ließ das Bündel auf den Boden gleiten und stemmte die Hände in die Hüften. „Bin ich hier richtig auf dem Hof von Marcus und Claudia?“

Videns nickte. Sie hatte jede Menge Sommersprossen auf der Nase.

„Ich heiße Aliena. Ist Claudia da? Ich muss sie sprechen. Sie ist meine Tante.“

Videns nickte noch einmal und zeigte dann mit dem Daumen auf sich selbst. „Videns. Claudia ist drinnen.“ Er bewegte den Kopf, um die Richtung anzudeuten.

„Bist du ein Stallknecht? Warum stehst du hier so einfach herum?“

„Wie kommst du darauf?“ Videns verschränkte die Arme.

„Du siehst so danach aus“, grinste Aliena. „Wenn du gerade nichts zu tun hast: Kannst du Claudia Bescheid sagen, dass ich hier bin?“

Videns betrachtete sie amüsiert und meinte dann: „Ich sehe mal, was ich tun kann.“ Er stieß sich von der Wand ab und kehrte ins Haus zurück. Dort fand er eine Magd, der er auftrug, der Hausherrin Bescheid zu sagen.

Als er auf den Hof zurückkehrte, hatte sich Aliena auf einen Holzklotz gesetzt, der vor der Scheune in der Sonne stand und hielt ihr Gesicht in die wärmenden Strahlen. Videns schlenderte zu ihr hinüber und blieb vor ihr stehen, doch sie beachtete ihn nicht. Sein Blick glitt über ihre verschmutzten Stiefel, die unter einem langen, blauen Rock hervorschauten. Die junge Frau trug eine dunkelgrüne, ungewöhnlich geschnittene, wollene Jacke mit Messingknöpfen und ein bunt gemustertes, aufwändig gewebtes Tuch, das sie über die Schultern geschlungen hatte. Man konnte sofort sehen, dass sie nicht von hier war, und arm war sie offenbar auch nicht.

Videns lehnte sich seitwärts mit der Schulter an die Bretterwand der Scheune. „Woher kommst du, Aliena?“, fragte er.

Sie räkelte sich wie eine Katze nach einem Sonnenbad und öffnete träge die Augen, um zu ihm hochzublinzeln. „Von der Küste, aus Maris. Ich bin ewig unterwegs gewesen. Das Kaff hier liegt ja wirklich am Ende der Welt.“

„Du bist noch nie hier gewesen?“

„Nein, warum sollte ich auch?“

Videns zuckte mit den Schultern und meinte: „Du hast gesagt, dass Claudia deine Tante ist. Hast du sie denn noch nie gesehen?“

„Doch, aber das ist schon ewig her. Meine Mutter und sie haben sich zerstritten, irgendwann mal, vor langer Zeit. Und dann haben sie sich wohl aus den Augen verloren.“

Alienas Blick wanderte an Videns vorbei zu der Haustür, die sich in diesem Moment öffnete. Claudia trat auf den Hof hinaus. Man konnte ihr die Strapazen der letzten Tage ansehen. Sie wirkte erschöpft, ihre Augen waren immer noch rot gerändert und von dunklen Schatten umgeben.

Claudia schaute sich suchend um, bis sie Videns und Aliena entdeckte. Sie runzelte die Stirn. „Aliena?

Bist du das wirklich?“, fragte sie, während sie auf sie zueilte.

Aliena stand auf und neigte höflich den Kopf. „Guten Tag, Tante Claudia.“

Die Bäuerin zögerte nur einen kurzen Moment, dann streckte sie die Arme aus und zog ihre Nichte an sich. „Aliena! Ich hätte dich gar nicht wiedererkannt.“ Sie löste sich wieder von ihr, um sie anschauen zu können. „Du bist so groß geworden! Wie lange ist es schon her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben?“

Aliena lächelte. „Ewig! Ich war noch ganz klein. Aber ich weiß noch, dass ich dir einen Krug Milch über den Rock geschüttet habe.“

Claudia lachte auf. „Ja, ich erinnere mich! Der schöne Rock …“ Sie ergriff Alienas Hand. „Wie geht es dir? Wie bist du denn überhaupt hergekommen?“

Aliena wies mit einer vagen Handbewegung auf die Hofeinfahrt. „Ein Knecht aus dem Dorf hat mich mitgenommen.“

Claudia schaute sie immer noch staunend an. „Aliena“, wiederholte sie. „Was für eine Überraschung! Warum hast du nicht Bescheid gesagt, dass du kommst?“ Sie hielt inne. „Oder ist irgendetwas vorgefallen?“ Sie schaute Aliena besorgt an. „Ist etwas mit deiner Mutter? Ist sie krank? Bist du deshalb gekommen?“

Die junge Frau wiegelte ab: „Nein, nein. Meinen Eltern geht es gut! Keine Sorge!“ Sie fuhr betont munter fort: „Ich hatte nur einfach Lust, die Verwandtschaft kennen zu lernen, ein bisschen in der Welt herumzukommen, verstehst du?“

Claudia nickte langsam, aber auf ihrer Stirn erschien eine skeptische Falte. „Und da bist du gerade auf uns gekommen?“

„Ja, genau. Und ich wollte euch fragen, ob ich eine kleine Weile bei euch bleiben könnte? Nur für kurze Zeit?“ Alienas Augen bekamen einen bittenden Ausdruck, während Claudia plötzlich noch ein wenig müder aussah. Aber sie lächelte und sagte: „Ich werde gleich mit Marcus sprechen. Du kannst sicherlich für ein paar Tage bei uns bleiben. Dann könntest du demnächst das Mittsommerfest hier im Dorf erleben. Es ist immer der Höhepunkt des Sommers.“ Claudia wandte sich um. „Aber jetzt lass uns erst einmal hineingehen. Du hast eine lange Reise hinter dir und bist sicherlich hungrig. Es gibt gleich Abendessen.“

An der Haustür angekommen schob Claudia ihre Nichte durch die Tür und drehte sich zu Videns um. Mit einer einladenden Bewegung winkte sie ihm zu und sagte lächelnd: „Komm herein, Videns, du musst auch hungrig sein.“

Videns nickte zur Antwort und trat vor ihr durch die Tür. Aliena war höflich wartend stehengeblieben. Während Claudia mit ihr verschwand, fragte Videns sich, warum diese Aliena wohl wirklich von der fernen Küste hierher in die abgelegenen Wälder gekommen war. Er hatte so ein Gefühl, dass er es bald erfahren würde.

Kapitel 6

Das Abendessen wurde in dem großen Speisezimmer eingenommen, einem langgestreckten Raum mit einer niedrigen Holzdecke, die mit weißen Ornamenten bemalt war. Hier befand sich eine lange Tafel, an deren Seiten rechts und links schwere, mit Schnitzwerk verzierte Stühle standen. Durch mehrere kleine Fenster drangen die schrägen Strahlen der Abendsonne.

Der Tisch war reichlich gedeckt mit allem, was der Hof zu bieten hatte: frisches Brot, Butter, Wurst, Schinken und Käse, geräucherter Fisch, aber auch Obst und Kuchen.

Videns hatte einen Platz am unteren Ende des Tisches gewählt. Er wollte nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, sondern nur ein gutes Abendessen genießen, bevor er in seine Hütte zurückkehrte. Auf keinen Fall wollte er Fragen beantworten müssen, die sich auf seine Person oder seine Vergangenheit bezogen.

Lucia betrat den Raum und schaute sich um. Sobald sie Videns ausgemacht hatte, steuerte sie zielstrebig auf ihn zu, um sich dann auf dem Stuhl neben ihm niederzulassen. Videns musste leise seufzend feststellen, dass es nun schwierig werden würde, einem Gespräch aus dem Weg zu gehen.

Kaum hatte sich Lucia gesetzt, neigte sie sich lächelnd zu ihm hinüber und sagte leise: „Wie ich sehe, ist schon mächtig aufgetragen worden. Der Bauer schätzt gutes Essen. Du wirst sehen: Hier ist noch keiner hungrig aufgestanden.“

Videns nickte zur Antwort. Er hatte tatsächlich seit dem Morgen nichts mehr gegessen, und er hoffte nur, dass sein Magen nicht allzu hörbar knurrte.

In diesem Moment öffnete sich wiederum die Tür, und Marcus und Claudia traten ein. Zwischen ihnen ging die kleine Rosa. Lucia sprang lächelnd auf und rief: „Rosa! Wie schön!“

Claudia erwiderte lachend: „Wir konnten sie nicht im Bett halten. Es geht ihr schon wieder so gut, dass sie unbedingt aufstehen wollte.“

Wie zum Beweis löste sich Rosa von der Hand ihrer Mutter und rannte zum Tisch, wo sie sofort mit ihren kleinen Händen nach einem Stück Kuchen griff. Claudia konnte sie kaum dazu bringen, sich ordentlich auf einen Stuhl zu setzen und abzuwarten, bis auch ihre Eltern Platz genommen hatten.

Rosas Augen wanderten bewundernd über den gedeckten Tisch und blieben dann neugierig an Videns hängen. Für einen Moment kreuzten sich ihre Blicke, und Videns lächelte ihr zu. Es war schön, Rosa so gesund und munter zu sehen. Sie erwiderte sein Lächeln und wandte sich dann wieder dem Essen zu.

Da der Hausherr nun anwesend war, begannen zwei Mägde, die warmen Speisen aufzutragen. Dazu wurden mehrere bis zum Rand mit schäumendem Bier gefüllte Krüge hereingetragen.