Vier Hufe für Dich - Ein Zuhause für Mercury (Pferd & Freundschaft) - Gabi Lohmann - E-Book

Vier Hufe für Dich - Ein Zuhause für Mercury (Pferd & Freundschaft) E-Book

Gabi Lohmann

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Beschreibung

Anja hat sich inzwischen auf dem Hof ihres Opas eingelebt. Sie genießt ihre Sommerferien zusammen mit ihrem Pferd Teddy und ihrer Freundin Anja. Aber was wird aus Mercury? Der Schimmel hat seine Jugendjahre auf dem Hof verbracht. Jetzt soll er ausgebildet und verkauft werden. Werden Tina und ihre Freundin Anja es schaffen, ein gutes Zuhause für Mercury zu finden?

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Seitenzahl: 199

Veröffentlichungsjahr: 2013

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Gabi Lohmann

Vier Hufe für Dich - Ein Zuhause für Mercury (Pferd & Freundschaft)

Band 2

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Zum Turnier!

Die Dressurprüfung

Ein Pferd für Maxi

Tinas Geburtstag

Anja

Abendtraining

Ein krönender Abschluss

Abschied von Asterix?

Training, Training nichts als Training!

Pferdezuwachs

Mercury

Turniergedanken

Rettung in Sicht?

Das erste Turnier

Es wird ernst!

Ein Zuhause für Mercury?

Weitere ebooks des Autors

Vier Hufe für Dich: – Band 1 – Eine schwere Entscheidung

Tanja - mein Leben mit Dompfaff

Koppelgeschichten – von und mit Pferd –

Danksagung

Impressum neobooks

Zum Turnier!

„Auf Tina! Wir wollen fahren.“ Meine Mutter wartete unten an der Treppe auf mich. „Opa, Basti und Steffi sitzen schon im Auto.“

„Bin sofort unten!“ Schnell fuhr ich mir mit den Fingern durch die Haare. Das musste reichen. Unser Samstagsausflug ging ja schließlich nicht zu irgendwelchen Tanten und Onkeln, sondern auf ein Reitturnier – allerdings in 80km Entfernung!

Seit meine Eltern sich vor 4 Wochen „auf Probe“ getrennt hatten, wohnten mein Vater und meine Schwester im fast 100km entfernten Oberndorf. Meine Schwester Maximiliane – genannt Maxi – ritt dort bei einem bekannten Ausbilder. Um dort weiter reiten zu können, benötigte sie auf Dauer allerdings ein eigenes Pferd. Die ganzen Sommerferien durch hatte Maxi die verschiedenen Pferde ausprobiert und heute startete sie mit ihren beiden Favoriten in einer A-Dressur und einem A-Springen. Danach, so hatte sie verkündet, würde sie sich für eines der beiden Pferde entscheiden.

Da merkte man wieder, wie unterschiedlich meine Schwester und ich doch sind! Ich könnte so nie eine Entscheidung treffen! Bei mir ging alles viel mehr aus dem Bauch heraus! Seit der Trennung meiner Eltern lebte ich mit meiner Mutter bei meinem Opa Wolfgang auf dem Land.

Am Anfang war es schwer gewesen, sich umzugewöhnen. Aber inzwischen fühlte ich mich hier richtig zu Hause. Ich hatte Freunde gefunden und die Freude am Reiten entdeckt. Natürlich half es dabei, dass mein Opa einen Hof mit sechs – nein – inzwischen sieben eigenen Pferden und einigen Pensions- bzw. Beritt-Pferden besaß. Ich hatte mich in den schwarzbraune Wallach Theodore Roosevelt – genannt Teddy - auf den ersten Blick verliebt und kurze Zeit später konnte mein Opa ihn sehr günstig kaufen. Teddy gehörte zwar meinem Opa und nicht mir, aber wenn ich mir ein eigenes Pferd auswählen dürfte, wäre es Teddy! Das ließ sich nicht logisch erklären – schon gar nicht mit Leistung, denn weder Teddy noch ich konnten etwas. Wir waren beide blutige Anfänger was die Ausbildung zum Reitpferd bzw. zum Reiter betrifft. Aber es machte mir einen Heidenspaß mit Teddy zusammen zu sein. Das Brummeln, wenn er mich zur Koppel oder in den Stall kommen hörte, das warme Gefühl, wenn er seinen Kopf vertrauensvoll unter meinen Arm schob und diesen Eifer im Blick, wenn Opa oder Sebastian uns erklärten, wie wir die nächste Übung auszuführen hatten. – Nein, ich ritt Teddy nicht! Wir arbeiteten am Boden miteinander! Die Übungen waren ‚nur‘ reine Handarbeit, aber ich war immer wieder erstaunt, auf wie viel man dabei achten musste! Und Teddy war stets eifrig dabei und wollte es uns recht machen.

Obwohl ich auf Penny und Allegra gerade die Grundlagen des Reitens erlernte und mit den Beiden dadurch viel mehr Zeit verbrachte – mein Herz hing an Teddy!

Bei meiner Schwester war das anders: Bei allem, was sie anfing, war sie erfolgreich! Sie hatte ein tolles Körpergefühl und machte auch deshalb beim Reiten rasante Fortschritte. Nach zwei Jahren im Sattel war sie allen Schulreitern im Verein haushoch überlegen. Für sie war es aber auch wichtig, überall bei den Besten zu sein. Pferde nur aus Freude am Tier zu halten, wie es mein Opa tat, käme ihr gar nicht in den Sinn. Da war Maxi wie mein Vater: Nur die Leistung zählte! Deshalb war es ihr auch sehr wichtig, sich auf Turnieren mit anderen messen zu können. Und deshalb fuhren wir heute zum Turnier! Zuschauer waren ihr nämlich immer willkommen!

*****

Schnell eilte ich zum Auto. Inzwischen war auch meine Mutter eingestiegen und alle schauten mir erwartungsvoll entgegen.

„Na, endlich fertig geworden!“ Steffi musterte mich amüsiert. „Nach so viel Styling sieht das aber gar nicht aus.“

„Styling! Für so was hat unsere Tina doch gar keine Zeit.“ Sebastian lachte mich an. „Frag sie mal, wo sie vor fünf Minuten noch war …“

„Ja, lästert ihr nur. Teddy hat meine Massage sehr genossen! Bin ich sehr zu spät, Opa?“

„Na ja. Kommt drauf an, wie man es sieht. Für das Turnier bist du auf keinen Fall zu spät. Das geht ja bis heute Abend. Aber deine Schwester werden wir wohl jetzt erst auf dem Abreiteplatz antreffen. Aber ich denke mal, dass wird ihr nichts ausmachen. Vor der Prüfung hat sie mit Sicherheit keine große Lust, sich mit uns zu unterhalten. Da will sie sich bestimmt lieber auf ihre Pferde konzentrieren. Jetzt aber eingestiegen, sonst kommen wir gar nicht mehr los!“

Ich quetschte mich hinten ins Auto zwischen Steffi und Sebastian. Sebastian war so etwas wie ein großer Bruder für mich. Er half Opa auf dem Hof und durfte im Gegenzug seine Pferde reiten. Er hatte mich in der ersten Zeit in der neuen Umgebung bei allem unterstützt und war immer für mich da. Steffi ritt seit vier Jahren bei meinem Opa. Auch sie half im Stall, wann immer sie Zeit hatte. Außerdem sparte sie eisern, um ihr Lieblingspferd Ghia einmal Opa abkaufen zu können.

Für mich war es der erste Turnierbesuch überhaupt, während die Beiden schon selbst mehr oder weniger erfolgreich an Turnieren teilgenommen hatten.

„Weißt du noch, Steffi“, begann Sebastian jetzt, „dein erster Turnierstart mit Ghia?“ Steffi musste bei der Erinnerung daran laut lachen. „Klar doch!“ Steffi wischte sich die Lachtränen aus den Augen. „Mein erster Turnierstart mit dem Dickkopf – und sie machte alles richtig. Es muss grandios ausgesehen haben. Sie ist richtig durch die Dressur getanzt. Ich musste gar nichts machen …“

„Tja, hättest du mal nichts gemacht!“, kam es trocken von meinem Opa. „Abspringen und sein Pferd umarmen während der Abschlussaufstellung.“ Opa schüttelte noch in der Erinnerung daran den Kopf.

„Aber sie war doch so brav!“ Steffi schmunzelte. „Die Richter sagten mir später, es wäre eine Wertnote im Bereich von 8 Komma etwas geworden – wenn ich die Bahn AUF meinem Pferd verlassen hätte.“

„Ist ‚8 Komma etwas’ gut?“ Ich kam mir mal wieder ziemlich unwissend vor. Dressur ist und bleibt für mich ein Buch mit sieben Siegeln! Beim Springen sieht man wenigstens, wenn eine Stange oder der Reiter fällt. Bei der Dressur sieht für mich alles gleichermaßen gut aus – und dann ist es das aber überhaupt nicht!

Sebastian übernahm geduldig die Erklärung. „In der Dressur gibt es in den kleineren Wettbewerben Wertnoten zwischen 0 und 10. Alles unterhalb von 5,0 gilt als ‚nicht bestanden‘, wie ein ‚mangelhaft’ in der Schule. Bei der Wertnote 10 wären Pferd und Reiter perfekt. Da Lebewesen aber nie perfekt sind – nein, auch nicht dein Teddy – gibt es diese Wertnote in der Praxis so gut wie nie. Meist liegen die Wertnoten zwischen 5,0 und 8, selten darüber. Ist aber auch ein bisschen abhängig von den Richtern. Eine ‚8 Komma etwas’ ist also echt super! Aber Ghia ist in dieser Prüfung wirklich genial gegangen und Steffi saß auch klasse im Sattel: hoch konzentriert und dabei völlig locker. Sah echt toll aus – bis sie beim Schlussgruß vom Pferd sprang, um ihm um den Hals zu fallen. Die Zuschauer waren begeistert – die Richter etwas weniger. Steffi und Ghia schieden wegen dieser Regelwidrigkeit nämlich aus dem Wettbewerb aus.“

„Hat aber trotzdem Spaß gemacht.“ Steffi drehte sich zu mir. „Weißt du, Tina. Im Gegensatz zu den Turniermuffeln hier liebe ich Turniere; vor allen Dingen Vielseitigkeitsprüfungen. Mir macht es einfach Spaß, dabei zu sein. Die Stimmung, der Trubel – ich finde das einfach toll! Und bei Vielseitigkeitsprüfungen ist dann auch alles dabei: Dressur, Springen und Gelände reiten. Ghia präsentiert sich unheimlich gern, sodass wir in der Dressur meist ziemlich weit vorn liegen. Beim Springen ist es dann etwas Glücksache. Seit Ghia herausgefunden hat, dass die Stangen herunterfallen, wenn man dran stößt, lässt sie die Beine manchmal etwas hängen. Dafür ist sie aber im Gelände fast unschlagbar. Sie ist unheimlich schnell und springt genau passend. Es macht richtig Spaß mit ihr!“

„Ach ja?“ Opas Einwurf brachte Steffi wieder zum Lachen. „Doch, Spaß macht es immer – auch wenn wir nicht zu den Platzierten gehören. Sonst würde ich es gar nicht machen – zumindest nicht mit Ghia!“

„Was ist an Ghia denn so speziell?“ Ich kannte die Stute jetzt zwar schon ein paar Wochen, aber bis auf eine gewisse Unberechenbarkeit war mir noch nichts Besonderes aufgefallen.

„Ghia ist halt digital in ihren Entscheidungen – sie will oder sie will nicht – dazwischen gibt es nichts. Und sie lässt sich zu nichts zwingen. Mal geht sie durch die Prüfungen wie ein Engel und dann sind wir meist unter den ersten fünf. Mal kippt mitten in der Prüfung ein Schalter in ihrem Kopf um, und dann geht gar nichts mehr. Das letzte Mal lagen wir nach der Dressur mit Abstand an erster Stelle. Alle haben uns schon vor dem Geländeritt zum Sieg gratuliert. Allerdings war das dritte Hindernis ein breiter Bach, ganz flach und mit griffigem Untergrund. Also eigentlich kein Hindernis, sondern eher eine große Pfütze – durch die man aber hindurch musste, seitlich vorbei ging nicht. Ghia ist normal eine kleine Wasserratte, nur an dem Tag wollte sie ihre Hufe auf keinen Fall nass machen! Sie legte eine Vollbremsung hin und stand wie fest gemauert.“

„Und dann musstest du aufgeben?“

„Aufgeben ist so eine Sache bei Ghia. Wenn man einmal bei ihr nachgibt, merkt sie sich das auf ewig! Und verprügeln lässt sie sich auch nicht. Also sind wir einfach vor der Pfütze stehen geblieben.“

„Macht man sich da nicht lächerlich?“ Ich schaute Steffi zweifelnd an. Mir wäre es ungeheuer peinlich gewesen, wenn jeder den Ungehorsam meines Pferdes mitbekommen hätte.

„Na ja, die Zuschauer hatten ihren Spaß. Wir sind als Dritte von dreißig Teilnehmern gestartet – und kamen als 29te ins Ziel. Nachdem der 28te Reiter an uns vorbei war, wurde es Ghia nämlich zu dumm. Sie watete durch den Bach als wäre es das Normalste von der Welt und absolvierte den Rest der Geländestrecke mit Bravour. Aber damit waren wir natürlich trotzdem aus der Wertung, aber was soll’s. Und nein – mir macht es in solchen Fällen nichts aus, mich lächerlich zu machen. Mich erschrecken nur immer die hilfreichen Kommentare von der Seite wie z. B. ‚Jetzt hau dem Bock mal die Gerte um die Ohren’ und so was. Dass bei den meisten Menschen Prügel immer die einzige Lösung sind! Ich hoffe, dass diese Menschen nie an Pferde wie Ghia geraten.“

„Stimmt“, mischte sich jetzt Basti ein. „Ghia würde bei denen ganz schnell Salami. Die wehrt sich und geht auf den Menschen los. Bei der hilft nur Köpfchen!“

„Tja, und deshalb passt sie auch so gut zu mir! Und ich glaube, ich weiß auch schon, was ich mir dieses Jahr zu Weihnachten schenke!“ Steffi setzte sich zufrieden im Sitz zurecht.

*****

Inzwischen hatten wir den Turnierplatz erreicht. Ein ziemlich ausgefahrener Feldweg führte zu einer Wiese, die als Parkplatz ausgeschildert war. Ein Stückchen weiter parkten auf der nächsten Wiese die Pferdetransporter.

„Gut, dass es in letzter Zeit nicht geregnet hat“, Opa stellte den Motor aus. „Sonst wäre das Parken mal wieder zu einer Schlammschlacht geworden.“ Er blickte auf seine Uhr. „9.30 Uhr. Die Prüfung beginnt um 10 Uhr. Da werden sie wohl schon auf dem Abreiteplatz sein. Schauen wir mal, wo der ist.“

Wir gingen quer über die Wiese an den Transportern vorbei Richtung Verkaufsstände. Plötzlich blieb Sebastian stehen und deutete auf ein abgestecktes Viereck. „Schaut mal! Ist das nicht Gipsy Girl?“

Typisch Basti: Er erkannte nicht die Menschen, sondern die Tiere. Aber er sollte recht behalten: Am Rande des Vierecks saß Maxi auf der hübschen braunen Stute. Etwas Abseits stand Herr Bräuer und gab leise Kommandos. Als wir näher kamen, nickte er uns kurz zu und konzentrierte sich sofort wieder auf Maxi.

Interessiert schaute ich den Reitern auf dem Abreiteplatz zu. Meine Schwester bewegte sich selbstbewusst unter ihnen. Wie ich sie beneidete. Bei ihr sah immer alles so leicht aus! Das Pferd trabte eifrig vorwärts, den Hals schön gerundet, um das Maul herum schäumte es. Alles wirkte auf mich so richtig professionell.

„Was meinst du Opa, wann werde ich so reiten können?“

Opa warf ein Blick über den Turnierplatz und murmelte so etwas wie „hoffentlich nie“. Dann zog er meine Mutter mit zu den Verkaufsständen. „Komm Gerlinde, lass uns mal schauen, ob es schon was zu essen gibt.“ Etwas perplex schaute ich meinem Opa hinterher.

Auch Steffi zog die Augenbraunen hoch. „Was ist denn mit Wolfgang los? Ok, ich weiß, er hält nicht viel vom Turnierreiten, aber so habe ich ihn noch nie erlebt! Er begleitet mich doch auch oftmals zu Turnieren und so viel besser wird da auch nicht geritten!“

Basti zuckte die Schultern. „Genau weiß ich es auch nicht, aber gestern Abend hat wohl wieder Herr Maiser angerufen. Er will seinen beiden Leistungspferden mal wieder einen schönen Winter gönnen.“ Bastis Stimme klang sarkastisch. „Und dann schau mal um: Zwei Leute drüben auf dem Abreiteplatz für’s Springen reiten mit Schlaufzügel, hier übt sich einer in ‚Hyperflexion’, oder auch ehrlicher, ‚Rollkur’. Die auf dem Schwarzen da drüben kann ihr Pferd überhaupt nicht sitzen. Bei jedem Tritt knallt sie dadurch dem armen Tier die Sporen in den Bauch und ihr Gewicht in den Rücken. Du weißt ja, so etwas bringt Wolfgang immer auf die Palme.“

Ich verstand überhaupt nichts mehr. „Also, was eine Rollkur oder Hyperflexion ist, habe ich inzwischen begriffen, aber wer ist Herr Maiser? Und was ist an Schlaufzügeln so schlimm? Und außerdem, Maxi reitet doch wirklich gut, oder?“ Ich glaube, aus meiner Stimme konnte man leichte Verzweiflung heraushören.

„Tja, Tina“, Basti klang etwas resigniert. „Das ist das Blöde am Reiten. Manche Sachen sehen auf dem ersten Blick sehr gut aus, aber wenn man genauer hinguckt und weiß, worauf man achten muss, dann tut es manchmal richtig weh, zuzuschauen. Bei Maxi ist das jetzt gar nicht sooo schlimm. Aber schau mal genau hin: Maxi guckt sehr verbissen. Sie möchte absolut alles richtig machen. Jetzt gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen konzentriert und verkrampft reiten. Wenn du konzentriert bist, kannst du gleichzeitig auch locker in den Gelenken bleiben. Bist du aber so verbissen wie Maxi jetzt, dann verkrampfst du dich. Du kannst in die Bewegungen deines Pferdes nicht mehr locker mitgehen. Schau hin! Maxi hat sonst einen netten geschmeidigen Sitz. Jetzt wird sie bei jedem Trabschritt aus dem Sattel gehoben und fällt der Gipsy beim Einsitzen ins Kreuz. Das tut Gipsy auf die Dauer weh. Deshalb macht sie ihren Rücken fest. Das ist dann ein Teufelskreislauf, denn ein Pferd, das im Rücken fest ist, macht es dem Reiter noch schwerer, in der Bewegung mitzugehen. Außerdem blockiert der feste Rücken den Schwung der Hinterbeine. Das heißt, die Hinterbeine greifen nicht mehr weit genug nach vorn und nehmen daher weniger Last auf. Die Gewichtsverteilung verschiebt sich mehr auf die Vorderbeine. Macht kurzfristig wenig, erhöht aber auf Dauer den Verschleiß! Dadurch, dass Maxi nicht richtig zum Sitzen kommt, wird sie mit der Hand auch fest. Das wiederum ist Gipsy unangenehm im Maul. Sie würde gern den Kopf nach oben nehmen und sich der Reiterhand entziehen. Um das zu verhindern ‚riegelt’ Maxi Gipsy immer wieder herunter. Siehst du, wie Gipsys Kopf von rechts nach links pendelt. Dieses wechselseitige Ziehen am Zügel nennt man ‚Riegeln’ und es verschafft einem kurzzeitig den Erfolg, dass das Pferd den Kopf herunternimmt. Ist aber nichts Dauerhaftes und hat mit gutem Reiten auch nichts zutun.“

Jetzt, wo Basti es mir erklärte, konnte ich einige Details auch erkennen. „Aber sie schäumt so schön ums Maul. Das heißt doch, sie kaut zufrieden auf dem Gebiss – oder habe ich das auch falsch verstanden?“

Jetzt mischte sich Steffi ein. „Nee, das hast du schon richtig verstanden. Aber ich gehe mal davon aus, dass da mit Zuckerstückchen etwas nachgeholfen wurde. Mache ich zumindest immer so. Schadet dem Pferd nicht, solange man den Zucker nicht in Massen füttert, und sieht gut aus. Zudem wird Maxi zu Beginn bestimmt entspannter geritten sein. Wie Basti schon sagte: Es ist ein Teufelskreislauf. Aber den kann man auch recht leicht wieder durchbrechen. Ich würde erst mal eine Weile am halblangen Zügel leicht traben, dann entspannt sich das Pferd schnell wieder.“

Herr Bräuer gefiel wohl auch nicht, was er sah. Aber er hatte eine andere Lösung parat. Wir konnten sehen, wie er eine junge Frau in Reitkleidung zu sich winkte. Maxi parierte Gipsy durch und saß ab. Die junge Frau trat zu den Dreien und unterhielt sich kurz. Dann schwang sie sich auf Gipsys Rücken und ließ das Pferd am halblangen Zügel antreten.

„Warte mal! Die kenne ich doch irgendwo her!“ Steffi guckte der Reiterin grüblerisch hinterher. „Doch, richtig, das ist Julia Reuters. Die habe ich schon oft auf Turnieren gesehen. Ihr gehört eine dunkelbraune Stute. ‚Salina’ heißt sie, glaub’ ich. Hat eine ähnliche Abstammung wie dieser Dressurcrack ‚Salinero’. Julia startet auf S-Niveau mit ihr. Keine Ahnung, was die auf so einem kleinen Turnier macht. Hier geht es doch maximal bis L – oder?“

Julia hatte inzwischen die Zügel aufgenommen. Gipsy streckte ihren Kopf schön vorwärts abwärts und auch ihre Bewegungen zeigten jetzt deutlich mehr Schwung.

„Ja, das sieht ganz nett aus.“ Opa und meine Mutter traten wieder zu uns, jeder mit einem Hotdog in der Hand. Das Essen schien meinen Opa etwas beruhigt zu haben.

„Jetzt ist es aber richtig – oder?“ wagte ich vorsichtig einzuwerfen. „Gipsy hat den Kopf fast in der Senkrechten und die Hinterbeine greifen schön weit unter. Oder sehe ich da wieder etwas falsch?“ Unsicher schaute ich zwischen Opa, Basti und Steffi hin und her.

Opa legte seine Hand lächelnd auf meine Schulter. „Doch, jetzt sieht das richtig gut aus. Allerdings ist deine Aufzählung ein bisschen falsch herum. So sehen es allerdings die meisten: Wenn man den Pferdekopf irgendwie in die Senkrechte bekommt, geht das Pferd am Zügel. Kannst du da drüben bei dem Fuchs mit den Schlaufzügeln gut beobachten. Mit den Schlaufzügeln hast du locker die Kraft, den Pferdekopf in die gewünschte Position zu ziehen. Sieht für einen Laien dann genauso gut aus, wie du es jetzt bei Gipsy sehen kannst: Die Kopfhaltung ist bei beiden fast die Gleiche.

Jetzt schau aber mal auf die Hinterbeine und auch auf die Halsmuskulatur. Der Fuchs greift mit den Hinterbeinen kaum unter und am Hals ist die Unterhalsmuskulatur angespannt. Das Pferd geht mit verspannten Rücken und wehrt sich gegen den festen Zügel. Schau, wie er mit dem Schweif schlägt! Jetzt schau dir dagegen Gipsy an. Die Hinterbeine greifen gut unter. Siehst du wie der Schweif locker schwingt? Daran erkennt man zum Beispiel auch, wie entspannt das Pferd gerade läuft. Und jetzt kannst du auch richtig sehen, wie Gipsy auf dem Gebiss kaut.“

Julia kam direkt an uns vorbei. Auf unserer Höhe ging sie mit beiden Händen Richtung Pferdemaul vor und es war lustig zu sehen, wie Gipsy versuchte den Zügelkontakt zu halten, indem sie entsprechend den Kopf vorstreckte. Opa nickte zufrieden.

„Hast du gesehen, wie Gipsy den Zügelkontakt sucht? Sie vertraut der Hand, und wenn Julia jetzt wieder die Zügel entsprechend kürzt und etwas nach treibt, ist die ‚Nase in der Senkrechten’ einfach das Ergebnis von gutem Reiten. Es kommt von selbst, man muss es sich gar nicht ‚hin pfriemeln’.“

Julia hielt bei Herrn Bräuer und Maxi an und übergab Gipsy wieder an Maxi. Sie sprach noch eindringlich auf Maxi ein, dann durfte Maxi los reiten. Kaum hatte Maxi die Zügel aufgenommen, wurde schon ihre Nummer aufgerufen. Jetzt wurde es ernst!

Die Dressurprüfung

Steffi lief vor zum Dressurviereck, um uns ein einen guten Platz zu sichern. Viel war noch nicht los. Neben dem Richterwagen erkannte ich Georg Sander, einen Angestellten von Herrn Bräuer, mit einer Kamera in der Hand. Maxi würde sich ihren Ritt also später noch einmal anschauen können. Neben Gipsy betrat noch ein anderes Pferd das Viereck. Während Gipsy ruhig mit langen Schritten vorwärtsging, tänzelte der Schimmel auf Zehenspitzen und schien überall Gespenster zu vermuten. Opa zog die Augenbraunen hoch.

„Tja, da haben wohl weder Pferd noch Reiter die richtigen Turniernerven.“ Der Schimmel weigerte sich im Moment entschieden, sich dem Richterhäuschen zu nähern. Die Reiterin stand mehr in den Bügeln als im Sattel zu sitzen. Verzweifelt zog sie an den Zügeln, um das Schimmeltier wieder auf den Hufschlag zu lenken.

„Einsitzen, Kreuz und Schenkel ran und um Himmels willen nicht so an den Zügeln ziehen“, knurrte mein Opa zwischen den Zähnen hindurch. Es fiel ihm sichtlich schwer, auf seinem Platz zu bleiben.

Maxi hatte die Probleme des anderen Reiters bemerkt und lenkte Gipsy geschickt direkt vor den nervösen Schimmel. Deren Reiterin ließ erleichtert die Zügel locker und ihr Pferd reihte sich hinter Gipsy ein. Jetzt ging es deutlich besser. Maxi ließ Gipsy erst auf der einen, dann auf der anderen Hand das Viereck umrunden. Die Richter ließen sich Zeit, sodass die Pferde auch traben und galoppieren konnten. Der Schimmel lief jetzt total entspannt hinter Gipsy her, während Maxi ihr Pferd deutlich aufgenommen hatte. Aber Gipsy war ein alter Hase. Sie wusste, was im Viereck von ihr erwartet wurde und so lange Maxi keine groben Fehler machte, würde Gipsy ihre Arbeit gut machen. Die Reiter wurden aufgerufen ein Paar zu bilden und auf der Mittellinie einzureiten. Überrascht schaute ich Basti an.

„Hey, die bekommen ja genau vorgelesen, was sie tun müssen. Und ich dachte, Maxi müsste die Aufgabe auswendig können!“

Basti zuckte mit den Schultern. „Die Aufgabe wird zwar vorgelesen, aber du solltest sie trotzdem auswendig können. Der Vorleser orientiert sich nämlich an dem schnelleren Reiter. Wenn der zweite Reiter langsamer ist, passen die Ansagen nicht mehr zu dem, was er reiten muss.“

Hm, so ganz verstand ich das nicht. Die beiden Reiter ritten doch nebeneinander her – oder? Wohl doch eher ‚oder’. Denn jetzt kam der Befehl, dass einer der Reiter bitte wenden solle. Die Reiterin des Schimmels versuchte sich mehr schlecht als recht in einer Vorhandwendung.

Gipsy dagegen sah toll aus! Das Antraben aus dem Stand kam mit viel Schub aus der Hinterhand und Maxi ritt eine schnurgerade Linie auf die Richter zu, um kurz vor dem Richterhäuschen rechts abzuwenden. Der Schimmel zog es vor, die Rechtswendung vorzuverlegen. Kurz nach dem Zirkelmittelpunkt bog er nach rechts ab und rannte mit riesigen Trabschritten vorwärts. Die Reiterin wirkte hilflos. Während der Schimmel unbeeindruckt von seiner Reiterin die Aufgabe herunter spulte und weiterhin die eine und andere Abkürzung wählte, ließen Maxi und Gipsy sich nicht irritieren. Ruhig, mit viel Elan ritt sie die Aufgabe durch. Die Zirkel und Schlangenlinien sahen aus wie aus dem Lehrbuch und die Paraden kamen immer genau auf den Punkt. Jedenfalls nahm ich das an, denn der Schimmel war schon lang mit der Aufgabe fertig, und wie Basti angekündigt hatte, wurde die Aufgabe nur einmal vorgelesen - abgestimmt auf das schnellere Pferd. Aber Maxi konnte ihre Aufgabe auswendig, und als sie Gipsy zum Schlussgruß vor den Richtern durchpariert, applaudierten die wenigen Zuschauer.

Selbst Opa wirkte zufrieden. „Das sah ja mal ganz nett aus. Sollte eine gute Wertnote geben.“

*****

Maxi ließ Gipsy am langen Zügel das Dressurviereck verlassen. Sie hatte uns gesehen und winkte uns lachend zu. Wir folgten ihr zurück zum Abreiteplatz.

„Du“, ich stupste Basti an. „Ist das nicht die Julia dort auf Doc Dolittle?“

Basti schaute suchend über den Platz. „Da drüben auf dem Fuchs meinst du? Ja, das ist Julia. Sie reitet Dolittle bestimmt schon mal für Maxi ab. Lass uns mal schau’n, wann Maxi wieder dran ist.“