Vier Hufe für Dich - Eine schwere Entscheidung (Pferd & Freundschaft) - Gabi Lohmann - E-Book

Vier Hufe für Dich - Eine schwere Entscheidung (Pferd & Freundschaft) E-Book

Gabi Lohmann

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Beschreibung

Die Geschwister Maxi und Tina mögen Pferde. Während Maxi eine talentierte Reiterin ist, liebt Tina die Pferde eher vom sicheren Boden aus. Dann kommt der Wendepunkt: Die Eltern trennen sich! Maxi beschließt mit ihrem Vater in die Stadt zu ziehen. Dort hat sie die Chance bei einem großen Dressurausbilder unterrichtet zu werden. Ein eigenes Pferd steht in Aussicht. Tina geht mit ihrer Mutter zum Großvater. Dieser besitzt einen großen Hof mit kleiner Hengstaufzucht und Pensionspferdehaltung, sowie ein paar eigenen Pferden. Für den Großvater zählen allerdings keine Turniersiege, sondern vor allen Dingen die Liebe zum Pferd und der artgerechte Umgang mit diesen wundervollen Tieren. Wird es Tina mit Hilfe des Großvaters und der Pferde gelingen zu sich selbst zu finden und ihre Angst vor dem Reiten zu überwinden?

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Seitenzahl: 197

Veröffentlichungsjahr: 2013

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Gabi Lohmann

Vier Hufe für Dich - Eine schwere Entscheidung (Pferd & Freundschaft)

Band 1

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Alles wird anders

Ein eigenes Pferd?

Besuch beim Opa

Teddy

Eine schwere Entscheidung

Neuanfang

Die Jungpferde

Allegra

Feuerfuchs genannt Fire

Neue Freunde

Maxi

Erster Unterricht

Ghia

Ausflug mit Alli!

Führtraining

Maxis Tag

Der Unfall

Zwickmühlen

Longieren

Autokauf

Reitunterricht

Zu Besuch bei Maxi

Überraschende Wendung

Weitere ebooks des Autors

Vier Hufe für Dich: – Band 2 – Ein Zuhause für Mercury?

Tanja - mein Leben mit Dompfaff

Koppelgeschichten – von und mit Pferd –

Impressum neobooks

Alles wird anders

„Gut gemacht, Maxi!“

Ein Lob unseres Reitlehrers Herrn Mechler – was für eine Seltenheit! Maxi musste ihre Dressuraufgabe wirklich gut gelöst haben. Ich drückte mich in die Ecke der Zuschauertribüne. Die anderen Mädchen dort bemerkten mich gar nicht. Wieso sollten sie auch, ich gehörte sowieso nicht dazu.

Sarah, eine Freundin meiner Schwester Maxi, deutete in die Reithalle: „Wenn Maxi so weiter reitet, gewinnt sie dieses Jahr die Vereinsmeisterschaft! So möchte ich auch mal reiten können!“ Leichter Neid klang in ihrer Stimme mit.

Ich konnte Sarah gut verstehen. Sie ritt im Gegensatz zu meiner Schwester schon ewig, bestimmt über 4 Jahre! Meine Schwester hatte dagegen erst vor 2 Jahren mit dem Reiten begonnen. Damals war sie 14 Jahre alt, durch­trainiert von Ballett und Leichtathletik und mit einer absoluten Körperbeherrschung. Und die kommt ihr beim Reiten natürlich zugute. Zudem war sie auch absolut angstfrei. Bei ihr könnte ein Pferd einen einfachen Salto anbieten (nicht, dass ein Pferd das je tun würde) - Maxi würde einfach nur lachen und weiter reiten – echt beneidenswert! Während meine Schwester inzwischen die besten Schulpferde und ab und an sogar die Privatpferde des Reitlehrers in der Turnierreiterstunde zugewiesen bekam, ritt Sarah immer noch in der Gruppe der „Fortgeschrittenen Schulpferdereiter“.

Bei mir sah die Sache ganz anders aus: Ein Jahr jünger als meine Schwester, hatte ich von deren Eigenschaften so gar nichts mitbekommen. Ich fühlte mich in meinem Körper absolut unwohl, Körperbeherrschung im Sport­unterricht - für mich ein absolutes Fremdwort, dafür kannte ich mich zum Thema „Angst beim Reiten“ hervorragend aus …

In der Halle war die Reitstunde inzwischen beendet und die Pferde wurden herausgeführt. Langsam ging ich in Richtung Sattelplatz, wo meine Schwester ihr Pferd gerade angebunden hatte.

„Hallo Maxi!“ „Hi, Tinchen. Was machst Du denn hier?“

„Tinchen“ – wie ich den Namen hasste! Da wird man auf den klangvollen Namen „Kristina“ getauft, und die eigene Familie schafft es, eine so blöde Kurzform wie „Tinchen“ daraus zu machen! Langweilig und öde!

„Ich habe es zu Hause nicht mehr ausgehalten! Mama und Papa fetzen sich wieder, was das Zeug hält!“ Traurig strich ich Prinz, eines von Herrn Mechlers Turnierpferden, den Hals entlang. „Meinst du, das gibt sich wieder?“

„Nee du.“ Maxi sah das wie immer sehr realistisch. Sie löste den Sattelgurt und drückte mir den Sattel in die Arme. „Bring mal weg. Dann können wir gleich noch ein Eis essen gehen und etwas reden. Hier hören mir zu viele Leute mit.“

Ich schleppte den Sattel zu Prinz Sattelbox. Im Gegen­satz zu Maxi hatte ich zwar nach zwei Wochen schon wieder mit dem Reiten aufgehört, aber immer wieder schaute ich meiner Schwester beim Reiten zu und kannte mich dadurch im Reitstall ganz gut aus.

Maxi war meine einzige Schwester. Wir lebten in einem Haus am Stadtrand mit meinen Eltern. Während Maxi selbstbewusst und zielsicher ihren Weg ging, war ich eher schüchtern und ängstlich. Maxi - groß und selbstsicher, kurze braune Haare und einen offenen Blick. Ich dagegen klein mit langen blonden Haaren, hinter denen ich mich gern versteckte. Mir fiel es schwer, anderen Leuten offen in die Augen zu schauen und oft konnte ich mehr über die Schuhe der Leute sagen als über ihre Augen- oder Haarfarbe. Ich brachte es einfach nicht fertig, unbekannten Leuten direkt ins Gesicht zu sehen! Während die Mädchen in meiner Klasse hauptsächlich die Themen „Jungs“ und „das richtige Outfit“ kannten, versuchte ich, einfach nur nicht aufzufallen. Da ich weder besonders hübsch noch hässlich war, gelang mir das meistens recht gut.

So gegensätzlich wie meine Schwester und ich waren dann auch meine Eltern.

Meine Mutter war das echte Heimchen am Herd. Wenn ich meine Mitschüler so höre, eine nahezu ausgestorbene Art! Sie ist immer für uns da. Fast Food kommt bei uns nicht auf den Tisch, allerdings auch keine hochgestochene Gesund­heitskost, sondern einfach gute Hausmannskost, wie sie meine Großmutter schon kochte. Dazu gibt es immer Obst im Haus – und meistens auch selbstgebackenen Kuchen. Auch die Schulnoten haben für sie nicht so viel Bedeutung wie zum Beispiel für meinen Vater. Ihr ist es wichtig, dass wir ehrlich unser Bestes geben. Wenn das dann auch nur für eine Vier reicht, ist das für sie kein Weltuntergang. Sie selbst fällt nicht groß auf, hält unsere Familie aber am Laufen.

Mein Vater war der absolute Erfolgsmensch. Er stand mit beiden Beinen im Berufsleben und trug als Bereichsleiter auch ganz schön viel Verantwortung – wie er immer wieder selber betonte! Und Geld brachte er auch mehr als genug mit heim. Er liebte Maxi heiß und innig. Kam sie doch so ganz nach ihm: erfolgreich in der Schule und im Sport und bei allem, was sie anfängt. Bei allen beliebt und selbstsicher in jeder Umgebung. Ich stand da deutlich an zweiter Stelle: in der Schule so das Mittelmaß und ansonsten einfach unauffällig – nichts, womit man angeben könnte …

Früher hatte meine Mutter meinen Vater angehimmelt. Er brachte das große Geld nach Hause, er hatte die großen Ideen, er hatte den Erfolg – und so war das meinem Vater auch recht. Inzwischen hatte meine Mutter mehr freie Zeit. Wir Kinder waren inzwischen ja fast erwachsen und so hatte meine Mutter sich trotz heftigster Gegenwehr meines Vaters einen Job gesucht: Sie kochte jetzt in der Metzgerei unseres Ortes. Und das machte sie wohl ziemlich gut. Der Umsatz mit den Mittagessen war, seit meine Mutter dort kochte, immens gestiegen. Vor Kurzem erschien sogar ein kleiner Artikel in unserer Tageszeitung, dass durch die Kochkunst meiner Mutter die Metzgerei jetzt den Auftrag erhalten hätte, für die Grundschul-Mensa zu kochen!

Statt sich mit Mama zu freuen, vertrug mein Vater ihren Erfolg überhaupt nicht! Und je mehr Erfolg meine Mutter hatte, desto mehr hing bei uns der Haussegen schief!

*****

„Mama sollte das Kochen einfach wieder sein lassen!“ Maxi saß vor einem riesigen Eisbecher und schaufelte die cremige Masse nur so in sich hinein. „Dann wäre alles wieder wie vorher!“

„Das kann jetzt aber nicht dein Ernst sein!“ empört schaute ich sie an. „Warum sollte sie das tun? Der Haushalt läuft doch wie am Schnürchen. Mama ist doch immer nur mittags weg, wenn sowieso keiner zu Hause ist. Soll sie sich dann hinsetzen und Strümpfe stricken – oder was?“ Heftig leckte ich an meiner Eiswaffel.

„Ach ich weiß nicht. Wenn sie zu Hause bliebe, wäre halt alles wieder wie früher!“

Wie früher würde es nie wieder sein. Das wurde uns zwei Wochen später drastisch klar. Als wir nach dem Abendessen schnell auf unsere Zimmer verschwinden wollten, riefen uns unsere Eltern zurück. In der letzten Woche war alles ganz ruhig gelaufen und Maxi und ich hatten schon Hoffnung geschöpft, dass mein Vater die neue Arbeit meiner Mutter inzwischen akzeptiert hätte. Aber es war wohl nur die Ruhe vor dem Sturm.

*****

„Setzt euch bitte wieder hin! Wir haben euch etwas zu sagen!“ Die Stimme meines Vaters klang energisch und fest. „Ihr habt ja auch mitbekommen, dass eure Mutter und ich uns in letzter Zeit auseinander gelebt haben. Und wir haben entschieden, uns erst einmal auf Zeit zu trennen.“

Hey, das konnte jetzt aber nicht wahr sein. Da stand mein Vater ruhig und gelassen und schien noch nicht einmal zu merken, dass um uns herum unsere Welt zusammenbrach.

„Wie jetzt, was soll das heißen?“ Maxi hatte sich als Erste wieder gefasst. „Ziehst Du aus?“

„Darüber wollten Gerlinde und ich jetzt mit euch reden. In unserem Berufsleben tut sich gerade einiges und da ist Handeln angesagt. Mir wurde die Werksleitung unseres Betriebes in Oberndorf angeboten. Das heißt natürlich für mich, dass ich auch dort hinziehen werde. Immerhin ist es bis nach Oberndorf fast eine Stunde Autofahrt und zwei Stunden jeden Tag im Auto sitzen, ist mir dann doch zu viel.“

Jetzt schaltete sich auch meine Mutter ins Gespräch ein. „Nicht nur Michael hat ein gutes Angebot bekommen. Die Metzgerei will eine Zweigstelle in Titzingen eröffnen, dort könnte ich komplett die Küche übernehmen. Ihr wisst, Titzingen liegt auch ca. 50 km von hier - nur leider in Gegenrichtung zu Oberndorf. Michael und ich haben lange darüber geredet. Ich werde mit Sicherheit nicht mit nach Oberndorf ziehen. Mir ist es dort einfach zu städtisch, hier bleiben will euer Vater aber auf keinen Fall. Deshalb haben wir uns eine Trennung auf Zeit überlegt. Euer Vater wird nach Oberndorf gehen und ich habe mich für Wallburg entschieden. Dort kann ich bei eurem Großvater einziehen – auf dem Hof ist Platz genug, und bis nach Titzingen sind es nur 5km. Das Haus wollen wir erst einmal vermieten.“

Jetzt hatte es selbst Maxi die Sprache verschlagen. Da saßen zwei erwachsene Menschen – unsere Eltern – vor uns und planten ihr Leben, als ob es uns nicht gäbe!

„Ähm, und was wird aus uns? Habt ihr uns total vergessen? Wir sind doch eine Familie!“ Jetzt liefen bei mir die Tränen.

„Ach Tinchen“, meine Mutter wollte den Arm um mich legen, aber ich wich ihr aus. „Natürlich ist das jetzt für euch besonders schwer, aber euer Vater und ich verstehen uns im Moment so überhaupt nicht mehr. Da ist es besser man trennt sich, solange man noch miteinander reden kann. Und überhaupt ist es ja erst einmal nur auf Zeit. Wir wollen schauen, wie wir ohne einander zu Recht kommen.

Und natürlich haben wir euch nicht vergessen. Allerdings wollen wir auch nicht für euch entscheiden. Wir werden mit dem Umzug bis zu den Sommerferien warten. Dann beginnt ein neues Schuljahr und es ist einfacher für euch, die Schule zu wechseln. Wohin ihr wechselt, entscheidet ihr selber. Natürlich würde ich mich riesig freuen, wenn ihr beide mit zu Großvater kommt.“

„Oder ihr entscheidet euch für mich“ fiel ihr mein Vater ins Wort. „Was ist schon das Leben auf einem alten Bauernhof gegen die Großstadt – besonders für euch Mädels! Nicht wahr, Maxi?“

„Michael!“ Meine Mutter klang ungehalten. „Wir hatten festgelegt, dass die Mädels sich frei entscheiden dürfen, also hör mit deiner Beeinflussung auf!“

„Beeinflussung, Beeinflussung! Pah, man muss den beiden doch die Vor- und Nachteile vor Augen führen!“ Papa schaute überlegen in Mamas Richtung.

Maxi und ich hörten nicht weiter hin. Wie auf ein Kommando standen wir auf und verließen wortlos den Raum.

„Die spinnen, die Zwei!“ Maxi knirschte mit den Zähnen und warf sich auf ihr Bett. „Denen sind wir wohl total egal. Ich will hier nicht weg! Ich habe meine Freundinnen hier - und, und die Vereinsmeisterschaften!“

Ich setzte mich auf Maxis Couch. „Naja, ich habe zwar keine so engen Freunde wie du, aber ich will auch keine Veränderung. Ich will, dass wir eine Familie bleiben!“ Die Tränen liefen mir nur so herunter. Unten aus dem Esszimmer hörte man die lauten Stimmen meiner Eltern.

„Das mit der Familie kannst Du erden! Hör doch mal, wie die beiden sich wieder fetzen. Das wird nichts mehr.“ Maxi schaute böse in Richtung Esszimmer. „Freie Ent­scheidung! Dass ich nicht lache. Wie soll man entscheiden, ob man lieber zur Mama oder zum Papa will. So blöd sie manchmal auch sind, lieb hat man sie doch beide!“

Hier hatten wir unsere Eltern ziemlich unterschätzt - oder unseren Freundinnen, von denen einige Scheidungs­kinder waren, nicht richtig zugehört: Wenn es darum ging, dass Kinder sich für ein Elternteil entscheiden müssen, gaben die Eltern doch wichtige Entscheidungshilfen – vor allen Dingen materieller Natur. Auch mussten wir schnell feststellen: Während wir am Anfang davon ausgegangen waren, dass Maxi und ich zusammenbleiben, so konnten sich meine Eltern durchaus vorstellen, uns zu trennen.

Ein eigenes Pferd?

Papa hatte sehr schnell mithilfe seiner Firma eine schicke Penthouse-Wohnung in einem exklusiven Stadtteil von Oberndorf gefunden. Am nächsten Tag holte er uns von der Schule ab, um uns sein neues Domizil zu zeigen. Papa war richtig aufgeräumter Stimmung, ihn schien die Trennung von Mama überhaupt nicht zu belasten – oder er zeigte es einfach nicht.

Nach 45 Minuten Autofahrt kamen die ersten Häuser von Oberndorf in Sicht.

„Na ihr zwei! Schaut mal nach draußen.“ Papa zeigte begeistert in Richtung einer Parkanlage. „Da soll eure Mutter noch einmal sagen, hier würde man kein Grün sehen!“ Papa bog in Richtung des Parks ab. „Seht ihr die neuen Häuser mit den bunten Fassaden da hinten? Das grüne Haus ist unseres – vielmehr die Wohnung ganz oben in dem Haus. Man hat eine tolle Sicht auf den Park und zum Stadtzentrum sind es nur 5 Minuten. Zur Schule, Eislaufhalle und zum Sportcenter fährt der Bus hier“, Papa zeigte auf eine Bushallestelle, die wir passierten, „alle 10 Minuten.“

Papa setzte den Blinker und fuhr in eine Tiefgarage. „So, alles aussteigen, wir sind da!“

In der Tiefgarage waren für die Penthouse Wohnung zwei Stellplätze reserviert. Direkt daneben stand der Aufzug. Papa hielt uns die Aufzugstür auf. „Jetzt guckt mal ein bisschen freundlicher. Mir tut es ja auch leid, dass es mit uns als Familie nicht mehr geklappt hat. Aber jetzt machen wir einfach das Beste daraus.“

Maxis und meine Miene ließen durchaus darauf schließen, dass wir uns etwas Besseres als eine neue Wohnung vorstellen konnten. Aber wir zwangen uns ein Lächeln ab und stiegen in den Fahrstuhl. Die Wohnung lag im 14. Stock! Mir wurde ganz schummrig bei dem Gedan­ken, hier mit dem Aufzug stecken zu bleiben! Dann öffnete sich die Aufzugstür und der Blick fiel durch ein Panoramafenster direkt auf den Park und die dahinter liegende Stadt. Die Sonne zeigt alles in leuchtenden Farben. Es sah beeindruckend aus!

„Wow“, entfuhr es Maxi. Sie, die sich geschworen hatte, alles schlecht zu finden, war hin und weg. „Das ist ja eine super Aussicht!“ Papa grinste zufrieden. „Sag ich doch. Warte aber erst einmal ab, welchen Ausblick du von deinem Zimmer genießen kannst.“ Papa schloss die Wohnungstür auf und ließ uns herein.

„Ich habe extra nach einer 5-Zimmer-Wohnung geschaut. Da haben wir dann alle Platz. Wohnzimmer, Arbeitszimmer, Schlafzimmer und dann noch je einen Raum für Dich Maxi und einen für Dich Tinchen.“

Der Flur war hell und freundlich. Die erste Tür führte in ein kleines Gästebad. Dann lagen rechter Hand die Küche und linker Hand das Wohn-/Esszimmer und das Arbeitszimmer, beide mit Parkettboden und mit einem Zugang zur Dachterrasse. Vom Flur aus führte eine Treppe ins 2. Geschoss der Penthouse-Wohnung. Dort waren das Schlafzimmer, zwei weitere Zimmer und ein großes Bad untergebracht. Alle drei Zimmer waren mit dicken Teppichen ausgelegt und hatten wiederum einen Zugang zur treppenförmigen Dachterrasse. Maxi und ich warfen einen Blick in die beiden Zimmer, die, wenn wir uns für unseren Vater entschieden, unsere Zimmer sein würden.

Beide Räume waren großzügig geschnitten. Das etwas größere Zimmer hatte einen Blick auf den Park, das andere zeigte zur Stadt hinaus. Beide Räume waren hell und freundlich.

„Na, was sagt ihr!“ Papa schaute uns erwartungsvoll an. „Hier lässt es sich doch leben – oder?“ Sein Blick fiel auf seine Uhr. „Ups, jetzt haben wir doch länger gebraucht, als ich dachte. Ich möchte euch unbedingt etwas zeigen, was euch vielleicht dann doch überzeugt. Also ab, wieder ins Auto!“ Papa drängte uns durch die Wohnungstür Richtung Aufzug.

Maxi warf noch einen unsicheren Blick zurück auf die geschlossene Wohnungstür. „Die Zimmer sind super, gegenüber denen zu Hause, meinst du nicht auch“, flüsterte sie mir zu. „Und Papa hat gesagt, wir dürfen uns die Einrichtung ganz allein zusammenstellen. Das gibt es bei Opa sicher nicht.“ Maxi wirkte unentschlossen.

„Aber hier hast du keinen Reitverein und keine Vereinsmeisterschaften“, trumpfte ich auf. „Die gibt es nur bei uns zu Hause.“

„Schon, aber zu Hause steht leider nicht mehr zur Debatte“, muffelte Maxi. „Und Opa – ich weiß nicht.“

Diesmal durfte ich vorne im Wagen sitzen. Die Fahrt lohnte sich kaum. Einmal um den Park herum und schon fuhren wir durch eine baumgesäumte Einfahrt auf einen gepflegten Hof.

Mein Herz sackte in die Kniekehle: ein Reitstall! Und was für einer. Alles sah aus wie geleckt. Gepflegte Pferde standen in den Paddocks vor ihren Boxen und genossen die Sonne. In einem der großen Gebäude rechts von mir musste die Reithalle sein. Ein Traum für jeden Pferdefreund. Ein Blick zu Maxi zeigte mir, dass ich richtig lag. Sie stand mit offenem Mund da und staunte.

„Guten Tag!“ Ein Mann in Reithosen kam auf uns zu. „Sie sind bestimmt Herr Röttger mit ihren beiden Töchtern Maximiliane und Kristina. Ich bin Herr Lehmann, der Verwalter des Hofes. Herr Bräuer ist im Moment noch im Gespräch, wird aber danach sofort zu uns stoßen.“

„Bräuer, DER Turnierreiter Bräuer?“ Maxi kriegte den Mund vor Staunen nun wirklich nicht mehr zu. „Gehört ihm der Hof???“

Herr Lehmann lachte. „Wie ich sehe, wollten sie ihre Töchter mit der Information überraschen. Ja, dies ist der Ausbildungsstall von Herrn Bräuer. Wir bilden junge talentierte Reiter und ihre Pferde aus. Und wenn ich ihren Vater richtig verstanden habe", Herr Lehmann warf einen kurzen Blick auf unseren Vater, der zustimmend nickte, „ist zumindest eine der Damen sehr am Reitsport interessiert.“

Maxi schaute unseren Vater mit großen Augen an. „Hier soll ich reiten dürfen? Echt Papa?“

„Wenn du hier wohnst, muss ich doch schauen, dass du weiter dein Hobby ausüben kannst. Herr Mechler, dein Reitlehrer hat noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, wie schade es wäre, wenn du mit dem Reiten aufhören würdest.“ „Ah, da kommt ja Herr Bräuer!“

Ein kräftiger, gut aussehender Mann trat auf sie zu. Herr Lehmann stellte sie einander vor. „Herr Bräuer, hier sind wie angemeldet Herr Röttger mit seinen Töchtern Maximiliane und Kristina.“ Herr Bräuer gab uns allen die Hand.

„Sie können Maxi zu mir sagen!“ entfuhr es Maxi. „Maximiliane klingt so gespreizt. Dürfen wir uns hier umsehen?“

„Frei auf dem Hof bewegen bitte nicht. Ich weiß noch nicht, wie gut ihr euch mit Pferden auskennt, deshalb führe ich euch herum und zeige euch alles – einverstanden?“ Herr Bräuer lächelte freundlich. „Wir gehen erst einmal zu den Pferden. Herr Lehmann, wenn Sie sich bitte um die Heulieferungen kümmern würden.“

„Wir haben zurzeit 54 Pferde auf dem Hof. Zum Teil eigene, zum Teil Berittpferde und auch einige Verkaufs­pferde.“ Herr Bräuer betrat den ersten Stall. „Hier stehen unsere Turnierpferde. Bitte nicht anfassen.“ Rasch zog ich meine Hand zurück. „So besteht keine Gefahr, dass jemand gebissen wird. Unsere Turnierpferde sind manchmal etwas empfindlich.“

„Im nächsten Stall stehen die Beritt- und Verkaufspferde. Da könnt ihr dann gerne das eine oder andere streicheln, aber bitte vorher fragen!“

„Und wo stehen die Schulpferde?“ Maxi wirkte etwas ungeduldig. Bestimmt hatte sie schon „Hummeln im Hintern“ und wäre am liebsten auf das nächste Pferd gestiegen.

„Schulpferde in Sinne von Reitschulpferden gibt es hier nicht. Wer in unseren Ausbilderstall aufgenommen werden will, der braucht ein eigenes Pferd. Während der Aus­bildung wird dann schon mal das eine oder andere Beritt- oder Verkaufspferd zur Verfügung gestellt, wenn es für das Weiterkommen notwendig ist.“

Maxi guckte etwas enttäuscht, aber auch etwas hoffnungsvoll. Dass es hier weder um einen Reitverein noch um eine Reitbeteiligung ging, wurde selbst mir so langsam klar. Und jetzt sprach es Herr Bräuer auch aus:

„Wenn ich sie am Telefon richtig verstanden habe, ist ihre Tochter eine talentierte Reiterin. Erst zwei Jahre im Sattel und schon Aussicht auf den Titel des Vereinsmeisters, das ist nicht schlecht.“ Herr Bräuer nickte bei seinen eigenen Worten zustimmend mit dem Kopf. „Das ist genau das, was wir immer suchen. Und wenn diese Entwicklung dann mit einem eigenen Pferd gefördert werden soll, ist das genau der richtige Weg!“

Maxi stieß einen Schrei aus, der alle Pferde in den Boxen zusammenzucken ließ. Herr Bräuer wirkte schwer irritiert, ob solchen Fehlverhaltens in einem Pferdestall.

„Entschuldigung“, Maxi war puterrot angelaufen. „Ich bitte tausendmal um Entschuldigung, aber …“ Sie schaute unseren Vater mit strahlenden Augen an. “Papa, ist das wahr? Ich kriege ein eigenes Pferd?“

„Wie ich schon sagte, Maxi. Herr Mechler hat mir nahe gelegt, dich weiter reiten zu lassen, und dies hier scheint mir genau der richtige Stall. Wenn du dazu ein eigenes Pferd brauchst, dann soll es so sein!“ Papa wirkte sehr selbstzufrieden, und wenn ich mir Maxi so anschaute, schien er bei ihr schon gewonnen zu haben.

Maxis Begeisterung kannte keine Grenzen. „Wann kaufen wir es? Wo kriegen wir es her? Mensch, Papa! Nun spann mich doch nicht so auf die Folter!“

Papa lächelte nur. „Also erst einmal steht noch nicht fest, ob du wirklich hier nach Oberndorf ziehst. Wenn dem so ist, habe ich mit Herrn Bräuer vereinbart, dass du in den Sommerferien auf den verschiedenen Verkaufspferden unterrichtet wirst. Dabei wird man dann sehen, welches Pferd am besten zu dir passt. Dies scheint mir die beste Möglichkeit, ein passendes Pferd zu finden.“ Mein Vater schaute Herrn Bräuer fragend an.

Herr Bräuer nickte zustimmend. „Dein Vater wird das Pferd dann hier weiter einstellen, sodass du und das Pferd zusammen weiter ausgebildet werden können. So, und jetzt, wie versprochen, hier der Stall mit den Verkaufspferden, aber … “, er hielt die losstürmende Maxi am Arm fest. „Verlieb dich jetzt nicht in eins der Pferde bloß wegen seines schönen Köpfchens oder dem lieben Blick. So funktioniert der Pferdeverkauf bei uns nicht. Es kommt später darauf an, dass ihr zusammenpasst. Was hilft dir ein hübsches Pferdchen, wenn du es nicht reiten kannst?“

Etwas desillusioniert ging Maxi durch die Reihen der Pferdeboxen. Die meisten Pferde waren eh draußen auf dem Paddock und wenn man sich sowieso nicht schon vorab verlieben durfte ...

Trotzdem schauten wir uns den Ausbildungsstall Bräuer noch ausführlich an: Es war nahezu alles vorhanden: 2 Reithallen, 1 Springhalle, ein großer Außenplatz, Wasch­boxen, Infrarot-Strahler zum Trocknen der nassen Pferde, eine Führmaschine und sogar ein Laufband unter Wasser. Maxi war hin und weg!

„Und wo sind die Koppeln?“ wagte ich schüchtern einzuwerfen.

„Tja, hier hat die Stadtnähe einen echten Nachteil“, gab Herr Bräuer zu. „Wir haben zwar zwei große Koppeln außerhalb der Stadt. Aber die sind natürlich nicht dafür geeignet, unsere Rösser täglich hin und wieder zurückzubringen. Unsere Turnierpferde und auch unser Rekonvaleszenten dürfen dort ausspannen. Im Sommer gehen wir mit den Pferden möglichst einmal die Woche ins Gelände, im Winter steht der Außenplatz als Winterauslauf zur Verfügung. Das muss reichen.

So, und jetzt muss ich mich wieder um meine Pferde kümmern. Wenn es soweit ist, rufen Sie mich doch einfach an. Wir vereinbaren dann wieder einen Termin!“ Herr Bräuer gab uns allen noch einmal die Hand und verschwand dann im Turnierstall.

Wir blieben allein auf dem Hof zurück. Papa schaute Maxi erwartungsvoll an. „Na, wäre das was für dich? Du musst dich nicht sofort entscheiden. Für heute reicht uns die Zeit nicht mehr, aber wir können uns nächste Woche noch die Schule und auch das Sportzentrum anschauen – oder einen kleinen Bummel durch die Fußgängerzone machen. Hier gibt es alles, was dein Herz begehrt.“ Papa breitete die Arme aus. Maxi warf sich hinein.

„Paps, es ist einfach toll hier. Und wenn ich dann noch bei Herrn Bräuer reiten darf … Mensch, was werden meine Freundinnen dazu sagen!“

Jetzt schienen die beiden auch mich wieder zu bemerken.

„Mensch Tinchen, merkst Du nicht, wie viel besser es hier ist als auf dem öden Land. Und für Dich werden wir hier bestimmt auch das passende Hobby finden.“ Maxi wandte sich wieder unserem Vater zu. „Also Papa, dass du mich so gut kennst, und weißt was mir gefällt, das hätte ich nie für möglich gehalten.“ Maxi nahm Papa noch einmal fest in den Arm und stieg vorn ins Auto.