Vier zauberhafte Schwestern und der magische Stein - Sheridan Winn - E-Book

Vier zauberhafte Schwestern und der magische Stein E-Book

Sheridan Winn

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Beschreibung

Vier zauberhafte Schwestern geben nicht auf! Sky, Flora, Marina und Flame wissen genau, dass ihnen die fiese Glenda schaden will. Aber gilt das auch für ihre Enkelin Verena, Marinas neue Freundin? Können sie ihr trauen oder wird Verena gar von Glenda benutzt, um sich bei den Schwestern einzuschmeicheln und ihr Zuhause, Cantrip Towers, in Gefahr zu bringen? Als die Schwestern schon fast nicht mehr weiter wissen, machen sie eine Entdeckung: einen magischen Stein, der ihnen von ihrem Urururgroßvater hinterlassen wurde und der ihre Zauberkräfte verstärkt. Jetzt kann Glenda kommen! - Der zweite Band der erfolgreichen Serie - Voller Magie und Abenteuer - Mit vielen zauberhaften Vignetten und einem Familienstammbaum von Franziska HarveyAlle Bände der Serie: Band 1: Vier zauberhafte Schwestern Band 2: Vier zauberhafte Schwestern und der magische Stein Band 3: Vier zauberhafte Schwestern und das Geheimnis der Türme Band 4: Vier zauberhafte Schwestern und ein Geist aus alten Zeiten Band 5: Vier zauberhafte Schwestern und die große Versöhnung Band 6: Vier zauberhafte Schwestern und die fremde Magie Band 7: Vier zauberhafte Schwestern und die uralte Kraft Band 8: Vier zauberhafte Schwestern und die geheimnisvollen Zwillinge  Band 9: Vier zauberhafte Schwestern und die Weisheit der Eulen Band 10: Vier zauberhafte Schwestern und die unsichtbare Gefahr Prequel 1: Vier zauberhafte Schwestern – Wie alles begann: Flame und die Kraft des Feuers Prequel 2: Vier zauberhafte Schwestern – Wie alles begann: Marina und die Kraft des Wassers Prequel 3: Vier zauberhafte Schwestern – Wie alles begann: Flora und die Kraft der Erde Alle Bände bei Antolin gelistet

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Seitenzahl: 258

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Sheridan Winn

Vier zauberhafte Schwestern und der magische Stein

 

Aus dem Englischen von Katrin Weingran

 

Mit Vignetten von Franziska Harvey

Über dieses Buch

 

 

Vier zauberhafte Schwestern geben nicht auf!

 

Sky, Flora, Marina und Flame wissen genau, dass ihnen die fiese Glenda schaden will. Aber gilt das auch für ihre Enkelin Verena, Marinas neue Freundin? Können sie ihr trauen? Oder wird Verena von Glenda benutzt, um sich bei den Schwestern einzuschmeicheln und ihr Zuhause, Cantrip Towers, in Gefahr zu bringen? Als die Schwestern schon fast nicht mehr weiter wissen, machen sie eine Entdeckung: einen magischen Stein, der ihnen von ihrem Urururgroßvater hinterlassen wurde und der ihre Zauberkräfte verstärkt. Jetzt kann Glenda kommen!

 

Der zweite Band der erfolgreichen Serie voller Magie und Abenteuer – mit vielen zauberhaften Vignetten von Franziska Harvey

 

Alle Bände der Serie:

Band 1: Vier zauberhafte Schwestern

Band 2: Vier zauberhafte Schwestern und der magische Stein

Band 3: Vier zauberhafte Schwestern und das Geheimnis der Türme

Band 4: Vier zauberhafte Schwestern und ein Geist aus alten Zeiten

Band 5: Vier zauberhafte Schwestern und die große Versöhnung

Band 6: Vier zauberhafte Schwestern und die fremde Magie

Band 7: Vier zauberhafte Schwestern und die uralte Kraft

Band 8: Vier zauberhafte Schwestern und die geheimnisvollen Zwillinge 

Band 9: Vier zauberhafte Schwestern und die Weisheit der Eulen

Band 10: Vier zauberhafte Schwestern und die unsichtbare Gefahr

Prequel 1: Vier zauberhafte Schwestern – Wie alles begann: Flame und die Kraft des Feuers

Prequel 2: Vier zauberhafte Schwestern – Wie alles begann: Marina und die Kraft des Wassers

Prequel 3: Vier zauberhafte Schwestern – Wie alles begann: Flora und die Kraft der Erde

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter www.fischerverlage.de/kinderbuch-jugendbuch

Biografie

 

 

Sheridan Winn lebt in Norwich, England, und arbeitet als freie Kinderbuchautorin und Journalistin für bekannte Magazine und Zeitungen. Sie hat zwei erwachsene Kinder und eine Enkelin und ist selbst in einem großen Haus voller geheimnisvoller Schränke und schrulliger Tanten aufgewachsen. Das Haus hieß Littlewood House, stand auf einem riesigen Grundstück und hat sie auf die Idee gebracht, diese Geschichte zu schreiben. Genau wie die Cantrip-Mädchen ist Sheridan Winn eine von vier Schwestern – die alle an die Kraft der Magie glauben.

 

Franziska Harvey, geboren 1968, studierte Illustration und Kalligraphie und arbeitet als freie Illustratorin für verschiedene Verlage und Agenturen. Sie lebt mit ihrer Familie in Frankfurt am Main.

Inhalt

[Widmung]

Dies ist nur ein [...]

Die vier zauberhaften Schwestern - Steckbriefe ...

... und ihre Familie

Was bisher geschah 

Warnungen

Glendas Plan

Marinas neue Freundin

Mrs Duggery klopft an

Floras Geheimnis

Mrs Duggery sorgt für eine Überraschung

Die Cantrips in London

Die weinende Wand

Scherereien und Streitereien

Oswalds unwiderstehliches Angebot

Das Geheimnis im Wandschrank

Die Ruhe vor dem Sturm

Die Schlacht um Cantrip Towers

Chaos

Sonntagabend auf Cantrip Towers

Für meine Schwester Mellie

und meine Cousine Lizzie,

die die Erinnerung an den

Grashüpfer-Sommer mit mir teilen

Dies ist nur ein kleiner Ausschnittdes Familienstammbaums!

Die vier zauberhaften Schwestern - Steckbriefe ...

... und ihre Familie

Was bisher geschah 

Als Sky Cantrip eines Morgens erwacht, kann sie Dinge durch die Luft schweben lassen! Und nicht nur das, auch ihre Schwestern Flame, Marina und Flora verfügen über magische Fähigkeiten, von denen Sky bis zu ihrem neunten Geburtstag keine Ahnung gehabt hat. Sky merkt schnell: Zauberkräfte zu haben kann ganz schön kompliziert sein! Denn die Schwestern müssen sich an den Ehrenkodex der Cantrip-Familie halten, der besagt, dass sie ihre magischen Fähigkeiten nur einsetzen dürfen, um Gutes zu tun. Vor allem aber müssen ihre besonderen Kräfte ein Geheimnis bleiben, sonst verlieren sie sie für immer. Deswegen dürfen die vier Mädchen noch nicht einmal ihren Eltern von ihren magischen Kräften erzählen. Wie gut, dass sie Grandma haben, die ihnen mit Rat und Tat zur Seite steht! Da Grandma früher selbst magische Kräfte hatte, müssen die Mädchen ihre Fähigkeiten vor ihr nicht geheim halten. Grandma selbst hat ihre Kräfte vor langer Zeit verloren, als sie sich gegen eine Verwandte zur Wehr setzte, die sie mit ihrer bösen Magie verletzen wollte: Glenda Glass. Denn neben den guten Cantrips, die sich an den Ehrenkodex der Familie halten, gibt es leider auch böse Cantrips, die ihre Kräfte missbrauchen.

 

Eben diese Glenda ist vor kurzem plötzlich in der Stadt aufgetaucht und fest entschlossen, den Schwestern ihre magischen Kräfte zu nehmen! Doch den Cantrip-Schwestern ist es fürs Erste gelungen, ihr die Stirn zu bieten. Die dunkle Magie, die Glenda ihnen während des Schulkonzerts entgegengeschleudert hat, ist am Magischen Kreis abgeprallt, den die Schwestern zu ihrem Schutz gebildet hatten, und hat sie außer Gefecht gesetzt. Denn solange die vier Schwestern zusammenhalten, sind sie stärker als Glenda. Doch der Kampf ist noch lange nicht zu Ende, und Glenda hat bereits einen Plan, wie sie die Schwestern entzweien kann …

Warnungen

Flame Cantrip schauderte. Es war ein eisiges Schaudern, das an ihrem rechten Ohr begann und sich von dort auf ihrem ganzen Körper ausbreitete. Es kam so plötzlich und unerwartet, dass sie auf der Stelle stehen blieb und nach Luft schnappte.

Sie fröstelte, obwohl die warme Junisonne von einem wolkenlosen Himmel auf sie herabschien. Das ist eine Warnung, dachte sie. Sie hatte gerade den Schulhof auf dem Weg zur morgendlichen Versammlung überquert. Nun stand sie da wie festgefroren und war nicht in der Lage, sich zu rühren.

Eine zweite eisige Welle erfasste sie und ließ sie aufs Neue am ganzen Körper zittern.

Was ist bloß los, wunderte sie sich und starrte einen Moment auf den geteerten Weg vor sich.

Dann hob sie ihren Blick und atmete geräuschvoll ein. Keine zehn Meter von ihr entfernt rollte ein großer silberner Wagen langsam vom Schulgelände. Seine Fahrerin, eine elegante Frau, die ihr aschblondes Haar im Nacken zu einem Dutt geschlungen trug, starrte sie unverhohlen an.

Es war Glenda Glass, die erbitterte Feindin der Cantrip-Schwestern. Glenda, die während des Schulkonzerts vor neun Tagen versucht hatte, ihnen wehzutun und beinahe damit durchgekommen wäre.

Obwohl sie am ganzen Körper zitterte, hielt Flame dem Blick der Frau entschlossen stand. Sie presste die Lippen aufeinander, als sie Glendas kaltes, einschüchterndes Lächeln sah.

Glenda versucht, mir Angst einzujagen, dachte Flame. Obwohl ihre Magie sich das letzte Mal, als sie uns angegriffen hat, gegen sie selbst gerichtet hat, wird sie nicht aufgeben. Das spüre ich.

Flame hielt den Kopf hoch erhoben, drückte den Rücken durch und machte sich so groß sie konnte.

Du wirst uns nicht noch einmal wehtun, dachte sie, während sie beobachtete, wie der Wagen davonfuhr. Es wird dir nicht gelingen, uns unsere Magie zu nehmen. Versuch es ruhig, du wirst diesen Kampf nicht gewinnen …

Als sie sich umdrehte, sah sie Verena Glass.

Sie zitterte ein drittes Mal am ganzen Körper, während sie dem großen blonden Mädchen nachblickte.

Es ist eine Warnung, dachte Flame, und sie hat irgendwie mit ihr zu tun. Wir müssen uns vor Verena ebenso in Acht nehmen wie vor Glenda. Wir sollten besser sehr, sehr vorsichtig sein …

Ein spielerischer Knuff gegen die Schulter riss sie aus ihren Gedanken.

»Komm schon, Flame!«, sagte Marina auffordernd. »Wir müssen zur Versammlung. Heute werden wir endlich erfahren, wer den Musikwettbewerb gewonnen hat! Hast du das etwa vergessen?«

Dann bemerkte Marina plötzlich, wie blass ihre Schwester war und fragte besorgt: »Alles o.k. mit dir?«

»Klar«, sagte Flame mit einem kleinen Lächeln. »Los geht’s.«

Ich will nicht, dass meine Schwestern sich unnötig Sorgen machen, dachte sie bei sich. Ich warte ab, bis ich herausgefunden habe, was es mit dieser Warnung auf sich hat. Erst dann erzähle ich den anderen davon.

Zwanzig Minuten später saßen die Schüler und Lehrer der Drysdale-Schule in der großen Aula mit der hohen Decke und den dunklen, holzvertäfelten Wänden. Alle waren aufgestanden, um die Schulhymne zu singen. Dann hatten sie der Ansprache des Kaplans gelauscht. Jetzt rutschten sie aufgeregt auf ihren Stühlen hin und her und warteten auf das Ergebnis des Landesweiten Musikwettbewerbs der Schulen.

Neun Tage zuvor waren die Cantrip-Schwestern und etliche ihrer Mitschüler bei der Regionalmeisterschaft angetreten. Falls die Drysdale es tatsächlich geschafft haben sollte, Regionalmeister zu werden, würden sie alle zum Finale nach London fahren und in der berühmten Royal Albert Hall gegen zwei weitere Schulen um die Landesmeisterschaft musizieren.

Jeder Einzelne im Saal beugte sich gespannt auf seinem Stuhl nach vorn, als Brian Blenkinsop, der Direktor der Drysdale, mit langen, raumgreifenden Schritten auf das Mikrophon zuging.

Flame, Marina, Flora und Sky hielten den Atem an. Hatte ihre Schule gewonnen?

»Und nun«, verkündete Mr Blenkinsop, »das Ergebnis des Landesweiten Musikwettbewerbs der Schulen …«

Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so still war es im Saal. Alle warteten mit klopfenden Herzen. Brian Blenkinsop hustete.

»Mach endlich!«, flüsterten die Schüler.

»Wir alle sind sehr gespannt zu erfahren, wer …«, sagte Mr Blenkinsop und räusperte sich nervös.

Dröhnende Stille. Mr Blenkinsop räusperte sich erneut. Einige Schüler stöhnten ungeduldig auf.

Der Direktor sah seine Schüler und Lehrer an. Dann grinste er plötzlich breit und rief: »Wir haben gewonnen!«

Lautes Hurrageschrei entbrannte.

»Unsere Schule gehört zu den drei Finalisten, die am Samstagabend in der Royal Albert Hall auftreten werden!«

Alle schrien aufgeregt durcheinander und klatschten wie wild.

»Ich kann es noch gar nicht fassen!«, sagte Flame zu ihrer Freundin Pia, die neben ihr saß. »Herzlichen Glückwunsch, Flame!«, gratulierte ihr Pia und lächelte. Ihre braunen Augen strahlten. »Das habt ihr wirklich toll gemacht«, fügte sie hinzu.

Flame drehte sich auf ihrem Platz um und entdeckte ein paar Reihen hinter sich Marina. Sie lachte überglücklich. Beide wussten, welch besondere Bedeutung dieser Sieg für die Cantrip-Schwestern hatte.

Das viele Üben hat sich wirklich gelohnt, dachte Flame. Sie drehte sich nach allen Seiten und versuchte Flora und Sky unter den anderen Schülern ausfindig zu machen. Allein die Cantrip-Schwestern und ihre Großmutter wussten, was sich während des Konzerts wirklich abgespielt hatte. Glenda Glass war entschlossen gewesen, die Schwestern mit ihrer Magie zu verletzen. Sie hatte der Großmutter der Mädchen, Marilyn Cantrip, bis heute nicht verziehen, dass sie einst die bessere Ballerina gewesen war. Und dass sie Sheldon Cantrip geheiratet hatte, den Besitzer von Cantrip Towers.

Obwohl auch Glenda eine Cantrip war, hielt sie sich nicht an den Ehrenkodex der Cantrips, der besagte, dass Magie nur zum Guten eingesetzt werden durfte. Und das machte sie zu einer sehr gefährlichen Gegnerin.

Flame seufzte. Im Gegensatz zu ihrem Vater hatten sie und ihre Schwestern die magischen Kräfte ihrer Großmutter geerbt. Und damit auch die Bürde, sich an den Ehrenkodex zu halten, wenn sie ihre Kräfte nicht verlieren wollten. Was geschah, wenn eine gute Cantrip ihre Kräfte missbrauchte, zeigte das Beispiel ihrer Großmutter: Marilyn Cantrip war eines Nachts gezwungen gewesen, sich gegen Glenda zur Wehr zu setzen, und hätte sie beinahe getötet. Seitdem waren ihre Kräfte verschwunden.

 

Nun saßen die vier Schwestern in der großen Aula und dachten darüber nach, wie sehr sie ihre Musik liebten. Wieder und wieder hatten sie ihre Stücke geprobt, und die harte Arbeit hatte sich schließlich ausgezahlt.

Flame wäre beinahe in Tränen ausgebrochen. Wir haben es tatsächlich geschafft, dachte sie und sah blinzelnd zur Decke hoch. Ihr langes, kupferfarbenes Haar glitt über ihre Schultern den Rücken hinunter. Ein paar Reihen weiter hinten beobachtete Marina, wie Flame den Kopf in den Nacken legte. Sie wusste, dass ihre Schwester die Tränen zurückhielt.

Flame ist tapfer und stark und sehr klug, dachte Marina. Wenn sie nicht erkannt hätte, dass der Magische Kreis uns vor Glendas dunkler Magie beschützen würde, wäre unser Auftritt kein Erfolg geworden, und wir hätten womöglich ernsthafte Verletzungen davongetragen.

Marina schluckte. Sie liebte und bewunderte ihre große Schwester, und sie konnte kaum glauben, dass sie in ein paar Tagen zusammen in London auf der Bühne stehen würden.

Ich bin ja so glücklich, dachte sie.

»Toll gemacht!«, sagte ihre beste Freundin, Janey McIver, die neben ihr saß, fröhlich.

Marina lachte. »Danke, Janey!«

Als die Versammlung vorüber war, rannten die Schwestern freudestrahlend aufeinander zu.

»Wir haben es geschafft!«, kreischten Flame, Marina und Flora. »Wir haben geholfen, die Regionalmeisterschaft zu gewinnen!«

»Gigantastisch!«, schrie Sky, so laut sie konnte.

Flame sah ihre kleine Schwester mit den großen grauen Augen und der Stupsnase an. »Gut gemacht, Frechdachs«, sagte sie und strich ihr über das glatte blonde Haar.

Skys Backen glühten vor Freude. »Ich glaub’s nicht, wir fahren nach London!«, quietschte sie und strahlte über das ganze Gesicht.

Flora, die ruhigste der Cantrip-Schwestern, sah einfach nur glücklich aus. Marina umarmte sie, dann zerzauste sie ihr übermütig das kurze kastanienbraune Haar.

»Lass das!«, protestierte Flora lachend und knuffte ihre Schwester freundschaftlich.

Marina sah Flame an. »Wir haben es tatsächlich geschafft, wir haben es zusammen geschafft!«, sagte sie, und die beiden älteren Schwestern umarmten einander.

»Royal Albert Hall, wir kommen!«, rief Flame.

 

Als die Schwestern auf den Ausgang der Aula zugingen, blieb Flame kurz stehen, um mit Mr Taylor, dem Musiklehrer, zu sprechen. So bekam sie nicht mit, wie Verena Glass sich zu Marina gesellte.

»Hallo, gut gemacht!«, sagte Marina und lächelte Verena zu.

»Danke«, antwortete diese. »Du aber auch!« Verenas außergewöhnlich schöne Stimme hatte ihren Teil dazu beigetragen, dass sie die Regionalmeisterschaft gewonnen hatten. Sie hatte wundervoll gesungen und war stolz auf das Ergebnis.

Seit Verena den Samstagnachmittag bei einem Softballspiel auf Cantrip Towers verbracht hatte, mochte sie die Cantrip-Schwestern recht gern, auch wenn sie Flame gegenüber vorsichtig blieb. Sie und Flame waren sich einfach zu ähnlich. Beide Mädchen waren sowohl klug als auch sportlich. In der Schule wetteiferten sie tagtäglich um gute Noten und Anerkennung. Und zu allem Überfluss mochten beide denselben Jungen: Quinn McIver mit den dunklen Augen, was die Sache nicht einfacher machte.

In Marinas Gegenwart jedoch fühlte Verena sich wohl. Als Einzelkind, das sich sein Zuhause mit einer kaltherzigen Großmutter teilte, sog sie Marinas Freundlichkeit in sich auf wie ein Schwamm.

»Das haben wir wirklich toll hingekriegt!«, sagte Marina. »Du kommst doch mit nach London, oder?«

»Ja, klar.« Verena lächelte. »Kaum zu glauben, dass ich in der Royal Albert Hall singen werde! Ich bin mir nur nicht sicher, ob meine Großmutter mitkommt. Sie mag London nicht und scheint kein bisschen interessiert daran, mich singen zu hören.«

»Wie schade«, sagte Marina. Verena tat ihr leid, aber dass Glenda nicht zum Konzert kommen würde, nahm sie erleichtert zur Kenntnis. »Weißt du schon, wie du nach London kommst?«, fragte sie.

»Ich werde wohl eine Mitfahrgelegenheit brauchen. Übernachten kann ich bei meinem Vater in der Stadt.«

»Ich frage Mum, ob du mit uns fahren kannst, wenn du möchtest«, schlug Marina vor.

»Danke, das wäre nett«, erwiderte Verena erleichtert.

In diesem Moment beendete Flame ihre Unterhaltung mit Mr Taylor. Als sie entdeckte, dass Marina sich mit Verena unterhielt, verlor ihr Gesicht schlagartig jegliche Farbe.

Im selben Moment wandte auch Marina sich um und sah, dass Flame sie anstarrte, das Gesicht weiß wie ein Bettlaken. Sie warf ihrer älteren Schwester einen irritierten Blick zu.

Verena blickte von einer Schwester zur anderen. Sie hatten gerade den Sieg der Regionalmeisterschaft gefeiert, und jetzt starrte Flame Cantrip sie angsterfüllt an.

Was ist bloß los, überlegte Verena ratlos. Was glaubt sie, habe ich getan?

Verena und Marina sahen sich einen Moment lang mit hochgezogenen Augenbrauen an, und als sie wieder zu Flame blickten, war diese verschwunden.

***

Zu Hause auf Cantrip Towers war Dad auf dem Weg in sein Arbeitszimmer, eine Tasse Kaffee in der Hand. An manchen Tagen arbeitete er in seinem Architekturbüro in der Stadt, an anderen zu Hause. Er summte vor sich hin, wie er es häufig tat, wenn er gute Laune hatte.

Ich frage mich, ob die Drysdale das Finale erreicht hat, dachte er, als er die Tasse auf seinem Schreibtisch abstellte.

Er setzte sich und trank ein paar Schlucke Kaffee, während er über die Woche nachdachte, die vor ihm lag. Dann fiel sein Blick auf den Brief von Oswald Foffington-Plinker. Er lag zuoberst auf dem Poststapel und war leider nicht zu übersehen.

»Verflixt nochmal«, brummte Dad. Einen Moment wünschte er sich, er wäre auf direktem Weg in sein Büro in der Stadt marschiert und hätte den Brief erst gar nicht gesehen. Er hatte ihn schon vor über einer Woche gelesen und seitdem nicht mehr angerührt.

Dad lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, öffnete den teuer aussehenden weißen Umschlag und faltete den Brief auseinander.

Da stand es: Oswald Foffington-Plinker wollte Cantrip Towers und das Grundstück, auf dem es stand, kaufen.

Dads Herz zog sich zusammen, genau wie beim ersten Mal, als er den Brief gelesen hatte. Er kratzte sich am Hinterkopf und seufzte, als plötzlich das Telefon klingelte.

»Hallo, Colin Cantrip?«

«Guten Morgen, Colin, alter Knabe, Oswald am Apparat.«

»Guten Morgen, Oswald«, antwortete Dad vorsichtig.

»Ich rufe wegen meines Angebots an. Hast du kurz Zeit?«, sagte Oswald mit einer Stimme, die schmierig und entschlossen zugleich klang.

»Ich lese es grade noch mal durch«, sagte Dad.

»Sehr gut«, erwiderte Oswald. »Ich dachte mir schon, dass du etwas Zeit brauchen würdest, mein Angebot zu überdenken. Ich würde gern einen Termin vereinbaren, damit ich mit meinen Geschäftspartnern vorbeikommen kann, um das Objekt auf Herz und Nieren zu prüfen. Ich bin hundertprozentig überzeugt, dass sich Cantrip Towers erfolgreich in ein Wellnesshotel umwandeln ließe, mit Pool und allem Drum und Dran. Es hat so viel ungenutzte Fläche und unglaubliches Potential. Das perfekte Bauobjekt!«

Dad schwieg. Der Gedanke, sein Haus, das Zuhause seiner Familie, in die Hände eines Immobilienhais zu geben, erfüllte ihn mit Verzweiflung. Dann sagte er: »Oswald, es ist nicht nötig, dass ihr vorbeikommt. Wir haben nicht vor, Cantrip Towers zu verkaufen. Weder jetzt noch in Zukunft.«

»Nun, denk darüber nach, alter Knabe«, sagte Oswald ungerührt. »Weißt du, letztes Mal, als ich bei euch war, ist mir aufgefallen, dass euer Dach in einem schlimmen Zustand ist. Und das ist schon ein Weilchen her. Es ist ein ganz schön großer Kasten, den du da unterhältst, besonders wenn man bedenkt, dass du jedes Jahr einen Batzen Schulgeld für deine vier Töchter berappen musst.«

Dad atmete hörbar aus. Oswald hatte recht. Das Dach von Cantrip Towers war in einem schlechten Zustand, und das Schulgeld für die Drysdale riss jedes Schuljahr ein enormes Loch in die Familienkasse.

Da Oswald ein erfahrener Geschäftsmann war, wusste er, wann es Zeit war, zu schweigen und das Gesagte sacken zu lassen. »Ich lass dich jetzt mal weiterarbeiten. Ruf mich an, wenn du und Ottalie Gelegenheit hattet, ernsthaft über mein Angebot nachzudenken. Du sitzt da auf einer Goldmine, alter Knabe.«

Dad legte den Hörer auf und starrte aus dem Fenster in den Garten hinaus.

Was soll ich nur tun, dachte er. Mein Architekturbüro bringt gutes Geld, aber ich müsste ein reicher Mann sein, um das Dach von Cantrip Towers neu decken zu lassen. Es ist ein sehr großes Dach … Mein Urgroßvater, der Süßwarenfabrikant Sidney Cantrip, besaß ein ordentliches Vermögen, als er Cantrip Towers 1910 erbauen ließ. Seit damals ist das Dach nicht erneuert worden. Wie sollen wir das alles nur bezahlen? Wir müssen die Mädchen vielleicht von der Drysdale nehmen. Was ist wichtiger für unsere Töchter? Eine gute Ausbildung oder ein wundervolles Zuhause? Je nachdem wie schlimm es ist, können wir Cantrip Towers womöglich nicht halten. Ich werde mir das Dach heute Abend mal genauer ansehen. Ich muss wissen, womit wir es zu tun haben.

Dad lächelte, als er an seinen Vater, Sheldon Cantrip, dachte. Er hatte immer gesagt: »Auf Cantrip Towers müssen stets Cantrips leben.« Mein Vater war ein reicher Mann, dachte Dad. Und wenn sein Erbe sich nicht in Luft aufgelöst hätte, wäre meine Mutter es heute noch. Wir haben kein Familienvermögen mehr, auf das wir zurückgreifen könnten. Wenn wir das Dach von Cantrip Towers reparieren wollen, werde ich einen großen Batzen Geld verdienen müssen. Und wie um Himmels willen soll ich das bloß anstellen?

Glendas Plan

An diesem Montagabend wurde das Abendessen auf Cantrip Towers in ausgelassener Atmosphäre eingenommen. Alle freuten sich riesig über den Sieg der Drysdale, und es gab viel zu erzählen. Die Schwestern waren aufgekratzt und dachten ununterbrochen an ihren Ausflug nach London und den Auftritt in der Royal Albert Hall. Mum strahlte vor Stolz auf ihre Mädchen, die viel Talent bewiesen und so hart für den Erfolg gekämpft hatten.

»Werden wir bei den Fords übernachten?«, fragte Flora. »Und werden sie mit zum Konzert kommen?«

»Die Antwort lautet ja und nochmals ja«, gab Dad zurück.

»Cool!«, sagte Flora.

»Ich mag die Fords.« Auch Flame freute sich sichtlich.

»Ja, sie sind ganz entzückend und sehr gute Freunde von uns«, stimmte Mum ihnen zu. »Euer Vater und ich kennen Tom und Hannah schon, seit wir zusammen auf der Uni waren.«

»Ich werde mein neues Etuikleid tragen«, sagte Marina verträumt. Von allen Cantrip-Schwestern war sie diejenige, die sich am meisten für Kleidung und Mode begeisterte.

»Wie es wohl sein wird, auf der Bühne der Royal Albert Hall zu stehen?«, warf Sky aufgeregt ein. »Sie ist ja so riesig!«

Und so ging es in einem fort.

Nur Dads Ankündigung, dass er im Anschluss an das Abendessen den Zustand des Daches begutachten wollte, trübte die Stimmung ein wenig.

»Ist es, weil Oswald Cantrip Towers kaufen will?«, fragte Flora alarmiert.

»Auch. Aber ich muss mich sowieso dringend darum kümmern«, antwortete Dad beschwichtigend. Er war sich bewusst, dass seine Familie ihn besorgt ansah. »Ich befürchte, wir können es nicht länger aufschieben.«

 

Sobald der Tisch abgeräumt war, ging Dad nach draußen und lief mit einem Fernglas um den Hals und Stift und Notizblock in der Hand quer über den Rasen. Mum und Grandma folgten ihm. Die Schwestern lieferten sich mit ihren Rädern wilde Verfolgungsjagden über das Gelände, während Mum, Dad und Grandma die riesige Dachfläche in Augenschein nahmen. Die warme Abendsonne schien auf Cantrip Towers herab, während sie um das Gebäude herumgingen. Dad sah immer wieder durch sein Fernglas und machte sich genaue Notizen. Mum und Grandma deuteten auf einzelne Dachziegel, die sich gelöst hatten, und Schornsteine, die dringend inspiziert werden mussten.

»Also gut«, sagte Dad schließlich. »Lasst uns auf den Dachboden steigen und nachsehen, was da oben los ist.«

Die vier Schwestern ließen ihre Räder auf dem Rasen liegen und folgten ihren Eltern und ihrer Großmutter ins Haus.

Auf dem obersten Absatz der Mahagonitreppe angekommen, wandte Dad sich nach links. »Lasst uns mit dem Ostflügel beginnen.«

Er marschierte den Flur entlang und öffnete die Tür am Ende des Ganges. »Es ist ein Weilchen her, seit ich in diesem Teil des Hauses war. O mein Gott, seht euch das an!«

Er ging auf eine Wand zu und fing mit dem Zeigefinger einen Wassertropfen auf, der über den Putz rann. An der Stelle hatte sich bereits ein kleines Wasserrinnsal gebildet.

»Igitt!«, rief Sky, als ihre Hand einen schleimigen orangefarbenen Pilz berührte, der in einer Zimmerecke wucherte.

»Ich hatte keine Ahnung, dass es so schlimm ist«, sagte Dad verstört. »Ich wusste, es sieht nicht gut aus, aber diesen Zustand hätte ich nie für möglich gehalten. Hier fällt ja alles auseinander!«

Die Cantrips sahen sich weiter auf dem Dachboden um. Sie kamen durch das Eisenbahnzimmer, mit dem riesigen Tisch, der von Gleisen und Zügen bedeckt war, und durch das Verkleidungszimmer, mit seiner farbenfrohen Auswahl an Kleidern, Hüten und Schuhen.

Während sie von Raum zu Raum gingen, wuchs Dads Besorgnis.

»Es ist schlimmer, als ich angenommen hatte«, sagte er bedrückt, als er einen großen gelben Fleck an der Decke entdeckte. »Da kommt ganz schön viel Wasser durch.«

»An der Stelle sind ein paar Ziegel verrutscht. Erinnerst du dich? Wir haben es vom Rasen aus gesehen«, sagte Mum.

Dad seufzte tief. »Ich werde den Dachdecker anrufen müssen, damit er das Dach mal genauer unter die Lupe nimmt. Das wird ein lukrativer Auftrag für ihn.«

»Lass uns nach unten gehen, Liebling«, sagte Mum und hakte sich bei ihm unter. »Ich könnte jetzt einen Kaffee vertragen.«

»Können wir noch eine Weile hierbleiben?«, fragte Sky.

»In Ordnung, Mädchen, aber nur noch zehn Minuten, es ist bald Schlafenszeit.«

 

Während Mum, Dad und Grandma sich in die Küche begaben, sah Flame sich die nassen Wände genauer an.

»Ich frage mich, ob wir das Haus mit unseren magischen Kräften wieder instand setzen könnten«, sagte sie nachdenklich.

»Ich könnte die Wand austrocknen«, schlug Marina vor. »Warum fangen wir nicht damit an?«

Sie stellte sich vor die Wand und hob ihre Hände. Dann fuhr sie mit den Handflächen prüfend über die Spur, die das Wasser auf dem Putz hinterlassen hatte. Sie konzentrierte sich und schloss kurz die Augen, um ihre Kräfte zu sammeln. Als sie sie wieder öffnete, strömte warmes, blaues Licht aus ihren Händen. Stück für Stück arbeitete sie sich an der Wand entlang, auf und ab, wieder und wieder, bis der Putz seine Farbe veränderte: von fiesem, feuchten Gelb zu hellem, freundlichen Weiß.

»Super!«, rief Flame begeistert und fuhr mit der Hand über die trockene Wand. »Aber wie verhindern wir, dass neues Wasser durch das Dach dringt? Von hier aus können wir die undichten Stellen nicht sehen, und nach draußen auf das Dach klettern können wir ja wohl auch schlecht.«

Die Schwestern blickten zur Decke. Alles, was sie sehen konnten, waren Holzbalken und weißer Putz.

»Ich kann vielleicht spüren, wo die Ziegel sind«, sagte Sky schließlich.

»Glaubst du, du kannst sie mit deiner Luftmagie anheben?«, fragte Flame.

»Sie sind ganz schön schwer«, ergänzte Marina zweifelnd.

»Ich werde es versuchen«, sagte Sky zuversichtlich.

»Wenn du die Ziegel zurück in die richtige Position bringen kannst, werde ich sie dort binden, Sky«, sagte Flora.

Sky hob ihre Hände und schloss die Augen. Die Stirn vor Konzentration gerunzelt, streckte sie ihre Hände zur Decke und benutzte ihre Magie, um zu spüren, wo die Dachziegel über ihr sich befanden.

Schon nach wenigen Sekunden sagte sie: »Hier drüben ist ein Loch, drei Ziegel sind verrutscht.«

Flame, Marina und Flora beobachteten, wie das blaue Licht aus Skys Händen strömte, während sie die Ziegel in die richtige Position brachte.

Sky war vollkommen in ihre Magie vertieft, und ihre Schwestern sahen ihr gebannt zu. So hörte keine von ihnen, dass Dad die Treppe heraufkam und jeden Moment bei ihnen sein würde. Sky hatte ihr Gesicht der Decke zugewandt, die Augen hielt sie geschlossen. Ihre Arme waren mit nach oben gedrehten Handflächen hoch über den Kopf gestreckt. Dabei machte sie mit leicht gebeugten Knien einen Ausfallschritt, als stemme sie sich gegen eine große Last. Dadurch stippte ihr Po ein bisschen nach hinten.

In diesem Moment betrat Dad das Zimmer.

»Sky, was tust du da?«, fragte er von der Tür aus.

Die Cantrip-Schwestern fuhren überrascht herum.

»Oh!«, rief Sky und ließ augenblicklich die Arme fallen. Über ihr ertönte ein lauter Knall, so, als wäre plötzlich etwas sehr Schweres auf das Dach gekracht.

Alle vier Schwestern hielten den Atem an.

»Was war das, um Himmels willen?«, rief Dad erschrocken und sah nach oben.

»Tauben«, sagte Flora.

»Tauben? So ein Unsinn! Da ist irgendetwas Schweres auf das Dach gefallen.« Dad starrte weiter zur Decke hoch.

Die Schwestern warteten schweigend. Nach einer Weile, die ihnen wie eine Ewigkeit vorkam, sagte Dad schließlich: »Von hier aus können wir es natürlich nicht sehen.«

Dann sah er seine Töchter an und fragte: »Sky, was hast du da eigentlich gemacht?«

»Sie hat uns gezeigt, wie eine Gottesanbeterin aussieht«, erwiderte Marina rasch.

»Ach so«, sagte Dad und nickte. »Sehr schön. Sehr überzeugend, vor allem der nach hinten gereckte Po.«

Sky kicherte, ihre Schwestern lächelten. Es war nicht das erste Mal, dass sie dabei überrascht wurden, wie sie ihre Magie anwandten. Hatte er das blaue Licht aus Skys Händen strömen sehen? Das schien nicht der Fall zu sein, denn Dad sah sich ratlos im Raum um.

»Warum bin ich eigentlich hier raufgekommen? Ach ja, mein Notizbuch und mein Stift. Da vorn sind sie auch schon!« Er hob beides auf. »Lasst euch von mir nicht weiter stören. Es ist gut zu wissen, dass ihr jederzeit eine Gottesanbeterin pantomimisch darstellen könnt. Vielleicht hilft es euch irgendwann mal, die Warteschlange im Supermarkt zu verkürzen.«

Dad verließ leise vor sich hin glucksend das Zimmer. Die Schwestern brachen in erleichtertes Gelächter aus.

»Um ein Haar!«, sagte Sky. »Ich hatte den letzten Ziegel schon fast an der richtigen Stelle!«

»Schnell, mach es jetzt fertig, ich pass auf, dass niemand kommt«, sagte Flame und ging auf die Tür zu.

Sky nahm ihre Pose als Gottesanbeterin wieder ein, schloss die Augen und konzentrierte sich. Kurz darauf fiel der schwere Ziegel mit einem leisen Plop in seine angestammte Position. Das Loch im Dach war verschlossen.

Flora stellte sich neben Sky, hob ihre Hände, verstärkte mit Hilfe ihrer Magie den Zusammenhalt der Ziegel und versiegelte das Dachstück auf diese Weise. Kaum waren sie damit fertig, hörten sie Mum nach ihnen rufen: »Kommt, Mädchen, es ist Schlafenszeit!«

»Genial«, sagte Flame. »Wenn wir regelmäßig hier hochkommen und mit unseren Kräften das Dach reparieren, lösen sich Dads Sorgen vielleicht in Luft auf!« Dann rannten die Schwestern die Treppe hinunter, um sich bettfertig zu machen.

 

Einen guten Kilometer entfernt, bei Verena zu Hause, herrschte während des Abendessens frostiges Schweigen. Glenda stellte kaum Fragen, und Verena war es leid, von sich aus etwas zu erzählen, an dem ihre Großmutter sowieso kein Interesse zeigte.

Nach dem Essen machte Glenda einen Kaffee und trug das Tablett mit der Kanne und den Tassen ins Wohnzimmer. Sie nahm auf dem Sofa Platz und sagte auffordernd: »Komm, Verena, setz dich zu mir, Liebes.«

Etwas in ihrer Stimme ließ Verena aufhorchen. Oder war es die Tatsache, dass ihre Großmutter sie ›Liebes‹ genannt hatte? So nennt sie mich so gut wie nie, dachte sie. Eigentlich immer nur dann, wenn ich etwas für sie tun soll.

Verena setzte sich und sah ihre Großmutter an. Glenda lächelte, doch ihre blassblauen Augen blieben eiskalt.

Sie hat kein Herz, dachte Verena, aber sie ist immer noch wunderschön. Man kann sehen, dass sie früher Balletttänzerin gewesen ist, sie hält sich so gerade und bewegt sich so anmutig. Gar nicht wie eine Großmutter. Die einzige Frau in ihrem Alter, die über eine ähnliche natürliche Anmut verfügt, ist Marinas Großmutter, Marilyn Cantrip. Aber sie war ja auch mal Tänzerin.

Auf dem Wohnzimmertisch vor dem Sofa stand ein großes Holzkästchen, dessen Deckel mit kunstvollen Perlmuttintarsien verziert war. Verena hatte es noch nie zuvor gesehen.

»Eindrucksvoll, nicht wahr?«, sagte Glenda. Sie öffnete den Deckel und hob einen Einsatz aus dem Kästchen.

Verena riss die Augen weit auf, als sie den wunderschönen Schmuck sah, der in der mit Samt ausgeschlagenen Lade lag.

»Ja«, antwortete sie und betrachtete die riesigen, tropfenförmigen Diamantohrringe, ein Paar Smaragdohrringe, eine Kette aus Saphiren, eine mit Rubinen besetzte, mehrreihige Goldkette und viele, viele weitere Schmuckstücke.

»Eines Tages wird all das dir gehören«, sagte Glenda beiläufig.

Verena starrte ihre Großmutter ungläubig an. Sie war zu überrascht, um etwas zu erwidern.

»Probier doch mal ein Schmuckstück an«, sagte Glenda und nahm eine Perlenkette in die Hand. »Dreh dich Liebes, ich lege sie dir um.«

Verena drehte sich wie verzaubert und hob das Haar an. Glenda legte ihr die Kette um den Hals.

»Geh zum Spiegel hinüber, und sieh dich an«, forderte sie ihre Enkeltochter auf.

Verena ging in den Hausflur und blickte in den großen, goldgerahmten Spiegel, der dort hing. Dann fasste sie ihre langen blonden Haare im Nacken zusammen und lächelte ihrem Spiegelbild zu.