Vier zauberhafte Schwestern – Wie alles begann: Marina und die Kraft des Wassers - Sheridan Winn - E-Book

Vier zauberhafte Schwestern – Wie alles begann: Marina und die Kraft des Wassers E-Book

Sheridan Winn

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Beschreibung

Wie alles begann: die Vorgeschichte der Erfolgsserie »Vier zauberhafte Schwestern« – erzählt in einer eigenen neuen Serie! Im zweiten Band entdeckt die zweitälteste Cantrip-Schwester Marina ihre magische Kraft des Wassers. Marina ist ganz aus dem Häuschen: Sie kann zaubern! Die Kraft des Wassers ist eine herrliche Gabe und Marina kann es gar nicht erwarten, sie endlich einzusetzen. Doch dann ist alles nicht so einfach, denn erstens muss Marina ihre Magie geheim halten, zweitens muss sie sie kontrollieren lernen und drittens ist Wasser doch nicht so ungefährlich, wie sie dachte! Für alle Fans und Neueinsteiger – auch unabhängig von den anderen Bänden lesbar! Wie alles begann: »Vier zauberhafte Schwestern - Wie alles begann: Flame und die Kraft des Feuers« »Vier zauberhafte Schwestern - Wie alles begann: Marina und die Kraft des Wassers« »Vier zauberhafte Schwestern - Wie alles begann: Flora und die Kraft der Erde« (erscheint Herbst 2018)

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Seitenzahl: 158

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Sheridan Winn

Vier zauberhafte Schwestern

Wie alles begann: Marina und die Kraft des Wassers

Aus dem Englischen

FISCHER E-Books

Inhalt

Für Marina, in LiebeStammbaumSamstag, 22. Juli Ein Geburtstag am StrandGrandmas RatSamstagnacht Magie?Sonntag, 23. Juli Das TrainingDer FroschteichMontag, 24. Juli Wasser überallDienstag, 25. Juli LondonDie WasserfontänenMittwoch, 26. Juli Ein gar nicht mal so fauler TagDonnerstag, 27. Juli Experimente im TurmFreitag, 28. Juli Marina hat eine fixe IdeeSamstag, 29. Juli SchädenEiszeitFlame kommt zu HilfeMarinas zweiter VersuchMagie!Sonntag, 30. Juli Ein Sonntag auf Cantrip TowersHinweis auf LPHinweis auf LPLeseprobeDie ganze Geschichte findest [...]

Für Marina, in Liebe

Samstag, 22. JuliEin Geburtstag am Strand

Marina Cantrip holte gekonnt mit dem Schläger aus und traf den Ball mit voller Wucht. Er schoss in hohem Bogen gen Himmel.

»Schnappt ihn euch!«, rief Flame ihrer Mannschaft zu.

Zwei Feldspieler rannten nach oben spähend rückwärts über den hellen Sand, in der Erwartung, den Ball auf sich zu fallen zu sehen, aber er war unerreichbar weit über das Feld hinausgeschossen, und Marina lief breit grinsend ihre Runde.

Marina spielte für ihr Leben gern – egal, ob es sich darum handelte, Sport zu treiben, Theater zu spielen, zu tanzen oder einfach nur herumzualbern. Von allen vier Cantrip-Schwestern war sie die ausgelassenste. Das Mädchen mit den strahlend blauen Augen und dem ansteckenden Lachen war stets fröhlich und vergnügt. Sie liebte es, sich zu verkleiden und in die Rollen der Theaterstücke zu schlüpfen, die sie sich mit den Schwestern ausdachte. Ihre älteste Schwester Flame übernahm meist die Regie, aber Marina sicherte sich dafür die beste Rolle – diejenige, die den größten Spaß versprach.

Genauso gern war sie am Meer, daher hatte sie begeistert zugestimmt, als ihre Mutter vorschlug, ihren neunten Geburtstag am Strand von Holkham zu feiern. Bei Ebbe erstreckte sich der breite Sandstrand kilometerweit. Mittendrin befand sich eine Insel aus Sanddünen mit einem dahinter liegenden Pinienwäldchen. An diesem heißen Julinachmittag war Holkham perfekt zum Picknicken, Herumtollen, Baden und Schlagball spielen.

Marinas Eltern, Ottalie und Colin, waren da, genau wie ihre Großmutter, Marilyn, und ihre drei Schwestern Flame, Flora und Sky. Die Geburtstagsgäste waren die vierundzwanzig Kinder ihrer Klasse sowie fünf ihrer Eltern, die mit Ottalie und Colin befreundet waren.

Als das Spiel vorbei war – und Marinas Mannschaft gewonnen hatte –, gingen alle zu den Decken und Handtüchern zurück, die in den Dünen ausgebreitet lagen. Darauf verteilt waren Körbe und Kühlboxen, die bis obenhin mit Essen und Getränken gefüllt waren. Sie tranken Limonade, dann rannten sie los, eine Runde schwimmen, bevor es den Geburtstagskuchen geben würde. Die Kinder liefen über den hellen Sand voraus zum Wasser, das sich jetzt bei Ebbe weit zurückgezogen hatte. Die Erwachsenen folgten etwas langsamer und behielten alle Kinder gut im Blick.

Weicher, heißer Sand wurde zu hartem, nassen, gefolgt von einem Streifen kleiner Kiesel und Muscheln und einem Priel Wasser und noch mehr nassem Sand. Der Strand schien sich unter einem tiefblauen Himmel endlos zu erstrecken. Hier gab es keine hohen Wellen, aber die Einheimischen wussten, wie rasend schnell das Wasser bei Flut über den flachen Landstrich hereinbrauste. An diesem Tag zog es sich gerade zurück, und der Strand wurde noch breiter als ohnehin schon.

Zu Marinas Linken rannten Janey McIver und Su Ling, ihre besten Freundinnen. Rechts neben ihr lief Flame, die schon den ganzen Tag wie eine Klette an ihr geklebt hatte. Mit ihnen um die Wette rannten die Tolver-Zwillinge, Bill und Alex, die dafür berüchtigt waren, dass sie ständig etwas ausheckten.

Die Erwachsenen bemühten sich, mit den Kindern Schritt zu halten, als sie sich dem Wasser näherten.

Colin rief: »Geht erst ins Wasser, wenn wir bei euch sind!«

Aber die Kinder rasten weiter, und Marina und ihre Freunde stürmten in das flache Nass, dass es nach allen Seiten nur so spritzte. Sie wateten tiefer hinein, bis es ihnen zu den Knien reichte – und die Erwachsenen zu ihnen aufgeschlossen hatten. Ein ganzes Stück weiter und das Wasser schwappte gegen ihre Oberschenkel. Als es ihnen bis zur Taille reichte, begannen sie zu schwimmen. Fröhlich jauchzend tauchten sie unter und machten Handstand auf dem sandigen Meeresgrund.

Marina war wie immer mit Begeisterung bei der Sache und beobachtete, wie die von ihr ausgestoßenen Luftblasen zur Wasseroberfläche stiegen. Doch an diesem Tag spürte sie jedes Mal, wenn sie zum Luft holen auftauchte, Flames Blick auf sich ruhen.

»Was ist denn?«, fragte sie und schob sich die dunklen Locken aus dem Gesicht.

Flame lachte peinlich berührt. »Nichts!«

»Was hab ich gemacht?«

»Nichts.«

»Warum starrst du mich dann andauernd so komisch an?«

»Tu ich gar nicht!«

»Du klebst schon den ganzen Tag an mir wie eine Klette.«

»Quatsch!«

Marina warf der Schwester einen finsteren Blick zu, dann tauchte sie erneut unter.

Flame blickte sich um, ob jemand den Wortwechsel mitbekommen hatte. Sie wollte auf keinen Fall Aufmerksamkeit erwecken. Dies war nicht der passende Zeitpunkt, der kleinen Schwester zu verraten, dass sie an ihrem neunten Geburtstag die magische Kraft des Wassers bekommen würde – dass sie noch heute eine magische Verwandlung erleben würde.

Marina hatte recht, Flame hatte sie tatsächlich den ganzen Tag über nicht aus den Augen gelassen. Jetzt war schon Nachmittag und soweit Flame es beurteilen konnte, gab es bisher kein Anzeichen dafür, dass Marinas Kräfte erwacht waren. Warum brauchte die Magie so lange, um sich zu offenbaren? Stimmte etwas nicht?

Flame tauchte ins Wasser und kraulte los. Ihre kräftigen Beinschläge katapultierten sie vorwärts, weg von der Gruppe. Während sie schwamm, dachte sie an ihren eigenen neunten Geburtstag zurück, der erst ein gutes Jahr zurück lag. Zwei Dinge waren an diesem Tag passiert. Ihre Finger hatten vom Moment des Aufwachens an gekribbelt – so sehr, dass es schon schmerzhaft war. Es hatte sich angefühlt, als jage Stromschlag auf Stromschlag durch ihre Hände. Außerdem war sie sich ihrer selbst auf besondere Weise bewusst gewesen, hatte gespürt, dass etwas mit ihr geschah, dass dieser Geburtstag sie verändern würde. Sie hatte es einfach gewusst. Flame fragte sich, ob es Marina ebenso ging. Falls ja, hatte sie sich nichts davon anmerken lassen.

Flame stemmte die Füße in den sandigen Meeresgrund und stand aus dem Wasser auf. Sie strich sich die langen kupferfarbenen Haare aus dem Gesicht. Dann drehte sie sich um und warf einen Blick zu den anderen hinüber. Da war Marina, ausgelassen wie immer.

So viel zu ihrer magischen Verwandlung, dachte Flame. Sie hatte sich seit Wochen auf diesen Tag gefreut und nun, da er da war, verlief er nicht wie erhofft.

Flame war ganz durcheinander. Sie war an Marinas Seite geblieben, weil sie ihr hatte erzählen wollen, was los war, sobald diese ein Kribbeln in den Fingern spürte. Jetzt badeten sie im Meer. Falls Marina die Kraft des Wassers hatte – wie Grandma gesagt hatte –, würde sie sich doch bestimmt hier zeigen? Flame wollte dabei sein, wenn Marinas Kräfte zum Leben erwachten. Sie wollte den Moment mit ihr teilen. Was sollte sie nur tun?

In den zurückliegenden dreizehn Monaten war ihre Großmutter der einzige Mensch gewesen, mit dem sie über ihre Kraft des Feuers hatte reden können. Marilyn Cantrip hatte einst die magischen Kräfte der Cantrips besessen und war fähig, die älteste Enkelin anzuleiten und zu unterstützen. Sie hatte Flame geholfen, das Unglaubliche zu verstehen, das an ihrem neunten Geburtstag mit ihr geschehen war.

Magische Kräfte zu haben unterschied Flame von allen anderen, isolierte sie von ihnen. Das hatte sie vom ersten Moment an verstanden – ihr Leben würde nie mehr dasselbe sein. Wie ihre Großmutter sagte, magische Kräfte zu haben war außergewöhnlich. Es machte sie außergewöhnlich und es machte sie anders.

Eine Träne rann Flames Wange hinab, und sie wischte sie rasch weg. In einiger Entfernung tobten die Kinder und spritzten sich johlend gegenseitig nass. Marina war mitten unter ihnen, sie schwamm und lachte und tollte herum.

Und Flame stand allein da. Sie richtete den Blick in die Ferne, überschlug die Monate und erkannte, dass sie das Gefühl der Isolation nun schon ein Zehntel ihres Lebens begleitete – so lange wie sie ihre magischen Kräfte hatte. Sie konnte es kaum erwarten, Marina in alles einzuweihen, sie platzte beinah, aber sie durfte es noch nicht. Geduld war nicht gerade Flames Stärke. Marina und sie kabbelten sich ständig und wetteiferten miteinander, doch sie standen sich auch sehr nahe und wären für einander durchs Feuer gegangen. Falls der heutige Tag einen Wendepunkt im Leben der Schwester darstellen würde, musste Flame eben abwarten. Ihr blieb keine Wahl. Sie glitt zurück ins Wasser und schwamm mit kräftigen Schwimmzügen weiter von den anderen weg.

Marilyn Cantrip stand in den Dünen und blickte auf die Wellen, die ans Ufer schlugen. Sie war eine große, elegante Frau. Die einstige Ballerina hielt sich immer noch kerzengerade. Sie schirmte die Augen vor der Sonne ab und hielt Ausschau nach Marina. Die Kinder waren alle so weit weg, dass sie mit bloßem Auge kaum zu unterscheiden waren. Marilyn erkannte nur einen großen Pulk, aber sie war überzeugt, dass Marina, das Geburtstagskind, der Mittelpunkt der fröhlichen Truppe war. Flora und Sky schwammen wahrscheinlich mit ihrer Mutter zusammen. Colin und die anderen Eltern standen am Strand und behielten die Kinder aufmerksam im Auge.

Marilyns Blick wanderte nach rechts. Ein kleiner Punkt schwamm von der Gruppe weg. War das Flame? Armer Schatz, dachte sie. Ihre Nerven mussten zum Zerreißen gespannt sein.

Marilyn konnte ihre Enkelin verstehen. Die beiden hatte schon immer eine besondere Beziehung verbunden, teils, weil sie einander wie aus dem Gesicht geschnitten waren, teils aufgrund ihres ähnlichen Temperaments. Seit Flame ihre magische Kraft des Feuers erhalten hatte, war die Beziehung noch enger geworden. Einen Moment litt Marilyn mit Flame, dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Marina zu. Marinas großzügige Art machte sie bei allen beliebt. Und sie fühlte sich umgeben von ihren vielen Freunden am wohlsten.

Konnte es sein, dass Marina ihre Kraft des Wassers erhalten hatte, und dennoch so unbefangen mit ihren Freunden badete und spielte? Marilyn dachte daran zurück, wie verunsichert Flame gewesen war, als sie ihre Kräfte bekommen hatte. Würde es bei Marina ähnlich sein? Was war, wenn ihre Kräfte sich noch nicht zeigten? Hätten sie sich schon zeigen sollen? Nur weil Marilyns eigene Kräfte sich früh am Morgen ihres neunten Geburtstags gezeigt hatten – genau wie Flames –, bedeutete das nicht, dass es bei Marina auch so sein musste.

Marilyn seufzte. Es war zu heiß für tiefschürfende Gedanken. Sie setzte sich auf ihr Handtuch, aber ihr schwirrte immer noch der Kopf.

Zu welcher Uhrzeit war Marina geboren? Marilyn erinnerte sich nicht. Sie und ihr Ehemann Sheldon hatten damals in Südfrankreich gelebt. Neben ihren vier Enkelinnen hier in England hatte Marilyn noch drei weitere Enkel in Australien. Und auch an deren Geburtszeit konnte sie sich nicht erinnern. Colin würde wissen, wann seine Töchter geboren waren, nicht wahr? Sie lächelte. Ihr Sohn war so ein in sich gekehrter, verträumter Mann. Sie würde ihn fragen, wenn Kaffeezeit war, doch es war Ottalie, die es ganz sicher wissen würde.

Marilyn schloss die Augen und genoss die Sonne.

Grandmas Rat

Am späten Nachmittag nahm die Party nach einem Geburtstagskaffee mit leckerem Kuchen und einer weiteren Runde Schlagball ihr Ende. Die Cantrips und ihre Freunde sammelten Strandtücher, Badesachen und Spielzeug zusammen und machten sich auf den langen Weg zurück zum Parkplatz. Flame nahm Flora und Sky an der Hand und führte sie den sandigen Pfad entlang. Sie stiegen die Dünen hinauf in das Wäldchen. Sobald sie zwischen den Pinien waren, hörte der Wind auf zu brausen. Flora war wie stets in Gedanken versunken, doch Sky redete wie ein Wasserfall. Flame hörte ihr zu, während ihr Blick auf Marina ruhte, die vor ihnen lief. Es war sechs Uhr, achtzehn Stunden von Marinas Geburtstag waren seit Mitternacht vergangen, und soweit Flame es beurteilen konnte, spürte ihre Schwester die magischen Kräfte noch nicht. Es blieben nur noch sechs Stunden.

Vielleicht bekommen nicht alle Cantrips ihre Kräfte an ihrem Geburtstag, dachte Flame. Vielleicht liegt Grandma falsch, oder wir Schwestern sind nicht alle so wie sie.

Die sechsjährige Sky rieb sich den Bauch. »Das war lecker«, sagte die jüngste Cantrip-Schwester. »Ich bin voll mit Geburtstagstorte. Ich mag Kuchen.«

Flame lächelte die zu ihr hochblickende Sky an. »Ich auch, besonders den von Mum und Grandma.«

»Ich mag am liebsten Sandwiches«, sagte Flora, die sieben Jahre alt war. »Besonders die saftigen mit Eiern und Mayonnaise.«

Sky überlegte kurz, dann sagte sie: »Ich mag beides.«

Flame sah auf die kleine blonde Schwester hinunter. Zwei große graue Augen erwiderten ihren Blick, und Skys Gesicht verzog sich zu einem Grinsen.

Noch drei Jahre, dann bekommt sie ihre Kraft der Luft, dachte Flame. Ihr Blick wanderte zu Flora mit den kastanienbraunen Haaren und den sanften braunen Augen weiter. Und Flora hat dann ihre Kraft der Erde. In drei Jahren werden wir alle unsere Kräfte haben …

Der Gedanke, dass alle vier Schwestern eines Tages die magischen Kräfte der Cantrips haben würden, besserte Flames Laune. Sie beobachtete Marina, die lachend neben den anderen herlief, eine Tasche und ein paar Strandtücher in der Hand. Sie hatte eine tolle Geburtstagsparty gehabt.

Vielleicht ist es gut, dass Marina ihre Kräfte noch nicht hat, überlegte Flame. Sie dachte an ihren eigenen neunten Geburtstag zurück und daran, wie unglücklich sie darüber gewesen war, das Kribbeln in den Händen vor allen verbergen zu müssen. Sie war in ihr Zimmer gerannt, und Marina war ihr gefolgt und hatte sie gefragt, was mit ihr los sei. Sie war bis heute nicht überzeugt davon, dass Flame ehrlich mit ihr gewesen war.

Es ist ein wundervoller Tag, dachte Flame und drückte ihren Schwestern die Hand. Ich muss aufhören, mir wegen Marina Sorgen zu machen.

Aber weil sie nun einmal Flame war, gelang es ihr nicht, den eigenen Rat zu beherzigen, und als Marinas Kräfte sich um neun Uhr abends noch immer nicht gezeigt hatten, wäre sie am liebsten aus der Haut gefahren.

»Es sind nur noch drei Stunden übrig!«, flüsterte sie Marilyn zu, die gekommen war, um ihr Gute Nacht zu sagen.

»Ich weiß, Liebes, aber du musst aufhören, dir deswegen Gedanken zu machen, und versuchen zu schlafen. Es war ein langer Tag. Marinas Kräfte werden kommen, wenn sie kommen.«

»Kann sein«, erwiderte Flame seufzend. »Ich wäre nur so gern dabei gewesen.«

»Du wirst morgen da sein und bestimmt braucht Marina dich dann. Hab Geduld. Gute Nacht, Flame.«

Marilyn beugte sich vor, um der Enkelin einen Kuss zu geben.

»Nacht, Grandma«, sagte Flame und drehte sich auf die Seite. Sobald Marilyn die Tür zugemacht hatte, legte Flame sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Sollte sie zu Marina gehen und mit ihr reden; sie vor dem warnen, was sie erwartete? Sollte sie ihr eine Nachricht unter der Tür durchschieben? Nein, das wäre nicht klug. Sie könnte ihrer Mutter in die Hände fallen. Was auch geschah, Flame würde ganz sicher nicht einschlafen.

Marina saß auf dem Bett und las, als ihre Großmutter hereinkam, um Gute Nacht zu sagen. Die Luft war noch warm und die Abendsonne schien ins Zimmer.

»Mein Geburtstag war einfach super, Grandma«, sagte sie, während Marilyn die Vorhänge zuzog.

»Ja, das war er. Das finden wir alle. Es war ein wunderschöner Tag.«

Marina schlug das Buch zu. »Ich habe vorhin zu Mum gesagt, wie schade es ist, dass Geburtstage enden müssen.«

Marilyn legte Marina die Hand auf die Schulter und sah ihr in die Augen. »Ist alles gut bei dir, Liebes?«

»Ja, warum fragst du? Stimmt etwas nicht?«

»Nein, nein«, sagte Marilyn. »Komm, ab ins Bett mit dir, Zeit zum Schlafen.«

Marina runzelte die Stirn. »Es ist nur … wie du mich gerade angesehen hast. Flame hat mich genau so schon den ganzen Tag angesehen.«

»Tatsächlich?«

Marina legte das Buch auf den Nachttisch und streckte sich im Bett aus. »Ich hatte ständig das Gefühl, etwas falsch zu machen.«

Marilyn lachte leise. Sie strich der Enkelin über die Haare. »Du hast gar nichts falsch gemacht. Flame wollte nur sicher sein, dass es dir gut geht.«

»Schon möglich, aber sie wird manchmal so stinkwütend auf mich.«

»Flame wird hin und wieder stinkwütend auf jeden von uns!«

Marina kicherte. »Mir geht es rundherum gut, Grandma.«

Marilyn beugte sich über sie, um ihr die Stirn zu küssen. »Genauso sollte es sein, Liebes. Hinter dir liegt ein wundervoller Tag. Gute Nacht, schlaf schön.« Sie zögerte einen Moment, dann sagte sie: »Und falls es irgendetwas Spezielles gibt, über das du gern reden würdest, dann wende dich getrost an Flame.«

»Oh, ist gut«, sagte Marina und sah sie fragend an. »An was hattest du denn dabei gedacht?«

»An alles. Du kannst Flame vertrauen.«

»Mit allem meinst du?«

»Ja.«

»Ist gut, Nacht Grandma.«

Marina gähnte und drehte sich um und war bereits eingeschlafen, als Marilyn die Tür hinter sich ins Schloss zog. Marilyn ging den Flur im zweiten Stock des Hauses entlang. Nach einigen Schritten hielt sie inne und blickte zu Marinas Zimmertür zurück.

Hatte die Enkelin sie verstanden? Würde sie sich Flame anvertrauen? Würde Marina die magischen Kräfte der Cantrips erben?

Während sie die breite Mahagonitreppe ins Erdgeschoss hinunterging, wanderte Marilyns Blick über die Familienporträts, die an den Wänden hingen, und sie dachte bei sich, was für eine wundervolle Familie die Cantrips waren. Am Fuße der Treppe warf sie einen Blick auf Sidney Cantrip, den Ururgroßvater der Schwestern und ihren eigenen Großvater. Sidney, ein fröhlicher Mann mit einem langen Schnurrbart, war ein bekannter Süßwarenfabrikant gewesen und hatte Cantrip Towers vor beinah einhundert Jahren erbaut.

»Bitte beschütze meine Enkelinnen, Sidney«, flüsterte sie.

SamstagnachtMagie?

Um fünf Minuten vor Mitternacht war es vollkommen ruhig auf Cantrip Towers. Die Familie schlief tief und fest, sogar Flame, die gegen zehn Uhr vom Schlaf übermannt worden war.

Viereinhalb Minuten vor Mitternacht erwachte Marina schlagartig.

»Autsch!«, rief sie und schoss im Bett hoch. Sie schaltete die Nachttischlampe ein und starrte ihre Hände an. Es fühlte sich an, als stünden sie unter Strom, und sie taten weh.

Das muss ich Mummy erzählen, dachte sie und verließ das Bett.

Die Tür ging auf und Flames Kopf erschien.

»Mir tun die Hände weh!«, sagte Marina. »Mit ihnen stimmt etwas nicht!«

Flame eilte rasch zur Schwester.

»Sch! Wir dürfen Mum nicht aufwecken«, flüsterte sie. Nach einem Blick in Marinas weißes Gesicht nahm sie deren Hände.

»Aber etwas stimmt nicht, und sie tun weh.«

»Sch. Geh zurück ins Bett, und ich erkläre dir alles.« Flame ließ Marinas Hände los, um die Bettdecke zurückzuschlagen. Marina schlüpfte darunter.

»Rutsch rüber«, forderte Flame sie auf und setzte sich neben sie.

Marina musterte ihre Hände. Flame horchte auf ein Anzeichen dafür, dass die Mutter auf dem Weg zu ihnen war. Ottalie Cantrip hatte wahre Fledermausohren.

Kühle Nachtluft wehte zum offenen Fenster hinein. Die gelb gestrichenen Wände leuchteten im Mondlicht. Draußen auf dem Rasen bellte ein Fuchs und im Wilden Wald rief eine Eule Schuhuu.

Marina war im Begriff, etwas zu sagen, doch Flame legte den Finger an die Lippen und lauschte. »Sch«, machte sie wieder.

»Warum darf ich Mum nichts verraten?«, flüsterte Marina. Ihr rann eine Träne die Wange hinunter.