Vier zauberhafte Schwestern und die fremde Magie - Sheridan Winn - E-Book

Vier zauberhafte Schwestern und die fremde Magie E-Book

Sheridan Winn

0,0
8,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Vier zauberhafte Schwestern geben nicht auf Kaum jemand weiß, dass Sky, Flora, Marina und Flame magische Kräfte besitzen – das ist ein wohlgehütetes Familiengeheimnis. Eines Tages taucht Zak auf, der Junge mit den geheimnisvollen Augen, und er scheint eine Ahnung von den übernatürlichen Kräften der Schwestern zu haben. Wie kann das sein? Und ist es ein Zufall, dass seit Zaks erstem Besuch unheimliche Dinge auf Cantrip Towers vorgehen? Die Schwestern müssen hinter Zaks Geheimnis kommen! - Der sechste Band der erfolgreichen Serie - Voller Magie und Abenteuer - Mit vielen zauberhaften Vignetten und einem Familienstammbaum von Franziska HarveyAlle Bände der Serie: Band 1: Vier zauberhafte Schwestern Band 2: Vier zauberhafte Schwestern und der magische Stein Band 3: Vier zauberhafte Schwestern und das Geheimnis der Türme Band 4: Vier zauberhafte Schwestern und ein Geist aus alten Zeiten Band 5: Vier zauberhafte Schwestern und die große Versöhnung Band 6: Vier zauberhafte Schwestern und die fremde Magie Band 7: Vier zauberhafte Schwestern und die uralte Kraft Band 8: Vier zauberhafte Schwestern und die geheimnisvollen Zwillinge  Band 9: Vier zauberhafte Schwestern und die Weisheit der Eulen Band 10: Vier zauberhafte Schwestern und die unsichtbare Gefahr Prequel 1: Vier zauberhafte Schwestern – Wie alles begann: Flame und die Kraft des Feuers Prequel 2: Vier zauberhafte Schwestern – Wie alles begann: Marina und die Kraft des Wassers Prequel 3: Vier zauberhafte Schwestern – Wie alles begann: Flora und die Kraft der Erde Alle Bände bei Antolin gelistet

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 281

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Sheridan Winn

Vier zauberhafte Schwestern und die fremde Magie

 

Aus dem Englischen von Katrin Weingran

 

Mit Vignetten von Franziska Harvey

Über dieses Buch

 

 

Vier zauberhafte Schwestern geben nicht auf

 

Kaum jemand weiß, dass Sky, Flora, Marina und Flame magische Kräfte besitzen – das ist ein wohlgehütetes Familiengeheimnis. Eines Tages taucht Zak auf, der Junge mit den geheimnisvollen Augen, und er scheint eine Ahnung von den übernatürlichen Kräften der Schwestern zu haben. Wie kann das sein? Und ist es ein Zufall, dass seit Zaks erstem Besuch unheimliche Dinge auf Cantrip Towers vorgehen? Die Schwestern müssen hinter Zaks Geheimnis kommen!

 

Der sechste Band der erfolgreichen Serie voller Magie und Abenteuer – mit vielen zauberhaften Vignetten von Franziska Harvey

 

Alle Bände der Serie:

Band 1: Vier zauberhafte Schwestern

Band 2: Vier zauberhafte Schwestern und der magische Stein

Band 3: Vier zauberhafte Schwestern und das Geheimnis der Türme

Band 4: Vier zauberhafte Schwestern und ein Geist aus alten Zeiten

Band 5: Vier zauberhafte Schwestern und die große Versöhnung

Band 6: Vier zauberhafte Schwestern und die fremde Magie

Band 7: Vier zauberhafte Schwestern und die uralte Kraft

Band 8: Vier zauberhafte Schwestern und die geheimnisvollen Zwillinge 

Band 9: Vier zauberhafte Schwestern und die Weisheit der Eulen

Band 10: Vier zauberhafte Schwestern und die unsichtbare Gefahr

Prequel 1: Vier zauberhafte Schwestern – Wie alles begann: Flame und die Kraft des Feuers

Prequel 2: Vier zauberhafte Schwestern – Wie alles begann: Marina und die Kraft des Wassers

Prequel 3: Vier zauberhafte Schwestern – Wie alles begann: Flora und die Kraft der Erde

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter www.fischerverlage.de/kinderbuch-jugendbuch

Biografie

 

 

Sheridan Winn lebt in Norwich, England, und arbeitet als freie Kinderbuchautorin und Journalistin für bekannte Magazine und Zeitungen. Sie hat zwei erwachsene Kinder und eine Enkelin und ist selbst in einem großen Haus voller geheimnisvoller Schränke und schrulliger Tanten aufgewachsen. Das Haus hieß Littlewood House, stand auf einem riesigen Grundstück und hat sie auf die Idee gebracht, diese Geschichte zu schreiben. Genau wie die Cantrip-Mädchen ist Sheridan Winn eine von vier Schwestern – die alle an die Kraft der Magie glauben.

 

Franziska Harvey, geboren 1968, studierte Illustration und Kalligraphie und arbeitet als freie Illustratorin für verschiedene Verlage und Agenturen. Sie lebt mit ihrer Familie in Frankfurt am Main.

Inhalt

[Widmung]

Die Cantrip-Familie

Stammbaum

Freitag: Sky ganz allein

Aller Anfang ist schwer

Samstag: Der Junge mit dem Raubvogelblick

Samstagnacht und Sonntag: Augen in der Nacht

Montag: Schwesterliche Spürnasen

Dienstag: Enthüllte Magie

Offenbarte Wahrheiten

Magie außer Kontrolle

Mittwoch: Zweifel

Felslinge

Die Invasion

Eine ernste Lage

Auf in den Kampf!

Die Jagd

Donnerstag: Sind alle weg?

Die Sache mit Zak

Freitag: Psychospielchen

Marina ist neben der Spur

Samstag: Was im Schatten lauert

Die Schlacht auf dem Dach

Eine Hand in der Dunkelheit

Sonntag: Tränen

Dienstag: Die Abrechnung

Danksagung

Für meine Patentante Jean

und für Lana-Mae Garrett

Freitag: Sky ganz allein

Die Augustluft war drückend und heiß. Sky Cantrip saß in den Ästen des großen Zedernbaumes, den Rücken an den mächtigen Stamm gelehnt, die Beine ließ sie über einen seiner breiten Äste baumeln. Heute war sie hoch hinaus geklettert, höher als je zuvor. Sie liebte diesen Baum mit den ausladenden, hängenden Ästen und dem Kleid aus silberblauen Nadeln. Eine warme Brise strich über ihr Gesicht, und sie schloss die Augen und lauschte dem sanften Surren der Insekten. Als Schläfrigkeit sie übermannte und nach und nach sämtliche Geräusche in den Hintergrund drängte, tauchte in ihrem Geiste auf einmal das Gesicht eines Jungen auf. »Stellst du dir manchmal vor, wie es wäre, fliegen zu können?«, fragte er sie, und seine Augen schienen mitten in sie hineinsehen zu können. »Ja«, hörte sie sich erwidern. »Ich träume ständig davon, fliegen zu lernen …«

Während sie tiefer in ihren Tagtraum versank, meinte Sky mit weit geöffneten Armen und in den Nacken gelegtem Kopf auf dem Rasen zu stehen. Und dann hob sie unter Herbeirufung ihrer magischen Kraft der Luft vom Boden ab. Hoch über die Baumwipfel stieg sie, höher und höher, bis sie wie ein Vogel durch die Luft segelte, hierhin und dorthin flog. Unter ihr lag Cantrip Towers mit seinem gewaltigen Dach, den beiden Türmen und um es herum die Wiesen und Bäume.

Das Gefühl zu fliegen war so intensiv, dass es sich vollkommen echt anfühlte. Sky kostete es so lange wie möglich aus, aber nach und nach verblasste der Traum. Ich würde so gerne fliegen können, dachte sie und öffnete die Augen. Sie beugte sich auf ihrem Ast vor und sah nach unten. Tief unter ihr lag Archie, der junge Labrador der Familie, schlafend im Gras.

Sky lehnte sich wieder gegen den Stamm zurück, während ihre Gedanken zu dem Jungen mit den merkwürdigen Augen wanderten. Quinn McIver, der Freund ihrer Schwester Flame, hatte ihn vergangene Woche mit nach Cantrip Towers gebracht und ihnen allen vorgestellt. Sein Name war Zak. Marina schien hingerissen von dem großen Jungen mit der Igelfrisur und den glitzernden schwarzen Augen. Und Zak hatte ähnlich fasziniert von Marina gewirkt. Flame und Quinn hatten eine Partie Tennis gegen Marina und Zak gespielt. Nachdem sie in der drückenden Hitze zwei Stunden lang kreuz und quer über den Platz gestürmt waren, hatten die vier sich auf die Terrasse gesetzt, um eisgekühlte Limonade zu trinken. Sky hatte sich zu ihnen gestellt, obgleich Flame protestierte, sie solle abschwirren. Ohne ihre große Schwester weiter zu beachten hatte Sky sich ein Glas Limonade eingeschenkt und auf dem Stuhl neben Zak Platz genommen.

Nach einer Weile hatte er sich ihr zugewandt und leise gefragt: »Stellst du dir manchmal vor, wie es wäre, fliegen zu können?«

Überrascht hatte sie geantwortet: »Wie, mit einem Flugzeug?«

»Nein, ganz frei wie ein Vogel.« Zak hatte bei diesen Worten rätselhaft gelächelt.

Sky hatte ihn ungläubig angestarrt, gespürt, wie ihre Wangen glühend heiß wurden, und war schnell vom Tisch aufgestanden. Auf dem Weg ins Haus fühlte sie Zaks Blicke in ihrem Rücken.

Jetzt, allein auf der Zeder, grübelte Sky über seine Worte nach. Was hat Zak bloß gemeint? Wollte er mir weismachen, ich könnte womöglich fliegen lernen? Ich würde es unheimlich gerne mal ausprobieren, aber bis er davon gesprochen hat, hätte ich nie gedacht, dass es überhaupt möglich sein könnte. Es ist eine Sache, von etwas zu träumen, aber eine ganz andere, es tatsächlich in die Tat umzusetzen. Zak kann nicht wissen, dass ich die magische Kraft der Luft besitze und vielleicht wirklich fliegen lernen könnte. Oder ist das alles bloß Wunschdenken?

Sky blickte zu Cantrip Towers. Ich bin in meinem Traum über unser Haus hinweggeflogen, dachte sie. Im nächsten Moment sah sie die Gesichter ihrer Eltern und Schwestern vor sich. Sie seufzte aus tiefstem Herzen. Ich bekäme eine gewaltige Standpauke zu hören, wenn ich wirklich fliegen würde, dachte sie. Im Grunde hält mir ständig irgendwer eine Standpauke wegen irgendwas. Das ist das Blöde, wenn man magische Kräfte hat und neugierig ist und dazu auch noch die Jüngste.

Aber es fiel ihr schwer, Zaks Worte und den Traum, über das Haus und den Garten zu fliegen, zu vergessen, und das Wort Magie begann in ihrem Kopf herumzuschwirren. Ich weiß, dass ich meine Zauberkräfte benutzen kann, um Dinge schweben zu lassen, dachte sie. Wieso also nicht auch mich selbst?

In diesem Moment spürte Sky einen Stich in ihren Fingern. »Autsch!«, quietschte sie. »Mäusespeck und Fliegendreck, was war das?« Erschrocken klammerte sie sich an einem Ast fest, während ein sonderbares Kribbeln durch ihre Finger lief. Ein paar Sekunden wartete sie schwer atmend. Das Kribbeln ließ nach, aber dann war es wieder da.

Ich kenne dieses Gefühl, dachte Sky. Es sind meine magischen Kräfte, die durch meine Hände fließen. Aber warum gerade jetzt? Ich habe meine Kräfte schon seit Ewigkeiten nicht benutzt. Ich denke darüber nach, fliegen zu können, und plötzlich fließt Magie durch meine Hände? Was ist hier los?

Sky blickte ihre Hände an, die noch immer um den knorrigen Ast geschlungen waren. Sie holte Luft und atmete tief durch. Sobald sie das Gefühl hatte, ihr Gleichgewicht wiederzuhaben, löste sie die Hände vom Ast und streckte sie vor sich aus. Ihre Finger waren länger und schlanker als die der rosigen Kinderhände, durch die das erste Mal Magie geflossen war. Sie erinnerte sich an die Überraschung und die Begeisterung, die sie damals, an ihrem neunten Geburtstag, verspürt hatte. Seitdem waren zwei Jahre vergangen.

Jetzt, da ihre magischen Kräfte plötzlich wieder durch ihre Finger pulsierten, wurden ihre Augen groß und ihr Herz begann aufgeregt zu pochen. Es geschieht, dachte sie. Es geschieht tatsächlich …

Als das Kribbeln stärker wurde, hob sie die rechte Hand, ballte sie zu einer Faust und streckte dann den Zeigefinger aus. Es ist lange her, seit ich das letzte Mal Magie angewandt habe, dachte sie. Mal sehen, ob sie immer noch voll da ist. Sie hob den Blick zu den Ästen über sich, dann schaute sie hinunter zum unteren Teil des Baumes. Das Kribbeln war jetzt so stark, dass es beinah schmerzte. Da entdeckte sie eine borstige grüne Raupe, die einen Ast entlangkroch. Sky konzentrierte sich auf die Raupe, zeigte mit dem Finger auf das Tier und hob dann langsam die Hand. Während sie das tat, spürte sie, wie die ihr innewohnende magische Kraft der Luft durch ihren Zeigefinger schoss. Die Raupe löste sich von dem Ast, als würde sie von einem unsichtbaren Faden in die Höhe gezogen. Ein paar Augenblicke baumelte sie in der Luft, dann ließ Sky sie behutsam wieder auf den Ast hinunter.

»Hey, es hat geklappt!«, rief sie lachend. »Ich habe meine Kräfte noch!« Dann wiederholte sie das Ganze, doch diesmal vollführte sie eine langsame, kreiselnde Bewegung mit dem Finger. Die Raupe drehte sich in der Luft. Sky bewegte ihren Finger nach rechts und links und die Raupe bewegte sich mit ihm. Schließlich setzte Sky sie so sanft wie möglich zurück auf den Ast.

Sky hatte das Gefühl, vor Aufregung zu platzen. Ich könnte bestimmt fliegen lernen – es ist bloß eine Frage der Übung, dachte sie. Ich habe noch einen ganzen Tag, ehe Flame, Marina und Flora nach Hause kommen, ich muss nur aufpassen, dass Mum mich nicht erwischt.

Sie warf einen Blick auf ihr Zuhause, Cantrip Towers. Es war erst anderthalb Jahre her, dass Ottalie Cantrip von den magischen Kräften der Cantrips erfahren hatte, die auch ihre Töchter geerbt hatten. Aus Angst um die Mädchen hatte sie sie gebeten, ihre Kräfte des Feuers, des Wassers, der Erde und der Luft nicht länger zu benutzen. Und die Schwestern hatten sich widerstrebend einverstanden erklärt. Von da an hatten sich Flame, die inzwischen fünfzehn war, und Marina mit ihren jetzt vierzehn Jahren ganz auf ihre Freunde konzentriert. Ihre magischen Kräfte schienen sie darüber vollkommen vergessen zu haben. Sogar die zwölfjährige Flora schien jedes Interesse an der Magie verloren zu haben.

Wir haben unsere Kräfte seit jener Weihnacht vor zwei Jahren nicht mehr benutzt, als wir den von vier Linien durchkreuzten Kreis gebildet haben, dachte Sky. Ich glaube, seit damals haben wir noch nicht einmal über Magie geredet. Es ist, als hätte es sie nie gegeben, aber Magie kann nicht einfach verschwinden, oder? Wozu hat man schließlich magische Kräfte, wenn man sie nicht benutzt?

Sky lehnte sich an den Baumstamm zurück und seufzte. Arme Mum, dachte Sky. Sie hat nicht an magische Kräfte geglaubt, bis sie mit eigenen Augen gesehen hat, dass sie existieren, und dann hat sie sich deswegen so große Sorgen gemacht, dass sie uns gebeten hat, sie nicht länger zu gebrauchen. Sie wäre fix und fertig, wenn sie mich dabei erwischte, wie ich zu fliegen versuche …

Skys Finger begannen erneut zu kribbeln. Es fühlt sich an, als wollten sie mir etwas mitteilen, dachte sie. Wenn meine Finger dermaßen vor Magie sprühen, kann es nur bedeuten, dass ich sie benutzen soll. Oder? Und Mum versteht nicht, wie es ist, magische Kräfte zu haben … Ich möchte fliegen lernen. Ich werde heimlich üben und niemandem davon erzählen.

Kurz darauf begann Sky ihren Abstieg von der Zeder. Archie erwachte, als sie neben ihm ins Gras sprang. Sie streichelte seinen glänzenden schwarzen Kopf.

»Ich gehe am besten zum alten Wohnwagen«, sagte sie. »Dort wird Mum mich vom Haus aus nicht sehen können. Komm, Archie.« Mit dem Hund an ihrer Seite rannte Sky zum Camp der Schwestern am Rand des Wilden Waldes.

Dort angekommen, wurde Skys Laune schlagartig schlechter und ihre Finger hörten auf zu kribbeln. Die Aura der Verlassenheit, die das Camp umgab, erinnerte sie daran, was sich im vergangenen Jahr alles zwischen den Schwestern geändert hatte. Der alte Wohnwagen, in dem sie früher so viel Spaß gehabt hatten, bot ein einsames und trostloses Bild. Sie öffnete die Tür des Campers und spähte hinein. Die Luft roch modrig und feucht. Das Lagerfeuer war in diesem Sommer noch nicht ein Mal entzündet worden. Ein paar Plastikstühle lagen umgestürzt im hohen Gras. Sky hob einen Stuhl auf und ließ sich daraufplumpsen.

Es ist so blöd, dass wir alle erwachsen werden müssen, dachte sie, das Kinn in die Hand gestützt. Wir haben uns früher so gut verstanden, inzwischen reden Flame und Marina kaum noch mit mir. Während des Schuljahres sind sie bis spät am Nachmittag an der Drysdale. Und sobald sie zu Hause sind, verschwinden sie in ihren Zimmern und lassen mich nicht mehr rein. Wenn ich ihnen etwas erzählen will, hören sie nicht zu, weil sie zu beschäftigt sind, ihren Freunden zu simsen. Wenigstens redet Flora noch mit mir, aber um Magie geht es dabei auch nie.

Als das Wort Magie durch ihren Kopf schoss, begannen Skys Finger aufs Neue zu kribbeln. Da fiel ihr wieder ein, warum sie überhaupt hier saß. Weil sie fliegen lernen wollte, natürlich. Ein stechender Schmerz fuhr in ihre rechte Hand. »Aua!«, sagte sie und schüttelte die Hand aus. Archie kam zu ihr gesprungen und begann wie verrückt im Kreis herum zu flitzen, weil er dachte, Sky wolle mit ihm spielen. »Ruhig, Archie«, sagte Sky und stand auf. »Geh da rüber und mach Platz.« Als gut erzogener Hund trottete er davon und legte sich ins Gras.

Plötzlich war Sky hochkonzentriert. Den Blick fest auf einen umgekippten Stuhl gerichtet, hob sie die rechte Hand, deutete mit dem Zeigefinger darauf und rief ihre magische Kraft der Luft herbei. Die Macht schoss wie eine Flutwelle in ihre Hand, so gewaltig, dass ihr Arm nach hinten gerissen wurde. »Wow!«, schnaufte Sky, die das Gleichgewicht zu verlieren drohte. Gleichzeitig schoss der Stuhl in die Luft. Höher und höher stieg er, während Sky sich so hoch reckte, wie es nur ging. Es war, als würde etwas an ihrer Hand zerren. Ihre Magie schien völlig außer Kontrolle geraten zu sein. Während ihre Hand zuckte, tanzte der Stuhl hoch über dem Wohnwagen in der Luft auf und ab.

Ihre Magie, so viel konnte sie sehen, war wie eine gewaltige Masse aus strahlend rosa Licht, die aus ihrer Hand strömte und sich nach allen Seiten ausdehnte. Instinktiv wusste Sky, dass sie sie zu einem Strahl bündeln musste. Die Füße fest in den Boden gestemmt konzentrierte sie sich auf das Licht – und allmählich gelang es ihr, die Masse zusammenzuziehen. Das Kribbeln in ihren Fingern war schier unerträglich, aber sie machte weiter, bis ihre magische Kraft sich in einen Strahl verwandelt hatte, der so dünn wie ein Bleistift war und den sie mit absoluter Präzision lenken konnte. Der Stuhl hörte auf, unkontrolliert in der Luft herumzutanzen, und gehorchte auch den kleinsten Bewegungen Skys. Behutsam senkte sie ihre Hand, bis der Stuhl auf dem Rasen vor ihr aufsetzte. Dann ließ sie sich erschöpft darauffallen. Archie trottete zu ihr und legte sich neben sie.

Na prima, ich hoffe, Mum hat den fliegenden Stuhl nicht gesehen, dachte Sky. Doch alles blieb ruhig. Das Kribbeln in ihren Fingern ließ nach, und eine Weile saß sie einfach nur da und ordnete ihre Gedanken. Die Stärke ihrer magischen Kraft überraschte sie. Es muss damit zusammenhängen, dass ich älter geworden bin und meine Magie stärker geworden ist, dachte sie.

Archies Ohren stellten sich auf, als die Schiffsglocke aus Messing ertönte, die draußen vor der Küchentür hing. »Komm, Archie. Mum ruft uns zum Mittagessen«, sagte Sky und sie rannten über den Rasen zum Haus.

Eine gute halbe Stunde lang saßen Sky und Mum beim Essen am Küchentisch und unterhielten sich. Von allen Schwestern ähnelte Sky ihrer Mutter am meisten. Sie hatten beide die gleichen großen grauen Augen und feine blonde Haare. Beide waren kreativ und musikalisch: Ottalie Cantrip gab Gesangs- und Klavierunterricht, Sky spielte Flöte und Klavier. Aber während die Mutter von Natur aus praktisch veranlagt war, neigte die Tochter zu Träumereien und besaß jede Menge Phantasie.

»Langweilst du dich nicht, so ganz allein?«, fragte Mum.

»Nein, es ist schön«, erwiderte Sky wahrheitsgemäß.

»Was hast du die ganze Zeit gemacht?«

»Och, dies und das.« Was irgendwie ja auch stimmte, dachte Sky. Sie beugte sich vor, um Pudding, den getigerten Kater, hochzuheben, der um ihre Beine strich.

»Glaubst du, er vermisst Bert?«, fragte Sky und streichelte den Kater. Grandmas kleiner Dackel schlief gewöhnlich in einem Körbchen neben dem Küchenherd, während Pudding eine Etage höher auf dem Windsorstuhl lag.

»Das bezweifle ich, Katzen sind sehr unabhängige Kreaturen«, sagte Mum. »Grandma und Bert werden bald zurückkommen, Pudding wird also nicht mehr lange allein sein.« Sie drehte sich um und sah auf die Küchenuhr. »In zehn Minuten muss ich eine Doppelstunde Klavierunterricht geben. Kannst du dich die nächsten zwei Stunden alleine beschäftigen?«

»Na klar, Mum«, sagte Sky mit einem Lächeln. Sie setzte Pudding ab und stand auf, um beim Tischabräumen zu helfen. Sobald das erledigt war, schnappte sie sich eine Wasserflasche und rannte zurück zum Camp.

Aller Anfang ist schwer

»Also gut«, sagte Sky. Sie stand hochkonzentriert in der Mitte des Camps. Archie wedelte erwartungsvoll mit dem Schwanz, weil er das Ganze für ein Spiel hielt. Doch Sky, die völlig reglos dastand und sich auf die Unterlippe biss, ignorierte ihn. Wie stellte man es an, zu fliegen?

Mit Hilfe ihrer magischen Kräfte etwas schweben zu lassen war etwas ganz anderes, als sich selbst in die Lüfte zu erheben. Wohin sollte sie mit dem Finger zeigen? Auf ihren Kopf? Ihre Füße? Sollte sie einen Arm in die Luft strecken wie ein Superheld? Woher würde die Magie kommen?

Ratlos und mit gerunzelter Stirn nahm Sky auf dem Stuhl Platz, ließ die Arme zur Seite fallen und begann, über die magischen Kräfte der Cantrip-Schwestern nachzudenken.

Flame verfügte über die Kraft des Feuers. Im Magischen Kreis, den sie gemeinsam bilden konnten, stand sie im Osten, der Himmelsrichtung, die das Spirituelle repräsentierte. Marinas Platz war im Süden des Kreises. Ihr Element, das Wasser, vertrat die Gefühle und das menschliche Herz. Flora mit ihrer Kraft der Erde stand im Westen, der Himmelsrichtung für alles Körperliche. Skys Magie der Luft schließlich repräsentierte die Kraft des Geistes. Sie stand im Norden des Kreises. Wenn die Schwestern sich ihren Himmelsrichtungen entsprechend aufstellten, brachten sie Seele, Herz, Körper und Geist zusammen. In diesem Magischen Kreis waren ihre Kräfte perfekt ausbalanciert, und gemeinsam besaßen sie dann die Macht, Dinge zu verändern.

Ich muss all diese Kräfte in mir finden, schoss es Sky durch den Kopf, und sie setzte sich auf. Dann wird es klappen. Ich muss mir meine Seele, mein Herz, meinen Körper und meinen Geist vorstellen und sie in einem eigenen magischen Kreis vereinen. Und wenn ich das geschafft habe, muss ich mir ausmalen, wie ich durch die Luft fliege. Ich muss es vor mir sehen. So wird es klappen!

Sie stand auf und wandte sich nach Süden, so dass sie zum Haus guckte. Dann hob sie die Arme eine Idee an und streckte die Hände mit gespreizten Fingern aus. »Ich rufe meine magischen Kräfte herbei«, murmelte sie. »Osten zu meiner Linken, Süden vor mir, Westen zu meiner Rechten und Norden hinter mir: Feuer, Wasser, Erde und Luft. Ich rufe meinen Magischen Kreis herbei. Ich rufe ihn jetzt.«

Im gleichen Moment begannen Skys magische Kräfte durch ihren Körper zu strömen. Sie spürte sie als sanften Energiefluss. Sie sah ihn mit ihrem inneren Auge als feine Linien aus buntem Licht, die ihren Körper durchzogen, bis es sich anfühlte, als würde er sich in vollkommenem Gleichgewicht befinden.

»Jetzt rufe ich die Kraft der Luft«, sagte sie. »Ich spüre sie tief aus meinem Inneren fließen.« Die Arme immer noch ausgestreckt, schloss sie die Augen und stellte sich vor, wie ihre Kräfte nach außen strahlten. Dann stellte sie sich vor, höher zu steigen, völlig mühelos. Eine Weile geschah nichts. Sky öffnete die Augen und sah sich um. Archie sprang auf und lief auf sie zu.

»Nein, Archie. Leg dich wieder hin«, sagte sie. Sie schloss erneut die Augen und versuchte, sich auf ihren Magischen Kreis zu konzentrieren, während sie sich zugleich vorstellte, aufwärts zu schweben. Plötzlich spürte sie, wie ihre Füße sich vom Boden lösten. »Huuuuch!«, kreischte sie, ruderte mit den Armen und verlor das Gleichgewicht. Eine Sekunde später plumpste sie aufs Gras. Das hat sich komisch angefühlt, dachte sie und klopfte den Schmutz von ihrer Jeans. »Na schön, zweiter Versuch!« Sie atmete langsam aus, schloss die Augen und breitete die Arme aus.

Es brauchte ein paar tiefe Atemzüge, bis Sky ruhiger wurde und es ihr gelang, sich zu konzentrieren. »Osten, Süden, Westen, Norden«, sagte sie. »Die vier Himmelsrichtungen kreuzen sich an einem Punkt in meinem Inneren, der Quelle meiner magischen Kraft. Ich stelle mir vor, dass diese Kraft es mir gestattet, mich in die Luft zu erheben. Ich stelle mir vor, wie mein Körper meinem Geist folgt und sich vom Boden löst …«

Dieses Mal war sie auf das Gefühl vorbereitet, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Als sie sich vorstellte, in die Höhe zu schweben, spürte sie eine Aufwärtsbewegung. Dann öffnete sie die Augen und sah nach unten. »Ich schwebe!«, rief sie aus. Woraufhin sie prompt aus dem Gleichgewicht geriet, wild mit den Armen zu rudern begann und mit einem Rums auf dem Rasen landete. »Autsch!«, murrte sie und rieb sich den Oberschenkel. Archie kam angesaust und fuhr ihr mit der Zunge durch das Gesicht. »Du dummer Hund«, sagte sie lachend.

Kurz darauf war Sky wieder in der Luft. Dieses Mal schob sie alle störenden Gedanken beiseite und konzentrierte sich vollkommen auf ihr Vorhaben. Wuuusch! schoss sie in die Luft. Sie blickte nach unten – es ging ganz schön tief hinunter. In der Luft schwebend – leicht nach vorn gebeugt und die Arme ausgestreckt wie menschliche Flügel – fragte sie sich, ob sie sich zur Seite bewegen könnte. Wie sollte sie das anstellen? Vielleicht, wenn ich es mir vorstelle, überlegte sie. Im Geiste spürte sie, wie sie sich seitwärts bewegte. Und tatsächlich: Ihr Körper folgte ihrem Geist und sie begann, auf die Bäume zuzudriften. Archie machte einen Satz vor und bellte sie aufgeregt an. Jetzt nur nicht die Konzentration verlieren!, dachte Sky. Sie stellte sich vor, aufwärts zu steigen, und gewann wieder etwas an Höhe, aber Archie bellte weiter. Ich muss auf den Boden zurück, dachte Sky. Mit aller Macht stellte Sky sich vor, sanft ins Gras zu fallen. Und auch wenn ihre Landung nicht so sanft war, wie sie gehofft hatte, spürte sie kurz darauf wieder festen Boden unter sich. Noch ein blauer Fleck, dachte sie, während sie im Gras saß und sich das Knie rieb.

»Archie, du nervst«, schimpfte sie. »Ich kann mich nicht konzentrieren, wenn du so einen Aufstand machst, und Mum wird jeden Moment herkommen, um nachzusehen, was hier los ist.«

Sky stand auf und trank ein paar Schlucke aus ihrer Wasserflasche. Wo kann ich nur üben?, grübelte sie. Ich muss weit weg von Archie sein und niemand darf mich sehen. Ich könnte ihn ins Haus bringen, aber dann würde Mum mich fragen, wieso ich ihn drinnen einsperre. Im Wald kann ich auch nicht üben. Mum würde mich dort zwar nicht sehen, aber die Bäume wären im Weg, und dann ist da immer noch das Problem mit Archie. Wie wäre es mit einem der Türme? Das ist eine gute Idee! Archie darf nicht mit nach oben.

Wenig später hatte Sky sich überzeugt, dass ihre Mutter immer noch Klavierunterricht gab, und rannte hinauf auf den Speicher im dritten Stock des Hauses. An beiden Enden des Dachbodenflures befand sich eine alte Holztür, hinter der eine wackelige Holztreppe in jeweils einen der beiden Türme führte. Cantrip Towers’ Türme erhoben sich hoch über das Haus. Sky freute sich schon jetzt auf die phantastische Aussicht, die sie von dort oben haben würde.

Ganz schön hoch, dachte sie, den Kopf in den Nacken gelegt, um zur Turmkuppel hochzublicken. Und ein verflixt tiefer Fall … Aber wie immer brachte Skys Neugierde sie dazu, ihre Angst zu vergessen, und kurz darauf schwebte sie mit weit ausgebreiteten Armen in der Mitte des Westturms. Es fühlt sich wundervoll an, dachte sie und kicherte in sich hinein. Fliegen macht mich glücklich. Ich fühle mich so frei! Ohne Ablenkung durch Archie war sie in der Lage, sich ganz auf ihre magische Kraft der Luft zu konzentrieren.

Während der nächsten Stunde lernte sie, ihre Magie so einzusetzen, dass das Fliegen sich vollkommen natürlich anzufühlen begann. Sie übte abzuheben und zu landen und auf der Stelle in der Luft zu schweben. Schließlich gelangte sie bis ganz hinauf in den Turm und schaffte es, dort oben schweben zu bleiben und auf die Felder hinauszuschauen, die Cantrip Towers umgaben.

Sie drehte gerade eine letzte Runde hoch oben in der Kuppel, als sie hörte, wie ihre Mutter nach ihr rief. Sie muss auf der Suche nach mir sein, dachte Sky panisch. Verflixt, was soll ich nur tun? Mir bleibt nicht genug Zeit, herunterzukommen. Mum würde mich ganz bestimmt auf dem Weg nach unten sehen …

Sie bemühte sich, mucksmäuschenstill zu sein, und lauschte auf die klappernden Schritte ihrer Mutter, die soeben die wackelige, schmale Treppe in den Turm hinaufstieg. Zehn Meter unter Sky öffnete sich die Tür. Mit angehaltenem Atem schwebte sie in der Luft, während ihre Mutter in die Mitte des Raumes schritt und sich umsah. Sie beobachtete, wie Mum mit den Achseln zuckte, sich wieder umdrehte und zur Tür hinausging. Sie hörte, wie sich ihre Schritte die Treppe hinunter entfernten und sie dann noch einmal Skys Namen rief, als sie den Dachbodenflur erreichte. Um Luft ringend schoss Sky zu Boden. In ihrer Hast prallte sie härter auf den Holzdielen auf, als sie vorgehabt hatte, und holte sich den dritten blauen Fleck an diesem Tag. Dann schlich sie so leise wie möglich die Treppe hinunter.

 

Die Idee, nachts zu fliegen, kam Sky, während sie mit ihren Eltern zu Abend aß. Während ein Teil von ihr damit beschäftigt war, mit ihnen zu plaudern, träumte der andere davon, im Mondlicht über das Haus zu fliegen.

»Woran denkst du gerade, Sky?«, fragte Dad mit einem Lächeln. »Du bist in Gedanken meilenweit weg. Was hast du heute gemacht, so ganz allein?«

Sofort hörte Sky auf, über das Fliegen nachzugrübeln, und erzählte ihren Eltern vom traurigen Zustand des Camps.

»Ich werde gleich morgen den Rasen mähen«, versprach Dad. »Wir können im Nu alles wieder schön herrichten.«

Sky seufzte. »Danke, Dad, aber wir spielen ja gar nicht mehr zusammen dort. Es ist jetzt alles anders.«

Ihr Vater nickte. »Ich weiß, Liebling – so ist das, wenn man größer wird. Du kannst nicht von Flame und Marina erwarten, dass sie dieselben Dinge machen wie früher.«

»Ich bin mir sicher, Flora wird gern mit dir draußen übernachten«, sagte Mum. »Wir machen den Wohnwagen gleich morgen fertig.«

Als ihre Mutter das sagte, dachte Sky erneut daran, wie es wäre, über Cantrip Towers zu fliegen. Es vom Wohnwagen aus zu tun wäre leichter, als sich dafür aus dem Haus schleichen zu müssen.

Nach dem Abendessen gab sie ihren Eltern einen Gutenachtkuss und ging ins Bett. Während sie die breite Mahagonitreppe hochging, fasste Sky den Entschluss, noch in dieser Nacht zu fliegen – die letzte, bevor ihre Schwestern nach Hause zurückkehren würden. Ehe sie sich hinlegte, stellte sie ihren Wecker auf zwei Uhr und steckte ihn unter ihr Kissen, um den Alarm zu dämpfen. Ihre Mutter hatte Ohren wie ein Luchs, und obgleich die Eltern im ersten Stock des Hauses schliefen und Sky und ihre Schwestern im zweiten, gab es Zeiten, in denen Ottalie Cantrip jede Stecknadel zu hören schien, die im Haus zu Boden fiel.

Um zwei Uhr ging der Alarm los. Schlaftrunken stellte Sky den Wecker aus. Dann setzte sie sich im Bett auf und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Es dauerte einen Augenblick, bis sie sich daran erinnerte, wieso sie den Wecker gestellt hatte. Sie blickte zum Fenster. Mondlicht strömte durch die offenen Vorhänge herein. Gut, es ist eine helle Nacht, dachte sie.

Sehr leise zog sie sich ihre Jeans und einen Pullover an, nahm ihre Turnschuhe in die Hand, öffnete die Tür und schlich den Flur entlang. An der Treppe angelangt, hielt sie den Atem an und lauschte. Als sie sicher war, dass niemand mehr im Haus unterwegs war, ging sie auf Zehenspitzen ins Erdgeschoss, wobei sie jedes Mal verharrte, wenn sie auf eine knarrende Treppenstufe trat. Es schien ewig zu dauern, bis sie unten ankam. Sie schlich über den Fliesenboden und öffnete die Küchentür so vorsichtig, wie sie konnte. Sie hielt kurz inne, um Archie in seinem Körbchen zu streicheln. »Bleib schön hier«, sagte sie zu ihm. Dann schloss sie die Tür auf, die in den Garten führte, und trat hinaus in die Nacht.

Da der Himmel sternenklar war und der Mond voll, konnte Sky ausreichend gut sehen, um ihre Turnschuhe anzuziehen und zur Vorderseite des Hauses zu gehen – der Seite, die vom Schlafzimmer der Eltern aus nicht zu sehen war. Mitten auf der Wiese blieb sie stehen und sah sich um. Die Nachtluft roch kühl und feucht. Die Stille war beinah unheimlich, und ein paar Momente lauschte sie dem Geräusch ihres Atems. Ihr Herz klopfte sehr schnell, als sie die Augen schloss, die Arme eine Idee anhob und ausstreckte. Im Geiste konzentrierte sie sich mit aller Macht auf ihre magischen Kräfte und stellte sich vor, über das Haus zu fliegen. Wenige Augenblicke später spürte sie, wie sie in die Luft stieg. Sie lehnte sich nach vorn und breitete die Arme zur Seite aus.

Hinauf ging es, immer höher. Dann schwebte sie plötzlich über dem Dachfirst. Die Luft war kalt auf ihrem Gesicht, als sie den Kopf wandte, um auf Cantrip Towers hinabzublicken. Wie unglaublich das ist, dachte sie. Es ist ein magischer Moment! Es ist das Beste, was ich je erlebt habe! Als würde ich träumen, nur viel besser!

Es war ganz still und leise dort oben, und alles sah so friedlich aus. Das Haus – Cantrip Towers – war riesig! Am Horizont konnte Sky den Wilden Wald erkennen, den alten weißen Wohnwagen und die Mauer, die Cantrip Towers von allen Seiten umgab. Wie wundervoll ihr Zuhause doch war – und wie herrlich, schwerelos zu sein, von nichts als Luft umgeben zu sein und fliegen zu können!

Wie ein Vogel, dachte Sky. Eine geraume Weile verlor sie sich ganz in der berauschenden Erfahrung, durch den Nachthimmel zu sausen. Ihr kam jedes Zeitgefühl abhanden, während sie auf- und abstieg und hierhin und dorthin flog. Sie war ganz erfüllt von dem Gefühl der Freiheit, das sie durchströmte, doch als sie das dritte Mal über Cantrip Towers hinwegschoss, erkannte sie plötzlich, dass sie erschöpft war und die Luft sehr kalt. Ich muss schon eine Ewigkeit hier oben sein, dachte sie. Sie versuchte, sich darauf zu konzentrieren, so geschmeidig wie möglich nach unten zu gleiten, aber mit einem Mal fühlte sich die Kälte an, als würde sie wie tausend Nadelstiche auf sie einstechen, und Skys Aufmerksamkeit ließ nach. Anstatt auf dem Rasen wäre sie beinah mitten im Wilden Wald gelandet. Als sie auf die Bäume zustürzte, sammelte sie rasch ihre Kräfte, stieg wieder auf und fegte über die Wipfel hinweg. Aber die Anstrengung hatte sie ausgelaugt, und sie stürzte mit einem Krachen ins Unterholz auf der anderen Seite der Mauer, die Cantrip Towers umgab.

»Aua!«, schrie Sky auf, als ihr linker Fuß auf einen großen Stein schlug, der durch den Aufprall zur Seite geschleudert wurde. Eine Gänsehaut kroch ihr den Rücken hinauf. Hier war sie, ganz allein, außerhalb des Grundstückes von Cantrip Towers, tief in ein Brombeergestrüpp verstrickt. In welche Richtung sie sich auch bewegte, überall waren Dornen. Nach einer Menge vor sich hin Schimpfen und Zähne Zusammenbeißen gelang es ihr, sich aufzusetzen und die Dornen zu lösen, die sich in ihrer Kleidung verhakt hatten. Mit zerkratzten und blutenden Händen rieb sie sich den Knöchel und sah sich um. In der Nähe bewegte sich etwas durchs Gebüsch. Sky starrte verängstigt in die Richtung. Keine Panik, das ist bloß ein Kaninchen, sagte sie sich, aber sie spürte, wie ihr Herz zu rasen begann. In den Bäumen schrie eine Eule. Ich muss zurück auf unser Grundstück, dachte sie mit wachsender Angst. So schnell sie konnte, rappelte sie sich auf, wäre aber beinah wieder über den großen Stein gestolpert. Sie machte einen sorgfältigen Bogen darum und suchte sich einen Weg durch die Brombeerranken, bis sie endlich den steinigen Pfad erreichte, der um die Mauer herum verlief. Sie holte ein paar Mal tief Luft.

Sobald sie sich ruhiger fühlte, konzentrierte sie sich auf ihre Magie. Es dauerte eine Weile, bis sie sie wieder spürte. Sie war müde und ihr war kalt und sie wollte nur noch ins Bett. Nach einer gefühlten Ewigkeit spürte sie die Verbindung zwischen Geist, Seele, Körper und Herz und stellte sich gleichzeitig vor, wie sie abhob und gen Himmel sauste.