Vogelfrei - Dana Schwarz-Haderek - E-Book

Vogelfrei E-Book

Dana Schwarz-Haderek

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Beschreibung

»Vorsichtig lasse ich mich auf dem wackeligen Bootssteg nieder. Da er in den vergangenen zwei Wochen nicht in sich zusammengefallen ist, wage ich es todesmutig, ihn nun doch für mich zu erobern. Wird schon gut gehen, denke ich mir, und stelle Teller und Glas neben mich, während ich es mir auf dem knarzenden Holzplanken im Schneidersitz gemütlich mache und achtlos ein paar graue Federn, die sich im Holz verfangen habe, wegwische.« Helena entflieht ihrem rasanten und ebenso oberflächlichem Leben in der Großstadt. Sie lässt sich ganz allein im ländlichen Idyll nieder. Nach einer schmerzhaften Trennung besinnt sie sich dort allmählich ihrer Wurzeln und kann bald hoffnungsvoll gestärkt einen neuen Weg in ihre Zukunft antreten. Doch die Geister der Vergangenheit lassen sich nicht durch eine Flucht aufs Land und den völligen Neuanfang täuschen, sondern fordern ihren vor langer Zeit ausgehandelten Preis ein.

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Seitenzahl: 37

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adakia pocket

kleine Reihe – großer Genuss

Vol. 5

Dana Schwarz-Haderek

VOGELFREI

Erzählung

In der Reihe »adakia pocket« sind bisher erschienen:

Vol 1: Fuchstraum – Im Mauseloch

Vol 2: Raul Jordan (Hrsg.) – Wandrers Weg

Vol 3: Uwe Kirst – Das Fenster

Vol 4: Mark Jischinski – Partner TÜV

Vol 5: Dana Schwarz-Haderek – Vogelfrei

adakia Verlag UG (haftungsbeschränkt)

Richard-Wagner-Platz 1

04109 Leipzig

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechts ohne Zustimmung des Verlags ist unzulässig.

Gesamtherstellung: adakia Verlag, Leipzig

Covergestaltung: Susan Ullrich

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2019

1. Auflage, Juni 2019

ISBN 978-3-941935-62-4 (EPUP)

ISBN 978-3-941935-63-1 (MobiPocket)

Für Gudrun Richter

Die Schwalben beginnen bereits, sich zu sammeln. Gleich schwarzer Perlen fädeln sie sich auf den Hochspannungsleitungen. Es verspricht ein warmer Augusttag zu werden. Ich habe mein Fenster halb heruntergelassen und atme tief durch. Auch gegen den Kloß im Hals und das flaue Gefühl im Magen. Es duftet nach Heu und Pilzen. Gleich einem impressionistischen Gemälde rauscht die flache Landschaft aus Feldrainen und kurzen Waldstücken vorbei. Die Landstraße zieht sich schnurgerade. Das bildgewordene Gegenteil meines mäandernden Lebens. Immerhin habe ich den Kreisverkehr verlassen und bewege mich endlich wieder vorwärts. Wenn auch noch lange nicht zielgerichtet. Späte Mohnblumen tupfen jähe Farbe in den verwischten Wechsel aus Dunkelgrün und Weizengelb, während die Überreste des Gewitters der vergangenen Nacht an den Waldrändern dampfend gen Himmel steigen und in blitzschnell aufleuchtenden Kristallen links und rechts der Straße für Bruchteile von Sekunden erstrahlen. Eine lichtgewordene Erinnerung an längst verronnene, dunkle Stunden. Noch immer bin ich mir nicht sicher, ob es richtig war, nahezu alle Brücken abzureißen. Ein Tapetenwechsel vollbringt Wunder, haben sie mir gesagt, um dann überaus verwundert zu sein, dass ich diesen Rat angenommen habe. So als wäre es nicht wirklich eine Empfehlung gewesen, sondern nur ein lapidarer Versuch, mich mit oft genutzten Phrasen oberflächlich zu trösten. Und nun sitze ich hier in meinem kleinen Auto und fahre einer Zukunft entgegen, die mehr als ungewiss ist. Hatte ich noch vor einigen Wochen völlig selbstbewusst den Kaufvertrag unterzeichnet und dem Schicksal trotzig die Stirn geboten, schwindet mein Selbstbewusstsein mit jedem Kilometer, den ich meinem neuen Heim näherkomme, zu einer kläglich-mutlosen Unsicherheit. Meine Finger umkrallen das Lenkrad fester als nötig. Ein bisschen Halt ist mir gerade mehr als willkommen. Was, wenn mich die Nachbarn nicht mögen?

Oder die neuen Arbeitskollegen?

Vielleicht vergessen mich die Freunde in der alten Heimat, wenn sie mich plötzlich nicht mehr täglich sehen?

War es doch übereilt, meinen Job zu kündigen und aus der Großstadt aufs Land zu ziehen? Ganz allein?

Hätte ich Tom die halbherzig erbetene Chance vielleicht einräumen sollen?

Plötzlich fühlt sich mein Plan, den ich mir aufgestellt hatte, wie eine überstürzte Flucht an. Noch völlig in Gedanken biege ich ab und stehe plötzlich schneller als erwartet vor meinem neuen Haus. Hübsch ist es. Ein bisschen bröckelt die Fassade an den Ecken, aber sonst wirkt es freundlich und einladend. Der kleine Garten grenzt nach einigen Schritten an die äußeren Ausläufer eines Baggersees. Hohes Gras, das erst in sanft raschelndes Schilf und dann in eine glänzend schiefergraue Wasserfläche übergeht. Es ist ein wunderbar stilles Ufer mit leisem Wellenplätschern und Grillenzirpen, fernab vom belebten Strand im ausgewiesenen Naherholungsgebiet auf der gegenüberliegenden Seite. Sogar einen alten Bootsanlegesteg gibt es, der jedoch im sanften Wellengang leicht ächzend keinen vertrauenerweckenden Eindruck macht. Zuletzt wohnten hier die Eltern der ehemaligen Eigentümer und diese schienen den Steg schon lange nicht mehr genutzt zu haben. Selbst der Weg dorthin ist im dichten Grün nur noch zu erahnen. Es war der kleine Garten mit dem Blick auf den See, der mich sofort davon überzeugt hatte, dass ich genau hier leben möchte. Eine Zäsur von der Schnelllebigkeit der Stadt. Der Anblick des bescheidenen Anwesens wirkt wie eine ermutigende Rückversicherung, vielleicht doch alles genau richtig entschieden zu haben.

Da der Umzugswagen erst in etwa einer Stunde ankommen wird, habe ich genügend Zeit, die ersten Schritte in meine neue Abgeschiedenheit zu setzen. Ich steige aus und gehe über leise knirschende Kiesel den kurzen Weg vom Gartentor zur Haustür. Zwei ausgetretene, durch unzählige Füße im Laufe der Jahre in der Mitte blank polierte Stufen empor und das Schloss der alten Holztür springt knarrend auf, als sich der Schlüssel darin dreht.

Die Zimmertüren im Erdgeschoss stehen leicht geöffnet, sodass sich die Strahlen der spätsommerlichen Morgensonne ihren Weg goldgelb aus der Küche in den kleinen Flur brechen.

Es ist ganz still.