Void - Kajsa Arnold - E-Book

Void E-Book

Kajsa Arnold

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Beschreibung

Christopher Void ist ein einsamer Wolf. Er ist jung, arrogant, gut aussehend, reich … und er ist ein Anwalt in New York. Madison Ecco ist nach New York gekommen, um zu vergessen. Was ihr nicht gelingen will: eine Arbeit länger als eine Woche zu behalten. Als die beiden aufeinandertreffen, ist klar, dass etwas Explosives in der Luft liegt. Die Frage bleibt nur: Wer wird sich als Erster die Finger verbrennen?

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Void

Dark Wishes

Kajsa Arnold

Inhalt

Zitat

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Danksagung

Bücher von Kajsa Arnold

Leseprobe You call my heart

Überarbeitete Neuausgabe

Copyright © 2022, Kaja Arnold

Alle Rechte vorbehalten

Nachdruck, auch auszugsweise, nicht gestattet

1. Auflage

Lektorat: Christin Ullmann

Korrektorat: Das kleine Korrektorat Ruth Pöß

Covergestaltung: Wolkenart, Marie Becker

Unter Verwendung folgender Fotos:

© g_peshkova - Bigstock.com

www.kajsa-arnold.de

Zitat

Vertrauen ist das Gefühl,

einem Menschen sogar dann glauben zu können,

wenn man weiß,

dass man an seiner Stelle lügen würde.

KapitelEins

Wir, die Geschworenen, halten den Angeklagten Roger Reynold für …“ Im Gerichtssaal ist es so leise, man könnte eine Stecknadel fallen hören.

„Nicht schuldig.“

Mit einem neutralen Blick sah der Richter zur Geschworenenbank. „Wurde das Urteil einstimmig gefällt?“

Der Obmann nickte. „Ja, Euer Ehren.“

Nun schlug der Richter mit seinem Hammer. „Gut, damit ist der Angeklagte freigesprochen und kann gehen.“

JA! Ich reckte innerlich die Faust in die Höhe. Wieder einmal hatte ich es geschafft. Ich war und blieb unbesiegt. Der Wolf, dem niemand etwas anhaben konnte.

„Danke, Christopher. Ich schulde Ihnen etwas.“ Reynolds wollte mir die Hand reichen, doch ich griff nach seiner Aktentasche. Ich hasste es, Menschen zu berühren, und vermied es, wo ich nur konnte.

„Sie schulden mir eine ganze Menge, Roger. Die Rechnung wird Ihnen meine Assistentin noch heute zusenden. Wenn Sie wieder mal die Beherrschung verlieren, passen Sie auf, dass sich keine Waffe in der Nähe befindet. Noch mal wollen wir Ihr Glück nicht herausfordern.“

Reynolds lachte auf. „Ich habe doch Sie, Void! Was soll mir passieren?“

Ich beugte mich meinem Mandanten entgegen, der vor mir stand, und neigte den Kopf. „Ich werde Ihren Kopf nicht wieder aus der Schlinge ziehen, denn ich verteidige keine Verdächtigen, die ich selbst für schuldig halte.“ Mit einem knappen Nicken verabschiedete ich mich.

Ich war wütend auf mich selbst, weil ich den Fall übernommen hatte. Mein Bauchgefühl hatte mir direkt gesagt, dass Reynolds nicht mit offenen Karten spielte, und so war es letztendlich auch gekommen. Er hatte seine Geliebte erschossen, aber auf Notwehr plädiert. Nun war er nicht verurteilt worden, dabei unterstellte ich ihm Vorsatz. Doch was brachte es, sich deswegen zu ärgern? Ich hatte das Mandat angenommen, ergo hatte ich meine Arbeit zu tun, ob es mir passte oder nicht. Mein Mandant wurde freigesprochen und hatte gewonnen, mehr sollte mich nicht interessieren. Ich hatte meine Arbeit erledigt und gewonnen. Das war gute Arbeit. Es interessierte nicht, ob ich ihn persönlich für schuldig hielt. Das war der Job der Geschworenen, nicht meiner.

Auf dem Weg zu den Aufzügen zückte ich mein Handy und rief meine Assistentin an. „Rita, lassen Sie bitte die Stunden im Fall Reynolds abrechnen. Ja, wir haben gewonnen. Haben Sie etwas anderes erwartet? Schicken Sie die Rechnung sofort los, ich will diesen Fall schnell zu den Akten legen und das Geld kassieren. Ich komme jetzt ins Büro.“

Während ich versuchte, das Handy in die Jackentasche zu stecken, betrat ich den Aufzug, ohne hinzusehen, was sich als Fehler entpuppte. Ich stieß mit jemandem zusammen und Papiere segelten zu Boden. Bevor ich reagieren konnte, schlossen sich die Türen des Aufzugs wieder.

„Oh mein Gott! Die Akte“, rief eine weibliche Stimme aufgeregt.

Endlich hatte ich das Handy sicher verstaut und hob einige Papiere auf. Die Blätter waren teilweise in der Tür eingeklemmt und zerrissen.

„Entschuldigung.“ Ich blickte auf und sah in zwei faszinierende Augen. Hellblau wie ein wolkenloser Himmel im Sommer.

„Ich wollte eigentlich aussteigen, stattdessen fahre ich jetzt in die Tiefgarage und die wichtigen Papiere sind ruiniert.“ Wütend sah die junge Frau mich an. Obwohl sie einen ganzen Kopf kleiner war als ich, ließ ihre Wut sie auf meine Ebene wachsen.

„Es tut mir leid, ich habe Sie nicht gesehen“, erklärte ich lapidar.

„Laufen Sie immer so kopflos durch die Gegend?“, fragte sie aufgebracht.

„Stellen Sie sich doch nicht so an, drucken Sie einfach neue Kopien aus.“

„Wie denn? Das waren die Originale.“ Sie klang sehr verzweifelt.

Die Türen des Auszugs öffneten sich im Untergeschoss.

„Wie gesagt, es tut mir leid.“ Schnell drückte ich der jungen Frau die Papiere in die Hand und verließ den Aufzug, aber nicht, ohne vorher noch ihren Duft aufzufangen. Ich ließ meinen Blick an ihrem Körper hinuntergleiten und musste feststellen, dass sie wirklich eine zwölf in einer Skala bis zehn war. Trotzdem hatte ich es eilig und ging einfach weiter.

„Hey, das kann mich den Kopf kosten“, rief sie mir hinterher.

„Das will ich doch nicht hoffen, es wäre schade um ihren schönen Kopf“, erwiderte ich und konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen.

„Rita, in mein Büro“, rief ich gut gelaunt und ließ mich auf den Schreibtischstuhl fallen. Meine Laune hatte sich nach dem Zusammenstoß mit der Schönen erheblich gebessert.

Die Räume im fünfundneunzigsten Stockwerk waren auf das Modernste ausgestattet. Mein Eckbüro mit den bodentiefen Fenstern hatte einen atemberaubenden Blick auf Manhattan. Doch hatte ich selten Gelegenheit, diesen Ausblick zu genießen. Zu kostbar war meine Zeit, die ich den Mandanten in Rechnung stellte.

„Rita, Sie müssen bitte meine Anzüge aus der Reinigung holen. Nehmen Sie den Mercedes, er steht unten in der Garage.“ Ich reichte ihr den Autoschlüssel und die Quittung der Reinigung. „Beeilen Sie sich bitte, ich brauche Sie hier wieder.“

Rita Owen nickte mir zu. Sie war bereits seit drei Jahren meine Assistentin und kannte meine Macken gut. Wir waren ein eingespieltes Team. Rita hatte einen entscheidenden Vorteil: Ihr Aussehen entspricht nicht meinem Beuteschema, was die Arbeit wesentlich erleichterte. Obwohl sie nur knapp Mitte vierzig war, sah sie wie eine alte Jungfer aus, in ihren einfarbigen Hosenanzügen, den flachen Schuhen und ihren grauen Haaren.

„Mister Lewis wollte Sie sprechen, sobald Sie zurück sind.“

Ich nickte. „Ich rufe ihn gleich an.“

Nachdem Rita das Zimmer verlassen hatte, griff ich zum Telefon und drückte die Kurzwahltaste, um meinen Geschäftspartner anzurufen.

„Reed, was kann ich für dich tun?“

„Gratuliere, ich habe die frohe Botschaft schon gehört. Du hast es mal wieder allen gezeigt, alter Junge.“

Nur zögerlich nahm ich die Lorbeeren entgegen. „Danke.“

„Was ist los? Du hörst dich ja nicht besonders enthusiastisch an“, fragte Reed überrascht. Sein tiefer Bass drang durch den Hörer.

„Ich weiß nicht. Bei diesem Fall habe ich kein gutes Gefühl. Er war schuldig und ich habe ihn herausgehauen.“

„So wie fast alle deine Klienten schuldig sind, sonst bräuchten sie nicht den besten Anwalt der Stadt. Du wirst doch wohl keine Gewissensbisse bekommen, oder? Irgendwie sind sie immer schuldig. Wenn dich dein Ethos plagt, solltest du dich auf Scheidungen beschränken, statt Mordfälle zu verteidigen, das wird auch besser bezahlt.“

„Hm, ich weiß nicht. Ich liebe meine Arbeit, aber zum ersten Mal kommt es mir nicht richtig vor.“

Leise atmete Reed aus. „Denk daran, nicht du hast ihn freigesprochen, sondern die Geschworenen. Also, wenn hier jemand ein schlechtes Gewissen haben sollte, dann die zwölf Menschen, die dafür gesorgt haben, dass dieser Mistkerl freikommt.“

Ich horchte auf. „Du hältst ihn also auch für schuldig?“ Wusste Reed vielleicht etwas, was mir nicht klar war?

„Schau dir den Kerl doch an. Reynolds ist der geborene Schläger, dem traue ich alles zu. Nur leider besitzt er zu viele Millionen und kann sich somit die Freiheit erkaufen, weil er vom besten Strafverteidiger New Yorks vertreten wurde. Mach einen Haken an die Sache. Außerdem habe ich einen Fall für dich, der interessant klingt. Hast du Zeit vorbeizuschauen?“

„Ich warte auf Rita, die Besorgungen für mich macht, danach komme ich rüber.“

„Alles klar.“

Wir beendeten das Gespräch und ich klopfte ungeduldig mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte. Reeds Büro lag im anderen Flügel auf der gleichen Etage – wir, die Geschäftsführer von Void, Lewis & Parker, thronten im obersten Stockwerk. Während John Parker sich auf Steuerrecht spezialisiert hatte, vertrat Reed Lewis hauptsächlich Scheidungen. Ich dachte darüber nach, ob ich als Strafverteidiger das schlechtere Los gezogen hatte. Während Reed sich mit schönen Frauen umgab, die ihren reichen Ex-Männern den letzten Penny aus der Tasche ziehen wollten, musste ich mich mit dem Abschaum herumplagen. Gut, es war reicher Abschaum, aber unter dem Strich waren sie nicht besser als die armen Kerle, die kein Vermögen besaßen. Früher hatte ich mir nie solche Gedanken gemacht. Vielleicht sollte ich mir eine Auszeit gönnen, in den letzten Monaten hatte ich einfach zu viel gearbeitet. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich zuletzt ein Wochenende freigenommen hatte.

Ich blickte einige Zeit aus dem Fenster, doch dann widmete ich mich der Post, die Rita mir wie jeden Tag vorsortiert auf den Schreibtisch gelegt hatte. Die Zeit verging. Nach zwei Stunden fragte ich mich, wo Rita eigentlich blieb.

„Mister Void!“ Die Stimme der Empfangsdame drang durch die Sprechanlage.

„Was gibt es, Tracy?“

„Hier sind zwei Herren von der Polizei, die Sie sprechen möchten.“

„Haben Sie gesagt, was sie wollen?“

„Nein … das möchten Sie Ihnen persönlich erklären.“ Tracy klang unsicher, was sonst nicht ihre Art war.

„Bringen Sie sie bitte in das Besprechungszimmer, ich komme sofort“, wies ich sie an, erhob mich und richtete meine Krawatte, dann machte ich mich auf den Weg.

KapitelZwei

Das kann nicht Ihr Ernst sein.“ Meine Stimme überschlug sich fast.

„Das sind hochbrisante Informationen. Die können nicht einfach so im Fahrstuhlschacht landen. Was glauben Sie, was passiert, wenn die in die falschen Hände geraten?“ Mein Vorgesetzter blickte mich wütend an. „Miss Ecco, Sie sind entlassen – fristlos. Daran geht kein Weg vorbei. So etwas können wir uns bei Gericht nicht leisten. Seien Sie in Zukunft sorgfältiger, wenn Sie noch mal eine Arbeit finden sollten.“

Der schwitzende Kerl blickte mich abwartend mit seinen kleinen Schweinsäuglein an.

Im Grunde genommen hatte ich auch keine Lust mehr, für diesen Kerl zu arbeiten. Seitdem er im Archiv versucht hatte, mir unter den Rock zu greifen, und ich ihm eine Ohrfeige verpasst hatte, war es ohnehin nur eine Frage der Zeit gewesen, bis ich von allein den Job hingeschmissen hätte. Nun war er mir zuvorgekommen. Finanziell war es ein schlechter Zeitpunkt, doch wann war schon der richtige Augenblick, um die Anstellung zu verlieren, die einem das Leben finanzierte?

„Wissen Sie was, George? Sie können sich diesen blöden Job in Ihren feisten Hintern schieben, immerhin ist er ja groß genug dafür.“ Ohne weiter auf ihn zu achten, schnappte ich meine Handtasche und verließ das Büro. Mein Weg führte mich direkt zur Arbeitsvermittlung, das Leben musste schließlich weitergehen. Als Anwaltsgehilfin musste es doch noch andere Jobs geben, immerhin war das hier Manhattan. Da wimmelte es doch nur so von Kanzleien. Ich würde auch jeden anderen Job annehmen, nur nicht mehr bei Gericht.

Ich saß zusammengesunken am Tisch in dem großen Meetingraum und blickte meine zwei Partner erschrocken an.

„Wie konnte das passieren? Vor drei Stunden stand sie noch lebend vor mir und jetzt soll sie tot sein?“ Ich schüttelte den Kopf.

„Wieso hat sie die Kontrolle verloren und ist mit deinem Wagen in den East River gestürzt? Was wollte sie in Williamsburg?“ Reed blickte mich fragend an.

„Ich habe keine Ahnung. Ihr Auftrag war, meine Anzüge aus der Reinigung zu holen und sofort wiederzukommen. Die Wäscherei liegt auf der Lafayette Street, keine fünf Blocks von hier. Es ist mir rätselhaft.“

„Nun, die anderen stehen unter Schock, ich denke, wir sollten alle Mitarbeiter nach Hause schicken. Es ist ohnehin Wochenende. Und du, Void, musst dich um eine neue Assistentin kümmern, damit du nicht im Chaos versinkst.“ John Parker hatte wie üblich einen Blick für die Dinge, die auf der Hand lagen. Nicht, dass es ihm an Empathie fehlte, nur war er recht pragmatisch veranlagt.

„Ja, schickt die Angestellten nach Hause. Und Tracy soll einen Trauergottesdienst für Rita organisieren. Soweit ich weiß, hatte sie keine Familie mehr.“ Mir war nicht wohl in meiner Haut. Ich hasste es, das so zu sagen, doch es gab niemanden, der sich sonst Rita annehmen würde. Sie hatte ihr Leben ihrem Job gewidmet, sonst gab es nichts. Dieser Gedanke stimmte mich nachdenklich. Würde ich auch einmal so enden? So allein, dass sich fremde Menschen um meine Beerdigung kümmern mussten? Ein unangenehmes Kribbeln durchfuhr meinen Körper. Das war echt gruselig. Ich konnte nur hoffen, dass es so nicht enden würde. Was hatte Rita nur getan? Ihre Anweisung war eine ganz andere. Ich begriff es nicht.

Zurück in meinem Büro griff ich zum Hörer und rief die Arbeitsvermittlung an. Ich brauchte sofort Ersatz für Rita. Dringend. Ansonsten würde ich in einem Berg von Papier versinken. Ablage war einfach nicht mein Ding. Rita hatte ein ganz spezielles System, dem ich bisher noch nicht auf die Schliche gekommen war. Außerdem konnte ich wohl kaum selbst ans Telefon gehen, das war einfach nicht meine Aufgabe. Zu viele Mandanten riefen wegen Kleinigkeiten an, um die sich meine Assistentin kümmern musste, also brauchte ich Hilfe. Und ich war mir sicher, dass Beatrice Washington genau die richtige Ansprechpartnerin für mich war.

„Miss Ecco ich habe wirklich keine Ahnung, wie Sie es anstellen, nach nur wenigen Tagen Ihren Job zu verlieren. Das ist Ihre dritte Stelle innerhalb von zwei Wochen, das grenzt an einen Rekord.“ Beatrice Washington, die Arbeitsvermittlerin, sah mich mitleidig an. „Es tut mir leid, ich kann nichts mehr für Sie tun.“

„Mrs Washington, ich verspreche Ihnen, die nächste Anstellung werde ich behalten, egal, was es ist. Aber ich brauche dringend einen Job, damit ich meine Miete bezahlen kann.“

„Ja, wer braucht das nicht? Wenn ich Sie immer wieder vermittle, werde ich bald keinen Job mehr haben, um meine Miete zu zahlen, Miss Ecco.“

Ich sackte auf dem harten Besucherstuhl in mich zusammen. Wenn ich keinen Job fände, der einigermaßen gut bezahlt wurde, müsste ich in zwei Wochen die Zelte hier abbrechen und zurück nach Scranton, Pennsylvania, fahren. Ein kleiner Ort hundertzwanzig Kilometer von New York entfernt. Dort würden dann alle mit dem Finger auf mich zeigen, weil ich es nicht geschafft hatte. Dieses Szenario bereitete mir Übelkeit. Ich straffte meine Schultern und setzte mein sympathischstes Lächeln auf.

„Mrs Washington, ich verspreche Ihnen hoch und heilig, ich werde den Job behalten, egal, was es ist. Ich werde mir mehr Mühe geben als irgendjemand sonst. Nur bitte … bitte geben Sie mir noch eine Chance.“ Ich hasste die Hilflosigkeit in meiner Stimme, doch was blieb mir anderes übrig? „Eine klitzekleine Chance. Möchten Sie etwa in Scranton leben wollen? Ich meine, die Stadt ist schön, aber Sie kennen meine Familie nicht.“

Beatrice Washington blickte mich ergeben an. „Also gut. Ich habe hier was. Obwohl ich glaube, dass Sie es nicht lange dort aushalten werden. Bei Void, Lewis & Parker wird eine Management-Assistentin gesucht. Sehr kurzfristig. Ich soll ihnen schicken, wen auch immer ich habe. Christopher Void ist ein eiskalter Anwalt. Wenn Sie es dort schaffen, schaffen Sie es überall. Sehen Sie es als Hürde auf Ihrem weiteren Berufsweg an. Je länger Sie es dort aushalten, umso leichter wird Ihnen alles danach erscheinen. Ich gebe Ihnen einen Tipp: Ziehen Sie Hosen an, dann können Sie besser die Faust in der Tasche ballen.“

Beatrice reichte mir einen Zettel über den Tisch. „Hier die Adresse. Sie sollten sich beeilen, es scheint dringend zu sein. Und denken Sie daran. Es ist Ihre letzte Chance. Vermasseln Sie es nicht.“

Dankbar nahm ich den Zettel entgegen, ohne einen Blick darauf zu werfen. „Vielen Dank, Mrs Washington. Ich werde Ihnen keine Schande machen“, versicherte ich.

„Das werden wir dann sehen“, hörte ich sie murmeln, als ich schnell den Raum der Vermittlerin verließ.

KapitelDrei

Mister Void, hier unten steht eine Dame … sie sagt, die Arbeitsvermittlung schickt sie.“

„Oh, es ist schon jemand da? Gut, schicken Sie die Dame zu mir herauf, ich werde sie am Fahrstuhl empfangen.“ Ich legte überrascht den Hörer auf. Na, das ging ja fix. Wie schnell sich die Dinge doch ändern konnten, eben noch hatte Rita auf dem Stuhl vor meinem Zimmer gesessen und nun musste ich sie ersetzen, als hätte es sie nie gegeben. Dieser Gedanke bereitete mir eine Menge Unbehagen.

Langsam machte ich mich auf den Weg zu den Aufzügen. Bis in den dreiundneunzigsten Stock dauerte es eine Weile, doch da die Kanzlei nun wie ausgestorben war, wollte ich die Kandidatin nicht warten lassen.

Mit einem melodischen Pling öffnete sich die Fahrstuhltür und gab den Blick auf eine reizende Person frei, deren Lächeln innerhalb von einer Sekunde auf ihren Lippen gefror.

„Nicht Sie!“, rief sie aus und verharrte auf der Stelle.

Wie erstarrt blickte ich die junge Frau an, der ich heute bereits schon einmal begegnet war. Zumindest konnte ich mich an ihre sexy Augen erinnern.

Als plötzlich die Türen wieder zuglitten, sprang ich, ohne groß nachzudenken, in den Lift.

„Was tun Sie hier?“, fragte die Blondine aufgebracht. „Verfolgen Sie mich etwa?“

Ich brachte ein leises, tiefes Lachen hervor. „Wohl kaum. Und das müsste ich eher Sie fragen. Ich arbeite hier. Vielmehr, das ist meine Kanzlei. Wenn ich mich vorstellen darf? Christopher Void.“ Ich reichte ihr die Hand. Der Aufzug war relativ klein und wir standen nah beieinander, sodass ich ihren angenehmen Duft wahrnahm.

Verlegen blickte sie mit ihren hübschen hellblauen Augen auf meine Hand. „Sie sind der Void in Void, Lewis & Parker?“

„So sieht es aus. Und wenn wir das Vorstellungsgespräch nicht im Aufzug führen wollen, sollten wir in mein Büro gehen.“ Ich drückte auf den Knopf, um die Türen zu öffnen, und geleitete sie durch die leeren Flure.

„Was ist hier los? Ist jemand gestorben? Es ist ja still wie in einem Grab“, sagte sie und schaute sich überrascht um.

Es war wohl als Spaß gedacht, doch ich blickte sie vielsagend an. „So ist es, das ist der Grund, weshalb ich so dringend eine Assistentin brauche. Meine Mitarbeiterin hatte einen Unfall und ist mit meinem Mercedes im East River ertrunken“, erklärte ich und es tat mir sofort leid. Meine Erklärung hörte sich sehr kalt an, so war es gar nicht gemeint, doch wie sollte ich anders meine Lage erklären?

„Dann ist es also gefährlich, für Sie zu arbeiten?“

„Das kommt ganz darauf an, wie man sich benimmt“, scherzte ich und blickte sie eindringlich an.

Angst glomm in ihrem Blick auf und ich hätte gern meine Antwort zurückgenommen, doch dafür war es zu spät. Ich wette, sie dachte einen Augenblick darüber nach, auf dem Absatz kehrtzumachen, doch dann entschied sie sich wohl dagegen.

Ich schlug mir die Hand vor den Mund. „Oh mein Gott. Das ist Ihr Ernst, oder?“, stammelte ich leise.

„Natürlich, über den Tod macht man keine Scherze“, gab er unwirsch zurück und zeigte auf einen der Besucherstühle vor seinem Schreibtisch. „Nehmen Sie doch Platz.“

Für eine Sekunde erwog ich, einfach das Weite zu suchen, doch ich hatte es Mrs Washington versprochen. „Es tut leid. So war das nicht gemeint. Das ist ja schrecklich.“ Mir wurde ganz heiß vor Aufregung. Ich hatte seine Äußerung wirklich für einen Scherz gehalten. Wer konnte denn wissen, dass es der Wahrheit entsprach?

„Sie wurden also von der Agentur geschickt. Heute Morgen hatten Sie doch noch einen Job.“ Void musterte mich aufmerksam.

„Dank Ihnen nun nicht mehr. Man hat mich vor die Tür gesetzt, weil die Papiere wichtige Dokumente enthielten, die nun vermutlich im Fahrstuhlschacht gelandet sind“, erklärte ich, ohne mit der Wimper zu zucken.

Sichtlich unwohl strich Void sich über die Krawatte. Er sah ungemein gut aus, musste ich zugeben. Sein dunkelblondes Haar trug er an den Seiten kurz geschnitten, das Deckhaar länger, es wellte sich leicht und er trug es zurückgekämmt. Die Haut war gebräunt, was selten bei Anwälten vorkam, die meisten arbeiteten ununterbrochen und kamen kaum an die frische Luft. Er war groß für einen Mann. Ich war zwar nicht klein, doch er überragte mich um einen ganzen Kopf. Seine Kleidung war maßgeschneidert, er sah fast unanständig reich aus, doch mit einem Lächeln ließ er mich das alles vergessen. Beim Blick in seine grauen Augen atmete ich unwillkürlich flacher. Mein Mund wurde trocken und ich presste die Schenkel unmerklich zusammen. Das war wirklich verrückt. Dieser Mann hatte mich meinen Job gekostet, und ich fand ihn auch noch attraktiv? Innerlich schüttelte ich den Kopf über mich selbst. Ich sollte wirklich an meiner Selbstachtung arbeiten.

„Ist das so? Ich hatte eher den Eindruck, dass es Ihrer Unaufmerksamkeit geschuldet ist, dass Sie nun ohne Arbeit dastehen.“ Void zog eine gepflegte Augenbraue in die Höhe und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Sehen Sie – das ist eine typische Abwehrreaktion, die mir zeigt, dass Sie sich schuldig fühlen. Ich fände es nur rechtens, wenn Sie mir diesen Job als Ihre Assistentin anbieten würden.“