Volkssagen der Altmark - Jodocus Deodatus Temme - E-Book

Volkssagen der Altmark E-Book

Jodocus Deodatus Temme

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Beschreibung

Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung.

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Seitenzahl: 195

Veröffentlichungsjahr: 2012

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Ähnliche


Die Volkssagen der Altmark

Jodocus Deodatus Hubertus Temme

Inhalt:

Bibliographie der Sage

Vorwort.

I. Sagen der Altmark.

1. Das Haus des Kaisers zu Stendal.

2. Erbauung des Doms zu Stendal.

3. Die Rolandssäulen.

4. Der verschwundene Tambour.

5. Die gottesschänderischen Juden.

6. Das wunderbare Feuer zu Stendal.

7. Der Kinderesser zu Stendal.

8. Der Betrug um die Leichengebühren.

9. Die betenden Straßenräuber.

10. Die alte Glocke in Koblake.

11. Das steinerne Kreuz bei Großen-Möhringen.

12. Das Marienbild zu Schleuß.

13. Die Pferdetrappe bei Darnstedt.

14. Der Teufel und der Schreiber zu Klein-Schwechten.

15. Die rothe Erde bei Dentz.

16. Der Teufelsstein zu Ostheeren.

17. Die Wahrzeichen an der Stephanskirche zu Tangermünde.

18. Die Jungfrau Lorenz.

19. Die Papenkühle bei Bellingen.

20. Der geigende Pfarrer.

21. Das Büchelchen.

22. Das Gespenst zu Schorstett.

23. Die Belagerung von Rogätz.

24. Die alte und die neue Stadt Gardelegen.

25. Die Sanct Georgen-Capelle vor Gardelegen.

26. Die Wette um das Thor zu Gardelegen.

27. Das Wamms des Geräderten.

28. Die Isern-Schnibbe bei Gardelegen.

29. Der Selische See.

30. Die goldene Laus bei Bismark.

31. Die Todtenglocke zu Calbe.

32. Die Stadt Salzwedel.

33. Das Stadtholz bei Salzwedel.

34. Klaus Ule.

35. Der bestrafte Meineidige.

36. Der Elternmörder in Salzwedel.

37. Die wüste Kirche zu Danne.

38. Der Mittelpunkt der Welt.

39. Die großen Steine bei Ballerstedt.

40. Die gestohlene Glocke in Ristedt.

41. Tetzels Ablaßkasten in Flechtingen.

42. Die beste Religion.

43. Das Unwetter in Gr. Gerstädt.

44. Der bestrafte Sabbathschänder zu Bombeck.

45. Hakkeberg.

46. Die bestraften Räuber.

47. Der Lehnekenberg bei Dahrendorf.

48. Der Lehnekenstein bei Bonese.

49. Die Spinnerin im Monde.

50. Die kluge Nonne zu Arendsee.

51. Der Name Arendsee.

52. Der Arendsee.

53. Der Mehlberg am Arendsee.

54. Der gekeilte Dieb.

55. Der Inspector Krusemark zu Seehausen.

56. Die Hand auf dem Grabe.

57. Der Kaiserbesuch in Osterburg.

58. Die Feuersbrunst in Osterburg.

59. Die rothe Erde bei Krumke.

60. Der letzte Pfarrer in Krumke.

61. Das Kloster Crevese.

62. Die beiden Frauen zu Aulosen.

63. Der Währwolf in Hindenburg.

64. Der Kobold in Lichterfeld.

65. Der Münchensee bei Osterholz.

66. Gott läßt sich nicht spotten.

67. Die zwei Todesengel.

68. Die Tempelherren-Schlösser.

69. Der neue Adel in der Altmark.

70. Der Name Jagow.

71. Der Name Schulenburg.

72. Der Name Gans von Putlitz.

73. Der wunderbare Ring in der Familie von Alvensleben.

74. Der alte Ziethen.

II. Meinungen und Gebräuche der Altmark.

Abergläubische Meinungen und Gebräuche.

Hexereien in Mellin.

Gewohnheiten in Thüritz.

Besondere Gebräuche und Meinungen im Hans Jochen-Winkel.

Besondere Gebräuche bei Entbindungen und Kindtaufen in der Gegend von Lagendorf (einem Theile des Hans Jochen-Winkels.)

III. Sagen der übrigen Marken.

1. Ursprung der Geschlechter Habsburg, Zollern etc.

2. Die wunderbarste Sage von Berlin.

3. Die Zauberinnen in Berlin.

4. Die Bildsäule des Churfürsten von Sachsen in Berlin.

5. Die gespenstischen Mäher bei Berlin.

6. Das Unwetter und Churfürst Joachim I.

7. Gesichter der Churfürsten Joachim I. und II.

8. Joachim von Schapelow.

9. Der Müggelberg bei Cöpenik.

10. Das Grab bei Rheinsberg.

11. Der Stein bei Stolzenhagen.

12. Die sieben Steine bei Morin.

13. Der Adamstanz bei Wirchow.

14. Die alte Stadt im Blumenthal.

15. Der Markgrafenberg bei Rathenau.

16. Das Wunderblut zu Belitz.

17. Das Wunderblut zu Zehdenick.

18. Das Wunderblut zu Wilsnack.

19. Das wunderbare Gesicht zu Prenzlau.

20. Die geharnischten Männer zu Cüstrin.

21. Der Bärenskirchhof in Grimnitz.

22. Das vermauerte Thor zu Gransee.

23. Die Strohbrücke bei Himmelpforten.

24. Der schwarze Mönch zu Ukermünde.

25. Die Capelle des h. Kreuzes bei Perleberg.

26. Der große Stein bei Reetz.

27. Das fluchende Weib.

28. Die Mißgeburt zu Jütkendorf.

29. Die Zaubersäcke zu Cüstrin.

30. Die stillen Frösche zu Schwante.

31. Die Ratzen in Neustadt-Eberswalde.

32. Die Schlangen von Prenzlau.

33. Die Schlangen zu Bernau.

34. Das Bernauische Bier.

35. Die Wundereiche bei Wittstock.

36. Der bestrafte Sabbathschänder.

37. Der Name Pritzwalk.

38. Das blutende Hirschhorn.

39. Die Blutkammer zu Wilsnack.

40. Das Fräulein bei Wittenberge.

41. Der Hildebrand bei Wittenberge.

42. Der Blutregen in Großmantel.

43. Historie von der Magd zu Frankfurt an der Oder, so Geld gegessen.

44. Die Magd und die Männlein zu Help.

IV. Sagen aus dem Magdeburgischen.

1. Die Wiedererbauung Magdeburgs.

2. Das Kaiserbildniß im Dome zu Magdeburg.

3. Der Schäfer am Dome zu Magdeburg.

4. Der schwörende Mönch.

5. Die gefesselten Männer am Dome zu Magdeburg.

6. Die frommen Hunde in Magdeburg.

7. Kriegeszeichen.

8. Der gefangene Jude zu Magdeburg.

9. Die heiligen Leichnams-Capelle zu Magdeburg.

10. Das Gespenst auf dem Tye in Magdeburg.

11. Bestrafte Tanzlust.

12. Die Cardinalsbirne.

13. Der Erzbischof Ernestus zu Magdeburg.

14. Der Warner vor der Schlacht, und die Magdeburger Taufe.

15. Das blutige Brod.

16. Die Metze und die Magd.

17. Der Todtengräber in Magdeburg.

18. Wolmirstett.

19. Der heilige See bei Neuhoff.

Die Volkssagen der Altmark, J. Temme

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849603236

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Sweet Angel - Fotolia.com

Bibliographie der Sage

Eine Sage istim allgemeinen alles, was gesagt und von Mund zu Mund weiter erzählt wird, also soviel wie Gerücht; im engeren Sinn eine im Volke mündlich fortgepflanzte Erzählung von irgendeiner Begebenheit. Knüpft sich die S. an geschichtliche Personen und Handlungen, indem sie die im Volke fortlebenden Erinnerungen an geschichtliche Zustände, Persönlichkeiten, dunkel gewordene Taten zu vollständigen Erzählungen ausbildet, so entsteht die geschichtliche S. und, sofern sie sich auf die alten Helden des Volkes erstreckt, die Heldensage; sind aber die Götter mit ihren Zuständen, Handlungen und Erlebnissen Gegenstand der S., so entsteht die Göttersage oder der Mythus (s. Mythologie) und auf dem Gebiet monotheistischer dogmatischer Religion die Legende (s. d.). Hastet die Erzählung an bestimmten Örtlichkeiten, so spricht man von örtlichen Sagen. Noch eine Sagengattung bildet endlich die Tiersage, die von dem Leben und Treiben der Tiere, und zwar fast ausschließlich der ungezähmten, berichtet, die man sich mit Sprache und Denkkraft ausgerüstet vorstellt. Ost hat sich um eine besonders bevorzugte Persönlichkeit, wie z. B. König Artus, Dietrich von Bern, Attila, Karl d. Gr. etc., und deren Umgebung eine ganze Menge von Sagen gelagert, die nach Ursprung und Inhalt sehr verschieden sein können, aber doch unter sich in Zusammenhang stehen, und es bilden sich dadurch Sagenkreise, wie deren im Mittelalter in germanischen wie romanischen Ländern mehrere bestanden und zahlreiche Epen hervorgerufen haben (vgl. Heldensage). Die echte S. erscheint somit als aus dem Drang des dichterischen Volksgeistes entsprungen. Wie alle Volkspoesie blüht sie am prächtigsten in der älteren Zeit, aber auch bei höherer Kultur verstummt sie nicht ganz; vielmehr ist der Volksgeist noch heute tätig, bedeutende Vorgänge und Persönlichkeiten mit dem Schmuck der S. zu umkleiden. Die Anknüpfung an ein gewisses Wirkliches ist hauptsächlich das Merkmal, das die S. vom Märchen (s. d.) unterscheidet. Wie das Märchen, liebt sie das Wunderbare und Übernatürliche, obwohl es ihr nicht unentbehrlich ist. Am häufigsten heftet sie sich an Burg- und Klosterruinen, an Quellen, Seen, an Klüfte, an Kreuzwege etc., und zwar findet sich ein und dieselbe S. nicht selten an mehreren Orten wieder. Um die Erhaltung der deutschen S. haben sich zuerst die Brüder Grimm verdient gemacht durch ihre reiche Sammlung: »Deutsche Sagen« (Berl. 1816–18, 2 Bde.; 3. Aufl. 1891). Nächst diesen sind die Sammlungen von A. Kuhn und Schwartz (»Norddeutsche Sagen«, Leipz. 1848), J. W. Wolf (»Deutsche Märchen und Sagen«, das. 1845), Panzer (»Bayrische Sagen«, Münch. 1848, 2 Bde.), Grässe (»Sagenbuch des preußischen Staats«, Glogau 1871) und Klee (Gütersloh 1885) als besonders reichhaltige Quellen zu nennen. Als Sammler von Sagen einzelner Länder, Gegenden und Örtlichkeiten waren außerdem zahlreiche Forscher tätig, so für Mecklenburg: Studemund (1851), Niederhöffer (1857) und Bartsch (1879); für Pommern und Rügen: U. Jahn (2. Aufl. 1890), Haas (Rügen 1899, Usedom u. Wollin 1903); für Schleswig-Holst ein: Müllenhoff (1845); für Niedersachsen: Harrys (1840), Schambach und Müller (1855); für Hamburg: Beneke (1854); für Lübeck: Deecke (1852); für Oldenburg: Strackerjan (1868); für den Harz: Pröhle (2. Aufl. 1886); für Mansfeld: Giebel hausen (1850); für Westfalen: Kuhn (1859) und Krüger (1845), Weddigen und Hartmann (1884); für die Altmark: Temme (1839); für Brandenburg: Kuhn (1843) und W. Schwartz (4. Aufl. 1903); für Sachsen: Grässe (1874) und A. Meiche (1903); für das Vogtland: Köhler (1867) und Eifel (1871); für das Erzgebirge: J. A. Köhler (1886); für die Lausitz: Haupt (1862) und Gander (1894); für Thüringen: Bechstein (1835, 1898), Börner (Orlagau, 1838), Sommer (1846), Wucke (Werragegend, 1864), Witzschel (1866), Richter (1877); für Schlesien. Kern (1867), Philo vom Walde (1333); für Ostpreußen etc.: Tettau (183f) und Reusch (Samland, 1863); für Posen: Knoop (1894); für den Rhein: Simrock (9. Aufl. 1883), Geib (3. Aufl. 1858), Kiefer (4. Aufl. 1876), Kurs (1881), Schell (Bergische S., 1897), Hessel (1904); für Luxemburg: Steffen (1853) und Warker (1894); für die Eifel: P. Stolz (1888); für Franken etc.: Bechstein (1842), Janssen (1852), Heerlein (Spessart, 2. Aufl. 1885), Enslin (Frankfurt 1856), Kaufmann (Mainz 1853); für Hessen: Kant (1846), Wolf (1853), Lynker (1854), Bindewald (1873), Hessler (1889); für Bayern: Maßmann (1831), Schöppner (1851–1853), v. Leoprechting (Lechrain, 1855), Schönwerth (Oberpfalz, 1858), Sepp (1876), Haushofer (1890); für Schwaben: Meier (1852) und Birlinger (1861–1862), Reiser (Algäu, 1895); für Baden: Baader (1851), Schönhut (1861–65), Waibel und Flamm (1899); für das Elsaß: August St ob er (1852, 1895), Lawert (1861), Hertz (1872); für die Niederlande: Wolf (1843), Welters (1875–76); für Rumänien: Schuller (1857); für die Schweiz: Rochholz (1856), Lütolf (1862), Herzog (1871, 1882); für Tirol. Meyer (2. Aufl. 1884), Zingerle (1859), Schneller (1867), Gleirscher (1878), Heyl (1897); für Vorarlberg: Vonbun (1847 u. 1890); für Österreich: Bechstein (1846), Gebhart (1862), Dreisauff (1879), Leed (Niederösterreich, 1892); für Mähren: Schüller (1888); für Kärnten: Rappold (1887); für Steiermark: Krainz (1880), Schlossar (1881); für Böhmen: Grohmann (1863), Gradl (Egerland, 1893); für die Alpen: Vernaleken (1858), Alpenburg (1861) und Zillner (Untersberg, 1861); für Siebenbürgen: Müller (2. Aufl. 1885), Haltrich (1885). Die Sagen Islands sammelten Maurer (1860) und Poestion (1884), der Norweger: Asbjörnson (deutsch 1881), der Südslawen: Krauß (1884), der Litauer: Langkusch (1879) und Veckenstedt (1883), der Esten: Jannsen (1888), der Lappländer: Poestion (1885), der Russen: Goldschmidt (1882), der Armenier: Chalatianz (1887), die der Indianer Amerikas: Amara George (1856), Knortz (1871), Boas (1895); indische Sagen Beyer (1871), japanische Brauns (1884), altfranzösische A. v. Keller (2. Aufl. 1876); deutsche Pflanzensagen Perger (1864), die deutschen Kaisersagen Falkenstein (1847), Nebelsagen Laistner (1879) etc. Die Sagen bilden mit den im Volk umlaufenden Märchen, Legenden, Sprichwörtern etc. den Inhalt der Volkskunde (s. d.), die seit neuerer Zeit Gegenstand reger wissenschaftlicher Forschung ist. Vgl. L. Bechstein, Mythe, S., Märe und Fabel im Leben und Bewußtsein des deutschen Volkes (Leipz. 1854, 3 Tle.); J. Braun, Die Naturgeschichte der S. (Münch. 1864–65, 2 Bde.); Uhland, Schriften zur Geschichte und S., Bd. 1 u. 7 (Stuttg. 1865–68); Henne am Rhyn, Die deutsche Volkssage im Verhältnis zu den Mythen aller Völker (2. Aufl., Wien 1879); v. Bayder, Die deutsche Philologie im Grundriß (Paderb. 1883); Paul, Grundriß der germanischen Philologie, Bd. 2, 1. Abt. (2. Aufl., Straßb. 1901) und die Bibliographie in der »Zeitschrift des Vereins für Volkskunde«; Grünbaum, Gesammelte Aufsätze zur Sprach- und Sagenkunde (Berl. 1901).

Vorwort.

Die Altmark besteht gegenwärtig aus den vier Landräthlichen Kreisen Stendal, Gardelegen, Salzwedel und Osterburg; außerdem gehören einzelne Theile der Kreise Wolmirstedt und Neuhaldensleben dazu. Sie bildet einen Theil des Regierungsbezirks Magdeburg und der Provinz Sachsen. Sie war früher, bis zu ihrer Einverleibung mit dem ehemaligen Königreiche Westphalen, eine für sich selbst bestehende, abgeschlossene Provinz des Preußischen Staats, mit selbständiger Verfassung, mit einem eigenen Obergerichte, das in ihrer damaligen Hauptstadt Stendal seinen Sitz hatte, u.s.w.

Diese Selbstständigkeit hat manche Eigenthümlichkeit in Charakter, Sitten, Kleidung und Leben der Altmärker aufrecht erhalten, zu welcher vielleicht die Umstände, daß ein großer Theil der Altmark früher von den Wenden bewohnt war, daß unter Albrecht dem Bären ein eben so eigenthümliches Volk, die Niederländer, in die Mark, namentlich in die Wische, gegerufen wurden, so wie, daß die Altmark die langjährige Residenz nicht nur der Brandenburgischen Markgrafen, sondern selbst mehrerer Deutschen Kaiser war, den ersten Grund gelegt haben mögen. Soviel ist gewiß, man erkennt einen Altmärker, besonders einen Altmärker vom Lande, leicht und auf den ersten Blick. Alle Generalisirung und Uniformirung der neueren Civilisation, alle politische Verschmelzung mit anderen Stämmen und Regierungen hat seine Besonderheiten, seinen specifischen Nationaltypus nicht zu verwischen vermocht. Ist er auch ein Preuße, ist er auch ein Märker, so ist er doch ein Altmärker, und von der Altmark geht der erste Ruhm und Glanz der Brandenburgischen Marken und des Preußischen Thrones aus.

Die Eigenthümlichkeit des Altmärkers findet sich wieder in seinen Sagen. Ist daher die Sammlung des Sagenschatzes eines Volkes, dieser nationalsten Volkspoesie, dieses Spiegels seiner ganzen Denk-und Gefühlsart, seiner Geschichte, seines Lebens, überhaupt etwas Interessantes, mag man sie als Gegenstand müßiger Unterhaltung, oder als Hülfsmittel zum Studium der Völker und ihrer Geschichte betrachten, so erschien mir eine Sammlung der Volkssagen der Altmark doppelt interessant. Sie muß ein bedeutsamer Beitrag zu einer Sagensammlung unseres gesammten deutschen Vaterlandes sein. Für die deutsche Sage geschieht in der neueren Zeit wieder viel. Das muß in Kurzem zu einem höchst interessanten Resultate führen. Ist sie nämlich aus allen Gauen Deutschlands gesammelt, so muß sie einen Blick in die Verschiedenheiten der Stämme und Gegenden, der Sitten, Gebräuche und Lebensweise, der Wirkungen der Verfassung, der politischen und religiösen Institutionen werfen, der für den beobachtenden Vaterlandsfreund von der entschiedensten Bedeutung ist. Die Sagen der Altmark werden dann nicht unbeachtet da stehen. Man wird ihren allgemeinen deutschen Ursprung und Charakter, man wird aber auch ihre besondere Bildung und Richtung anerkennen.

Die Altmark ist flach und eben. Im Gebirge soll die Sage besser gedeihen, als in der Ebene. Bei der Altmark bewährt sich das nicht. Sie ist reich an Sagen, besonders auf dem Lande. Der gemüthliche und gemüthlich beschauende Charakter des Volkes, das zu langwierigen und mühsamen Anstrengungen des Geistes sich nicht hinneigt, hat hier an jeden Gegenstand seines Lebens und seiner Geschichte irgend eine übernatürliche, poetische Bedeutung geknüpft.

Der Reichthum des Altmärkischen Sagenschatzes ist nicht nach der vorliegenden Sammlung zu beurtheilen. Einmal verschwindet überall die Sage mehr aus dem Volke, je mehr sie in die Bücherwelt übergeht. Sodann lebt in der Altmark die Sage mehr auf dem Lande als in den Städten, und man muß bei der Verschlossenheit des Landvolks zu diesem schon in ganz besonderen und vertrauten Beziehungen stehen, um es mittheilsam für seine Sagen zu machen, die es gern für sich allein behält, so wie der Mensch überhaupt das nicht gern weggiebt, was er, zumal in schöneren Stunden, selbst geschaffen hat, und was ihm eben darum um desto lieberes Eigenthum geworden ist. Hat doch das Volk die Sage aus sich heraus producirt; wer will es ihm verdenken, wenn es sie nur für sich behalten will. Ich habe zwei Jahre mitten in der Altmark gelebt, und ich habe mir während dieser ganzen Zeit sehr viele Mühe gegeben, Altmärkische Sagen zu sammeln; nur das hier Mitgetheilte ist meine ganze Ausbeute geworden. Von diesem ist mir das Wenigste unmittelbar aus dem Munde des Volks zugekommen. Das Meiste ist aus Chroniken geschöpft, deren die Altmark viele hat. Von den übrigen verdanke ich Vieles Männern, die eine Reihe von Jahren lang unmittelbar unter dem Volke gelebt haben, von denen ich hier dankbar des um das Volksleben der Altmark in vielfacher Hinsicht verdienten Pfarrers Pohlmann in Grieben erwähne. Eine Wiederauflebung der Altmärkischen Sage steht durch den im Jahre 1830 zu Salzwedel gegründeten »Altmärkischen Verein für Geschichte und Industrie« bevor, der sich viele Mühe giebt, die Geheimnisse und Eigenthümlichkeiten des Volkslebens und Volkscharakters in allen seinen verschiedenen Richtungen zu erforschen und festzustellen. Durch die Güte des verdienstvollen Professors Danneil zu Salzwedel ist mir die Einsicht der Acten des Vereins gestattet, wofür ich hier öffentlich meinen Dank auszusprechen mich verpflichtet fühle.

Ueber meine Grundsätze bei der Auswahl der mitgetheilten Sagen kann ich hier nur Weniges sagen. Es sind dieselben, die den Landrath von Tettau und mich bei Herausgabe der »Volkssagen Ostpreußens, Litthauens und Westpreußens« (Berlin 1837) geleitet und die wir dort in der Einleitung niedergelegt haben. Ich darf mich im Ganzen darauf beziehen. So wie wir dort von der Ansicht ausgingen, nur solche Sagen aufzunehmen, die aus dem Volke hervorgegangen oder sein Eigenthum geworden, nicht aber demselben von außen her aufgedrängt und ihm immer fremd geblieben waren, so habe ich auch hier nur eben solche Sagen mitgetheilt, und bei denen, die ich aus Chroniken schöpfte, aus ihrer Quelle und Beschaffenheit sorgfältig erwogen, ob sie für ächte Volkspoesie oder aber für fremdartiges Machwerk zu halten seien. Dieß hat bei einiger Mühe und Aufmerksamkeit, bei Vergleichung der einzelnen Sage mit dem Gesammtcharakter der übrigen Sagen des Volkes und mit dem Leben und Charakter des letzteren, keine großen Schwierigkeiten. In derselben Weise, wie bei jener Sammlung, habe ich es mir auch hier zur strengsten Pflicht gemacht, die aufgenommenen Sagen nur gerade so wieder zu geben, wie sie im Munde des Volkes leben oder früher gelebt haben, ohne alle eigene Zuthat, ohne alle Ausschmückung. Mag auch manche er mitgetheilten Sagen eben so sehr einer Pointe entbehren, als ihr durch eine geringe Nachhülfe eine bessere, eine poetischere Gestaltung und Vollendung zu geben gewesen wäre, ich habe solche Mittel auf das strengste verschmähen zu müssen geglaubt, den Hauptzweck meiner Arbeit festhaltend: nur die Schöpfungen und die Poesie des Volkes zu geben.

Aus demselben Grunde habe ich mich denn auch hier ganz der einfachen, prunklosen Darstellungsweise befleißigt, in der jene Preußischen Sagen vorgetragen sind, und die mir einer einfachen Volkssage allein angemessen zu sein scheint. Wo die Chronik nicht, was öfter ihr Fehler ist, zu weitläufig wurde, habe ich ihr meistentheils fast wörtlich nacherzählt. Wo ich nicht aus der Chronik schöpfte, und ich also mehr selbstbildend hinsichtlich der Form auftreten mußte, erschien mir die einfachste und kürzeste Erzählungsweise die beste. Ich halte es für keinen geringen Fehler in vielen der neuesten Sammlungen von Volkssagen, daß sie in einem überladenen, sentimentalen, modern-novellenartigen Style vorgetragen werden. Sie erhalten dadurch das unangenehme Ansehen formloser Gestalten. Sie sind nicht mehr eine Sage des Volks; sie sind noch weniger in den gebildeteren Kreisen als Eigenthum einheimisch. Dort stößt sie die Form zurück, hier die Materie, der Inhalt. Sie passen nirgends recht hin.

Bei der Anordnung habe ich zum großen Theil von der in den Preußischen Sagen beobachteten Form abweichen müssen. Dort wurde die Ordnung hauptsächlich mit durch die Rücksicht auf die Geschichte des Landes bedingt, so daß eine große Menge von Sagen, als einer bestimmten Geschichtsperiode angehörend und sich auf dieselbe beziehend, zusammengestellt werden mußten, und nur die übrigen nach der verschiedenen Oertlichkeit oder Verwandtschaft ihres Inhalts geordnet werden konnten. Eine solche Rücksicht fällt hier fort, und ich habe es daher vorziehen zu müssen geglaubt, die Sagen hauptsächlich nach der Oertlichkeit, für jede Oertlichkeit sodann aber chronologisch zu ordnen. Hiervon habe ich nur zuweilen eine Ausnahme gemacht, namentlich dann, wenn der verwandte Inhalt mehrerer Sagen ihre unmittelbare Zusammenstellung zweckmäßiger erscheinen ließ.

Wie den Preußischen Sagen, so habe ich auch den Altmärkischen eine Sammlung von abergläubischen Gebräuchen und Meinungen in der Altmark angehängt. Zur Rechtfertigung kann ich mich gleichfalls auf das darüber in der Einleitung zu den Preußischen Sagen Gesagte beziehen. Diese Meinungen und Gebräuche sind so durch und durch Volkspoesie, und mit der Sagenpoesie verwandte Volkspoesie, sie erscheinen mir zudem von so entschiedenem Interesse, daß ich mir einbilde, derjenige, der ohne sie die Sagen eines Volkes liefert, giebt nur etwas Halbes, und läßt wenigstens gerade das Sinnigste und am meisten Charakteristische fort. Soviel über die Altmärkischen Sagen.

Ich habe ihnen einen Anhang von Sagen aus den übrigen Theilen der Brandenburgischen Marken und aus dem Magdeburgischen beigefügt. Hierzu hat mich folgende Rücksicht bewogen. Die Altmark ist sowohl von den ältesten Zeiten her mit den übrigen Marken, als aus neuerer Zeit mit dem Herzogthum Magdeburg auf das engste verbunden. Dadurch, so wie ferner durch gemeinsame Abstammung eines großen Theils des Bodens und der Gegend, hat sich nothwendig in mannigfacher Hinsicht eine Verwandtschaft und Aehnlichkeit in der Lebensweise und dem Charakter der Bewohner der einzelnen genannten Provinzen bilden müssen. Gleichwohl hat jede Provinz ihr Eigenthümliches behalten, besonders, wie schon oben erwähnt, die Altmark. Diese Eigenthümlichkeiten und Verschiedenheiten, und diese Verwandtschaften und Aehnlichkeiten auch in den Sagen der einzelnen Gegenden wieder aufzusuchen, habe ich nun für nicht bedeutungslos gehalten, und die mitgetheilten Sagen werden in der That manche Vergleichungspunkte darbieten. –

Ich habe bisher den Apologeten meiner eigenen Arbeit gemacht. Ich verkenne darum aber nicht ihre Fehler. Darunter muß ich zunächst die Form, den Ton der einzelnen Sagen hervorheben. Ich fühle selbst, daß manche anders hätten erzählt werden müssen; aber wie es Einem oft geht, daß man Fehler einsieht, ohne sie verbessern zu können, so ging es mir auch hier: ich sah den unrechten Ton ein, aber ich konnte den rechten nicht treffen. Ich muß ferner selbst zugeben, daß einige der mitgetheilten Sagen einem etwas strengen Begriffe der Sage, namentlich dem in der Einleitung zu den Preußischen Sagen aufgestellten, nicht entsprechen möchten, z.B. die von dem letzten Pfarrer in Krumke, von dem Dorfe Buch u.e.a., da sie im Grunde nur Anekdoten sind. Aber es sind jedenfalls doch Anekdoten, die das Volk aufgenommen, auf seine Weise einmal verarbeitet und volksthümlich gemacht hat, und die es mit seinen übrigen Sagen sich gern erzählt. Ich habe deshalb geglaubt, sie ebenfalls unter diesen wenigstens dulden zu müssen.

Ganz besonders muß ich aber zum Dritten die Unvollständigkeit meiner Arbeit anerkennen. Dieser Fehler ist indeß freilich nicht der meinige. Ich habe mir gewiß Mühe genug gegeben, etwas Vollständiges zu liefern; wie es mir nicht gelingen konnte, habe ich oben zu zeigen versucht. Ich habe gleichwohl den gewählten Titel des Werkchens nehmen zu dürfen geglaubt. Denn wenn gleich derselbe eine vollständige Mittheilung der Altmärkischen Sagen anzudeuten scheint, so darf ich doch auch hinwiederum darauf aufmerksam machen, daß weder einer Seits die bekannten Sagen der Altmark (Ausnahmen wird es immerhin geben) mitgetheilt sind, daß aber von der andern noch viele Mühe und Jahre erforderlich sein dürften, bevor es gelingen wird, die noch nicht bekannten aus den schwer zugänglichen Schachten der Volksverschlossenheit, in denen sie verborgen liegen, zu Tage zu fördern.

Ueber die Geschichtswerke und Chroniken, aus denen ich geschöpft habe, noch etwas zu sagen, dürfte hier nicht der Ort sein. Ich darf nur noch anführen, daß ich jedesmal, wo ich eine geschriebene Quelle hatte, diese angegeben habe. Diejenigen Sagen, bei denen keine solche Quelle angegeben ist, sind unmittelbar aus dem Munde des Volks, theils durch mich selbst gesammelt, theils durch Freunde und Bekannte, von denen ich den Pastor Pohlmann schon oben dankbar genannt habe.

Der Herausgeber.

I. Sagen der Altmark.

1. Das Haus des Kaisers zu Stendal.

Die Stadt Stendal, welche früher die Hauptstadt der Altmark war, ist erbauet von dem Kaiser Heinrich dem Finkler oder Vogelfänger, welcher sie zum Schutze gegen die heidnischen Wenden anlegte. Der Name kommt davon her, daß sie in einem steinigen Thale, Steinthal, liegt. Der genannte Kaiser hat sich in der von ihm erbauten Stadt viel aufgehalten, und zum öfteren darin residirt. Seine Wohnung hat er alsdann gehabt in einem Hause, welches noch jetzt gezeigt wird, obgleich es nun ganz anders gebauet ist. Es steht an der Ecke der Jacobi-Kirche, nach dem sogenannten alten Dorfe hin, dem ältesten Theile der Stadt. Es ist zum ewigen Wahrzeichen, daß der Kaiser Heinrich darin gewohnt, kenntlich daran, daß oben in seiner Giebelwand nach der Jacobi-Kirche hin ein pechschwarzer Mohrenkopf eingemauert ist.

Sammlung zu einer Chronik von Stendal. I. S. 4. u. mündlich.

2. Erbauung des Doms zu Stendal.