Vom Reisen - Georg Forster - E-Book

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Georg Forster

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Mit einem ausführlichen Nachwort von Helmut Scheuer. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Autoren. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Mit James Cook ist Georg Forster um die Welt gereist, mit Alexander von Humboldt hat er europäische Länder erkundet und wurde wegen seiner naturwissenschaftlichen Forschungen bereits als 23-Jähriger in die Londoner Royal Society aufgenommen. Dieser Band versammelt die schönsten und wichtigsten Texte zum Thema Reisen aus Forsters umfangreichem Gesamtwerk.

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Georg Forster

Vom Reisen

Ein Lesebuch

Herausgegeben von Helmut Scheuer

Fischer e-books

Mit einem ausführlichen Nachwort von Helmut Scheuer.

Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Autoren.

Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

Dr. Johann Reinhold Forster’s und seines Sohnes Georg Forster’s

Reise um die Welt

auf Kosten der Grosbrittanischen Regierung zu Erweiterung der Naturkenntniß unternommen und während den Jahren 1772 bis 1775 in dem vom Capitain J. Cook commandirten Schiffe the Resolution ausgeführt

Vorrede

Die Geschichte der Vorwelt zeigt uns kein Beyspiel solcher gemeinnützigen Bemühungen zur Erweiterung menschlicher Kenntnisse, als die Britten während der Regierung ihres jetzigen Königs unternommen haben. Lange wäre Amerika mit allen seinen Schätzen unentdeckt geblieben, wenn sich nicht ein Columbus durch seine Standhaftigkeit und edle Schwärmerey, trotz aller Hindernisse, die ihm Neid und Unwissenheit in den Weg legten, zu Ferdinand und Isabellen gleichsam hingedrängt hätte. Doch dieser unsterbliche Seemann ward endlich nur darum in Schutz genommen, weil er eine neue, ohnfehlbare Quelle von Reichthümern entdeckte. Umsonst hoft man, daß Plutus und die Musen ein dauerhaftes Bündniß schließen können; nur so lange währt die Freundschaft, als die holden Göttinnen, wie Danaïden, die Schatzkammer des Unersättlichen mit Golde füllen.

Es war spätern Zeiten vorbehalten, die Wissenschaft als Siegerinn zu sehn! Drey verschiedne Seereisen hatte man schon gethan, aus der edlen Absicht Entdeckungen zu machen, als die vierte, auf Befehl eines erleuchteten Monarchen, nach einem vollkommnern Plan unternommen ward. Der erfahrenste Seemann dieser Zeiten, zween geschickte Sternkundige, ein Gelehrter, der die Natur in ihrem Heiligthum studiren, und ein Mahler, der die schönsten Formen derselben nachahmen sollte, wurden auf Kosten der Nation auserlesen. Sie vollbrachten ihre Reise, und sind jetzt im Begrif Rechenschaft von ihren verschiednen Entdeckungen zu geben, die wenigstens für ihre Beschützer rühmlich seyn muß.

Die Brittische Regierung schickte und unterhielt meinen Vater auf dieser Reise als einen Naturkundiger, aber nicht etwa blos dazu, daß er Unkraut trocknen und Schmetterlinge fangen; sondern, daß er alle seine Talente in diesem Fache anwenden und keinen erheblichen Gegenstand unbemerkt lassen sollte. Mit einem Wort, man erwartete von ihm eine philosophische Geschichte der Reise, von Vorurtheil und gemeinen Trugschlüssen frey, worinn er seine Entdeckungen in der Geschichte des Menschen, und in der Naturkunde überhaupt, ohne Rücksicht auf willkührliche Systeme, blos nach allgemeinen menschenfreundlichen Grundsätzen darstellen sollte; das heißt, eine Reisebeschreibung, dergleichen der gelehrten Welt bisher noch keine war vorgelegt worden. Ein solcher viel umfassender Auftrag entsprach der Geistes-Größe vollkommen, durch welche sich alle Rathschläge der brittischen Nation auszuzeichnen pflegen, und in der festen Überzeugung, daß mein Vater, vermöge seiner eignen Liebe zur Wissenschaft, von selbst darauf bedacht seyn würde, der Gelehrsamkeit alle mögliche Vortheile durch diese Reise zu verschaffen, enthielt man sich auf die edelmüthigste Weise, ihm deshalb besondere Maaßregeln vorzuschreiben.

Er unternahm also die Reise, und sammelte seine Bemerkungen, zufolge der Meynung, die man sich von ihm gemacht hatte. Fest entschlossen, den Endzweck seiner Sendung auszuführen und seine Entdeckungen dem Publiko mitzutheilen, nahm er sich nicht Zeit von den Mühseligkeiten der Reise zu ruhen; es waren nach seiner Rückkunft kaum vier Monat verstrichen, als er dem Könige schon die Erstlinge seiner Arbeit widmete und überreichte.[1] Die Reisegeschichte, das Hauptwerk, welches man von ihm verlangte, ließ er darauf sein angelegentlichstes Geschäft seyn. Anfänglich wollte man, daß er aus seiner eignen und des Capitain Cooks Tagebüchern, nur Eine Erzählung machen sollte, worinn die wichtigen Bemerkungen eines jeden an ihrer Stelle, und zum Unterschied verschiedentlich bezeichnet, erscheinen sollten. Mein Vater empfieng einen Theil des Cookschen Tagebuchs, und setzte einige Bogen zur Probe auf; allein, da man bald darauf wieder andres Sinnes ward, und jedes Tagebuch für sich wollte abdrucken lassen, so ward dieser Plan nicht weiter ausgeführt. Die Lords des Admiralitäts-Collegii beschlossen, die neue Reisegeschichte mit einer Menge Kupfer zu zieren, welche nach den Zeichnungen des Mahlers, der mit am Bord gewesen, gestochen werden sollten; und schenkten die ganzen Unkosten des Stichs zu gleichen Theilen dem Capitain Cook und meinem Vater.[2] Am 13ten April 1776. ward ein Vergleich zwischen beyden getroffen, und von dem Grafen Sandwich (Präses des Collegii) unterzeichnet, darinn einem jeden sein Theil der Beschreibung angewiesen, und beyden das Geschenk der Platten, von Seiten des Admiralitäts-Collegii, versichert ward. Dem zufolge überreichte mein Vater dem Grafen Sandwich eine zwote Probe seiner Reisebeschreibung, mußte aber auch diesen Versuch zu seiner nicht geringen Verwunderung von ihm gemißbilligt sehen. Endlich ward er inne, daß, weil man in gedachtem Vergleich das Wort »Erzählung« geflissentlich vermieden hatte, er nicht berechtigt seyn sollte, eine zusammenhangende Geschichte der Reise zu schreiben, und man kündigte ihm nun auch förmlich an, daß er sich bey Verlust seines Antheils an den Kupfern strenge nach dem Buchstaben des Vergleichs richten müsse. Zwar hatte er immer geglaubt, er sey hauptsächlich ausgeschickt worden, die Reise zu beschreiben; indessen bequemte er sich jetzt zu obiger Vorschrift, und schränkte seine Arbeit blos auf einzelne philosophische Bemerkungen ein, um nur seine Familie nicht von jenem glänzenden Vortheil auszuschließen: allein, so viel Verläugnung ihm dieser Schritt auch gekostet hatte, so fruchtlos blieb er doch. Man verwarf nemlich seine Arbeit von neuem und entzog ihm endlich das versprochne Anrecht auf die Kupferplatten ganz und gar. Vielleicht wollte man ihm durch diese Begegnung fühlen lassen, daß er ein Ausländer sey; vielleicht fand man, selbst in den wenigen Reflexionen, die er vermöge des Vergleichs noch gewagt hatte, seine Denkart zu philosophisch-frey, vielleicht ist es auch das Interesse eines dritten gewesen, ihm das Geschenk des Admiralitäts-Collegii völlig zu entziehn.

Ich gestehe, es gieng mir zu Herzen, den Hauptendzweck von meines Vaters Reise vereitelt, und das Publikum in seinen Erwartungen getäuscht zu sehen. Allein, da ich während der Reise sein Gehülfe gewesen, so hielt ich es für meine Schuldigkeit, wenigstens einen Versuch zu wagen, an seiner Stelle eine philosophische Reisebeschreibung zu verfertigen. Alles bestärkte mich in diesem Unternehmen, welches nun nicht mehr in Seiner Willkühr stand; ja ich sahe es als eine Pflicht an, die wir dem Publiko schuldig waren. Ich hatte hinreichende Materialien während der Reise gesammelt, und fieng mit eben so gutem Muthe an, als je ein Reisender, der selbst geschrieben, oder ein Stoppler, der je bestochen worden, die Nachrichten andrer zu verstümmeln. Kein Vergleich band mir die Hände, und selbst derjenige, den mein Vater eingegangen, erwähnte Meiner nicht mit einem Worte und entzog mir nicht im mindesten seinen Beystand. Bey jedem wichtigen Vorfall habe ich also seine Tagebücher zu Rathe gezogen, und solchergestalt eine Erzählung, der genauesten historischen Wahrheit gemäß, bewerkstelligt.

Zween Ungenannte haben schon etwas von unsrer Reise geschrieben; allein in diesem erleuchteten Jahrhundert glaubt man keine Mährchen mehr, die nach der romantischen Einbildungskraft unsrer Vorfahren schmecken. Die Begebenheiten unsrer Reise sind so mannigfaltig und wichtig, daß sie keines erdichteten Zusatzes bedürfen. Unsre Seefahrt war wechselsweise reich und arm an Vorfällen; doch wie der fleißige Landmann selbst das unfruchtbarste Feld zu nutzen weiß, so kann auch die ödeste Wildniß einem forschenden Geiste Veranlassung zum Unterricht geben.

Eine andre Beschreibung eben dieser Reise um die Welt, ist aus den Papieren des Capitain Jacob Cook zusammengetragen, unter dessen Führung sie vollbracht ist. Die Admiralität hat diese Beschreibung mit einer großen Anzahl Kupferstiche versehen lassen, welche theils Aussichten der Ländereyen, theils Abbildungen der Eingebohrnen, ihrer Böte, Waffen und Werkzeuge vorstellen, theils auch aus Special-Charten der verschiedenen Länder bestehen; und eben diese Platten sind es, welche gedachtes Collegium meinem Vater und dem Capitain Cook ehemals gemeinschaftlich versprochen hatte.

Beym ersten Anblick können vielleicht zwo Nachrichten von einer und derselben Reise überflüßig scheinen; allein man muß in Erwägung ziehen, daß sie aus einer Reihe wichtiger Vorfälle bestehen, welche immer durch die verschiedne Erzählung zwoer Personen in stärkeres Licht gesetzt werden. Auch waren unsre Beschäftigungen im Haven sehr verschieden; Capitain Cook hatte alle Hände voll zu thun, um das Schiff mit Lebensmitteln zu versehen und wieder in Stand zu setzen; dagegen ich den mannigfaltigen Gegenständen nachgieng, welche die Natur auf dem Lande ausgestreuet hatte. Hieraus ergiebt sich von selbst, daß unsre Vorfälle und Gegenstände sehr oft verschieden gewesen seyn müssen, und daß folglich auch unsre Beobachtungen oft nicht das mindeste mit einander gemein haben. Vor allen Dingen aber ist zu bemerken, daß man einerley Dinge oft aus verschiedenen Gesichtspunkten ansiehet, und daß dieselben Vorfälle oft ganz verschiedne Ideen hervorbringen. Dem Seefahrer, der von Kindesbeinen an mit dem rauhen Elemente bekannt geworden, muß manches alltäglich und unbemerkenswerth dünken, was dem Landmann, der auf dem vesten Lande lebt, neu und unterhaltend scheinen wird. Jener sieht am Lande manches mit beständiger Rücksicht aufs Seewesen; dieser hingegen beobachtet es nur, in so weit es einen ökonomischen Nutzen haben kann. Mit einem Wort, die Verschiedenheit unsrer Wissenschaften, unsrer Köpfe und unsrer Herzen haben nothwendigerweise eine Verschiedenheit in unsern Empfindungen, Betrachtungen und Ausdrücken hervorbringen müssen. Unsre Beschreibungen sind noch in einem andern Umstande sehr wesentlich von einander verschieden; weil ich über alles, was die innere Haushaltung des Schiffs und der Matrosen betrift, kurz weggegangen bin. Auch habe ich mich, mit gutem Bedacht, aller Erzählung der Schiff-Manövres enthalten, und nicht zu bestimmen gewagt, wie oft wir bey stürmischem Wetter die Seegel einreften oder gar einbüßten, wie viel Wendungen wir machten, um eine Landspitze zu umfahren, und wie oft das Schiff unserm Palinurus zum Trotz ungehorsam ward, oder nicht folgen wollte. Die Winkel, Lage und Entfernung der Vorgebirge, Bergspitzen, Hügel, Höhen, Bayen, Haven und Buchten, nebst ihren Beobachtungen in verschiednen Stunden des Tages, sind gleichfalls weggelassen; denn solche lehrreiche Kleinigkeiten gehören eigentlich blos für Seefahrer. Die Geschichte von Capitain Cooks erster Reise um die Welt,[3] ward mit großer Begierde gelesen, sie ward aber, hier in England, mit allgemeinem Tadel, ich mögte fast sagen, mit Verachtung aufgenommen. Sie war von einem Manne aufgesetzt, der die Reise nicht mitgemacht hatte; und ihre üble Aufnahme wurde seinen geringhaltigen Beobachtungen, seinen unnöthigen Ausschweifungen und seinen sophistischen Grundsätzen zugeschrieben; ob gleich wenig Leser zu bestimmen im Stande seyn möchten, mit wie vielem Recht oder Unrecht solches geschehen sey. Die Geschäftigkeit des Capitain Cook und sein unermüdeter Entdeckungsgeist haben ihn abermals gehindert, den Abdruck seines Tagebuchs selbst zu besorgen; er hat also auch jetzt wieder einen Dollmetscher annehmen müssen, der an seiner Statt mit dem Publikum reden könnte. Außer dieser Unannehmlichkeit hat seine Beschreibung gegenwärtiger Reise noch einen andern Fehler mit der vorigen gemein, diesen nemlich, daß aus derselben, auf gut französisch, manche Umstände und Bemerkungen weggelassen worden, die man auf eine oder die andre Art für nachtheilig ansahe. Ein höherer Befehl blies den Herrn von Bougainville von der Insel Juan Fernandez weg und brachte die englischen Kanonen zum Stillschweigen, als die Endeavour die portugiesische Festung auf Madera beschoß.[4] Ohne mich weiter in diese Vergleichung einzulassen, will ich nur bemerken, daß aus dem bishergesagten genugsam abzunehmen, wie die Authenticität einer Reisebeschreibung beschaffen seyn kann, die vor dem Abdruck Censur und Verstümmlung über sich ergehen lassen muß!

Die Philosophen dieses Jahrhunderts, denen die anscheinenden Widersprüche verschiedner Reisenden sehr misfielen, wählten sich gewisse Schriftsteller, welche sie den übrigen vorzogen, ihnen allen Glauben beymaßen, hingegen alle andre für fabelhaft ansahen. Ohne hinreichende Kenntniß warfen sie sich zu Richtern auf, nahmen gewisse Sätze für wahr an, (die sie noch dazu nach eignem Gutdünken verstellten,) und bauten sich auf diese Art Systeme, die von fern ins Auge fallen, aber, bey näherer Untersuchung, uns wie ein Traum mit falschen Erscheinungen betrügen. Endlich wurden es die Gelehrten müde, durch Declamation und sophistische Gründe hingerissen zu werden, und verlangten überlaut, daß man doch nur Thatsachen sammlen sollte. Ihr Wunsch ward erfüllt; in allen Welttheilen trieb man Thatsachen auf, und bey dem Allem stand es um ihre Wissenschaft nichts besser. Sie bekamen einen vermischten Haufen loser einzelner Glieder, woraus sich durch keine Kunst ein Ganzes hervorbringen ließ; und indem sie bis zum Unsinn nach Factis jagten, verlohren sie jedes andre Augenmerk, und wurden unfähig, auch nur einen einzigen Satz zu bestimmen und zu abstrahiren; so wie jene Mikrologen, die ihr ganzes Leben auf die Anatomie einer Mücke verwenden, aus der sich doch für Menschen und Vieh nicht die geringste Folge ziehen läßt. Außerdem haben selten zween Reisende einerley Gegenstand auf gleiche Weise gesehen, sondern jeder gab, nach Maßgabe seiner Empfindung und Denkungsart, eine besondere Nachricht davon. Man mußte also erst mit dem Beobachter bekannt seyn, ehe man von seinen Bemerkungen Gebrauch machen konnte. Ein Reisender, der nach meinem Begriff alle Erwartungen erfüllen wollte, müßte Rechtschaffenheit genug haben, einzelne Gegenstände richtig und in ihrem wahren Lichte zu beobachten, aber auch Scharfsinn genug, dieselben zu verbinden, allgemeine Folgerungen daraus zu ziehen, um dadurch sich und seinen Lesern den Weg zu neuen Entdeckungen und künftigen Untersuchungen zu bahnen.

Mit solchen Begriffen gieng ich zur letzten Reise um die Welt zu Schiffe, und sammlete, so viel es Zeit, Umstände und Kräfte gestatten wollten, den Stoff zu gegenwärtigem Werke. Ich habe mich immer bemühet, die Ideen zu verbinden, welche durch verschiedne Vorfälle veranlaßt wurden. Meine Absicht dabey war, die Natur des Menschen so viel möglich in mehreres Licht zu setzen und den Geist auf den Standpunkt zu erheben, aus welchem er einer ausgebreitetern Aussicht genießt, und die Wege der Vorsehung zu bewundern im Stande ist. Nun kommt es freylich darauf an, wie fern mir dieser Versuch gelungen sey oder nicht; doch habe ich das Zutrauen, man werde meine gute Absicht nicht verkennen. Zuweilen folgte ich dem Herzen und ließ meine Empfindungen reden; denn da ich von menschlichen Schwachheiten nicht frey bin, so mußten meine Leser doch wissen, wie das Glas gefärbt ist, durch welches ich gesehen habe. Wenigstens bin ich mir bewußt, daß es nicht finster und trübe vor meinen Augen gewesen ist. Alle Völker der Erde haben gleiche Ansprüche auf meinen guten Willen. So zu denken war ich immer gewohnt. Zugleich war ich mir bewußt, daß ich verschiedne Rechte mit jedem einzelnen Menschen gemein habe; und also sind meine Bemerkungen mit beständiger Rücksicht aufs allgemeine Beste gemacht worden, und mein Lob und mein Tadel sind unabhängig von National-Vorurtheilen, wie sie auch Namen haben mögen. Nicht nur die Mannigfaltigkeit der Gegenstände, sondern auch die Reinigkeit und Anmuth des Styls bestimmen unser Urtheil und unser Vergnügen über Werke der Litteratur; und wahrlich, man müßte allem Anspruch auf Geschmack und Empfindung entsagen, wenn man nicht eine fließende Erzählung einer lahmen und langweiligen vorziehen wollte. Allein seit einiger Zeit ist die Achtung für einen zierlichen Styl so übertrieben und so sehr gemißbraucht worden, daß sich einige Schriftsteller lediglich auf die Leichtigkeit und Flüßigkeit ihrer Sprache verlassen, und um die Sache, welche sie vortragen wollten, gar nicht bekümmert haben, wobey denn am Ende das Publikum mit trocknen seichten Werklein ohne Salbung, Geist und Unterricht betrogen wurde. Solche Herrn mögen sich vielleicht den Beyfall einiger Virtuosen erwerben

Who haunt Parnassus but to please their ear.

Ich bin aber überzeugt, daß die mehresten und bessern Leser, in Rücksicht auf neue oder nützliche Gegenstände, die Unvollkommenheiten des Styls gewissermaßen zu übersehen geneigt seyn werden. Ich habe nicht elegant seyn wollen. Mein Zweck war, deutlich und verständlich zu seyn. Nur darauf habe ich meine Aufmerksamkeit eingeschränkt. Ich hoffe also Nachsicht zu finden, falls mir minder wichtige Fehler entwischt seyn sollten. Die Karte, worauf unsre Entdeckungen und die Umseeglungs-Linie gezeichnet worden, habe ich mit dem größten Fleiß nach den richtigsten Materialien, die am Rande angezeigt sind, entworfen. Damit auch das deutsche Publikum, neben meiner Beschreibung gegenwärtiger Reise, zugleich des Capitain Cooks Nachrichten von derselben, ohne ausdrückliche Kosten, mit benutzen möchte; so habe ich aus letzteren das Wichtigste hier in der deutschen Ausgabe eingeschaltet. Diese Zusätze betreffen jedoch, einen Theil der Einleitung ausgenommen, nur etliche wenige Vorfälle, von denen ich entweder nicht selbst Zeuge gewesen war, oder die ich aus einem andern Gesichtspunkt angesehen hatte. Zum Unterschied sind alle diese Stellen mit folgendem Zeichen –« bemerkt. Durch diese Verfügung habe ich meinen Landsleuten einen Dienst zu leisten gesucht, dessen das überreiche englische Publicum nicht bedurfte. Nunmehro könnte ich diese Vorrede füglich schließen, wenn es mir nicht der Mühe werth dünkte, dem Leser noch einige Nachricht von der Erziehung und Ausstattung mitzutheilen, welche man dem Tahitier O-Maï in England hat widerfahren lassen.[5] In dem engen Bezirk einer Vorrede kann ich aber nur mit wenigen Worten andeuten, was allenfalls zu einem ganzen Bande Stoff gäbe, wenn es mir jemals einkommen sollte, das gute Korn der Philosophie von seiner Spreu zu schwingen! O-Maï ward in England für sehr dumm oder auch für besonders gescheut angesehen, je nachdem die Leute selbst beschaffen waren, die von ihm urtheilten. Seine Sprache, die keine rauhen Mitlauter hat, und in welcher sich alle Worte mit einem Vocal endigen, hatte seine Organe so wenig geläufig gemacht, daß er ganz unfähig war, die mehr zusammengesetzten englischen Töne hervorzubringen: dieser physische oder vielmehr Gewohnheits-Fehler ward aber oft unrecht ausgelegt. Kaum war er in England angekommen, so ward er in große Gesellschaften geführt, mit den schimmernden Lustbarkeiten der wollüstigen Hauptstadt bekannt gemacht, und im glänzenden Kreise des höchsten Adels bey Hofe vorgestellt. Natürlicherweise ahmte er jene ungezwungene Höflichkeit nach, die an allen diesen Orten üblich und eine der größten Zierden des geselligen Lebens ist; die Manieren, Beschäfftigungen und Ergötzlichkeiten seiner neuen Gesellschafter wurden auch die seinigen, und gaben ihm häufige Gelegenheit seinen schnellen Verstand und lebhafte Einbildungskraft sehen zu lassen. Um von seinen Fähigkeiten eine Probe anzuführen, darf ich nur erwähnen, daß er es im Schachspiel sehr weit gebracht. Er konnte aber seine Aufmerksamkeit nicht besonders auf Sachen richten, die ihm und seinen Landsleuten bey seiner Rückkehr hätten nützlich werden können: die Mannigfaltigkeit der Gegenstände verhinderte ihn daran. Keine allgemeine Vorstellung unseres civilisirten Systems wollte ihm in den Kopf; und folglich wußte er auch die Vorzüge desselben nicht zum Nutzen und zur Verbesserung seines Vaterlandes anzuwenden. Schönheit, Symmetrie, Wohlklang und Pracht bezauberten wechselsweise seine Sinne; diese wollten befriedigt seyn, und er war gewohnt, ihrem Ruf zu gehorchen. Der beständige Schwindel des Genusses ließ ihm keinen Augenblick Zeit, auf das Künftige zu denken; und da er nicht von wahrem Genie belebt war, wie Tupaia, der an seiner Stelle gewiß nach einem festgesetzten Plan gehandelt hätte, so blieb sein Verstand immer unbebauet. Zwar mag er wohl öfters gewünscht haben, von unserm Ackerbau, unsern Künsten und Manufacturen einige Kenntniß zu bekommen; allein es fand sich kein freundschaftlicher Mentor, der diesen Wunsch zu befriedigen, ja was noch mehr, der seinen moralischen Character zu verbessern, ihm unsre erhabnen Begriffe von Tugend, und die göttlichen Grundsätze der geoffenbarten Religion beyzubringen gesucht hätte. Nachdem er fast zwey Jahre in England zugebracht, die Blattern-Impfung glücklich überstanden hatte, kehrte er unter Führung des Capitain Cook, der im Julius 1776 auf dem Schiffe Resolution von neuem aus Plymouth abseegelte, wieder nach Tahiti zurück. Bey dieser Gelegenheit zeigte sichs, daß, aller der sittenlosen Vergnügungen ohnerachtet, denen er in unserm geselligen Welttheil nicht hatte ausweichen können, die guten Eigenschaften seines Herzens doch noch unverderbt geblieben waren. Beym Abschiede von seinen Freunden entflossen ihm Thränen; und sein ganzes äußeres Betragen verrieth eine große Gemüthsbewegung. Man überhäufte ihn bey seiner Abreise mit einer unsäglichen Menge Kleider, Zierrath und andern Kleinigkeiten, dergleichen täglich zu Befriedigung unsrer erkünstelten Bedürfnisse erfunden werden. Seine Beurtheilungskraft war noch kindisch; daher verlangte er auch, wie ein Kind, nach allem, was er sahe, und vorzüglich nach Dingen, die ihn durch irgend eine unerwartete Wirkung vergnügt hatten. Diese kindischen Triebe zu befriedigen, (denn aus bessern Absichten konnte es wohl nicht geschehen) gab man ihm eine Dreh-Orgel, eine Elektrisir-Maschine, ein Panzer-Hemd und eine Ritter-Rüstung. Vielleicht erwarten hier meine Leser, daß er nebst diesen auch einige Dinge von wahrem Nutzen für seine Insel mitgenommen. – Ich erwartete eben dasselbe, allein meine Hoffnung ward getäuscht! Sein Vaterland wird von den Engländern keinen Bürger zurücknehmen, dessen erweiterte Kenntniß, oder mitgebrachte brauchbare Geschenke, ihn zum Wohlthäter, vielleicht zum Gesetzgeber seines Volks machen könnten. In Ermangelung dessen können wir uns jedoch einigermaßen damit trösten, daß das Schiff, auf welchem er zurück geschickt worden, den harmlosen Tahitiern ein Geschenk von Hornvieh bringen soll. Diese guten Leute müssen ohnfehlbar durch die Einführung von Ochsen und Schaafen auf ihrer fruchtbaren Insel, glücklicher werden; ja durch viele auf einander folgende Umstände, kann dies Geschenk dereinst den Grund zu moralischen Verbesserungen geben. Aus diesem Gesichtspunkte ist unsre vorige Reise wichtig, und würde unsern Beschützern Ehre bringen, wenn sie auch kein anderes Verdienst hätte, denn daß wir Ziegen auf Tahiti, Hunde auf den freundschaftlichen Inseln und Neuen Hebriden, und Schweine auf Neu-Seeland und Neu-Caledonien zurückgelassen haben. Es wäre gewiß sehr zu wünschen, daß dergleichen Entdeckungs-Reisen, mit so wohlthätigen und wahrhaft nützlichen Absichten noch ferner fortgesetzt würden;[6] zumal da noch selbst in der Südsee viel zu thun ist: Allein wer weiß, ob Neid und Eigennutz nicht durchdringen, und die großmüthigen Unternehmungen eines Monarchen, der die Musen schützt, vereiteln werden. – Eine einzige Bemerkung, die von großem Nutzen für die Nachwelt ist; nur Ein Vorfall, der unsre Mitmenschen in jenem entfernten Welttheil glücklich macht, vergilt warlich alle Mühseligkeiten der Seefahrt, und schenkt den großen Lohn, das Bewußtseyn guter und edler Handlungen!

 

London, den 24sten März 1777.  Georg Forster.

Einleitung

Der Antheil, den die gelehrte Welt an den neuesten Entdeckungen im Süd-Meer genommen, hat auch die älteren, zum Theil schon vergeßnen Reisen, wiederum ins Andenken gebracht. Vermuthlich werden also meine Leser keiner weitläuftigen Wiederholung derselben bedürfen. Doch könnte es, für einige wenigstens, von Nutzen seyn, daß ich der bisherigen Entdeckungs-Reisen erwähne, eh’ ich zur Beschreibung unsrer eignen schreite. Hiernächst ist es auch der Mühe werth, daß ich von der Ausrüstung unsrer Schiffe einige Nachricht voranschicke, weil solche, theils wegen der Originalität unsers Reise-Plans, theils wegen der Erfahrungen und der Rathschläge unserer Vorgänger, ungleich vollkommner und in aller Absicht merkwürdiger war, als sie bey dergleichen Expeditionen bisher je zu seyn pflegte. In Ansehung des erstern will ich mich so kurz als möglich fassen, um die Leser mit dieser trocknen Materie nicht zu ermüden; zu dem Ende werde ich auch nur allein die wirklichen Entdeckungs-Reisen anführen, und keinesweges ein vollständiges Verzeichniß von allen nichtsbedeutenden Süd-Seefahrten liefern.

[…]

Bey unsrer Abreise kamen uns nur die Entdeckungen bis auf Cooks erste Reise (inclusive) zu statten, weil wir damals von den letzteren französischen Expeditionen noch keine, oder doch nur höchst unzuverläßige Nachricht hatten.

Vor Capitain Cooks Rückkunft in der Endeavour hatte man noch behauptet, daß sich das feste Land im Süd-Meer bis zum 3osten Grad der Breite erstrecke, mithin unter einem günstigen Himmelsstrich belegen, und um deswillen ein wichtiger Gegenstand der europäischen Politik seyn müsse. Zwar hatte diese Meynung einen gefährlichen Stoß dadurch erhalten, daß er auf seiner ersten Reise bis zum 4osten Grad gekommen, und gleichwohl kein solches Land gefunden hatte. Man ließ sich aber dadurch noch immer nicht irre machen. Das feste Land, hieß es, erstrecke sich vielleicht nur nicht in dem Punkte so weit gegen Norden; Capitain Cook sey in einen großen Meerbusen gerathen; oder wenn man ja etwas zugeben müsse, so dürfe das feste Land nur um 10 Grade weiter zurückgelegt werden. Überdem wäre ja auch das Meer um den Südpol nach allen Himmels-Gegenden bis zum 50sten, und an einigen Orten bis zum 4osten Grad der Breite, zur Zeit noch immer ganz unberührt geblieben, und noch von keinem Schiffe befahren! Um nun diesem Streit wegen eines solchen festen Landes ein Ende zu machen, gieng unsre Reise auf Befehl Sr. Königl. Grosbrittannischen Majestät vor sich. Capitain Cook erhielt Befehl, die Sommer-Monathe[7] zu Entdeckungen, gegen den Südpol hin, anzuwenden; sobald aber die Jahreszeit kalt, stürmisch, neblicht und unsicher würde, nach den Wendezirkeln zurückzukehren, und die Lage der ehemals entdeckten Inseln, vermittelst unsrer jetzigen astronomischen Instrumente und neuen Berechnungen, genauer zu bestimmen. Fände er kein großes festes Land, so sollte er, so nahe am Südpol als immer möglich, ostwärts laufen, bis er die Erdkugel umsegelt hätte. Unter allen Reisen um die Welt ist die unsrige auch würklich die erste, die von Westen nach Osten gerichtet worden.

Man hatte auf Capitain Byrons, Wallis und Carterets Reisen erfahren, daß die dazu gebrauchten Kriegs-Schiffe, der Delphin und die (Swallow) Schwalbe, übel gewählt wären, vornemlich weil sie keinen hinlänglichen Vorrath von Lebensmitteln und Geräthschaften einnehmen konnten. Capitain Cook suchte sich also, schon bey seiner ersten Reise, ein Fahrzeug von ganz anderer Bauart, nemlich eins von denen Schiffen aus, die in England zum Transport der Steinkohlen gebraucht werden. Ein Schiff, das zu Entdeckungs-Reisen recht tauglich seyn soll, muß, sagte er, nach Verhältniß seiner Bemannung, Lebensmittel und andere Vorräthe, wenigstens für drey Jahr lang, füglich in sich fassen können, aber bey alle dem weder sehr groß seyn, noch sehr tief im Wasser gehen, damit es zur Noth in den engsten und seichtesten Haven einlaufen könne. Auch muß es nicht leicht auf dem Grunde sitzen bleiben, am Boden allenfalls einen Stoß aushalten, und wenn ja eine Ausbesserung nöthig seyn sollte, mit leichter Mühe ans Ufer gelegt werden können. In einem solchen Schiffe kann ein tüchtiger Seemann sich überall hinwagen, unverzagt an jede unbekannte Küste laufen, und seinen Verhaltungsbefehlen volles Genüge leisten. Von dieser Art waren nun auch die beyden Schiffe, mit welchen wir die Reise um die Welt unternahmen, und ich bin überzeugt, daß sie, bey allen ihren Fehlern und Unbequemlichkeiten, zu einer so gefährlichen Reise immer noch die tauglichsten und besten waren.

Das größere von 462 Tonnen und 16 vierpfündigen Kanonen, ward die Resolution genannt, und von Capitain Cook commandirt; das kleinere hingegen von 336 Tonnen, oder die Adventure, von Capitain Tobias Fourneaux. Ersteres führte 112 Mann, letzteres nur 81; die Sternkundigen, Naturforscher, Mahler und ihre Bedienten abgerechnet.[8] Verschiedne Officiere und Unter-Officiere, nebst einigen Matrosen, hatten schon eine oder die andere Reise um die Welt mitgemacht, und waren um so mehr geschickt, abermals dazu gebraucht zu werden.

In jedem Schiffe befand sich ein Sternkundiger, den die Commißion der Meeres-Länge[9] besoldete. Im größern Schiffe war es Herr Wilhelm Wales, der neulich die während der Reise gemachten Bemerkungen in einem Band herausgegeben hat; in der Adventure Herr Wilhelm Bailey, der jetzo wieder auf einer neuen Reise mit Capitain Cook begriffen ist.[10] Sie hatten alle nöthige astronomische und nautische Instrumente, besonders vier Längen-Uhren, drey von Arnold, und eine nach dem Modell der Harrisonschen von Kendal verfertigt. In der Resolution ward auch Herr Wilhelm Hodges, ein Landschafts-Mahler, vom Admiralitäts-Collegio ausgeschickt, der nicht nur Aussichten von den verschiednen Gegenden, sondern auch, so weit seine Kenntniß von der menschlichen Figur reichen wollte, die Einwohner gezeichnet hat.

Die Herren Banks und Solander, Capitain Cooks Gefährten auf seiner ersten Reise, hatten sich vorgenommen, zum zweytenmal mit ihm zu gehen. Herr Banks hatte sich zu dem Ende in große Kosten gesetzt, und mit allen Nothwendigkeiten versehen. Zween junge Leute sollten ihm (noch ausser Solandern) in botanischen und zoologischen Beschreibungen Hilfe leisten, und drey andre die neu entdeckten Thiere und Pflanzen zeichnen. Sogar Zoffani, ein geschickter deutscher Mahler, hatte versprochen, ihn zu begleiten, und die verschiednen Landschaften, nebst ihren Einwohnern, zu schildern. Herr Banks verlangte nur noch einige Änderungen im Schiffe, um etwas mehr Bequemlichkeit auf der Reise zu haben. Allein der Minister vom Seewesen hatte keine Achtung für diese Foderungen, die er doch einem so uneigennützigen Eiferer für die Wissenschaften wohl hätte zugestehn sollen. Nachdem Herr Banks lange genug vergebens auf günstigern Bescheid gewartet hatte; so erklärte er sich endlich, zehen Tage vor dem zur Abreise angesetzten Termin, daß er mit seiner ganzen Gesellschaft die Reise nicht antreten wolle. Darüber ward der Minister aufgebracht; er wollte sich rächen, und Herrn Banks fühlen lassen, daß die Wissenschaft auch ohne ihn erweitert werden könne. Von der Summe, die das Parlement zum Besten dieser Reise ausgesetzt hatte, waren gerade noch 4000 Pf. Sterling übrig. Nichts konnte für die Leidenschaft des Ministers erwünschter seyn. Man forderte meinen Vater auf, als Naturforscher mit Capitain Cook zu gehn, hütete sich aber sorgfältig, ihm etwas von der Schikane merken zu lassen, die diesen Ruf veranlaßt hatte. Das Parlement gestund ihm und mir obgedachte Summe zu; man that noch obenein glatte Versprechungen, und wir traten die Reise an, in Hoffnung, den Verlust wenigstens einigermaßen zu ersetzen, der durch Herrn Banks Weigerung für die Wissenschaft zu befürchten stand. Die Rachsucht eines einzigen Mannes konnte also in diesem Fall ihren Nutzen haben. Bey Gelegenheit Capitain Cooks dritter Reise hatte sie sich aber schon abgekühlt. Es ward zu wiederholtenmalen vorgeschlagen, auch diesmal wieder Naturforscher auszuschicken, allein die Wissenschaft war nie des Ministers Object gewesen. Sie war ihm nach wie vor verächtlich, und folglich ward auf der neuen Reise kein Gelehrter geduldet.

In jedem Schiffe wurden die Bestandtheile eines kleinen Fahrzeugs von 20 Tonnen mitgenommen, die bey Gelegenheit zusammengesetzt werden konnten, im Fall die Schiffe verloren giengen, oder wir etwas zu verschicken hätten. Sie wurden aber nicht gebraucht, bis gegen das Ende der Reise, da wir Mangel an Brennholz litten.

Mit Netzen, Angeln und dergleichen Geräthen zur Fischerey, waren wir ebenfalls versehen, und um Lebensmittel von den Wilden zu erhandeln, hatte man dem Capitain allerley grobe Tücher, Eisengeräth und andre Waaren mitgegeben. Auch wurden, auf Befehl des Admiralitäts-Collegii, etliche Hundert verguldete Schaumünzen, mit dem Brustbilde des Königs, ausgeprägt, um zum Denkmal der Reise unter die Wilden vertheilt zu werden.

Die Gesundheit des Schiffsvolks ist ein so wichtiger Gegenstand bey langen beschwerlichen See-Reisen, daß man zu Beförderung und Erhaltung derselben diesmal auf außerordentliche Mittel bedacht war. Zu dem Ende hatte man verschiedne Lebensmittel an die Stelle andrer ausfindig gemacht, und vor allen Dingen unser deutsches Sauerkraut, nebst gallertartig eingekochter Fleischbrühe […] in großer Menge an Bord geschickt.

Wir hatten in der Resolution sechzig große Fässer Sauerkraut, die vor unsrer Rückkehr ans Vorgebirge der guten Hoffnung ganz ausgeleert wurden. Die vielen Veränderungen des Clima, denen wir unterworfen gewesen, hatten ihm nichts geschadet. Ohngefähr vierzehn Tage vor unserer Ankunft in Engelland, fanden wir die letzte Tonne, die man bis dahin durch einen Zufall im Schiffsraum übersehen hatte; und auch diese enthielt so frisches und schmackhaftes Sauerkraut, daß verschiedene portugiesische Herren, die auf der Rheede von Fayal mit uns speiseten, nicht nur mit außerordentlichem Appetit davon aßen, sondern sich den im Fasse gebliebnen Rest ausbaten, um ihre Freunde am Lande damit zu bewirthen. Es ward mehrentheils zweymal die Woche, zur See aber, und besonders in den südlichsten Gegenden, auch öfter gereichet. Die Portion auf jeden Kopf war ein Pfund. Dem deutschen Leser die guten Eigenschaften dieses Gerichts anzurühmen, wäre überflüßig. Doch kann ich nicht umhin zu sagen, daß es vielleicht das allerbeste Präservativ gegen den Scharbock ist, weil es in Menge mitgenommen, und nicht als Medicin, sondern in großen Portionen als nahrhafte Speise gebraucht werden kann.

Die Täfelchen oder Kuchen von gallertartig eingekochter Fleischbrühe verdienen den nächsten Platz, als bewährte gesunde Nahrungsmittel. Wir hatten ihrer an 5000 Pfund. Wöchentlich kochte man dreymal Erbsen[11] zu Mittage, und jedesmal ward ohngefähr zwey Loth solcher Fleischbrühe auf den Mann, darinn zerlassen. Auch ward es bisweilen zum Frühstück mit Weizen-Graupen oder Habermehl verdickt zugerichtet.

Ein und dreyßig Fässer mit eingekochter Würze (Maische) oder Bier, das bis zu einer Syrup ähnlichen Consistenz eingekocht war, wurden ebenfalls auf dieser Reise mitgenommen, um gelegentlich durch den Zusatz von Wasser und neuer Gährung zu gesundem Getränke bereitet zu werden. Allein, aus Mangel von Vorsichtigkeit, verloren wir diesen Vorrath, der im heißen Clima in Gährung gerieth und die Fässer sprengte.

Für die Kranken hatte man bey Ausrüstung unsrer Schiffe ebenfalls besonders gesorgt.

Salup, ein Gallert, der aus der Wurzel eines Zweyblatts (Orchis) bereitet, sehr nahrhaft und leicht verdaulich ist, ward dem Wundarzte zur Abwechselung mit dem gewöhnlichen Sayo, für die scorbutischen Kranken anvertraut.

Robb oder dick eingekochter Saft von Zitronen und Orangen, ward zur Arzney gegen den Scharbock mitgegeben; allein, weil man wegen der Kostbarkeit des Mittels die Dosin viel zu geringe vorgeschrieben hatte, so ließ sich keine vollständige Cur davon erwarten. Überdem hielt sich unser rechtschaffener Wundarzt, Herr Patton, auch nicht für berechtigt, mit seinen Kranken Experimente zu machen, so lange er noch würklich bewährte Genesungs-Mittel in Händen hatte. Doch versichert er, daß der Robb von großem Nutzen sey.

Eine Marmelade von gelben Möhren oder Carotten, (Daucus Carota) die dem gewöhnlichen schwarzen Zucker-Syrup an Farbe und Geschmack sehr ähnlich ist, hat der Herr Baron von Muzel Stosch in Berlin zur Probe gegen den Scharbock vorgeschlagen. Sie laxirt gelinde, und kann als ein Hülfsmittel angesehn werden; eine Cur aber wird sie schwerlich zuwege bringen.

Das schätzbarste Mittel gegen den Scharbock, welches nach vielen wiederholten Erfahrungen selbst den gefährlichsten Grad dieser Krankheit curirt, ist die frische Infusion von Malz. Wir hatten dreyßig Tonnen mit Malz an Bord, und so bald sich der Scharbock merken ließ, ja in kalten Gegenden noch eher, ward täglich eine frische Infusion gemacht, und denen die zum Scharbock geneigt waren, als ein Präservativ gereicht. Die würklichen Kranken, deren wir sehr wenige hatten, mußten jeden Tag drey Quart trinken. Bey geschwollnen Gliedern oder Beulen, wurden die Trebern, als warme Umschläge, mit dem besten Erfolg gebraucht. Doctor Macbride in Irrland, war der erste, der das Malz als ein antiscorbutisches Mittel angab; und nunmehro ist es auf der englischen Flotte als unentbehrlich eingeführt, so daß ein jedes Schiff einen gewissen Vorrath davon an Bord führt. Zu Bestätigung des obigen, kann ich hier aus unsers Wundarztes Tagebuch, noch folgende Stelle anführen. »Ich habe, sagt er, die Malz-Infusion (wort, Würze, Maische,) auf der ganzen Reise, in allen scorbutischen Fällen, äusserst nützlich befunden. Zwar habe ich sie nur selten recht auf die Probe stellen können, weil viele sie tranken, um die Krankheit zu verhüten; allein schon die wenigen Fälle, in welchen sie mir gute Dienste geleistet hat, sind meines Erachtens, hinlänglich, jedem Unpartheyischen zu beweisen, daß dies das beste bisher erfundne Mittel gegen den See-Scharbock ist. Auch bin ich, nach allem, was ich von den Heilkräften der Malz-Infusion und von ihrer Art zu würken erfahren habe, ganz überzeugt, daß mit Hülfe der Suppen-Täfelchen, des Sauerkrauts, Zuckers, Sayo’s, und der Corinthen, jene Pest des Meeres, der Scharbock, selten oder gar nicht unter dem Schiffsvolke selbst auf den längsten Reisen erscheinen wird.«

Hiernächst ward die Gesundheit unsers Schiffsvolks noch durch verschiedne andere Veranstaltungen befördert. Die wichtigste und nützlichste war, daß man die Leute bey ihrer gesalznen Speise, so viel Wasser trinken ließ als sie nur immer mogten. Nur selten fanden wir uns genöthigt, sie auf gewisse bestimmte und noch seltener auf knappe Portionen von Trinkwasser einzuschränken. Zu dem Ende ward auch keine Gelegenheit versäumt, frisches Wasser zu füllen, wenn wir gleich noch Vorrath davon hatten; weil es unstreitig besser frisch vom Lande kömmt als es in den Fässern wird, nachdem es eine Zeitlang aufbewahrt worden.

Reinlichkeit ist eine andre nothwendige Vorsicht. Es ward bey uns nicht nur scharf darauf gesehen, daß die Matrosen sich selbst, ihre Kleider, Hemden u. s. w. rein hielten, sondern auch die Küchengeräthe wurden fleißig untersucht, damit von der Nachläßigkeit der Köche nichts zu befürchten wäre. Ihre Betten mußten bey trocknem Wetter des Tages aufs Verdeck gebracht werden. Am wichtigsten aber war das Räuchern mit einer Mischung von Schießpulver und Eßig, oder auch Wasser, und die fast wöchentlichen Feuer, die im Schlafraum des Volks, in den Cajütten der Officiere, und selbst im untersten Raum, wohin die Pumpen reichen, angezündet wurden. Ungesunde, faule Ausdünstungen und Feuchtigkeiten wurden auf diese Art zertheilt und unschädlich gemacht, und die Luft durchaus gereinigt. Dazu kam noch die Eintheilung der Mannschaft in drey, nicht wie sonst auf Kriegsschiffen gebräuchlich ist, in zwo Wachen. Dadurch wurden die Leute den Veränderungen des Wetters minder ausgesetzt, und hatten Zeit, ihre Kleider, wenn sie naß wurden, zu trocknen. Es wurden auch auf öffentliche Kosten, während unserm Aufenthalt in kalten Gegenden, warme Kleidungsstücke ausgetheilt, die der Mannschaft treflich zu statten kamen.

Erfahrne Ärzte, Seeleute und Menschenfreunde, hatte diese Hülfsmittel vorgeschlagen; der Wundarzt, mein Vater und einige andere Personen im Schiff, hatten den fleißigen Gebrauch derselben unaufhörlich angerathen; auch zeigten sich die vortreflichen Wirkungen davon bald so deutlich, daß man sie in der Folge für ganz unentbehrlich ansahe. Alle diese Ursachen und eigne Erfahrung, bewogen Capitain Cook sie bey jeder Gelegenheit anzuwenden. Unter göttlicher Führung blieben wir auf diese Art, ohnerachtet aller Beschwerlichkeiten, einer harten, ungewohnten Lebensart, und öfterer Abwechselung des Clima’s bey guter Gesundheit. Der Präsident der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften in London, Sir John Pringle, spricht davon ausführlich als ein erfahrner Arzt in seiner am 30sten November 1776 vor der Societät gehaltnen Rede, bey Verschenkung der Copleyschen Denkmünze an Capitain Cook. Die Lobsprüche, die er unserm geschickten und berühmten Seemann giebt, und die Verschenkung der Denkmünze selbst, welche nur durch eine Abweichung von den Statuten der Königl. Gesellschaft bewerkstelligt werden konnte, sind mehr als hinreichend die Wichtigkeit der von Cook befolgten Gesundheitsregeln darzuthun.

Erstes Hauptstück

Abreise – Fahrt von Plymouth nach Madera – Beschreibung dieser Insel

Ubi animus ex multis miseriis atque periculis requievit, – statui res gestas – perscribere; tamen (hoc) imprimis arduum videtur, – quia plerique, quae delicta reprehenderis, malivolentia et invidia putant, ubi de magna virtute et gloria bonorum memores, quae sibi quisque facilia factu putat, aequo animo accipit; supra ea, veluti ficta, pro falsis ducit.

SALLUST .

Kaum war das Schiff Endeavour im Jahre 1771. wieder nach England zurückgekommen, als man schon den Entwurf zu einer neuen Reise machte, auf welcher die südlichen Gegenden unsrer Erdkugel weiter erforscht und untersucht werden sollten.

Zwey tüchtige, starke Schiffe, die Resolution und die Adventure, wurden zu dem Ende als Königliche Schiffe vom sechsten Range (Sloops) ausgerüstet, und die Capitäne Jacob Cook und Tobias Furneaux zu Befehlshabern ernannt. Am eilften Junius erhielten mein Vater und ich Befehle, diese Reise gleichfalls zu unternehmen, um Gegenstände der Naturgeschichte, zu sammlen, zu beschreiben und zu zeichnen. In möglichster Geschwindigkeit rüsteten wir uns zu diesem wichtigen Vorhaben, und schickten innerhalb neun Tagen alle unsere Reise-Geräthschaft an Bord der Resolution, welche damals noch bey Sheerneß lag, am 22ten aber schon nach Plymouth abgieng.

Am 26sten verließen auch wir London, und kamen, weil wir zu Lande reisten, schon in zween Tagen nach Plymouth, woselbst aber unser Schiff noch nicht eingetroffen war. Den ersten Julius verfügten wir uns am Bord der Jagd Augusta, und machten dem damaligen Präsidenten des Admiralitäts-Collegii dem Grafen Sandwich unsre Aufwartung. Se. Herrlichkeit (Mylord) glaubten, die Resolution würde noch denselben Tag auf der Rheede ankommen, und verlangten, daß wir uns Abends zwischen fünf und sechs Uhr an Bord derselben begeben möchten.

Allein, zu unsrem großen Misvergnügen erschien das Schiff nicht, und der Graf verlies Plymouth am folgenden Morgen.[12]

Frühe am dritten Julius sahen wir die Resolution auf der Rheede vor Anker, wo sie in voriger Nacht angelangt war. Kapitain Cook gedachte, etwa acht bis zehen Tage hier zuzubringen, und befahl, mitlerweile in unsern Kajütten noch einige schlechterdings nothwendige Einrichtungen zu treffen. Da wir inzwischen keine Gelegenheit zu Erweiterung der Wissenschaft, oder zu unsrer Belehrung versäumen wollten, so bedienten wir uns dieser Zeit, um die Zinn-Bergwerke in Cornwall zu besuchen, und nachdem wir in den großen und reichhaltigen Gruben zu Poldyce und Kenwyn Vergnügen und Unterricht gefunden hatten, so kehrten wir am achten Julius nach Plymouth wieder zurück.

 – »Capitain Cook bekam in Plymouth Verhaltungsbefehle, vom 25sten Junius datirt.[13] Diesen zufolge sollte er die Adventure unter sein Commando nehmen, nach Madera seegeln, sich dort mit Wein versehen, und sodann zu Erfrischung seiner Leute und um beyde Schiffe mit Lebensmitteln zu versorgen, am Vorgebürge der guten Hofnung anlegen. Von da aus sollte er südlich laufen, und wo möglich das Cap de la Circoncision entdecken, welches Herr Bouvet unter dem 54 Grad Süder-Breite und ohngefähr 11° 20' östlicher Länge, von Greenwich, angiebt. Entdeckte er dieses, so sollte er untersuchen, ob es zum festen Lande gehöre, welches aller Geographen und voriger Seefahrer Aufmerksamkeit erregt hatte, oder ob es nur ein Theil einer Insel sey? Im ersten Fall sollte so viel als möglich von der Küste befahren und untersucht, zugleich auch Bemerkungen zum Vortheil der Handlung, der Seefahrt und der Naturgeschichte gemacht werden. Träfe man Einwohner an, so sollte Capitain Cook ihren Character, Temperament, Genie und Anzahl bemerken, und wo möglich freundschaftlichen Umgang mit ihnen zu haben suchen. So lange die Schiffe in gutem Stande, die Leute gesund, und die Lebensmittel brauchbar blieben, sollte er diese Entdeckungen fortsetzen, und, je nachdem es die Umstände erforderten, nach Osten oder Westen laufen, dabey aber so weit gegen den Südpol als nur immer möglich zu dringen suchen. Wäre aber das Vorgebürge de la Circoncision nur ein Theil einer Insel, oder könnte er es gar nicht antreffen, so blieb ihm übrig so lange als er noch Hofnung hätte ein großes oder festes Land zu finden, südwärts zu steuern, alsdenn aber seinen Lauf nach Osten zu richten, und in hohen südlichen Breiten, so nah an den Pol als thunlich seyn würde, rund um die Welt zu seegeln, zuletzt am Vorgebürge der guten Hofnung wieder zu ankern und von dort nach Spithead bey Portsmouth zurückzukehren. So oft die Jahrszeit den ferneren Aufenthalt in hohen Breiten gefährlich machen würde, sollte er sich nach irgend einem bekannten Orte weiter gegen Norden unter mildern Himmelsstrichen, zurück ziehen, um seine Leute zu erfrischen, und die Schiffe wieder in Stand zu setzen. In allen Fällen, welche man nicht vorhergesehn, konnte er übrigens nach eignem Gutdünken verfahren, und gienge unglücklicher Weise die Resolution verlohren, so sollte er dennoch die Fahrt im kleinern Schiffe fortsetzen. Eine Abschrift dieser Befehle theilte er dem Capitain Furneaux mit, und zeigte ihm zugleich die Sammelplätze, im Fall der Trennung an.«

»Die Sternkundige, aus beyden Schiffen, Herren Wales und Bayley, machten, während daß wir nach Cornwall gereiset waren, ihre Beobachtungen auf einem kleinen Eyland (Drake’s Island) im Haven von Plymouth. Die Länge dieses Orts mußte astronomisch bestimt werden, weil man hier die Längen-Uhren in Gang bringen sollte, welche diese Herren mit sich am Bord hatten. Herr Arnold hatte deren drey verfertigt, davon zwo in der Adventure bleiben sollten. Die dritte mit noch einer andern, die Herr Kendal nach der Harrisonschen Uhr genau nachgemacht hatte, kam auf das andre Schiff. Alle insgesammt wurden am 10ten Julius in Gang gesetzt, und in vierecktigen hölzernen Kasten aufbewahrt. Den genausten Berechnungen zufolge ist die Königliche Sternwarte in Greenwich, welche wir hier beständig als die erste Mittagslinie annehmen werden, von dem kleinen Eyland in Plymouth-Haven, 4° 20' ostwärts entfernt« –.

Sonnabend den eilften begaben wir uns an Bord, um mit dem ersten günstigen Winde abzusegeln. Am folgenden Tage aber, da der Wind ziemlich heftig bließ und mein Vater zufälliger Weise auf dem Verdeck herumgieng, bemerkte derselbe nicht nur eine Änderung in der gewönlichen Lage unsers Schiffs gegen die Adventure und ein anderes Schiff, welche beide vor Anker lagen, sondern ihn dünkte auch, als wenn es auf die Klippen unter der Festung zutriebe. Er äußerte diese Vermuthung dem Lootsen (Master) Herrn Gilbert, der sich auch auf dem Verdeck befand und sogleich gewahr ward, daß die Kette eines der beständigen Boys, woran man das Schiff befestigt hatte, gebrochen sey. Zur Fort-Arbeitung eines Schiffs wozu diese Boys zu Plymouth gebraucht werden, möchte sie stark genug gewesen seyn; aber der beständigen und mannichfaltigen Bewegung eines schwergeladnen Schiffs konnte sie nicht widerstehn; und also hätte man auch, meines Erachtens, kein solches Schiff daran legen sollen. Gleich auf den ersten Lerm waren alle Matrosen in Bewegung; die Seegel wurden aufgespannt, und die Kabel in Bereitschaft gesetzt: Nun liefen wir die Adventure und das andere Schiff vorbey, und entgiengen auf solche Art der grösten Gefahr an den Felsen unter der Festung zu scheitern. Unsre Seeleute schlossen aus diesem bedenklichen und glücklichen Vorfall auf den günstigen Fortgang der ganzen Reise, und wir konnten nicht umhin die Leitung der göttlichen Vorsehung in diesem wichtigen Augenblick zu erkennen, der alle unsre Hofnungen beynahe auf einmal vereitelt hätte.[14] Und wie oft haben wir uns nicht im Verfolg dieser Reise in so gefährlichen Umständen befunden, wo alle menschliche Hülfe vergeblich gewesen seyn würde, wenn unser besseres Schicksal nicht unter einer höhern Aufsicht gestanden hätte, ohne welche kein Haar von unserm Haupte fällt? Zwar sind wir geneigt, der Vortreflichkeit und dem wachsamen Auge unsrer erfahrnen Welt-Umsegler die billigste und rühmlichste Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen; allein im Grunde werden wir uns nie enthalten, alles auf seinen wahren Ursprung, fürnemlich aber solche Vorfälle auf eine höhere Macht zurückzuführen, wovon keine menschliche Kunst, wäre sie auch mit frecher Religions-Verachtung gewaffnet, die Ehre sich anmaßen darf.

Montags früh, am 13ten, seegelten wir in Begleitung der Adventure von Plymouth ab. Ich kehrte einen Abschieds-Blick gegen Englands fruchtbare Hügel zurück, und lies dem natürlichen Gefühl der Verbindungen, woran mich diese Aussicht erinnerte, freyen Lauf; bis endlich die Heiterkeit des schönen Morgens, und die Neuheit unsrer Fahrt, durch die noch glatte See, die Oberhand gewannen und jene trüben Gedanken zerstreuten. Bald blieb nun hinter uns der berühmte hohe Leucht-Thurm der mitten im Meer auf dem Felsen Eddistone zum Besten der Schiffahrt gebauet ist und den man unmöglich ansehen kan, ohne für die einsamen Wächter zu zittern, die oft drey Monathe lang, von aller Gemeinschaft mit dem festen Lande abgeschnitten, daselbst zubringen müssen. Denn das Schicksal eines gewissen Winstanley, der unter dem Schutt eines ähnlichen Gebäudes, das er selbst auf dieser Klippe angelegt hatte, vergraben wurde, und die schwankende Bewegung des jetzigen Thurms, wenn Wind und Wetter ihn bestürmen, müssen sie unaufhörlich mit einem schleunigen und schreckenvollen Untergange bedrohen.

In eben dem Maaße als wir uns vom Lande entfernten, ward der Wind heftiger; die Wellen wuchsen an, das Schiff rollte von einer Seite zur andern und die der See nicht gewohnt waren, ja selbst einige der ältesten Seeleute, litten nunmehr, doch in verschiedenem Grade, von der Seekrankheit. Auch war diese Übelkeit nicht bey allen von gleicher Dauer, und nachdem sie drey Tage lang angehalten hatte, fanden wir uns gröstentheils durch gewärmten rothen Oporto-Wein mit Zucker und Gewürzen wieder hergestellt.

[…]

Sechstes Hauptstück

Reise von Dusky-Bay nach Charlotten-Sund – Wiedervereinigung mit der Adventure – Verrichtungen daselbst

[…]

Am folgenden Morgen hatten wir verschiedne Canots um uns her, in denen zusammen genommen etwa dreyßig Indianer seyn mochten. Sie brachten allerhand Werkzeuge und Waffen zu Markte, und bekamen eine Menge andrer Sachen dagegen, weil unsre Leute so eifrig aufs Eintauschen waren, daß einer den andern immer überboth. Es befanden sich auch einige Weiber unter ihnen; diese hatten sich die Backen mit Rothstein und Öhl geschminkt, die Lippen hingegen sahen, vom Puncktiren oder Tättowiren, welches hier zu Lande sehr Mode ist, ganz schwärzlich blau aus. Wir fanden, daß sie fast durchgängig, gleich den Leuten in Dusky-Bay, dünne krumme Beine, mit dicken Knieen hatten. Dies muß ohne Zweifel davon herrühren, daß sie solche wenig gebrauchen, indem sie eines theils am Lande die mehreste Zeit unthätig liegen mögen, andern theils aber in den Canots stets mit untergeschlagnen Füßen, zu sitzen pflegen. Übrigens waren sie von ziemlich heller Farbe, die ohngefähr zwischen Oliven- und Mahoganybraun das Mittel halten mochte; dabey hatten sie pechschwarzes Haar, runde Gesichter, und vielmehr dicke, als platte Nasen und Lippen. Auch hatten sie schwarze Augen, die oft lebhaft und nicht ohne Ausdruck, so wie der ganze Obertheil des Cörpers wohl gebildet und ihre Gestalt überhaupt gar nicht wiedrig war. Unsre Matrosen hatten seit der Abreise vom Cap mit keinen Frauenspersonen Umgang gehabt; sie waren also sehr eifrig hinter diesen her, und aus der Art wie ihre Anträge aufgenommen wurden, sahe man wohl, daß es hier zu Lande mit der Keuschheit so genau nicht genommen würde, und daß die Eroberungen eben nicht schwer seyn müßten. Doch hiengen die Gunstbezeigungen dieser Schönen nicht blos von ihrer Neigung ab, sondern die Männer mußten, als unumschränkte Herren, zuerst darum befragt werden. War deren Einwilligung durch einen großen Nagel, ein Hemd oder etwas dergleichen erkauft; so hatten die Frauenspersonen Freiheit mit ihren Liebhabern vorzunehmen was sie wollten, und konnten alsdenn zusehen noch ein Geschenk für sich selbst zu erbitten. Ich muß indessen gestehen, daß einige derselben sich nicht anders als mit dem äußersten Wiederwillen zu einem so schändlichen Gewerbe gebrauchen ließen, und die Männer mußten oft ihre ganze Autorität ja sogar Drohungen anwenden, ehe sie zu bewegen waren, sich den Begierden von Kerlen preis zu geben, die ohne Empfindung ihre Thränen sehen und ihr Wehklagen hören konnten. Ob unsre Leute, die zu einem gesitteten Volk gehören wollten und doch so viehisch seyn konnten, oder jene Barbaren, die ihre eignen Weibsleuthe zu solcher Schande zwungen, den größten Abscheu verdienen? ist eine Frage, die ich nicht beantworten mag. Da die Neu-Seeländer fanden, daß sie nicht wohlfeiler und leichter zu eisernem Geräthe kommen konnten, als vermittelst dieses niederträchtigen Gewerbes; so liefen sie bald genug im ganzen Schiffe herum und bothen ihre Töchter und Schwestern ohne Unterschied feil. Den verheiratheten Weibern aber, verstatteten sie, so viel wir sehen konnten, nie die Erlaubniß, sich auf ähnliche Weise mit unsern Matrosen abzugeben. Ihre Begriffe von weiblicher Keuschheit sind in diesem Betracht so sehr von den unsrigen verschieden, daß ein unverheirathetes Mädchen viele Liebhaber begünstigen kann, ohne dadurch im mindesten an ihrer Ehre zu leiden. So bald sie aber heirathen, wird die unverbrüchlichste Beobachtung der ehelichen Treue von ihnen verlangt. Da sie sich solchergestalt, aus der Enthaltsamkeit unverheyratheter Frauenspersonen nichts machen; so wird man vielleicht denken, daß die Bekanntschaft mit ausschweifenden Europäern den moralischen Character dieses Volks eben nicht verschlimmert haben könne: Allein wir haben alle Ursach zu vermuthen, daß sich die Neu-Seeländer zu einem dergleichen schändlichen Mädchen-Handel nur seitdem erst erniedrigt hatten, seitdem vermittelst des Eisengeräthes neue Bedürfnisse unter ihnen waren veranlaßt worden. Nun diese einmal statt fanden, nunmehro erst verfielen sie, zu Befriedigung derselben, auf Handlungen an die sie zuvor nie gedacht haben mochtenund die nach unsern Begriffen auch nicht einmal mit einem Schatten von Ehre und Empfindsamkeit bestehen können.

Es ist Unglücks genug, daß alle unsre Entdeckungen so viel unschuldigen Menschen haben das Leben kosten müssen. So hart das für die kleinen, ungesitteten Völkerschaften seyn mag, welche von Europäern aufgesucht worden sind, so ists doch warlich nur eine Kleinigkeit in Vergleich mit dem unersetzlichen Schaden, den ihnen diese durch den Umsturz ihrer sittlichen Grundsätze zugefügt haben. Wäre dies Übel gewissermaßen, dadurch wieder gut gemacht, daß man sie wahrhaft nützliche Dinge gelehret oder irgend eine unmoralische und verderbliche Gewohnheit unter ihnen ausgerottet hätte; so könnten wir uns wenigstens mit dem Gedanken trösten, daß sie auf einer Seite wieder gewonnen hätten, was sie auf der andern verlohren haben mögten. So aber besorge ich leyder, daß unsre Bekantschaft den Einwohnern der Süd-See durchaus nachtheilig gewesen ist; und ich bin der Meinung, daß gerade diejenigen Völkerschaften am besten weggekommen sind, die sich immer von uns entfernt gehalten und aus Besorgniß und Mistrauen unserm Seevolk nie erlaubt haben, zu bekannt und zu vertraut mit ihnen zu werden. Hätten sie doch durchgängig und zu jeder Zeit in den Minen und Gesichtszügen derselben den Leichtsinn lesen und sich vor der Liederlichkeit fürchten mögen, welche den See-Leuten und mit Recht zur Last gelegt wird! –

Man führte einige von diesen Wilden in die Cajütte, wo sichs Herr Hodges angelegen seyn lies diejenigen zu zeichnen in deren Gesicht der mehreste Character war. Zu dem Ende gaben wir uns Mühe sie auf einige Augenblicke lang zum Stillsitzen zu bringen, indem wir ihnen allerhand Kleinigkeiten vorzeigten und zum Theil auch schenkten. Vornemlich befanden sich einige bejahrte Männer mit grauen Köpfen, desgleichen etliche junge Leute darunter, in deren Physionomien vorzüglich viel Ausdruck war. Die letzteren hatten ungemein straubicht und dickgewachsenes Haar, das ihnen über die Gesichter her hieng und ihr natürlich wildes Ansehen noch vermehrte. Sie waren fast alle von mittlerer Statur; und, sowohl der Gestalt, als der Farbe und Tracht nach, den Leuten in Dusky-Bay beynahe vollkommen ähnlich. Ihre Kleidungen waren aus den Fibern der Flachs-Pflanze zusammen geflochten, aber nie mit Federn durchwebt, sondern an deren statt war der Mantel auf den vier Ecken mit Stücken von Hundefell besetzt, eine Zierrath die man in Dusky-Bay nicht haben konnte, weil es daselbst keine Hunde giebt. Außerdem trugen auch die Leute, der späten Jahreszeit wegen, in welcher das Wetter schon kalt und regnicht zu werden anfieng, fast beständig ihren Boghi-Boghi, welches ein rauher Mantel ist, der als ein Bund zusammengewundnes Stroh vom Halse über die Schultern herabhängt.[15] Ihre übrigen Kleidungsstücke von Zeug waren gemeiniglich alt, schmutzig und nicht so fein gearbeitet als sie in der Geschichte von Capitain Cooks voriger Reise beschrieben sind.[16] Die Männer hatten das Haar nachläßig um den Kopf hängen; die Frauenspersonen hingegen trugen es kurz abgeschnitten und dieser Unterschied scheint durchgehends bey ihnen beobachtet zu werden. Sie hatten auch den Kopfputz oder die Mütze von braunen Federn, deren in Capt. Cooks voriger Reisebeschreibung erwähnt ist. Nachdem sie ein Paar Stunden an Bord gewesen, fiengen sie an zu stehlen und alles auf die Seite zu bringen was ihnen in die Hände fiel. Man ertappte einige die eben eine vierstündige Sand-Uhr, eine Lampe, etliche Schnupftücher und Messer fortschleppen wollten. Dieses Diebes-Streichs wegen ließ sie der Capitain zum Schiffe hinaus werfen und ihnen andeuten, daß sie nie wieder an Bord kommen sollten. Sie fühlten vollkommen, wie sehr ihnen eine solche Begegnung zur Schande gereiche, und ihr hitziges Temperament, das keine Kränkung ertragen kann, gerieth darüber in Feuer und Flammen, so daß der eine sich nicht enthalten konnte von seinem Canot aus zu drohen, als wolle er zu Gewaltthätigkeiten schreiten. Dazu kam es indessen nicht, sondern am Abend giengen sie alle geruhig ans Land und richteten, dem Schiffe gegenüber, aus Baumzweigen einige Hütten auf, um die Nacht darunter zuzubringen. Hierauf zogen sie die Canots aufs Land, zündeten ein Feuer an und bereiteten ihr Abendessen, das aus einigen Fischen bestand, die sie in ihren Fahrzeugen, nicht weit vom Ufer, mit besonderer Geschicklichkeit in einem Reifen-Netz gefangen hatten. Beydes, so wohl das Netz als die Art sich desselben zu bedienen, sind in Cook’s voriger Reise beschrieben.[17]

Am folgenden Morgen fuhren wir, des schönen gelinden Wetters wegen, nach Long-Eyland, um nach dem Heu zu sehen, welches unsre Leute vor acht Tagen allda gemacht hatten. Auch wollten wir, in der Nachbarschaft eines daselbst befindlichen aber verlaßnen indianischen Wohnplatzes, Gemüse für das Schiffsvolk einsammlen. Wir fanden bey dieser Gelegenheit wiederum einige neue Pflanzen und schossen auch etliche kleine Vögel, die von den bisher bekannten verschieden waren. Nachmittags gab der Capitain mehreren Matrosen Erlaubniß ans Land zu gehen, woselbst sie von den Wilden allerhand Curiositäten einhandelten, und sich zu gleicher Zeit um die Gunst manches Mädchens bewarben, ohne sich an die ekelhafte Unreinlichkeit derselben im geringsten zu kehren. Hätten sie indessen nicht gleichsam aller Empfindung entsagt gehabt; so würde die widrige Mode dieser Frauenspersonen, sich mit Oker und Öl die Backen zu beschmieren, sich schon allein von dergleichen vertrauten Verbindungen abgehalten haben. Außerdem stanken die Neu-Seeländerinnen auch dermaßen, daß man sie gemeiniglich schon von weitem riechen konnte und saßen überdem so voll Ungeziefer, daß sie es oft von den Kleidern absuchten und nach Gelegenheit zwischen den Zähnen knackten. Es ist zum Erstaunen, daß sich Leute fanden, die auf eine viehische Art mit solchen ekelhaften Creaturen sich abzugeben im Stande waren, und daß weder ihr eignes Gefühl noch die Neigung zur Reinlichkeit, die dem Engländer doch von Jugend auf beygebracht wird, ihnen einen Abscheu vor diesen Menschern erregte!

Vnde

Hæc tetigit Gradive, tuos urtica nepotes?

JUVENAL.

Ehe sie an Bord zurück kamen, hatte eine von diesen Schönen, einem Matrosen die Jacke weggestohlen und solche einem jungen Kerl von ihren Landsleuten gegeben. Der Eigenthümer fand sie in den Händen dieses letztern und nahm sie ihm wieder ab. Dieser versetzte ihm dagegen einige Faustschläge, die der Engländer jedoch nur für Spas aufnahm; wie er sich aber umwandte und ins Boot steigen wollte, warf der Wilde mit großen Steinen nach ihm. Nun fieng der Matrose Feuer, gieng auf den Kerl los und fieng auf gut Englisch an, ihn tüchtig zusammen zu boxen. In einem Augenblick hatte der Neu-Seeländer ein blaues Auge und eine blutige Nase weg, und dem Ansehn nach genung; denn er gab in vollem Schrecken das Treffen auf und lief davon.

Capitain Cook hatte sich vorgenommen, alle mögliche Sorgfalt anzuwenden, daß die europäischen Garten-Gewächse in diesem Lande fortkommen möchten. Er ließ zu dem Ende das Erdreich bestellen, streute allerley Saamen aus und versetzte hernach die jungen Pflanzen auf vier oder fünf verschiedne Stellen des Sundes. Einen dergleichen Fleck legte er am Ufer von Long-Eyland an, einen andern auf dem Hippah-Felsen, zwey auf MotuAro und zum fünften hatte er einen ziemlich großen Platz im Hintergrunde von Ship-Cove, wo unsre Schiffe vor Anker lagen, ausgesucht. Er richtete hiebey sein vornehmstes Augenmerk auf nützliches, nahrhaftes Wurzelwerk, vornehmlich auf Cartoffeln, wovon wir das Glück gehabt, einige frisch zu erhalten. Auch hatte er verschiedne Arten von Korn, imgleichen große Bohnen, Fasel-Bohnen und Erbsen ausgesäet, und sich die letzte Zeit unsers Hierseyns über fast lediglich damit allein beschäftiget.

[…]

Achtes Hauptstück

Aufenthalt im Haven O-Aitepieha auf der kleinen Halb-Insel O-Tahiti – Ankern in Matavai-Bay

Devenere locos laetos & amoena vireta

Fortunatorum nemorum, sedesque beatas.

Largior hic campos aether & lumine vestit

Purpureo.

VIRGIL.

Ein Morgen war’s, schöner hat ihn schwerlich je ein Dichter beschrieben, an welchem wir die Insel O-Tahiti,2 Meilen vor uns sahen. Der Ostwind, unser bisheriger Begleiter hatte sich gelegt; ein vom Lande wehendes Lüftchen führte uns die erfrischendsten und herrlichsten Wohlgerüche entgegen und kräuselte die Fläche der See. Waldgekrönte Berge erhoben ihre stolzen Gipfel in mancherley majestätischen Gestalten und glühten bereits im ersten Morgenstrahl der Sonne. Unterhalb derselben erblickte das Auge Reihen von niedrigem, sanft abhängenden Hügeln, die den Bergen gleich, mit Waldung bedeckt, und mit verschiednem anmuthigen Grün und herbstlichen Braun schattirt waren. Vor diesen her lag die Ebene, von tragbaren Brodfrucht-Bäumen und unzählbaren Palmen beschattet, deren königliche Wipfel weit über jene empor ragten. Noch erschien alles im tiefsten Schlaf; kaum tagte der Morgen und stille Schatten schwebten noch auf der Landschaft dahin. Allmählig aber konnte man unter den Bäumen eine Menge von Häusern und Canots unterscheiden, die auf den sandichten Strand heraufgezogen waren. Eine halbe Meile vom Ufer lief eine Reihe niedriger Klippen parallel mit dem Lande hin, und über diese brach sich die See in schäumender Brandung; hinter ihnen aber war das Wasser spiegelglatt und versprach den sichersten Ankerplatz. Nunmehro fing die Sonne an die Ebene zu beleuchten. Die Einwohner erwachten und die Aussicht begonn zu leben.

Kaum bemerkte man die großen Schiffe an der Küste, so eilten einige ohnverzüglich nach dem Strande herab, stießen ihre Canots ins Wasser und ruderten auf uns zu. Es dauerte nicht lange, so waren sie durch die Öffnung des Riefs, und eines kam uns so nahe, daß wir es abrufen konnten. Zwey fast ganz nackte Leute, mit einer Art von Turban auf dem Kopfe und mit einer Scherfe um die Hüften, saßen darinn. Sie schwenkten ein großes grünes Blatt in der Luft und kamen mit einem oft wiederholten lauten Tayo! heran,[18] ein Ausruf, den wir ohne Mühe und ohne Wörterbücher als einen Freundschafts-Gruß auslegen konnten. Das Canot ruderte dicht unter das Hintertheil des Schiffs, und wir ließen ihnen sogleich ein Geschenk von Glas-Corallen, Nägeln und Medaillen herab. Sie hinwiederum reichten uns einen grünen Pisang- Schoß zu, der bey ihnen ein Sinnbild des Friedens ist, und baten solchen dergestalt ans Schiff zu befestigen, daß er einem jeden in die Augen fiele. Dem zufolge ward er an die Wand (das Tauwerk) des Hauptmasts fest gemacht; worauf unsre Freunde sogleich nach dem Ufer zurückkehrten. Es währete nicht lange, so sahe man das Ufer mit einer Menge Menschen bedeckt, die nach uns hinguckten, indessen daß andere, voll Zutrauens auf das geschloßne Friedens-Bündniß, ihre Canots ins Wasser stießen und sie mit Landes-Producten beladeten. In weniger als einer Stunde umgaben uns Hunderte von dergleichen Fahrzeugen in deren jedem sich ein, zwey, drey zuweilen auch vier Mann befanden. Ihr Vertrauen zu uns gieng so weit, daß sie sämmtlich unbewafnet kamen. Von allen Seiten erschallte das willkommne Tayo