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Dieses Buch, hier als vollfarbige Sonderedition, wendet sich an alle, die sich gedanklich oder real aufmachen wollen, eine Pilgerschaft über Jakobswege, jenseits des stark frequentierten Camino francés, anzutreten. Sie werden eingeladen, 60 Tage lang einen Pilger vom sonnigen Málaga im Süden Spaniens bis hoch in den Norden, nach Fisterra, zu begleiten. Während der Autor einmal quer über die iberische Halbinsel wandert, lässt er alle Interessierten in die vielfältigen lebendigen Geschichten entlang der Wege eintauchen. Sie berichten von einer kaum beschreibbaren Schönheit des kargen Landes, darbend unter unbarmherziger Sonnenglut, von Städten, deren Historie einmalig ist, von einer Vergangenheit, die noch heute die Zukunft prägt, und von den Sorgen und Nöten ihrer liebenswerten und hilfsbereiten Einwohner. Einem Drama gleich entwickelt sich die Geschichte. Schmerzen, Verzweiflung und Niederlagen schreiben die Jakobswege dem Pilger ebenso in sein Lebensbuch wie Freude, Glück, Beschenktwerden und engelsgleiche Begegnungen. Dort in der Einsamkeit und Stille kann es passieren, dass der Wanderer Gott "flüstern" hört. Gedanken und Verse, die vielleicht einer Quelle jenseits des Begreifbaren entstammen könnten, vertiefen den Glauben des Pilgers an die schöpferische Kraft eines liebenden Gottes. Berührend sind die Begegnungen mit den Einwohnern des Landes und den vergleichsweise wenigen Pilgern auf der weit über 1000 km langen Wegstrecke. Es ist ein Nehmen und Geben, freimütig frohen Herzens. Einmaliges, Unwiederholbares wird hier beschrieben; Momente der Trauer schenken Einsichten in die Vergänglichkeit des Lebens und lassen gleichzeitig sehr viel Hoffnung und Zuversicht wachsen. Unerwartete Begleiter helfen, die Bedeutung des Lebens und persönliche Prioritäten neu zu wichten, und schenken die Hoffnung, dass wir nie allein gelassen werden, auch wenn wir nicht gleich alles verstehen. Liebe und Toleranz, dafür stehen die Jakobswege und graben ihre Spuren in jedes Herz.
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Seitenzahl: 765
Veröffentlichungsjahr: 2019
Rainer Ehritt
Vom Weg zur Quelle meines Sieges
-Ein Pilgerabenteuer-
- vollfarbige Sonderedition -
Weitere Titel des Autors im Verlag tredition:
2018 - "Reflexionen - Spiegelbilder meiner Seele"
Titel als Hardcover, Paperback und E-Book erhältlich
2018 – „Durch Gott, mit Gott, zu Gott“ (2. Auflage)
Titel als Hardcover, Paperback und E-Book erhältlich
2018- „Aus der Spur – Jenseits der Hoffnung“
Titel als Hardcover, Paperback und E-Book erhältlich
2019- „Vom Weg zur Quelle meines Sieges“
Titel als Hardcover (teillfarbig) und Paperback (teilfarbig)
Über den Autor:
Rainer Ehritt, Jahrgang 55, verheiratet, studierte an der Humboldt Universität zu Berlin Zahnmedizin und praktiziert bis heute gemeinsam mit seiner Frau, in der Nachbarstadt seines Wohnortes Bad Freienwalde, in freier Niederlassung. Erlebnisse, Erfahrungen und Lebenskrisen fanden nach Jahrzehnten der Stummheit ihren Niederschlag im geschriebenen Wort. In Versen verdichtete er seine Gedanken. Lyrik wurde sein ständiger Begleiter. Mehr und mehr entbrannte seine Leidenschaft für die Schriftstellerei. Mit dem vorliegenden Buch tritt er nun, nachdem er bereits mit drei anderen Publikationen und durch eine Vielzahl regionaler Lesungen auf sich und sein literarisches Schaffen aufmerksam gemacht hat, erneut mit einem bewegenden Reiseabenteuer an die Öffentlichkeit.
Immer wieder setzt er sich mit dem Abenteuer „Leben“ und den dramatischen Geschichten die das Leben schreibt lyrisch und prosaisch auseinander und verbindet manchmal beides zu einer einmaligen und sehr persönlichen Komposition.
Vom Weg zurQuellemeines Sieges
-Ein Pilgerabenteuer-
- vollfarbige Sonderedition -
Rainer Ehritt
1.Auflage 2019
(Sonderedition)
© Copyright Autor: Dr. Rainer Ehritt
© Coverdesign: Dr. Rainer Ehritt
© Gestaltung: Dr. Rainer Ehritt
© Fotos: Dr. Rainer Ehritt
Verlag & Druck tredition GmbH
Hamburg
978-3-7469-7015-8 (Paperback)
978-3-7469-7016-5 (Hardcover)
978-3-7482-1718-3 (Hardcover - vollfarbige Sonderedition)
978-3-7482-1719-0 (e-Book)
www.tredition.de
Geschichten zu einer Pilgerreisevon Málaga nach Muxiavom 01.06. – 02.08.2015
Camino Mozárabe
Via de la Plata
Camino Sanabrés
Camino Fisterra
Camino Muxia
(O Camiño de Pescas)
von Rainer Ehritt
***
„Ich glaube, daß Gott aus allem, auch aus dem Bösesten,
Gutes entstehen lassen kann und will.
Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen
lassen.
Ich glaube, daß Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft
geben will,
wie wir brauchen.
Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns
selbst,
sondern allein auf ihn verlassen.
In solchem Glauben müßte alle Angst vor der Zukunft überwunden
sein.
Ich glaube, daß auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich
sind,
und daß es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden,
als mit unseren vermeintlichen Guttaten.
Ich glaube, daß Gott kein zeitloses Fatum ist,
sondern, daß er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.“
***
Dietrich Bonhoeffer - DBW 8 (WE), S. 30f.
- sein individuelles Glaubensbekenntnis-
Inhalts- / Wegeverzeichnis
Inhaltsverzeichnis Gedichte
Übersichtskarte
Vom Weg zur Reise – ein Vorwort
Vom Weg des Beginns
31.05.2015 Bad Freienwalde – Berlin Flughafen Schönefeld
Vom Weg nach Spanien
01.06.2015 Berlin – Málaga
Vom Weg eines “Unbesiegbaren”
02.06.2015 Málaga – Moclinejo
Vom Weg der Dummheit
03.06.2015 Moclineco – Vélez Málaga
Vom Weg des gebrochenen Tabus
04.06.2015 Vélez Málaga – Alhama de Granada – Ventas de Huelma
Vom Weg in eine Stadt
05.06.2015 Ventas de Huelma – Granada
Vom Weg im Schatten einer „Perle“
06.06.2015 Granada
Vom Weg der träumenden Steine
07.06.2015 Granada
Vom Weg, der weit und steil war
08.06.2015 Granada – Moclin
Vom Weg der Irrungen und Wirrungen
09.06.2015 Moclin – Alcalá la Real
Vom Weg der Klagen
10.06.2015 Alcalá la Real – Alcaudete
Vom Weg der Vertriebenen
11.06.2015 Alcaudete – Baenas
Vom Weg eines Naiven
12.06.2015 Baena – Espejo
Vom Weg der sein Ziel hat
13.06.2015 Espejo - Córdoba
Vom Weg eines Traumes
14.06.2015 Córdoba
Vom Weg der Weite und Ödnis
15.06.2015 Córdoba – Villaharta
Vom Weg zu Boden
16.06.2015 Villaharta – Alcaracejos
Vom Weg der Alpträume
17.06.2015 Alcaracejos
Vom Weg der Verzweiflung
18.06.2015 Alcaracejos
Vom Weg eines Gescheiterten
19.06.2015 Alcaracejos – Málaga
Vom Weg des Endes und des Neubeginns
20.06.2015 Flug Málaga – Berlin
Vom Weg der Zustimmung
21.06.2015 Bad Freienwalde
Vom Weg des Kräfte sammelns
22.06. – 24.06.2015 Bad Freienwalde
Vom Weg zurück nach Spanien
25.06.2015 Bad Freienwalde – Berlin - Málaga
Vom Weg mit Zwischenstopp
26.06.2015 Málaga – Mérida
Vom Weg zum „Römischen Intermezzo“
27.06.2015 Mérida
Vom Weg der Spuren
28.06.2015 Mérida - Alcuéscar
Vom Weg und seiner Stimme
29.06.2015 Alcuéscar - Cáceres
Vom Weg zwischen Schein und Sein
30.06.2015 Cáceres – Casar de Cáceres
Vom Weg bis zum Embalse de Alcántara
01.07.2015 Casar de Cáceres – Alcántara
Vom Weg des Vertrauens
02.07.2015 Embalse de Alcántara – Grimaldo
Vom Weg des Starrsinns
03.07.2015 Grimaldo – Carcaboso
Vom Weg “Römischer Erinnerungen”
04.07.2015 Carcaboso – Aldenueva del Camino
Vom Weg voller göttlicher Antworten
05.07.2015 Aldeanueva del Camino – Calzada de Béjar
Vom Weg zu Pater Don Blas
06.07.2015 La Calcada de Béjar – Fuenterroble de Salvatierra
Vom Weg der 32 Kilometer mit Gott
07.07.2015 Fuenterroble de Salvatierra – Morille
Vom Weg in eine Stadt zum Verlieben
08.07.2015 Morille – Salamanca
Vom Weg der bleibenden Bilder
09.07.2015 Salamanca
Vom Weg in der “Bugwelle”
10.07.2015 Salamanca – El Cubo de la Tierra del Vino
Vom Weg eines gesegneten Tages
11.07.2015 El Cubo de la Tierra del Vino – Zamora
Vom Weg voller Gottvertrauen
12.07.2015 Zamora – Riego del Camino
Vom Weg durch die Schöpfung
13.07.2015 Riego del Camino - Tábara
Vom Weg der Sprüche
14.07.2015 Tábara – Santa Marta de Tera
Vom Weg Gott zu hören
15.07.2015 Santa Marta de Tera – Mombuey
Vom Weg der Sprüche, Gaben und Boten
16.07.2015 Mombuey – Puebla de Sanabria
Vom Weg des Dankes
17.07.2015Puebla de Sanabria – Lubián
Vom Weg über den A-Canda-Pass
18.07.2015Lubián – A Gudiña
Vom Weg am Paradies vorbei
19.07.2015 A Gudiña – Laza
Vom Weg der tausend Conchas
20.07.2015 Laza – Xunqueira de Ambia
Vom Weg des Großstadtblues
21.07.2015 Xunqueira de Ambia – Ourense
Vom Weg der göttlichen Gaben und heiligen Orte
22.07.2015 Ourense – Monasterio de Oseira
Vom Weg zwischen Klostergeflüster und Supergau
23.07.2015 Monasterio de Oseira – Laxe
Vom Weg der Ängste und Erwartungen
24.07.2015 Laxe – Outeiro (A Vedra)
Vom Weg der vollen Gassen und Plätze
25.07.2015 Outeiro (A Veidra) – Santiago de Compostela
Vom Weg des großen Rennens
26.07.2015 Santiago de Compostela – Negreira
Vom Weg der neuen Lieder
27.07.2015 Negreira – Olveiroa
Vom Weg gemeinsam getragener Lasten
28.07.2015 Olveiroa – Fisterra
Vom Weg voller Abschied und Begegnung
29.07.2015 Fisterra
Vom Weg des Herzens
30.07.2015 Fisterra – Muxia
Vom Weg des Abschieds
31.07.2015 Muxia – Fisterra
Vom Weg am Ende mit Segen
01.08.2015 Fisterra – Santiago de Compostela
Vom Weg des Heimkehrers
02.08.2015 Santiago de Compostela – Berlin – Bad Freienwalde
Vom Weg danach - eine rückblickende Vorausschau
Danksagung
Quellennachweis
Genehmigte Veröffentlichungen
Bildnachweis
Wort- und Begrifferklärung
Zusammenfassung
Nachweise und Urkunden
Inhaltsverzeichnis Gedichte
24.02.2015 Münsterschwarzach
• Alptraum
10.06.2015 Alcala la Real – Alcaudete
• Anders
11.06.2015 Alcaudete – Baena
• Sinnsprüche
• Angenommen
• Getragen
12.06.2015 Baena – Espejo
• Qual
13.06.2015 Espejo - Córdoba
• Beschränkt
20.06.2015 Flug Málaga – Berlin
• Grenzen der Freiheit
28.06.2015 Mérida – Alcuéscar
• Ich bin die Welt
• Via de la plata / Camino Mozarabe
29.06.2015 Alcuéscar – Cáceres
• Die Stimme des Weges
01.07.2015 Casar de Cáceres – Alcántara
• Die Stimme der Weite
02.07.2015 Embalse de Alcántara – Grimaldo
• Der See
05.07.2015 Aldeanueva del Camino – Calzada de Béjar
• Ungeliebte Antworten
06.07.2015 La Calcada de Béjar – Fuenterroble de Salvatierra
• Glück
• Pilgern
• Phönix aus der Asche
• Krieger
07.07.2015 Fuenterroble de Salvatierra – Morille
• 32 Kilometer
• Ungeboren
10.07.2015 Salamanca – El Cubo de la Tierra del Vino
• Erwartungslos
11.07.2015 El Cubo de la Tierra del Vino – Zamora
• Meer der erstarrten Wellen
• Weite
• Grenzenlosigkeit
• Genießen oder der Freiheit Kelch
• Engelsstress
• Ende der Blockaden
• Erinnerung an die Zukunft
• Zwischen Prunk und Glaube
12.07.2015 Zamora – Riego del Camino
• Das Geschenk des Adlers
• Geführt
• Güte
14.07.2015 Tábara – Santa Marta de Tera
• Zwei Federn
• Begleitet
15.07.2015 Santa Marta de Tera – Mombuye
• Getrieben
• Vater unser …
• Der GI
16.07.2015 Mombuye – Puebla de Sanabria
• Das Hufeisen
• Schmetterlinge
17.07.2015 Puebla de Sanabria – Lubián
• Vielfalt
• Danke
18.07.2015 Lubián – A Gudiña
• Der Weg
19.07.2015 A Gudiña – Laza
• Bewahrung
• Die Weisheit der Schmetterlinge
• Das alte Kreuz
20.07.2015 Laza – Xunqueira de Ambia
• Gott trägt
• Ich bin da – eine göttliche Zusage
21.07.2015 Xunqueira de Ambia – Ourense
• Erinnerungen
22.07.2015 Ourense – Monasterio de Oseira
• Ein Stück Brot
• Dank an meine Frau
• Nur allein
23.07.2015 Monasterio de Oseira – Laxe
• Klostergeflüster
• Entweder / Oder
24.07.2015 Laxe – Outeiro
• Meine Seele trägt Trauer
• Zukunftsgedanken
25.07.2015 Outeiro – Santiago de Compostela
• Rückschau
26.07.2015 Santiago de Compostela – Negreira
• Santiago 2015
27.07.2015 Negreira – Olveiroa
• Das Tier im Menschen
• Der Trick
• Singt dem Herrn ein neues Lied
• Auf der Klippe 2015
28.07.2015 Olveiroa – Fisterra
• Schmerzen
• Und manchmal
• Vertraut dem Herrn
29.07.2015 Fisterra
• Engel auf Zeit
• Brandopfer
• Das wilde Tier
30.07.2015 Fisterra – Muxia
• Besondere Momente
• Und immer wieder “Danke”
• Das Ende des Weges
31.07.2015 Muxia – Fisterra
• Hier darf ich
• Abschied
• Hoch oben
01.08.2015 Fisterra – Santiago
• Por fin
04.08.2015 Bad Freienwalde
• Bleibende Aufgaben
• Erfülltes Leben
16.08.2015 Bad Freienwalde
• Richard
Pilgerweg vom Ol.Juni 2015 – 02. August 2015
-Vom Weg zur Reise – ein Vorwort -
Wann beginnt eine Reise? Wenn wir uns zum ersten Mal mit dem Gedanken daran auseinander setzen, er aus der Tiefe unseres Bewusstseins an die Oberfläche gestiegen ist, oder erst wenn wir uns einem Vehikel anvertrauen, das uns da- oder dorthin bringt?
Sind wir die Initiatoren oder stand schon alles geschrieben? Folgen wir unserer Idee oder war alles schon angelegt und es galt nur abzuwarten, bis die Zeit reif war und etwas in uns aufstieg, das uns den großen Plan unseres Lebens ahnen ließ.
Hören wir auf einen Ruf, dem wir uns nicht entziehen können, weil wir sicher sind, eine höhere Macht habe ihn ausgesandt oder meldet sich etwas in uns, das auf Veränderung drängt und sei es auch nur auf Zeit?
Den Grund einer Reise zu bestimmen, wenn nicht zwingend materielle, gesellschaftliche oder rein lustorientierte Faktoren sie initiieren, fällt schwer, ist von der Lebenssituation, der Mentalität, den Interessen und der Betrachtungsweise eines jeden abhängig.
Der Entschluss hunderte Kilometer zu laufen, durch ein fremdes Land, in Hitze und Einsamkeit, voller Entbehrungen und manchmal unter massiven Schmerzen, ist mit Logik nicht zu erklären.
Und doch gibt es etwas, das Menschen antreibt, sie aus der gewohnten Sicherheit ihres Lebens ausbrechen lässt und die, sind sie dem Ruf einmal gefolgt, ihn immer wieder in sich spüren.
Es sind die Träume, die uns nicht mehr loslassen.
Es sind Erlebnisse, die uns prägen und die unserem Leben eine neue Richtung geben können.
Es sind Begegnungen, die uns bis in die Seele berühren.
Es sind die Wege, die Gott für uns bereithält und auf denen Er uns erwartet.
Wem solches je widerfahren ist, der spürt eine Sehnsucht in sich, die ihn vorantreibt.
Mir war es so ergangen.
Als ich 2009 von meiner Pilgerreise über den Camino francés zurückkehrte, war Verzweiflung in mir, verlieren zu können, was der Weg geschenkt hatte.
Ich suchte die verflossenen Tage festzuhalten. Das Land gab mich nicht frei und meine Seele hatte ich dort zurückgelassen.
Als ich heimkehrte, kam nur mein Körper hier an, aber jede Faser meines Seins hing noch fest am Jakobsweg und an der beglückend schweren Zeit.
Unter Schmerzen hatte ich mich dem Weg gestellt und eine Wanderung begonnen, die mich nicht nur geographisch über Berge und durch Täler führte, sondern mich auch die Topographie meiner Seele erforschen ließ und an den Tag brachte, was lebenslang dessen Licht gescheut hatte.
Vom Sturm der Gefühle wurde ich gepeitscht, stürzte in Gräben einer alles verschlingenden Trauer und wurde auf Gipfel der Freude getragen.
Ich ließ Gott, als steten Begleiter meines Weges, in mein Leben. Menschen traf ich, die mein Herz berührten und erlebte die Schöpfung in ihrer Einzigartig- und Mannigfaltigkeit.
Ich betete, wie nie zuvor; ich dankte, wie nie zuvor und ich kam mir nahe, wie nie zuvor.
Ich war zurück und in mir schien die Welt in Dunkelheit zu versinken. Alles, was in mir war, das Gute, das Böse, das Schmerzliche, das Verdrängte, das Vergessene, das Hoffnungslose, das Verzweifelte, die Schuld, die Sünde, der Zweifel, der Unglaube, der Glaube, die Sehnsüchte, alles war aus dem Dunkel der Zeit an den Tag gebracht worden und ließ mich nicht mehr zur Ruhe kommen. Ich wurde ein Getriebener, der sich und sein Existenzrecht mehr denn je in Frage stellte und Jahre mussten vergehen, bis der Klärungsprozess wieder helle Momente in mein Leben ließ.
Und plötzlich hörte ich ihn erneut, diesen Ruf, spürte diese Forderung, diesen inneren Drang, mich aufzumachen, wieder ein Pilger zu werden.
Es war im Frühjahr 2014, als ich fühlte, dass es wieder an der Zeit wäre, mich zu kümmern, Vorbereitungen zu treffen, Pläne zu schmieden und meinen Weg zu planen.
Nicht eine Wiederholung, dessen, was ich bereits gesehen, beschritten und erlebt hatte, sondern etwas Neues sollte es sein.
Noch einmal über den Camino francés zu wandern, wie manche berichteten, die ich dort traf, war keine Option für mich. Zu viele Erinnerungen, zu viele Erwartungen würde ich mit ihm verknüpfen und zu viele Menschen würden mir dort begegnen.
Wohin überhaupt? Vielleicht von Lausanne nach Rom oder doch in Spanien einen anderen Weg nach Santiago de Compostela wählen? Schnell wurde mir klar, mein Herz drängte nach Spanien, gerufen wurde ich zum Grab des Apostels Jakobus.
Schnell hatte ich auch grob die Route abgesteckt, die ich gehen wollte. Vom Süden in den Norden, vielleicht über die Via de la Plata, die ihren Anfang in Sevilla nimmt.
Doch was war mit den anderen Städten deren Klang durch die Geschichte hallte?
Granada und Córdoba, Perlen von Al Ándalus, Hauptstädte von Königen und Kalifen, sie wollte ich unbedingt sehen.
Preiswert erreichbar wäre Málaga, fand ich heraus und so legte ich meine Strecke fest.
Starten würde ich in Málaga, mir meinen eigenen Weg nach Granada suchen, von dort über den Camino Mozarabe bis Córdoba ziehen, nochmals eigene Pfade nach Sevilla begehen und dann über die Via de la Plata und den Camino Sanabrés, der Ourense passiert, nach Santiago de Compostela gelangen.
Vielleicht bliebe noch Zeit für Fisterra und Muxia.
Alles langfristig geplant, um es im Sommer 2015 zu realisieren.
Das Jahr 2014 ging und mit Erreichen des neuen, nahmen meine Träume immer realere Gestalt an.
Flug nach Málaga, am 01. Juni 2015, Rückflug von Santiago, am 02. August 2015, so gebucht im Januar 2015. Damit war das Zeitfenster abgesteckt, innerhalb dessen ich ein Pilger sein würde.
Ein Wandernavi musste her und ein tragbarer Sonnenkollektor, der Stromversorgung wegen auf den langen Etappen, für Navi und Smartphone und natürlich ein Powerpack, falls die Sonne mal nicht scheint und, und, und. Darüber hinaus lernte ich seit dem Herbst in der Abendschule Spanisch und bin noch immer von der Schönheit der Sprache begeistert und hochmotiviert.
Eine Woche Klosteraufenthalt im Februar gab mir zusätzliche Kraft und Inspiration, beflügelte Träume und schenkte Sicherheit im göttlichen Sinne
„Ich kann nicht tiefer fallen, als in göttlichen Grund.“
(Spruch aus dem Seminar)
Wie meist im Leben, liegen Freud und Leid dicht beeinander.
Im März erschien mein Buch zur Reise über den Camino francés, das die Leserinnen und Leser zugleich auch durch mein Leben führte. Sein Inhalt wird sehr unterschiedlich wahrgenommen. Wirtschaftliche Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten ließen mich manchmal, an der Richtigkeit und Realisierbarkeit meiner Wanderung, zweifeln.
Innerlich war ich zerrissen, einerseits galt es einer vermeintlichen Vernunft zu gehorchen, die mir permanent signalisierte, ich könne nicht weg, andererseits war in mir das Wissen, ich hielte nichts auf. Gegen die Möglichkeit des Rückfalls in meine depressive Erkrankung, die mich 2011 schachmatt gesetzt hatte, wehrte ich mich mehr oder weniger erfolgreich und beendete, im Mai 2015, ausschleichend, meine Medikation. In jeder Hinsicht wurde ich von meiner Psychotherapeutin unterstützt, an meiner Planung festzuhalten.
Probleme verschärften sich, Lösungen waren kaum in Sicht und somit blieb ich ein Getriebener.
Meine Ausrüstung hatte ich beieinander, sowohl „Altes“, von 2009, als auch moderne Ergänzungen. Nun begannen Trainingsläufe in der Umgebung, um mich einzustimmen, um das Navi zu testen, um die Gedanken freizubekommen.
Zuspruch erhielt ich viel, unter anderem auch von meinem „literarischen Mentor“, Herrn Professor Eberhard Görner, der mir schrieb: „Ich wünsche Ihnen auf dem Jakobsweg, den Sie demnächst neuerlich gehen werden, physische wie psychische Kraft, getreu der Aufforderung von Ernst Moritz Arndt:
,Tue, was Du musst, siege oder stirb und überlass Gott die Entscheidung!’“
Die Rahmenbedingungen verschlechterten sich zusehends. Es war, als würden sich immer neue Hürden auftürmen, die verhindern sollten, dass ich meinen Traum Realität werden lassen könnte. Meine Psychotherapeutin verwies kategorisch darauf, wie wichtig der Weg für mich wäre und dass die vergleichsweise geringe Ausfallzeit, gemessen an den Jahren, die ich mich schon mit der Gewinnproblematik der Praxis plagte, nicht mehr ins Gewicht fiele. Manchmal flutete mich Verzweiflung, manchmal war ich drauf und dran das Unternehmen abzubrechen, zu vertagen, sterben zu lassen. Egal welche Entscheidung ich fällte, jede würde das Gefühl eines Verlierers in mir hinterlassen. Verantwortungslos zu handeln, wenn ich ginge, verantwortungslos und feige zu sein, wenn ich bliebe.
Wenige Tage, bevor meine Reise beginnen sollte, schrieb ich:
„… eigentlich schäme ich mich für unsere Probleme, die viel mit meiner merkantilen Unfähigkeit zu tun haben.
Aber vielleicht muss es so sein, vielleicht bin ich gerade in der Wüste (in Anlehnung an Markus 1,12 f., Jesus in der Wüste), vielleicht gaukelt mir das „Böse“ vor, dass alles besser werden würde, wenn ich dem Ruf des Weges nicht folgte. Vielleicht erlebe ich einmal wieder den Streit der Mächte um meine Seele … “
In der Antwort einer Freundin wurden meine Ängste und Sorgen aufgegriffen:
„… da gibt es immer wieder ein Ringen um unsere Seelen und Gott will uns herausreißen aus dem, was uns die Luft zum Atmen raubt. Jesus hat sich immer wieder an Orte zurückgezogen, an denen er dem Lärm des Lebens entfliehen konnte und das auch seinen Jüngern vorgelebt.
Aus diesen Zeiten, in denen er mit Gott Zwiesprache halten konnte, ging er immer wieder gestärkt und klar orientiert hervor. Nie war es eine verlorene Zeit. Darum bleibe ich fest in meinem Rat und sage: ,Geh nach Spanien!’ Du brauchst den Abstand, um alles aus einer anderen Perspektive zu sehen und Du wirst die Zeit des Gehens auf Deinem Weg zu Gott brauchen, um Ihn hoffentlich wieder in der Stille reden zu hören. Möge Gott Dich auf diesen Weg mitnehmen, wenn Dich vieles daran zu hindern sucht, damit Du spüren und verstehen kannst, wie nah und fürsorglich Er auch hier ist …“ (Worte einer Freundin)
Der Sog des Weges war stärker als alles, was mich abhalten konnte. Viele ermutigende Worte wurden mir gegeben, Liebe und Zuwendung erfuhr ich an meinen letzten Tagen vor meiner Abreise. Es gab freundliche, warmherzige Verabschiedungen der Mitarbeiterinnen, es gab kleine Gaben und selbstverständlich gute Wünsche, die mich begleiten sollten. Unser Pfarrer segnete mich vor meinem Aufbruch in Gegenwart der ganzen Gemeinde.
Worten des Segens, geschrieben von Gerhard Engelsberger, sollten mich stärken und leiten.
Geh mit Gottes Segen.
Er halte schützend seine Hand über dir,
bewahre deine Gesundheit und dein Leben
und öffne dir Augen und Ohren
für die Wunder der Welt.
Er schenke dir Zeit,
zu verweilen, wo es deiner Seele bekommt.
Er schenke dir Muße,
zu schauen, was deinen Augen wohltut.
Er schenke dir Brücken,
wo der Weg zu enden scheint
und Menschen,
die dir in Frieden Herberge gewähren.
Der Herr segne,
die dich begleiten und dir begegnen.
Er halte Streit und Übles fern von dir.
Er mache dein Herz froh, deinen Blick weit
und deine Füße stark.
Der Herr bewahre dich und uns
und schenke uns
ein glückliches Wiedersehen.
(Text © Gerhard Engelsberger)
Nun ist alles getan, alles ist gerichtet, alles ist bedacht und ich kann in der Gewissheit aufbrechen, ich werde nicht allein gehen.
Gott geht mit und er wird mich führen und seine Engel werden über mich wachen. Ich stehe unter dem Segen des Herrn.
Das Abenteuer beginnt.
„Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein?“ (Römer 8,10)
***
-Vom Weg des Beginns -
31.06.2015 Bad Freienwalde – Berlin Schönefeld
Heute soll das Unternehmen, „Camino Santiago 2015“, starten. Gegen 15.30 Uhr segnet mich eine Freundin und wünscht mir Glück auf meinem Weg.
Sie gibt mir ein Briefchen mit, in dem sie ihre guten Wünsche, neben eigenen Worten, mit dem Gedicht „Reissegen“, von Joachim Aniker, bekräftigt.
Ihre Tochter vermisse mich schon jetzt, meint sie.
Nahen Verwandten sage ich telefonisch „Adieu“.
Jetzt bereite ich mich vor, ziehe mich an, verwandele mich in den Pilger, der ich sein möchte.
Meine Frau kommt. Wir treffen letzte Absprachen und die Zeit fliegt dahin, wie sie es immer tut, wenn viele Informationen zusammengedrängt vermittelt werden müssen und dann ist alles für den Moment gesagt.
Wir verabschieden uns sehr warmherzig von einander und da ist eine Intensität von Nähe, wie ich sie schon lange nicht mehr gespürt zu haben meine.
Akzeptanz schwingt darin mit und eine ehrliche Freude: „Ich gönne Dir die Zeit.“
Anders, als zu Beginn meiner Pilgerreise 2009, hat es diesmal nichts von Flucht oder von nicht mehr Aushalten können, an sich. Da ist viel mehr eine Freude, eine Hoffnung und ein Gespanntsein, einfach eine positive Grundstimmung, die ich mit auf meinen Weg nehme.
Gegen 19.30 Uhr breche ich auf zur Bahn.
Jetzt ist es, wie beim ersten Mal. Ich schließe die Haustür hinter mir, habe mein Gepäck auf dem Rücken, trete auf die Straße und bin von diesem Moment an, ein Pilger. Für mich gleicht dieser Fußmarsch zum Bahnhof einer rituellen Handlung. Mit ihr beginnen die ersten Schritte meines langen Pilgerweges.
Der Bahnsteig ist leer, ich sehe die Gleise und verstehe sie als Symbol des eingefahrenen Bettes meines Lebens, das ich zeitweilig zu verlassen beabsichtige.
Der Zug kommt pünktlich, ich steige ein und alles ist gut.
Gegen 22.30 Uhr bin ich am Flughafen. Ich suche mir den Schalterbereich meiner Fluggesellschaft und wähle mir eine Bank als Schlafstatt.
Schlafen geht nicht wirklich; und, gegen 3.00 Uhr in der Frühe, gebe ich meine Bemühungen auf und lese zum Zeitvertreib wieder und wieder den geschenkten „Reisesegen“ und frommen Wunsch, meiner Freundin:
Von Gottes Engeln behütet
Von Gottes Engeln behütet sei dein Leben,
von Gottes Engeln behütet sei dein Weg.
Er möge Stärke und Zuversicht dir geben,
in seine Hände ich deine Hände leg.
Von Engelsflügeln getragen sei dein Leben,
von Gottes Liebe umschlossen sei dein Herz.
Er möge Stärke und Zuversicht dir geben,
er sei dir nah in Freude und in Schmerz.
Von Gottes Händen gehalten ist dein Leben,
von ihm geführt gehst du sicher klar und fest.
Getauft sein heißt: ein Versprechen ist gegeben,
das uns getrost in die Zukunft sehen lässt.“
Und denke daran, ein Engel geht mit,
begleitet dich auf all deinen Wegen, auf Schritt und Tritt,
ja, Gottes Engel wacht an deinem Weg, auf deinem Weg.
***
(Text: @ Joachim Anicker)
Meldungen:
Bin eben am Flughafen eingetroffen, alles okay; sitze vorm Terminal und kann ruhen;
Gute Nacht
(22.35 Uhr)
Re:
„Lass dir nichts klauen, falls du einschläfst!“
Wer den (Rucksack) klaut, lässt ihn ganz schnell stehen, bei der Masse(!);
ich denke, ich stecke ihn in einen Müllsack, der vielen Strippen und Anbauten wegen
(23.14 Uhr)
Schritt:
3.184
Km:
2,55
Total:
3.184
-Vom Weg nach Spanien -
01.06.2015 Berlin – Málaga
Um 4.55 Uhr wird die Gepäckannahme geöffnet – alles klappt reibungslos.
Passkontrolle, Sicherheitskontrolle und dann bin ich im Transitraum und denke über die 14,7 kg Gewicht meines Rucksackes nach.
Im Flieger ist es eng. Ich sitze in meiner Reihe auf dem Mittelplatz und kann ein wenig aus dem Fenster schauen.
7.10 Uhr starten wir. Für mich ein herrliches Gefühl, wenn die Turbinen aufheulen, die Bremsen gelöst werden und die Beschleunigung mich in das Polster meines Sitzes presst. Ein bisschen erinnert es ans Motorradfahren.
Der Himmel über BERLIN ist bedeckt, doch bald stoßen wir durch die Wolken und über uns gibt es nur noch das reine, die Erde umhüllende Blau. Es ist, als würden wir stillstehen, aber ich sehe eben nur den Ausschnitt, den das Fenster auf die Entfernung freigibt.
Zwischendurch kommen die Stewardessen und bieten allerlei zum Kauf an, Getränke und Speisen, später Parfüm und Uhren. Der Gedanke an einen fliegenden Basar drängt sich mir auf, verbunden mit der beruhigenden Gewissheit, dass ich nichts von all dem brauche.
Je weiter wir nach Süden kommen, desto mehr verschwinden die Wolken unter uns. Dann dominieren nur noch die Erdfarben der iberischen Halbinsel.
Nach dreieinhalb Stunden bin ich in MÁLAGA.
Eine riesige Abfertigungshalle empfängt mich, leitet mich mittels Symbole und Pfeile zu einem der vielen Gepäckbänder, wo ich mich zu den bereits wartenden Fluggästen geselle.
Alles geht hier schnell und routiniert, sodass ich wenig später meinen Rucksack in Empfang nehmen kann.
Die erste Amtshandlung des Pilgers ist es natürlich, sich als solcher kenntlich zu machen.
Jakobsmuschel, Kalebasse, noch eine kleinere Muschel und einen Rosenkranz hänge ich, als Insignien „meines Auftrages“, an mein Gepäck. Dann habe ich mich genug geoutet und jeder weiß jetzt um mein Vorhaben. Mit einer, von innerem Stolz geschwellter Brust, will ich mich aufmachen. Als ich den Rucksack wieder auf meiner Schulter spüre, bin ich sicher, er ist zu schwer.
Ein Bus bringt mich ins Stadtzentrum. Dafür muss er quer durch ein Industriegebiet und ich danke meinem Schöpfer im Stillen, dass ich nicht den Versuch unternommen habe, bis dorthin zu laufen. Lange fährt er, bis ich in der Nähe der Kathedrale aussteige.
Ich habe den Namen meiner Bleibe. Ich habe auch den Namen der Straße, in der ich sie finden müsste. Ich habe ein bisschen Stadtplan auf meiner Reservierungsbestätigung und so beginne ich nach meiner Herberge zu suchen und mein Navi sucht mit mir.
In einer Seitenstraße, nahe der Kathedrale, soll sie sein, aber nicht mein Navi findet sie, sondern das ist eher dem Zufall und einem kleinen Bild auf der Reservierungsbestätigung geschuldet. Leider ist die Tür meines vermeintlichen Quartieres verschlossen, aber eine ausgewiesene Telefonnummer verspricht Hilfe.
Mehrmals wähle ich diese, leider ohne Erfolg. Unschlüssig vor der Tür wartend, findet mich eine Frau, die mich einlässt, mir jedoch zu verstehen gibt, dass ich zu früh sei. Dennoch kann ich meinen Rucksack an der Rezeption lassen und die verbleibende Zeit unbeschwert durch die Straßen spazieren. Geschäfte und Bars reihen sich aneinander.
Mein Streifzug lenkt mich wieder zur Kathedrale, die ich bewundernd umrunde. Ein Seitenportal führt in einen abgegrenzten Gartenbereich. Glocken sind hier ausgestellt.
Beim Verlassen nehme ich die Bettlerinnen wahr, die sich rechts und links der Eingänge, sowohl zur Kathedrale, als auch hier postiert haben. Was soll ich tun, frage ich mich. „Gebe ich einer, muss ich dann allen etwas geben?“ Für den Moment entscheide ich: „Ignorieren und mit anderen Besuchern ausschwemmen lassen.“
Unweit des Gotteshauses eröffnet sich mir der Blick auf eine Ausgrabungsstätte. An der Ballustrade, die sie eingrenzt, lese ich: „TEATRO ROMANO“.
Abbildung 1 Teatro romano Málaga
Aus dem Text einer Informationstafel, die dort aufgestellt wurde, ist zu erfahren:
„AMPHITHEATER – Das römische Amphitheater wurde in den ersten Jahren der Regentschaft Augustus errichtet und bis Ende des 3. Jahrhunderts genutzt. Gegenwärtig sind noch die Sitzreihen, der Orchestergraben und die Bühne zu sehen. Neben dem Theater befindet sich das Informationszentrum, in dem man Gelegenheit hat, anhand von Fundstücken und diversen didaktischen Inhalten in die Welt der alten Römer einzutauchen. An der Fassade sind Fragmente der Gesetzesschrift Lex Flavia Malacitana zu lesen.“
Noch mehr aber interessiert mich, die sich unmittelbar darüber erhebende, „LA ALCAZABA“, die maurische Festung von MÁLAGA. Unbedingt will ich dorthinauf.
„Der befestigte Palast der maurischen Regenten der Stadt (11. Jahrhundert) ist eines der großen Wahrzeichen der Hauptstadt der Provinz Málaga. Erhaben auf einem Hügel gelegen, passen sich seine Formen dem geographischen Umfeld an. Das gesamte Gefüge setzt sich aus zwei von Befestigungsmauern umgebenden Bereichen zusammen, wobei der untere den oberen schützend umfasst. Der obere Bereich beherbergt den Nasridenpalast.“, ist auf einer weiteren Informationstafel zu lesen.
Trutzige Mauern, grüne Gärten, maurische Baukunst und ein Museum erwarten und beeindrucken mich. Schwungvolle Bögen teilen Räume, kleine lauschige Innenhöfe mit Wasserspielen, erinnern an Geschichten aus „Tausendundeinenacht“.
Von hier oben habe ich einen wunderschönen Blick auf den Hafen. Die Stadt präsentiert ihre Ausdehnung in alle Himmelsrichtungen und die Kathedrale hebt sich majestätisch gegen den Horizont ab. Rasch vergeht die Zeit und dann muss ich, dieses Areal ruhmreicher Vergangenheit, verlassen.
Abbildung 2 Blick von der Alcazaba auf die Kathedrale von Málaga
Im Schnelldurchlauf erkunde ich die Fußgängerzonen, welche die Altstadt durchschneiden, bin auf der Promenade und habe einen tollen Blick auf das gesamte Festungswerk.
Am Rathaus von MÁLAGA vorbeikommend, bewundere ich die gepflegten Parkanlagen, bis ich erschöpft von den vielen Eindrücken und den ungewohnten Wegen, genug habe.
Zurückgekehrt zur Pension, nehme ich mein Zimmer in einem Nachbargebäude in Empfang.
Dass Gewicht meines Rucksackes bereitet mir Kopfzerbrechen.
„So viel, wie der im Augenblick wiegt, werde ich den Weg wohl eher nicht schaffen.“, stelle ich in Gedanken fest. Abwägen muss ich, was ist wichtig, was muss bleiben.
Ich sortiere, packe ein, packe aus, wieder und wieder, um resignierend zu erkennen, eigentlich brauche ich alles. Nachdem ich mein Ringen, um jedes Teil, beendet habe, gestehe ich mir ein, dass immer noch reichlich übrigbleibt.
Jetzt gilt es eine Post zu finden, aber wo suche ich die?
Die Erkundung gestaltet sich zehrend. Irgendwann, nach vielen Mühen, stehe ich im OFICINA DE CORREOS –der Poststelle- und dort geht es, wie wahrscheinlich in allen Amtsstuben der Welt, sehr beschaulich zu. Nummer ziehen und warten!
Endlich, schon nach einer Stunde, bin ich dran und versuche der Angestellten, auf Spanisch verständlich zu machen, was ich möchte und wohin mein Päckchen versandt werden soll.
Teuer erkaufe ich einen Paketkarton und die Postleistung.
Mit der Ökonomie habe ich es wirklich nicht, gestern hergetragen, heute wieder zurückgeschickt.
Eigentlich sollte ich es im Laufe meines Lebens gelernt haben, ich muss immer nur das tragen, was ich mir selber aufgeladen habe. Heute erleichterte Abgeben in der Fremde, Rucksack und Portmonee.
Todmüde kehre ich in meine Unterkunft zurück.
Meldungen:
… bin eben gut in Málaga gelandet: Rucksack 14,7 kg; ich falle um; schönen Tag …
(10.55 Uhr)
… bin gerade auf der Post, die ersten Teile entsorgen, sonst brauche ich gar nicht erst anfangen;
habe mein Zimmer bezogen, einfach und gut; Kopf spinnt wieder Mal;
wünsche dir einen friedlichen Abend …
(17.28 Uhr)
Schritte:
19.564
Km:
15,65
Total:
22.748
-Vom Weg eines „Unbesiegbaren“ -
02.06.2015 Málaga – Moclinejo
Heute breche ich auf in ein fremdes Land, habe meinen Sonnenkollektor auf dem Rücken, zur direkten Versorgung meines Navigationsgerätes, das links vor meiner Brust baumelt. Das ist praktisch, so habe ich immer direkten Zugriff darauf und höre seinen Piepton bei wichtigen Meldungen.
Das sieht cool aus, denke ich, und fühle mich wie ein Abenteurer, ein Eroberer, ein Pionier auf „unerschlossenen Wegen“. Das macht mich einzigartig. Ich sehe mich als eine Art „Universal Soldier“ und es gibt nichts, was mich aufhalten könnte.
Die bewundernden Blicke, die ich zu sehen meine, wenn ich als „Hightech-Pilger“ meinen Weg gehe, genieße ich und fühle mich unangreifbar.
Ich bin hochmotiviert; ich habe den Willen den Weg zu bezwingen und ich bin, nach meiner Überzeugung, optimal vorbereitet und ausgestattet.
Wer oder was sollte mich also aufhalten können?
Das Navi weist mich in Richtung Strand, was mit meinen Kartenkenntnissen konform geht. Dem gepflegten Park neben der Uferstraße schenke ich wenig Beachtung. Ich will vorankommen!
Also laufe ich den angegebenen Weg und irgendwann biegt er in Richtung der Berge ab, früher als auf meiner recherchierten Karte, aber sicher gibt es andere und dank überlegener Navigationstechnik, effektivere Wege.
Stunden später reift in mir die Erkenntnis, dass das Navi scheinbar selbst nicht so recht weiß, wo es sich befindet. Ich klettere Berge hinauf und hinab, aber die Stadt verlasse ich nicht wirklich. Ich habe das Gefühl, immer wieder zurückzulaufen, sozusagen, eine geozentrische Bahn beschreibend in Bewegung zu sein und doch nicht vorwärtszukommen.
Oft sagt es mir: „Abbiegen“, wo nichts zum Abbiegen ist.
Die Meterangaben bis zum Richtungswechsel gleichen Lottozahlen, oft daneben und selten ein Treffer.
Ich laufe mal hier und mal da hin und denke bei mir: „Hier war ich doch schon einmal!“
Auch eine Neuprogammierung des bisherigen Zieles bringt keine wirkliche Verbesserung, nur das Gefühl, erneut im Kreis gelaufen zu sein. Scheinbar akzeptiert das Navi jede Richtung, die ich einschlage und arbeitet nach dem Motto: „Na, wenn du meinst!“
Als ich die Displayanzeige soweit verkleinere, dass ich den ganzen Weg im Blick habe, zeigt die Karte mir gleichen Start-, wie Zielpunkt und bestätigt meine Befürchtung, tatsächlich seit Stunden im Kreis gelaufen zu sein.
Mittlerweile kenne ich MÁLAGA mit seinen Stadtteilen und Ausläufern, die sich in die Täler erstrecken, schon recht gut. Ich weiß jetzt, dass hinter jedem Berg den ich hier erklimme, ein weiterer Ortsteil von MÁLAGA kommt und da ich das jetzt schon mehrfach durchexerziert habe, war ich in städtischen Regionen, die mich sonst nie interessiert hätten. Ich bin fürchterlich genervt und könnte laut schreiend durch die Straßen rennen.
Aber irgendwie muss ich hier raus.
Nach mehr als 3 Stunden ist es mir endgültig über.
Abbildung 3 Costa del Sol bei Málaga
Ich suche den Weg zur Strandpromenade. Es dauert und mir wird auch schon reichlich warm. Dann habe ich sie erreicht und folge ihr, rechts das Meer, über mir die Sonne. Schatten wird den Rest des heutigen Tages ein Fremdwort bleiben.
Wahrscheinlich gibt es dafür im Spanischen gar keinen Begriff.
Immer an der Küste entlang gehend, kann ich etwas von ihrer Schönheit und manchmal Wildheit, in mich aufnehmen. Steinige Strände, zerklüftete Klippen, mächtige aus dem Wasser ragende Felsen, Bergausläufer die bis an das Wasser reichen, zaubern das Bild einer exotischen Landschaft, die irgendwann langen breiten weißen Sandstränden weicht.
Palmen unterstreichen das südliche Flair und erinnern mich an Aufnahmen von Südseeinseln. Menschen sind hier keine unterwegs. Ich scheine der einzige Irre zu sein, der unter der Glut der frühen Nachmittagssonne wandern muss.
Vielleicht, würde ein Einheimischer, sähe er mich, denken: „Ja, ja, die Deutschen, immer strebsam, nie Siesta, immer im Leistungsdruck.“
Abbildung 4 Costa del Sol hinter Málaga
Nach weiteren Stunden bin ich bis zu dem Punkt gekommen, von wo aus ich mich ins Landesinnere wenden kann.
In einer einsamen Bar am Strand will ich mich stärken, bevor es in die Berge geht. Ein Gast, der Einzige neben mir, und der Betreiber fragen mich nach dem woher und wohin. Als ich Ihnen von meinem Vorhaben berichte, schauen sie mich an, wie Einen, der „gerade irgendwo entsprungen ist“, „ein Rad ab, hat“, „nicht alle Steine auf der Schleuder hat“, eben, wie einen verrückten Deutschen. Trotzdem verabschieden wir uns herzlich.
Ich verlasse den Weg in RICON DE LA VICTORIA und tauche endlich in die Bergwelt der MONTES DE MÁLAGA, in Richtung EL BORGE, ein.
Es geht aufwärts, mit Steigungen, dass ich zwischendurch immer wieder anhalten muss.
Jetzt hat mein Navi die Führung übernommen und weiß ganz sicher, wo es lang geht und sein Marschbefehl lautet: „Bergauf!“
Der Blick zurück auf Land und Meer ist atemberaubend und verdeutlicht ein wenig, wie hoch ich wirklich schon gestiegen bin. Die Technik treibt mich weiter hinauf, bis ich vor einem Zaun stehe. Ende!!!
Also, zurück, abwärts, Straße laufen und irgendwann geht es wieder steil in die Berge.
Mein Wasser geht zur Neige, deshalb klingele ich zwischendurch an der Pforte einer, von hohen Mauern umgebenen, Siedlung und bitte um Wasser.
Aus dem Lautsprecher erklingt ein deutliches und energisches „NO!“
Resignierend gehe ich weiter bergan, aber scheinbar hat sich der „Neinsager“ besonnen, denn er ruft mich zurück, hat reichlich Mineralwasser dabei und füllt mir meine Feldflasche.
Immer steiler wird der Weg, sodass mir die Luft knapp wird.
Ich fange an meine Oberschenkel zu spüren, die Fußsohlen beginnen zu brennen und irgendwann denke ich: „Es geht nicht mehr!!!“ Aber es geht, geht immer weiter und ich habe auch keine andere Alternative.
Häuser finden sich wenige entlang des Weges. Langsam ist es an der Zeit, dass ich mich um ein Quartier bemühe und so frage ich dort, wo ein Grundstück belebt erscheint und es sein könnte, nach einem Platz zum Schlafen.
Aber ich bekomme nur: „No“, und „No“, und „No“, zu hören.
Eine Frau rät mir, es 3 km weiter, in MOCLINEJO, zu versuchen, denn da wäre eine Bar.
Die besagten 3 km stehen nun schon fast wie ein Schreckgespenst vor mir.
Ich klettere weiter bergauf und brauche für die Distanz viel Wasser.
Abbildung 5 In der Bergwelt der Montes de Málaga
Die Aussicht ist gut, meine Energiebilanz schlecht.
Verzweiflung beginnt zu keimen, darum versuche ich, beim nächsten bewohnten Gehöft, noch einmal Unterkunft zu finden.
Wasser - „ Si“, Übernachtung - „ No“.
Der Spanier rät mir, meinen jetzt schon feldwegartigen Pfad zu verlassen und wieder zur Straße hinabzusteigen, um den nächsten Ort, besagtes MOCLINEJO, zu erreichen.
Ich ringe um eine Entscheidung: „All die Mühen des Aufstieges und dann wieder nach unten?“ Aber er redet mit Engelszungen auf mich ein und nach längerem Zögern mache ich mich auf.
Meine Beine sind schon ziemlich schwer, oft muss ich stoppen.
Es grenzt an Quälerei, aber ich rede mir gut zu und die Hoffnung treibt mich voran.
Mit Mühe erreiche ich den avisierten Ort und müsste ins Zentrum. Da jedoch eine Bibliothek, unmittelbar am Stadttor, offen ist, hoffe ich dort auf genauere Information zu Unterbringungsmöglichkeiten in MOCLINEJO. Viele unverständliche Erklärungen bekomme ich zu hören und die beiden jungen Mädels amüsieren sich scheinbar köstlich über den alten Zausel.
Aber das hilft mir alles wenig.
Nach der Kirche fragend, finde ich unmittelbar daneben den Dorfplatz, die „PLAZA DE PUEBLO“ und die obligatorische Bar.
Der Wirt ist zwar sehr hilfsbereit und entgegenkommend, aber Quartier gibt es hier trotzdem nicht. Als Trostpflaster spendiert er dem „obdachlosen Pilger“ einen Kaffee und einen Kuchenkringel. „DANKE!!!“
Aus der Stadt gehend, beschließe ich, auf einer Art Spielplatz, im Freien zu übernachten.
Der Boden besteht zwar nur aus Beton, dafür ist er aber, im Gegensatz zur Umgebung, glatt und eben und ich füge mich in mein Schicksal.
Nicht einkalkuliert hatte ich, dass in diesem Ort das Mensch-Hunde-Verhältnis mindestens 1 zu 10 sein muss. Nicht anders kann ich meinen gestörten Nachtschlaf deuten. Da mit zunehmender Dunkelheit mehrere Hundemeuten am heulen, bellen und randalieren sind, finde ich kaum Frieden. Es geht die ganze Nacht so. Zwar lösen sie sich scheinbar gegenseitig ab, aber es bleibt eine durchgehende Kakophonie, die mich fast verzweifeln lässt und den Schlaf vertreibt.
Jede Bemühung dem Lärm zu entfliehen scheitert kläglich.
Meldungen:
Tag 1; Irre immer noch durch Málaga;
Tag, sozusagen, schon vergeigt;
Navi reine Scheiße;
Pläne, na ja, werde Tagesziel nicht rreichen;
Frust;
dir einen schönen Tag …
(12.05 Uhr)
… habe mein Tagesziel nicht erreicht, obwohl ich bis 20.00 Uhr gelaufen bin;
nach 44.377 Schritten bin ich in Moclinejo, ohne Übernachtungsmöglichkeit;
also habe ich mir einen Spielplatz vor der Stadt gesucht, hart, aber es wird schon gehen;
dir wünsche ich einen friedlichen Abend (21.04 Uhr)
Schritte:
44.377
Km:
35,50
Total:
67.125
-Vom Weg der Dummheit -
03.06.2015 Moclinejo – Vézes Málaga
Die Nacht vergeht irgendwie zwischen besagtem Hundegeheule und Ameisenattacken.
Ich verlasse einen Ort, der etwa 20 km von MÁLAGA entfernt ist, zwischen der „CERROS DE CÓRDOBA“ und „PIEDRA BLANCA“ in 450 m Höhe, in der schönen AXARQUIA, liegt. Tourismus ist hier ein Fremdwort, obwohl es zum Strand nur 8 km sein sollen. Die Wurzeln von MOCLINEJO liegen im Dunkeln, jedoch lässt der Name, der sich von „Moclin“, „Gebietsplatz“ ableitet, auf einen arabischen Ursprung schließen.
Eine Kirche gibt es, wie bereits erwähnt, auch. Die „IGLESIA SANTA MARIA" ist das älteste Bauwerk in MOCLINEJO und stammt aus dem 16. Jahrhundert. Durch Umbaumaßnahmen in den zurückliegenden Jahrhunderten wurden verschiedene Stile vermischt, Mudéjarstil, gotische Elemente, Barockstil und Judenstil. Der Glockenturm soll schöne maurische Arkaden haben. (moclinejo.de)
Jetzt im Morgenlicht bewundere ich nochmals den Anblick des Eingangsportals, vielleicht Teil einer alten Festungsanlage oder Stadtmauer sowie die leuchtend weißen Häuser des Ortes.
Abbildung 6 Eingang nach Moclinejo
Obwohl die Stätte im Licht des erwachenden Tages freundlicher aussieht als am Vorabend, will ich nur fort und vorankommen
Navigationstechnisch ist alles klar. Das Gerät hatte gestern gemeint, „immer der Straße folgen“ und mit diesem Wissen mache ich mich, ohne mich nochmals zu vergewissern, auf den Weg.
Vielleicht nach einer guten Wegstunde stehe ich an einer Abzweigung und beschließe: „Prüf doch mal, ob du richtig bist und frag dein Navi.“, und was zeigt das Gerät: „Bitte wenden!“
Meine Nackenhaare richten sich auf, zurück gehe ich auf keinen Fall, dann schon eher entlang der „RUTA DE MONTES DE MÁLAGA“, wie auf einem Schild steht. In Ermangelung akzeptabeler Alternativen sage ich mir mutmachend: „Hört sich doch gut an, versuche ich den einfach.“
Ein schöner beschwerlicher Kammweg schlängelt sich durch eine reizvolle Bergwelt, mit toller Aussicht.
In der Hoffnung nach EL BORGE zu laufen, dem nächsten wichtigen Ort, gebe ich zur Sicherheit das ferne Tagesziel, ZAFARRAYA, in das Navi ein. Die errechnete Strecke von 28 km passt.
Nun werde ich bergauf und bergab geführt und irgendwann bergab und immer weiter bergab. Frustriert suche ich nach einer Erklärung, wozu ich eigentlich gestern 500 m hochgestiegen sei. Aber eines beruhigt mich, mein Navi zeigt an, dass die Kilometer zum Ziel stetig abnehmen.
Jetzt geht es ständig nur noch abwärts.
„Wieso laufe ich wieder ins Tal, wenn ich doch weiter hoch muss?“, fragt sich der Bauch. Der Kopf tröstet, dass das so in den Bergen sei und schließlich gäbe es ja die allwissende Technik, die die Richtung bestätige.
Auf einer Hauptverkehrsstraße geht es tiefer und tiefer hinab. Die Temperatur jenseits der 40 Gradmarke und die Anstrengung trocknen mich aus, deshalb nutze ich die Möglichkeit, als ich an ein Gehöft gelange und bitte um Wasser. Noch ist die Talsohle nicht erreicht, als ein Straßenschild nach „ VÉLEZ MÁLAGA“ weist, was mir arg zu Denken gibt.
An einer Tankstelle mache ich erneut halt, raste und trinke Wasser, so viel nur in mich rein geht. Ich bin völlig ausgetrocknet.
Das Navi, scheinbar ebenso ratlos wie ich, schaltet sich einfach ab und erwacht nur noch zum Leben, wenn ich mich mit meinem Solarpaneel direkt zur Sonne wende, dann die Technik neu starte und alles neu programmiere.
Im Display erscheint: „Bitte wenden!“, und alles zeigt wieder den Berg hinauf.
Als ich es nochmals neu starten muss, meint es nun wieder: „Weitergehen!“, und: „38 km bis zum Ziel!“.
Fassungslosigkeit macht sich in mir breit, mein Nervenkostüm ist arg strapaziert und eine verbissene Wut hängt über mir in der Luft. Zurückgehen ist ausgeschlossen, den neu ausgewiesen Weg, mit 38 km, heute noch zu schaffen ist ebenso illusorisch. Ob Ortschaften zwischen hier und ZAFARRAYA liegen, in denen ich unterkommen kann, weiß ich nicht. Ich habe also keine andere Wahl, als immer weiter der Straße, in der eingeschlagenen Richtung, eingeklemmt zwischen Autos, Lkws und Leitplanken, zu folgen.
Dann liegt „VÉLEZ MÁLAGA“ in Sichtweite. Das Navi empfiehlt, weiterzugehen, hat sich doch die Entfernung zum avisierten Ziel, nach gefühlten 3 km, um gerade Mal einen Kilometer verringert.
Ich schleppe mich nur noch vorwärts. Die Oberschenkel wollen nicht mehr, die Fußsohlen brennen und die kleinen Zehen machen auf Blasenbildung.
Da selbst 37 km heute keine Option mehr sind, beschließe ich, den Busbahnhof zu suchen und nach ZAFARRAYA zu fahren.
Die Hoffnung stirbt, als ich, endlich dort ankommend, erfahre, ein Bus fährt erst wieder morgen früh.
Es hilft nichts, ich muss mich weiter in die Stadt hineinquälen, um einerseits die Touristinformation und andererseits eine Bleibe zu finden.
VÉLEZ MÁLAGA ist mit rund 78.000 Einwohnern eine große Stadt und wirbt mit 20 km bestem Strand. Die Jahrtausende alte Siedlung, Fundstücke belegen ihre Existenz schon zur Zeit der Phönizier, ist reich an Kulturschätzen, historischen Gebäuden, Denkmälern und Kirchen.
Im OFICINA DE TURISMO bringe ich mein Anliegen vor und hilfsbereit ruft die Mitarbeiterin in einem Hotel an. Es klingt teuer, aber ich kann und will auch nicht handeln.
Dem eingezeichneten Weg im Stadtplan versuche ich zu folgen und trotzdem - „Himmel hilf!“ - bin ich schon wieder verkehrt. Mehrmals erkundige ich mich nach dem Hotel „Dila“, bis mich eine junge Frau engelsgleich führt.
Entweder sehe ich bei meinem Eintreffen so arm oder so zerstört aus, jedenfalls gibt der Chef einen Pilgerbonus.
Außer: „Gracias!!!“, kann ich nichts erwidern.
Was für eine Wohltat, ich kann mich baden, den Gestank von zwei Tagen Laufen abwaschen und anschließend meine Oberschenkel, die Nackenmuskulatur, die Schlüsselbeine und alle Druckstellen, verarzten.
Das Thermometer zeigt jetzt 38 Grad Celsius im Schatten, als ich nochmals in die Stadt gehe, um mich zu versorgen.
Der Sonnenbrand auf meinen Armen hinterlässt Blasen und eigentlich will ich nur noch in mein Zimmer sitzen, bis es Dunkel wird, den Autos nachschauen, die auf einem Kreisverkehr unmittelbar vor dem Hotel in die eine oder andere Richtung fahren und „meine Wunden lecken“.
Aber dann treibt es mich doch noch einmal am Abend in die City. Ich möchte sie mir etwas anschauen. An einen Stempeleintrag in mein Credencial denke ich und wünsche mir einen, vielleicht von der hiesigen Kathedrale. Geschickt werde ich letztendlich zur IGLESIA SAN JUAN BAUTISTA, der größten Kirche von VÉLEZ, deren Bau auf das Jahr 1487 datiert wird.
Dort ankommend, findet gerade eine Messe statt. Um keinen zu stören, setze ich mich an den Rand, seitlich der Gemeinde.
Nicht lange folge ich den Ritualen, da steht ein Mann, derselben scheinbar zugehörig, auf, holt einen Stuhl, stellt ihn dorthin, wo die anderen Gläubigen sitzen und bittet mich bei ihnen Platz zu nehmen.
Diese Einladung gemeinsam den Gottesdienst zu feiern, berührt mich.
Nach der Messe spreche ich den Pfarrer, einen freundlichen, vielleicht dreißigjährigen Mann, eines Stempels wegen an. Sofort ist er bereit, mir einen schönen Eintrag zu schenken, gibt mir aber gleichzeitig zu verstehen, ich solle bitte warten. Für einen Moment verschwindet er in seinen Amtsräumen und reicht mir, als er wieder vor mir steht, einen kleinen hölzernen Kreuzanhänger mit Kordel, verbunden mit besten Wünschen für meinen weiteren Weg.
Herzlich dankend und voller Freude verabschiede ich mich. So findet dieser Tag letztlich doch noch einen gesegneten Abschluss. „Gracias Dios - Danke Gott!“, sage ich im Stillen und gehe.
In einem langen Telefonat berichte ich den Daheimgebliebenen von den Anfängen und Schwierigkeiten meines Pilgerdaseins.
Am Fenster sitzend, genieße ich den Sonnenuntergang und der Tag klingt trotz allem harmonischer aus, als er begann und sich entwickelte. Ich grübele nach über die Geschehnisse und komme zu dem Schluss: „Grau ist alle Theorie und der Faktor Dummheit, insbesondere meiner Dummheit, ist dabei eine unkalkulierbare Größe.“
Meldungen:
Guten Morgen, habe einigermaßen geschlafen und breche nun auf (07.11 Uhr)
… Navigerät hat mich wieder durch die Welt irren lassen - bin auch zu dämlich,
hätte nur in die Karte schauen brauchen;
egal, jetzt sitze ich im Hotelzimmer in Vézes Málaga und habe mich verarztet;
die Oberschenkel brennen und Blasen an den kleinen Zehen deuten sich an;
morgen früh nehme ich den Bus und fahre bis Alhama de Granada, von dort müsste es in 2 Tagen bis Granada zu schaffen sein, … (17.55 Uhr)
Schritte:
36.922
Km:
29,5
Total:
104.047
-Vom Weg des gebrochenen Tabus -
04.06.2015 Vélez Málaga – Alhama de Granada – Ventos de Huelma
Schon früh stehe ich am Busbahnhof, habe Angst die Zeit zu versäumen, den Bus zu verpassen, in den falschen einzusteigen und mit meiner Planung völlig durcheinanderzukommen. Wiederholt erkundige ich mich nach dem Bus nach GRANADA. Andere Fahrgäste, die ebenfalls mit ihm mitwollen, warten gleich mir und so orientiere ich mich an der Mehrheit.
Der Bus kommt später als angekündigt. Mein Rucksack ist im „Gepäckabteil“ verstaut und wir sind seit einer halben Stunde unterwegs, da meldet sich meine Angst, der Bus könnte mit meinen Sachen weiterfahren, bevor ich am Zielort, ALHAMA DE GRANADA, alles wieder an mich genommen hätte. Kruse Gedanken, die in Katastrophenszenarien geboren werden und die zu entwickeln, ich ein Meister bin.
Wir fahren durch eine wunderbare Landschaft, klettern steile Staßen hinauf, dringen über Serpentinen mit ihren engen Kurven, immer höher und tiefer in die Welt der Montes de Málaga ein.
Die sanften Hügel gehen in schroffe Felsen von malerischer Schönheit über. Immer wieder passieren wir kleine Täler voller Olivenbäumen, die sich in Reihe und Glied die Berghänge hinaufziehen. Ein weites Tal ist erreicht, breit und sich lang hinziehend, wird es begrenzt, von den Ausläufern der SIERRA DE ALHAMA auf der einen und denen der SIERRA DE TEJEDA auf der anderen Seite. So glaube ich es jedenfalls. Sicher bin ich nicht, ein wenig fehlt mir wieder die Orientierung. Eine Erkenntnis reift jedoch in mir, je länger die Fahrt dauert, dass ich den Weg, sowohl seiner Weite als auch der zu überwindenden Höhenmeter wegen, völlig unterschätzt hatte.
Während einer kurzen Unterbrechung im Nirgendwo, stehen wir neben einer kleinen Stierkampfarena, vielleicht genutzt zu Trainingszwecken oder für lokale Kämpfe jenseits der Metropolen.
Es geht wieder weiter. Das Land gleicht einer Achterbahn; Bergrücken reiht sich hinter Bergrücken und dazwischen winden sich die Täler.
10.00 Uhr, wir sind in ALHAMA DE GRANADA und der Rucksack auf meiner Schulter straft jegliche „Gepäckentführungsfantasien“ Lügen.
Meine Suche nach der Touristinformation, führt mich über die „RUTA MONUMENTAL“, die Denkmalroute. Fündig werde ich in einem der historischen Gebäude.
Eine freundliche Mitarbeiterin versorgt mich gleich mit einem Stadtplan, markiert die wichtigsten Denkwürdigkeiten, die ich unbedingt sehen müsse und klärt mich darüber auf, dass hier, in ALHAMA DE GRANADA, die erste christliche Kirche Spaniens stehe.
„ALHAMA liegt am Rande einer eindrucksvollen Schlucht und hat seine Ursprünge, auf Grund der heißen Quellen und der strategischen Lage, schon in der Frühgeschichte. Das bezaubernde maurische Viertel, die noblen und kirchlichen Gebäude aus der christlichen Zeit, sowie die Naturumgebung machen aus ALHAMA ein einzigartiges Reiseziel.“, lese ich.
(Stadtplan von Alhama de Granada)
Bei aller Not, will ich ein bisschen Zeit opfern, wenn schon so viel Geschichte lockt.
Alles liegt relativ dicht beieinander.
Das ehemalige Kloster des Ordens Carmelitas Calzados mit zugehöriger Klosterkirche, der IGLESIA CONVENTUAL DE NUESTRA SEÑORA DEL CARMEN aus dem 16.-18. Jh. beherbergt jetzt den Infopunkt. Von der Festung, direkt auf der anderen Straßenseite, ist nicht mehr sehr viel übrig. Sie wurde über einer ehemaligen maurischen Burg erbaut, jetzt stehen Mauerabschnitt und Turm vor einer kleinen Freifläche. Wichtig, wie angekündigt, ist die IGLESIA MAYOR DE SANTA MARIA DE LA ENCARNACIÓN, eine Pfarrkirche, die im Auftrag der Katholischen Könige, im 16. Jahrhundert, auf dem Gelände der einstigen Hauptmoschee, errichtet wurde.
Sicher gäbe es einiges, was mich interessieren und fesseln könnte, wie das ehemalige Gefängnis mit seinem Informationszentrum zur Kultur und Geschichte von ALHAMA oder ein Besuch des arabischen Bades und manch anderes.
Nach einem Blick auf das Naturdenkmal „LOS TAJOS“ - „Der Schlucht“, mache ich mich auf den Weg, um den Ort in Richtung VENTAS DE HUELMA zu verlassen.
Das Städtchen liegt hinter mir und ich steige in die Berge hinauf. Mit nehme ich die Erinnerung an weiße Häuser unter einer brennenden Sonne und den verwehenden Hauch einstiger Größe.
Abbildung 7 Alhama de Granada liegt hinter mir
Schmerz wird zu einem treuen Begleiter, die Schultern, die Oberschenkel und die Zehen, alles protestiert gegen die ungewohnten Strapazen.
Habe ich eine Höhe erklommen, breitet sich ein weites Land vor mir aus. Im Gegensatz, zur Küstenregion, herrscht hier absolute Trockenheit und nur endlose Reihen von Olivenbäumen scheinen der sengenden Sonne zu trotzen.
Die Landschaft gleicht sich so sehr, dass ich manchmal das Gefühl habe, ich liefe im Kreis.
Die SIERRA NEVADA am Horizont überragt mit Höhen bis über 3000 m alles und kommt nicht näher. Zur Abwechslung schimmern, in einem Talkessel, die Wasser eines Stausees.
Was sich nicht ändert, sind die trocknen Wege, die struppigen Olivenbäume und die schier grenzenlose verbrannte Weite des Landes.
Abbildung 8 Andalusien pur bei 40°+
Die Temperaturen dürften jetzt weit jenseits der 40 Gradmarke liegen. Und Schatten?
Fehlanzeige. So stapfe ich schwitzend durch die dürre Einsamkeit. Egal wohin ich blicke, immer das gleiche Bild.
CACIN, ein eigentlich toter Ort kommt und geht und nur die Wasserstelle, die ich in ihm fand, war von Bedeutung. Meine Muskeln brennen und Schmerzmittel müssen helfen, denn was jetzt folgt, ist ein heftiger Aufstieg. 3 km um 367 Höhenmeter zu überwinden. „Kurz und knackig!“, sage ich nur.
Ein von der Straße abzweigender Pfad, scheint die Serpentinen der Asphaltpiste abzukürzen, getreu dem Motto: „Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist immer die Gerade.“
Ich wage es und ahne noch nicht, was ich mir antue. Dieser Weg führt mich an körperliche Grenzen. 10 m aufwärts, Pause, Luft holen; 10 m aufwärts, Pause …
So geht es, bei mehr als 45 Grad Steigung, mühselig immer höher. Als ich endlich die Straße wieder betrete, bin ich körperlich fertig und es sind immer noch 10 km bis VENTAS DE HUELMA, meinem heutigen Tagesziel.
Jetzt gehe ich nicht mehr zügig vorwärts, sondern gleiche einem ausgepowerten Marathonläufer ohne Training.
Einen Kilometer laufen, kurze Pause und weiter.
Blicke ich mich um, scheint das Bild, welches sich mir bietet, seit Stunden eingefroren zu sein. Ausgedörrtes Land, soweit das Auge reicht.
So hangele ich mich von Kilometer zu Kilometer.
Wenn ich mich beim Verschnaufen umblicke und darauf einlasse, stelle ich fest, auch in dieser Kargheit liegt eine unvergleichliche Schönheit und ruhig ist es hier allemal, stelle ich zufrieden fest.
Dann wechselt sich die Grenzenlosigkeit der Olivenplantagen, mit der Weite von Getreidefeldern, ab und immer noch geht es bergauf.
Meine Wasserreserven sind aufgebraucht.
Hier gibt es nichts Feuchtes mehr.
Bereitwillig wird ein Trank gereicht, als ich ein belebtes Gehöft tangiere und dort um Wasser bitte. Der Bauer bringt mir köstlich kühles Nass und es scheint für ihn selbstverständlich zu sein.
Mein Dank kommt von Herzen, wird aber schnell überlagert von dem nun alles beherrschenden Wunsch in mir, bald anzukommen. Endlich, es ist später Nachmittag, ich passiere das Ortsschild von VENTAS DE HUELMA und bin da.
In dem Örtchen, 854 m hoch gelegen, liegen Hoffnung und Enttäuschung, wie so oft im Leben, dicht beieinander. Es gibt ein Restaurant, jedoch ohne Essen, aber dafür mit Trinken.
Ich sehe scheinbar so vertrocknet aus, dass mir die Bedienung unaufgefordert ein Glas Wasser auf den Tresen stellt. In dieser Freundlichkeit erschöpft sich aber schon beinahe alles, was der Ort zu bieten hat.
An Übernachtungsmöglichkeit, ist hier überhaupt nicht zu denken, jedenfalls nicht in einer, wie auch immer gearteten Behausung. Damit schwindet natürlich die Möglichkeit, sowohl mich selbst als auch meine Wäsche, ordentlich zu waschen.
Die Überlegung, ob ich es heute vielleicht noch bis ESCUZAR schaffen könnte, was bedeuten würde, nochmals mehr als sechs abschreckende Kilometer zu gehen, verdränge ich ganz schnell. Es ist einfach genug für den Moment.
Wenigstens finde ich einen kleinen Laden, der mir Brötchen und Joghurt verkauft.
Ich setze mich an den Straßenrand und genieße im Licht der sinkenden Sonne mein Abendbrot.
In Ermanglung anderer Möglichkeiten, müssen die Restauranttoilette als Waschgelegenheit und eine Art Freizeitpark als Schlafplatz, herhalten.
Von einer Mauer umgeben, kann ich in ihrem Schutze mein Nachtlager richten.
Mit dem Sinken der Sonne kühlt die Luft gewaltig ab und der Wind nimmt zu. Die Höhe fordert ihren Tribut. Ein wenig bin ich zwar geschützt, dafür jagt der Wind immer wieder scheppernd leere Bierdosen und Plastikbecher über den Platz.
Ich sammele sie ein und hoffe auf Ruhe und eine erholsame Nacht. Festhalte ich für mich, dass ich dankbar bin, dass es Busse gibt und dass ich mich überwinden konnte einen zu nutzen. Dass ich es anschließend geschafft habe die Berge zu erklimmen, unterwegs nicht verdurstet bin, weil mir geholfen wurde und ich letztendlich mein Tagesziel erreichte, stärkt, nach dem holprigen Start, mein Selbstvertrauen und meinen Mut, den weiteren Weg anzugehen.
Meldungen:
… heute klappte es gut mit dem Bus, der mich bis Alhama de Granada brachte;
gegen 10.00 bin ich da aufgebrochen, erst einmal bis Cacin – der Weg hatte viel Steigung, aber dort gab es nichts;
also weiter bis Ventas de Huelma; hier gibt es auch nichts;
ein Restaurant ohne Essen, aber einen Laden mit Lebensmitteln;
da ich es nicht schaffe noch weitere 6 km zu laufen, werde ich wieder auf einem öffentlichen Platz mein Lager aufschlagen;
ich wünsche dir eine friedliche Nacht …
(19.39 Uhr)
Schritte:
36.412
Km:
29,12
Kcal:
1425,8
Min:
356 min
Total:
140.568
-Vom Weg in eine Stadt -
05.06.2015 Ventas de Huelma – Granada
Die Nacht war nicht wirklich erholsam, es war hart und kalt und jedes Mal, wenn ich mich umdrehte, war ich wach. Der Wind jagte weiter laut scheppernde Bierbüchsen über den Platz, die aus einer unergründlichen Quelle immer wieder auftauchten, kaum hatte ich sie fortgeräumt.
Es ist noch ziemlich dunkel, als ich aufbreche.
Mein Frühstück hatte sich in drei Müsliriegeln erschöpft, alles andere hatten Ameisen okkupiert.
Der Asphalt der Straße soll mich in das 12 km entfernte LA MALAHÁ bringen.
Zeitweilig gehört er mir in voller Breite, zeitweilig wird er stark von Autos frequentiert.
Direkt vor mir geht blutrot und groß die Sonne auf. Es ist ein schöner Anblick, ein echtes Naturschauspiel, dem ich entgegengehe.
Während ich langsam vorankomme, erinnere ich mich des langen Telefonates mit meiner Frau und der Verbundenheit die ich spürte, geboren aus dem Gefühl, zueinander zu gehören. Vielleicht braucht es den Abstand, um aus der Ferne betrachtet, das Verbindende zu sehen. Vielleicht ist es … , ach, ich werde sentimental. Ich befinde mich auf einer Hochebene, bedeckt mit Feldern, die sich bis zum Horizont erstrecken. Tief atme ich den Duft des reifenden Kornes ein. Das Land liegt mir zu Füßen und ich brauche seine Gaben nur anzunehmen. Aber noch spüre ich den Zwang, ich müsste einen Kampf führen und alles Gebotene muss von mir erobert, muss unter Schmerzen errungen werden. Nur dann gleicht das, was ich erhalte, einer „verdienten Belohnung“.
Natürlich sehe ich die Schönheit die mich umgibt und ich freue mich auch daran, aber wichtiger erscheint es mir, mich immer wieder meines gesteckten Zieles zu erinnern.
Abbildung 9 Zwischen Ventas de Huelma und La Malahá - schlichte Schönheit
Ich erreiche LA MALAHÁ, suche und finde auch eine Bar. Der Wirt hat um diese Zeit noch keine Bocadillos, sagt er, aber dann macht er mir doch eines, mit Jamon, Käse, Tomate und Olivenöl. Dazu gibt’s einen „Cafe americano grande“.
Satt und zufrieden kann ich, nach einer guten halben Stunde, wieder aufbrechen.
Das Navi und meine Aufzeichnungen führen mich hinter dem Ort auf einen Parallelweg zur Hauptstraße und das erste Mal, seit den Tagen meines Hierseins, habe ich das Gefühl, auf meinem Camino zu pilgern. Endlich befinde ich mich auf einem Weg, der mich vor keine pfadfinderischen Herausforderungen stellt. Endlich kann ich Weite und Ruhe in mich aufnehmen und der Frieden des Weges, hat etwas von einem unverdienten Geschenk an sich.
Ortschaften, auf die ich zu laufe, berühre ich kaum, dafür blicke ich, wie seit Tagen schon, in ein fast grenzenloses, von der Sonne ausgedörrtes Land, in dem nur Olivenbäume wachsen.
Die scheinbare Grenzenlosigkeit fasziniert mich.
Wie in einem ewigen Kuss verschmelzen Himmel und Erde und oft dominieren nur die Farben Gelb und Azur.
GRANADA ist schon zu sehen, als ich wieder zurück auf die Asphaltpiste muss. Der Weg will nicht enden. Noch einmal bitte ich, als sich Gelegenheit bietet, um Wasser und erreiche, Kilometer später, endlich die Stadt. Einem Dejá-vu-Erlebnis gleich gestaltet sich die Suche nach meiner Unterkunft. Ich kenne den Namen der Herberge, in der ich wohnen werde, ich kenne den Namen der Straße, in der sie zu finden sein soll. Was ich nicht kenne, ist der Weg dorthin. Aber ich bin damit nicht allein, das Navi ist genauso ahnungslos, wie ich.