Von der Einberufung und anderen Sitten - Ein Appell für den Frieden - Severin Ulmann - E-Book

Von der Einberufung und anderen Sitten - Ein Appell für den Frieden E-Book

Severin Ulmann

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Beschreibung

Friedrich von Miran stammt aus gutem Hause, doch als der Krieg ruft, spielt das keine Rolle mehr. Er soll töten - für sein Vaterland, für eine Sache, die er nicht versteht. Zwischen Befehl und Moral, Gehorsam und Gewissen steht er vor einer Entscheidung, die sein Leben für immer verändert: Kämpfen oder verweigern? Als er das Gewehr niederlegt, beginnt sein eigentlicher Kampf - gegen ein System, das keine Zweifel duldet. Ungewiss ist, ob die Liebesbeziehung von Friedrich von Miran dem stand hält. In sechs Akten führt dieses Bühnenstück durch die Abgründe der Kriegslogik: von der Einberufung über das Schlachtfeld bis in den Gerichtssaal und darüber hinaus. Mit tragischer Schärfe und beißendem Humor beleuchtet es die Widersprüche eines Systems, das Menschen zwingt, gegen ihre eigenen Werte zu handeln. Ein kritisches, tiefgründiges und zugleich scharf pointiertes Drama über die Absurdität des Krieges.

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Seitenzahl: 82

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Personen

Familie

Der Einberufene

Friedrich von Miran

Die Freundin

Eirene Humphrey

Der Vater

Oscar Wilmer von Miran

Die Mutter

Caroline Louise von Miran

Gäste

Der ehrenwerte Richter

Thomas Salis

Der Polizeichef

Napoli Venal

Die Fabrikantin

Ignes van Clens

Das Fräulein

Vanessa Specht

Personal

Die Köchin

Frieda Fluk

Die Küchenhilfe

Flora

Das Dienstmädchen I

Liza

Das Dienstmädchen II

Willa

Das Dienstmädchen III

Sofia

Kriegsgefilde

Der befehlshabende Offizier

Der Unteroffizier

Der Soldat I

Der Soldat II

Die Soldatin III

Der Sanitäter

Der feindliche Soldat I

Der feindliche Soldat II

Die feindliche Soldatin III

Der Bauer

Die zwei Kinder des Bauern

Militärgericht

Der Verteidiger

Der Kläger

Gefängnis

Der Wärter I

Die Wärterin II

Christoph Lenz

Klinik

Die Psychiaterin

Roland

Herr Knecht

Herr Miller

Karl Büchser

Der Patient IV

Park

Der Sohn von Sofia & Friedrich

Der Gefangene I

Die Gefangene II

Gewidmet: Allen Menschen, die sich durch ihre Menschlichkeit beweisen

Inhaltsverzeichnis

Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

Vierter Akt

Fünfter Akt

Sechster Akt

Erster Akt

Geschlossener Vorhang. Das Gelächter der Gesellschaft ertönt, wiederholt verstummt es neben dem Geklimper von Pfannen und Geschirr. Wir befinden uns in einem Haus, das die Sitten von seinen Vorfahren übernommen und nichts an diesen jemals hinterfragt hat.

Der Vorhang geht auf, zur linken Seite präsentiert sich eine geräumige Küche. In der Mitte, an der hinteren Wand, türmt sich Backofen und Herd mit krönendem Abzug. Beidseitig: Arbeitsflächen, gehauen aus Stein. In der Mitte der kulinarischen Feinschmeckerstube posiert ein Tisch mit Klingen, Pfannen und Brettchen. Auf der Linken ist die Wand unterbrochen durch den Bediensteteneingang.

Gegenüber reüssiert der Zugang zum Speisezimmer der prunken Oberschicht. Dieser wird geschmückt durch zwei nicht tragende Säulen. Zwei Fenster gewähren einen Blick in den begrünten Park und die Privateinfahrt.

Die Wände des Speisezimmers sind ausstaffiert mit goldig gefassten Bildern, die der hauseigene Kurator letztens restauriert hat. Von der Decke hängen zwei Kronleuchter an Hanfschnüren auf die Bühne herab und beleuchten den Edelholztisch unter sich. Um diesen reihen sich venezianische Stühle aus geschnitztem Nussholz, jedoch nur auf den Seiten der Tapeten und Furniere. Der Tisch ist gedeckt, Gäste und Gastgeber sitzen beisammen und unterhalten sich gegenseitig.

Tischordnung von rechts nach links: die Mutter, der Vater, der ehrenwerte Richter, das Fräulein, der Polizeichef, die Fabrikantin, die Freundin, der Einberufene. Das Dienstmädchen III schenkt den Wein aus.

Küchenanordnung: Das Dienstmädchen I, das Dienstmädchen II, die Küchenhilfe und die Köchin sind wie Streusel auf einem saftigen Kuchen in der Küchenlandschaft verteilt.

Das Dienstmädchen III geht mit dem leeren Wein aus dem Speisezimmer in die Küche.

Ein Vorhang verdeckt dem Auditorium den Blick in den Speisesaal, man sieht nur noch in die Küche.

DAS DIENSTMÄDCHEN III hebt die Flasche vor sich und liest vom Etikett ab, verspricht sich, benötigt mehrere Versuche, den Namen auszusprechen Schon wieder haben sie eine Flasche Château Victoire geleert.

DIE KÖCHIN Das ist meist so, wenn der ehrenwerte Richter Salis und der Polizeichef zu Besuch sind. Hilf mir lieber mit den Zwiebeln, Sofia.

DAS DIENSTMÄDCHEN III Ich muss doch servieren, da können meine Hände nicht nach Zwiebeln riechen spöttisch oder willst du, dass ich unseren ehrenwerten Gästen des Justizapparates ihre feinen Nasen stauche?

DIE KÜCHENHILFE Ich kann die Zwiebeln noch kleinschneiden. Dann kann Sofia abermals zwei Flaschen von diesem Château überlegt sowieso aus dem Weinkeller holen.

DIE KÖCHIN Lieber gleich fünf oder sechs, die sind schlimmer als mein Mann.

Das Dienstmädchen III verlässt die Küche durch den Dienstbotenausgang.

DAS DIENSTMÄDCHEN II Wer ist eigentlich diese Frau mit der Perlenkette?

DAS DIENSTMÄDCHEN I Das ist Ignes van Clens, Produzentin von Van-Clens-Schokolade und Besitzerin einer grossen Fahrzeugfabrik. Angeblich soll sie die halbe Strasse gekauft haben, in der sie aufgewachsen ist. Sie beschäftigt Zigtausende. Meine Cousine arbeitet für sie, am Aussortierband.

DIE KÜCHENHILFE Was ist mit ihrem Mann?

DIE KÖCHIN Hat sich nie gebunden.

DAS DIENSTMÄDCHEN II Unglücklich sieht sie jedenfalls nicht aus.

Das Dienstmädchen III betritt mit einer Kiste Wein wieder die Küche. Knallt die Kiste auf den Tisch.

DIE KÖCHIN Pass bloss auf, nicht dass die Flaschen noch zerspringen!

DAS DIENSTMÄDCHEN III zupft das Stroh aus der Weinkiste Keine Sorge! Die sind besser gebettet als ich.

DIE KÜCHENHILFE Sei doch nicht immer so zynisch.

DAS DIENSTMÄDCHEN III Was weisst du schon! Der Friedrich vergnügt sich ständig mit seiner neuen Freundin, der Eirene. Als ich den Wein einschenkte, hatte sie nur missbilligende Blicke für mich übrig. Und wollt ihr wissen, wo sie ihre Hand hatte, während er nur in den Teller vor sich starrte?

DIE KÜCHENHILFE Was geht uns das an?

DAS DIENSTMÄDCHEN III nimmt die Weinflaschen aus der Kiste und reiht sie auf Nichts.

DIE KÖCHIN Es ist fertig angerichtet. Ihr könnt jetzt servieren.

Der Vorhang zum Speisesaal wird geöffnet. Der Vorhang zur Küche bleibt auf.

Das Dienstmädchen I, das Dienstmädchen II und das Dienstmädchen III servieren das Essen. Sie stellen sich verteilt an den Rand des Speisesaals.

Die Köchin und die Küchenhilfe räumen die Unordnung auf, die Küchenhilfe kehrt in der Küche mit dem Besen.

Die Köchin schliesst den Vorhang zur Küche. Der Vorhang zum Speisesaal bleibt offen.

DIE MUTTER Danke für euer Kommen, ich hoffe, es schmeckt euch. Es hat wie immer Frieda gekocht.

DER POLIZEICHEF isst einen Happen Bei uns auf der Wache könnten wir auch jemanden gebrauchen, der uns jeweils so verwöhnt. Das Essen hier ist jedes Mal vorzüglich.

DIE FABRIKANTIN Der Dank gebührt ganz euch, Caroline und Oscar. Heutzutage ist es schwierig, gutes Personal zu finden. Was denken Sie, Vanessa?

DAS FRÄULEIN Ich hatte nie Personal, um das beurteilen zu können.

DER VATER Lieber Napoli, berichten Sie uns doch von Ihrer letzten Verhaftung des Falschmünzers, von welchem Sie mir erzählt haben. Ich bin mir sicher, dass die Geschichte auf einiges Interesse stossen wird.

DER POLIZEICHEF Als Polizeichef erlebt man so einiges. Aber dieser Falschmünzer war eine Sache für sich. Sein Vater hinterliess ihm eine kleine Giesserei. Normale Falschmünzer hätten sich mit den Geldscheinen befasst, weil diese viel lukrativer sind. Aber er interessierte sich nur für die Münzen und dort nicht für die mit dem grössten Wert, sondern für jene mit dem drittgrössten. Der Grund war, dass wenn man die Materialkosten mit einberechnet, diese Münze für ihn die günstigste war. Das Problem, weshalb wir ihn so lange nicht erwischten, war, dass er überall etwa 15 Prozent seiner Falschmünzen verteilte. Am Sonntag machte er immer seinen Spaziergang in der Nähe der Arbeiterbehausungen und liess dort ganze Münzstapel fallen. Wir informierten Geschäfte und Banken über die Falschmünzen. Eines Tages wollte er in einer Bank eine Handvoll wechseln, worauf man uns aufgrund von Verdachtsmomenten informierte. Wir verhafteten ihn und er behauptete, dass er die Münzen gefunden habe. Er war nicht der Einzige, der uns das erzählt hatte und verhört wurde. Der Verdacht erhärtete sich nicht gegen ihn und wir liessen ihn laufen. Erst als er Wochen später wieder seinen Münzenspaziergang machte, fiel er einer Polizistin auf, und dieses Mal hatte er mehr Münzen dabei, weil er noch am Anfang seines Spaziergangs erwischt wurde. Bei der zweiten Prüfung brachte dies jemand mit seiner Giesserei in Verbindung. Da hatten wir ihn.

DIE FABRIKANTIN Wieso machen Menschen so etwas?

DER EHRENWERTE RICHTER Wenn Sie erlauben, ehrenwerter Kollege, würde ich Frau van Clens den Sachverhalt gerne erläutern, da ich, wie Sie natürlich wissen, in diesem Fall zu einem Urteil kommen musste.

DER POLIZEICHEF Bitte führen Sie die Geschichte fort.

DIE FREUNDIN Und lassen Sie nichts aus.

Der Vater winkt das Dienstmädchen II zu sich. Flüstert ihr etwas zu. Dieses begibt sich in die Küche.

DER EHRENWERTE RICHTER Die Beweislage war eindeutig und er war geständig. Aber als Richter musste ich natürlich auf das Motiv Rücksicht nehmen. Als ich ihn fragte, weshalb er Falschgeld hergestellt und in Umlauf gebracht habe, antwortete er, dass er seine Unfähigkeit anerkannt hatte, auf anderem Weg grosse Summen Geld zu verdienen.

DAS FRÄULEIN bestürzt Das ist ja unerhört!

DER EHRENWERTE RICHTER Er sagte, dass er zwischen 10 und 20 Prozent der Münzen auf die Strassen warf. Mich interessierte natürlich, was er mit dem Rest tat. Sein Verteidiger, ein alter Schulfreund von mir, händigte mir eine Liste aus, wohin er das Geld steckte.

DIE MUTTER Du spannst uns ja ganz schön auf die Folter.

DER EHRENWERTE RICHTER Auf der Liste waren Stiftungen und Organisationen, welche die Bedürftigen, Obdachlosen und Weisen unterstützen. Daneben liess er vieles Universitäten, Bibliotheken, dem Theater, dem Opernhaus und dem Veteranenverband zukommen. Auch der Stadt widmete er einiges, für Schulen, Kindergärten und Spielplätze, selbst die Polizei war nicht ausgenommen.

DER VATER Als ich das hörte, inspirierte mich das, selbst gleich einige Spenden zu tätigen.

DER EHRENWERTE RICHTER Ich musste mir eingestehen, und das ist nicht häufig der Fall in meinem Gericht, dass ich etwas für diesen Falschmünzer übrig hatte. Auch wenn sein Handeln falsch und gegen das Gesetz war, sann er mit seinen Taten danach, die Situation für einige Menschen zu verbessern, sich eingeschlossen. Die Urteilsfindung forderte mich. Ich liess Milde walten und verurteilte ihn zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis.

DER POLIZEICHEF Er wurde in ein Staatsgefängnis überstellt.

DIE FABRIKANTIN Ist es möglich, sich mit diesem Falschmünzer zu treffen?

DER POLIZEICHEF In Ihrem Fall liesse sich da bestimmt etwas einrichten.

DIE FABRIKANTIN Ich kann mich also in der Sache an Sie wenden?

DER POLIZEICHEF vorsichtiger Natürlich! Ich steh zu meinem Wort.

Das Dienstmädchen I und das Dienstmädchen III räumen das Geschirr ab und begeben sich in die Küche.

DIE MUTTER Bringt uns doch noch etwas zum Naschen.

DAS DIENSTMÄDCHEN I Sehr wohl, Frau von Miran.

Der Vorhang zur Küche geht auf. Die Köchin packt ihr Eigen zusammen.

DIE KÖCHIN Ich gehe jetzt nach Hause zu meinem Mann, bis morgen.

DIE KÜCHENHILFE Ich mache mich auch auf.

Die Köchin und die Küchenhilfe verlassen die Küche durch den Personalausgang. Die Köchin schnappt sich noch ein Bündel Knoblauch auf dem Weg nach draussen.