Von mir aus - Ulrich Dziubany - E-Book

Von mir aus E-Book

Ulrich Dziubany

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Beschreibung

Auch ich träume in U-Bahnschächten/ von einer vernetzten Welt aber spinnweben/ stumm im Memento herbstlicher Wälder/ ich lese abends wieder Goethe erzählt/ sein Leben und ziehe dabei das Umblättern/ der Seiten also das Knistern des Papiers für/ die kurze Frist in der einem Atem verliehen ist/ stoisch weiter dem Wischen vor jener verordneten/ Pilgerfahrt die nirgends mehr ankommt/ aus einer Heimat die keine mehr ist

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Seitenzahl: 72

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Was den Menschen durch Scheingröße

Rufe der Bewunderung entlockt:

wie unbedeutend, verächtlich,

wie nichtig und hinfällig ist es tatsächlich …

Beachte doch, wie schnell

alles ins Grab der Vergessenheit

sinkt, welcher unermeßliche Abgrund

der Zeit vor dir war und

nach dir kommen wird …

Wandle auf gerader Linie

deinen Pfad, ohne dich

irremachen zu lassen.

MARC AUREL

Inhalt

Momentaufnahme

Hoffnung

Bedürfnisse

Lokaltermin

Phonetik

Nichts von Bedeutung

Mehr geht kaum

Vor dem Frühstück

Naturgemäß

Zuversicht

Einschränkung der Auffindbarkeit

Wo wir zufällig sind

Weltanschauung

Spiegelbild

Vorläufige Tatsache

Im Straßencafé 1

Lebensmittel

Zwischenbilanz

Fahndung

Rekonstruktion

Vergessen

Manchmal

Ahnung

Vorliebe für Tee

Bäume

La Paloma

Intercity

Folgerung

Talkshow

Über Lektüre

Im Hotel

Hinter Kassel

Im Straßencafé 2

Horoskop

Jeder

Halten

Preisfrage

Jenseits der Klicks

Die Haltung der Bäume

Luther fragte

Der Kran

Spiel des Lebens

Wörter

Sinnvolle Übung

Monolog ohne Worte

Verlassen

Du wanderst

Im Garten

Washington ruft

Im Mondlicht

Programmgemäß

Eine Form derVerneinung

Am Ende des Tages

Alternative

Lichtung

Unter freiem Himmel

Fortschritte

Scheidewege

In hinteren Wäldern

An der Außenalster

Ostseeküste

Amrum

Nachmittag am Meer

Im Chiemgau

Voralpenszene

Später Abend in Rijeka

Ägäis

Auf Kos

Augustnacht

Zeugenschaft

Am Achendamm

Begegnung

Optionen für Ältere

Andererseits

Ermutigung

Herbst 1

Herbst 2

Verlustanzeige

Altenheim

Ökonomisierung

Unter Palmen

Globaler Markt

Energiewende

Nachhaltigkeit

Irrtum

Erfolgsgeschichte

homo currens

Sachlicher Befund

Täuschungen

Neues von Brehm

Kompetenzen

Ohne Tassen

Nutzer

Widerspruch

Vor-Bilder

Kein Vergleich

In entarteten Zeiten

Kurzmitteilung

Das Letzte in Kürze

Immer noch

Unverlorene Gegenwart

Momentaufnahme

ein Pulsschlag nur

ein Leben

das Rätsel der Zeit

in den Händen haltend

die Bäume dort

ein Tag

eine Wiese

im Gegenlicht

unter wechselnden Himmeln

der kurze Traum

in dem einem

Atem verliehen ist

da vorn der

altmodisch gewordene Zaun

von Tragik und Zerfall

dahinter der Abend

mehr ist nicht nötig

neben meinem Gedächtnis

das mir hilft

zu bedauern

Hoffnung

jeden Winter

fordert mir der Frühling

eine beträchtliche Glaubensbereitschaft ab

so tief ist der Boden

gefroren in mir

doch wenn der schwere Traum abgeschüttelt ist

im lange vermißten Geräusch des Regens

wenn das Jahr sich langsam

von neuem ins Licht dreht

nach der tapferen Haltlosigkeit des Schnees

wenn ein beredter Wind kommt

ein Geruch voll Leben und Widerspruch

und wieder das blaue Band flattert

mit dem ältesten Versprechen

wenn die ersten Krokusse ausschlüpfen

und alle Anti-Aging-Experten ergrauen

vor der erneuerten Jugend der Natur

jenem uralten Schauspiel

habe ich wieder die Hoffnung

bestärkt durch die zunehmend

grüne Gewißheit der Bäume

daß auch ich vielleicht

mein Wort halten werde

jeden Tag als Geschenk zu betrachten

und sei es nur

um ein Beispiel zu geben

Bedürfnisse

ich komme eben vom WC

nach der Revolte im Inneren

einem Bedürfnis

das als menschlich gilt

nicht zu vergleichen mit dem

unserer geheimen Belauscher

in den Daten- Bedürfnisanstalten

die wesentliche Bürgerrechte

in ihren Klosetts hinunterspülen

ich habe nichts zu verbergen

außer mich selbst

und wäre lieber Zöllner

als Pharisäer

doch mich abzuhören

erlaube ich

zum Schutz meiner Verfassung

nur Internisten

ich breche

hier ab und drehe mich

mit der Erde

bei diesem Fortschritt

in Anführungszeichen

für ein Leben aus Glas

mir wird wieder übel

wahrscheinlich auch ihr

sie ist wunderschön

schade nur

daß sie bevölkert ist

Lokaltermin

ein kühles Helles unter Platanen

mit Schaum oben drauf an Nebentischen

einsetzend ungeniert laute Monologe

mit Unsichtbaren das neue Weltgeräusch

akustisches Faustrecht am besten

mit Publikum im Mittelalter war es

die Narrenschelle Kling-Klang-Menschen

des Immer und Überall von kindischem

Mitteilungsdrang auf der Straße im Zug

nachts auf dem Balkon inzwischen

an jedem Ort man ist nun global

eingemottet das Schweigen pulverisiert

und in kleinen handlichen Urnen beerdigt

Diskretion und Rücksicht gestorben

am süßen Gift elektronische Kommunikation

die Bibel hat recht wir bringen unsere

Tage zu wie ein Geschwätz jetzt mehr

denn je wenn das kein Fortschritt

ist da kann einer sagen was er will

und ich habe dagegen nichts in der Hand

ich bin Protestant doch was nützt

mir das es hat mir noch nie geholfen

und solche Leute an die nächste

Kreuzung zu nageln oder wenigstens

in einer Cloud verschwinden

zu lassen bleibt ein frommer Wunsch

aber es kommt die Zeit da sie ein für

allemal nicht erreichbar sind ein Maulvoll

Erde genügt an jenem Ort hat man ohnehin

keinen Empfang

Phonetik

Die Sicht ist wie im Nebel,

so dicht fallen sie.

Sie sind in aller Munde

und geben den Ton an.

Überall wimmelt es von Lauten,

Mitlauten und Selbstlauten.

Meine Erfahrung lautet:

Laute mundtot zu machen,

scheint unmöglich,

erst recht vor lauter Mikrophonen.

Doch schon die Vollständigkeit

der Sätze ist Lüge

angesichts der Bruchstücke,

die sich Leben nennen.

Die Leisen gehören

laut meinen Beobachtungen

zu den aussterbenden Arten.

Immerhin sind nicht wenige

lautstarke Wichtigtuer

in meinen Jahren längst stumm,

geben keinen Laut mehr von sich.

Alles Wesentliche geschieht

ohnehin lautlos,

wie das Atmen, das Denken

und das Verstreichen der Zeit.

Nichts von Bedeutung

Regenwasser

in Pfützen gefangen

wie große Tränen

spiegelnd den entfernten Himmel

Menschen hasten über Brücken

die bereits unterminiert sind

durch so viele Worte über die

angebliche Unverfügbarkeit der Person

im reißenden Strom dieser besinnungslosen

Flucht nach vorn genannt Fortschritt

das große Narkotikum

den Rest schluckt die Springflut

der Simulationen aus den Kanälen

im Unterholz der Zerstreuung überquellend

vor Leere ins Landesinnere

als ob ein Wehr aufgezogen wäre

die Uferböschung wächst aschfahl

an den Seiten empor

als sei sie im falschen Jahrhundert

das Unbehagen wächst von selbst

jene Verwirrung

die jetzt durch bequeme Vernetzung

weltweit fast alle verbindet

Banalität ist zur Weltmacht geworden

wie Unkraut wuchernd

banal heißt dem Wortsinn nach

was auf alle verteilt ist

also nichts von Bedeutung

Mehr geht kaum

alles wächst

das Gras, die Vergangenheit

das Universum, die Schutthalden

und die Tage und Jahre

häufen sich lautlos

auf keinen anderen Boden

als uns selbst

Bildung ist jetzt Regierungsvokabel

für das Apportieren von Daten

verwechselt mit Wissen

Hauptsache Wachstum, Wachstum

möglichst immer noch größer

ganz besonders die Einbildung

immer nur Wachstum

höher, schneller, mehr

gern auch ohne Sinn und Verstand

von mir aus

ich halte mich an das Wissen

wie viel einst wenig war

und wie gut Margarine und Salz

schmeckten auf Brot

außerdem an das Übliche:

Erde zu Erde

Staub zu Staub

eine Tradition mit Zukunft

mehr Wachstum geht kaum

es schadet nicht

auch einmal das Positive hervorzuheben

Vor dem Frühstück

das Zuschlagen von Türen

in der Ferne

wann war das?

in welchen Jahren?

was du geworden wärst

wie und wodurch verlor sich das?

draußen blüht noch der Flieder

sein Duft reicht tief

in dein Schweigen hinein

diese Wahrheit trägt

jeder mit sich herum:

daß der Kampf von Anfang an

entschieden und jeder Erfolg

nur aufgeschobenes Scheitern ist

keiner kann sagen

wer wir im großen Ganzen

des Universums überhaupt sind

seit dem Exit aus Eden kauend

an den brüchigen Nägeln der Zeit

doch du nimmst es sportlich

und fügst dich ins Unausweichliche

dein Frühstück

es wird acht Uhr

die Sonne kommt durch und

vertreibt die letzten

Widerstandsnester der Nacht

in deiner Tasse ist Kolumbien

dieser Tag beginnt hell

ein Geschenk des Himmels

mach etwas aus ihm

du bekommst ihn nie wieder …

Naturgemäß

wozu die nie rastende

Erwartung des Neuen

und immer noch Neuesten?

zu genießen

was wiederholbar ist

mehr gibt das Leben nicht her

und alle rhythmischen Dinge

sind Waffen gegen die Zeit

sollst du den anderen

widersprechen oder dir?

du bist es

mit dem du leben mußt

und dein Organismus

ist anders kodiert

der Konformismus der Herde

bleibt dir fremd

Modernität heißt auch

sich durch Reflexion

zu immunisieren

gegen das Vorgedachte

das einem Zugedachte

deine alte Sucht

selber zu denken

ist nicht therapierbar

sie wehrt sich erfolgreich

gegen jeden Entzug

viel lieber hundertmal irren

sonst machst du etwas falsch

Zuversicht

Mein guter Ruf als Liebhaber

verlorener Zeiten verhallt ungehört,

doch ich sitze bequem zwischen den Stühlen,

der Körper voll Adrenalin nach dem Fencheltee.

Ich besitze nichts. Nur was ich sehe,

wenn die Augen geschlossen sind,

gehört definitiv mir, also ziemlich viel

neben ein paar undenkbaren Gedanken.

Ausgeliefert meinen fünf Sinnen,

nutze ich gern die Schattenseiten des Lichts,

genieße den Duft von Blumennamen

und träume vom Platz des Himmlischen Friedens.

Ich bin im Widerspruch ganz bei mir,

rühme mich meiner Schwächen