Vorträge der Detlefsen-Gesellschaft 22 -  - E-Book

Vorträge der Detlefsen-Gesellschaft 22 E-Book

0,0

Beschreibung

Die Detlefsen-Gesellschaft legt nun zum 22. Mal ihre Vorträge dem geneigten Leser vor. Inhalt: Finn Ebsen Die Glückstädter Fortuna als Spiegel polistischer Strömungen in Schleswig-Holstein in den Revolutionsjahren 1848/1849 Elke Witt 1945 - Von Heiligenbeil nach Altenmoor. Der Lehrer Hans Thimm Christine Berg Die frühen Glückstädter Photoateliers: Carte de Visite und andere Kabinettstückchen Christian Boldt Die Störwerft und Maschinenfabrik Friedrich Sternemann & Co. KG. - Betonschiffbau und Senkrechtstarter. Harald Kirschninck Die Jüdische Gemeinde in Elmshorn von 1685-1941 Johannes Schwartkop Der Sielverband Rhingebiet. Die Entwässerung der Kremper Marsch

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 182

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Vorwort

Finn Ebsen

Die „Glückstädter Fortuna“ als Spiegel polistischer Strömungen in Schleswig-Holstein in den Revolutionsjahren 1848/1849

Elke Witt

1945 – Von Heiligenbeil nach Altenmoor. Der Lehrer Hans Thimm

Christine Berg

Die frühen Glückstädter Photoateliers: Carte de Visite und andere Kabinettstückchen

Christian Boldt

Die Störwerft und Maschinenfabrik Friedrich Sternemann & Co. KG. – Betonschiffbau und Senkrechtstarter.

Harald Kirschninck

Die Jüdische Gemeinde in Elmshorn von 1685–1941

Johannes Schwartkop

Der Sielverband Rhingebiet. Die Entwässerung der Kremper Marsch

Vorwort

Liebe Leser und Leserinnen,

hiermit liegt Ihnen nun der 22. Band der Vorträge der Detlefsen-Gesellschaft Glückstadt vor. Es war damals Dr. Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt der anregte, die gehaltenen Vorträge auch zu veröffentlichen. Ein Segen, denn obwohl sich unsere „Vorträge“ nicht an ein Massenpublikum richten, bewahren sie dennoch wie ein wachsender Schatz viele Erkenntnisse für uns und die kommenden Generationen. Das ist uns und unseren Förderern wichtig. Unsere Gesellschaft will weiter daran arbeiten, die Geschichte der Stadt Glückstadt und ihrer Umlandgemeinden, aber auch der hiesigen Elbmarschen insgesamt verständlich zu machen und darzustellen. Dazu braucht sie Mitglieder und Freunde. An beiden mangelt es zum Glück nicht, doch könnten wir von beiden mehr gebrauchen.

Unser Dank gilt den ehrenamtlichen Referenten und Referentinnen und den Förderern der Detlefsen-Gesellschaft.

Borsfleth, im Oktober 2023 Christian Boldt M.A.

Die „Glückstädter Fortuna“ als Spiegel polistischer Strömungen in Schleswig-Holstein in den Revolutionsjahren 1848/1849

Finn Ebsen

1. Einleitung

Mit dem Tode Christian VIII. begann das Jahr, das für die Herzogtümer Schleswig und Holstein, das Königreich Dänemark sowie für nahezu ganz Kontinentaleuropa eine große Revolution vorgesehen hatte. In den Ländern des Deutschen Bundes vermischten sich bürgerliche Bestrebungen zur politischen Partizipation1 und der nationale Gedanke, welche beide im reaktionären Systems Metternichs unterdrückt worden waren, zu einer Revolution. Die Forderung nach einem geeinten Deutschland2 stand im Gegensatz zu den Interessen der meisten Einzelstaaten des Deutschen Bundes.3 Die Erhebung4 in Schleswig-Holstein wurde mit dem Schicksal eines geeinten Deutschlands verbunden. Das Scheitern des Einen hätte das Scheitern des Anderen zur Folge. Der Teil, der als deutsch angesehen wurde, sollte auch einem deutschen Nationalstaat angehören. Die Gefährdung der Integrität des dänischen Staates konnte aber nur eine Abneigung und Reaktion der Ost- und Nordseemächte hervorrufen.5 Der offene Bruch mit ihrem König-Herzog6war eine Herausforderung und Gefahr für die Vertreter der Monarchie. Die Forderungen nach bürgerlichen Rechten und politischer Mitwirkung wurden durch die Ablösung des Landesherrn in Schleswig-Holstein übertroffen. Damit reagierte die Bewegung in Schleswig-Holstein offen revolutionär.7 Die Intervention dynastischer Kräfte zeigt, dass die Schleswig-Holsteinische Frage zu einer Frage des europäischen Gleichgewichts geworden war.8

Bei Betrachtung der Forschung zur Erhebung ist die Vielzahl an Veröffentlichungen festzustellen, die im 19. Jahrhundert erschienen.9 Die meisten dieser Werke sind der Memorialliteratur zuzuordnen und geben die Eindrücke und Erlebnisse von Teilnehmern der Erhebung wieder. Trotz der Betonung die Ereignisse objektiv wiederzugeben, sind diese Werke stark nationalistisch geprägt10. Baudissin diffamierte die dänische Sprache als eine „entartete Tochter der Deutschen Sprache“ und resümierte, „die edle Mutter der entarteten Tochter vor[zu]ziehen“11 Bei der Verwendung ist deswegen Umsicht geboten, da die Werke weiterhin persönliche Rechtfertigungen und Verunglimpfungen enthalten.

Eine Übersicht über die Revolution mit ausführlichem Quellenmaterial bieten die zwei Bände von Veit Valentin.12 Bei vielen Werken, die die Erhebung darstellen oder thematisieren, ist der Fokus auf das Militärische auffällig.13 In jüngerer Zeit sind die Werke von Bezold und Rackwitz zu erwähnen.14 Aus dänischer Sicht bieten vor allem die Darstellungen von Fabricius, Rerup und Hjelholt einen ausführlichen Blick auf die Ereignisse.15

Die Schleswig-Holsteinische Erhebung erfuhr nach der erfolgreichen Reichseinigung 1871 als Vorläufer eben dieser ein geringeres Maß an Aufmerksamkeit. Zudem trug sie den Makel der Niederlage des „deutschen Einigungskampfes“ in sich.16 Viele Werke sind in der Zeit der siegreichen reaktionären Bewegung entstanden und waren an eine strenge Zensur gebunden. Einige Autoren verfassten ihre Werke daher zunächst anonym und brachten ihren Unmut über das Scheitern der Erhebung und ihren Verursachern zum Ausdruck.17 Im Zuge der Borussifizierung18 Schleswig-Holsteins nach der Reichsgründung und der nationalen Begeisterung wurde der Kampf Deutsche gegen Dänen bis in die „vorgeschichtliche Zeit“19 zurückgedeutet und als fortwährender Kampf dargestellt. Die Reduzierung der gemeinsamen Geschichte auf einen Kampf der Nationalitäten wird dieser nicht gerecht. Viele Schleswig-Holsteiner hegten Sympathie für die herrschende Familie und den Gesamtstaat. Ein beträchtlicher Teil der Einwohner hatte diese Loyalität zu Beginn der Erhebung und auch während dieser bewahrt.20

Ein sichtliches Merkmal für das Fördern des Herzogtums Holstein ist die Stadt Glückstadt. 1617 von Christian IV. gegründet, erfuhr sie Unterstützung durch die dänischen Könige. Natürlich spielten machtpolitische Ziele eine Rolle. Glückstadt sollte als Festungs- und Handelszentrum in Konkurrenz zu der Hansestadt Hamburg stehen21. Schon früh erhielt die königliche Buchdruckerei in Glückstadt das Privileg eine Zeitung herauszugeben. 1740 wurde die „Glückstädter Fortuna“22eingerichtet.23 Die Geschichte Glückstadts und seiner Zeitung ist somit eng mit dem dänischen Staat verbunden.

Die Druckerei Augustin in Glückstadt. Foto: Fotostudio Edelmann, 2016.

Inwieweit die „Glückstädter Fortuna“ die gegebene Ambivalenz in ihrer Berichterstattung abbildet, soll Gegenstand dieser Arbeit sein. Hauke Petersens Untersuchung24, welche die Berichterstattung der „Glückstädter Fortuna“ im Zeitraum vom November 1863 bis August 1866 umfasst, ist die Grundlage für diese Arbeit. Aus den hier genannten Gründen sowie der Entwicklung des Presse- und Zeitungswesens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts soll diese hier fortgesetzt werden. Obwohl die Erhebung bis in das Jahr 1851 andauerte, werden in der vorliegenden Arbeit lediglich die Jahre 1848/9 behandelt. Hierfür sind die drastisch zurückgehende Autorität der Zentralgewalt in Frankfurt seit Herbst 1848 und das Scheitern des Preußischen Versuchs einen Nationalstaat unter seiner Führung zu installieren, als Gründe anzuführen. Mit dem Waffenstillstand von Berlin im Sommer 1849, welcher im Frieden von Berlin 1850 mündete, musste Preußen seine „Deutschlandpolitik“ aufgeben.

Denn der Ausbruch der Revolution brachte auch für die Presse25, besonders für das Zeitungswesen bedeutende Veränderungen. Siemann spricht gar von einer „Kommunikationsrevolution“26, welche die Aufhebung der Zensur, die in nahezu allen Mitgliedern des Deutschen Bundes ab März 1848 vollzogen wurde, auslöste. Mit der Revolution trat erstmals ein Großteil der Bevölkerung in die Öffentlichkeit27, der an der Meinungsbildung partizipieren wollte. Dies zeigte auch die Vielzahl an Neugründungen von Zeitungen.28 Mit dem Eintritt großer Bevölkerungskreise hatten auch die Zeitungen eine neue Funktion inne. Sie hatten nun nicht mehr die reine Informationswiedergabe zum Auftrag, durch die strenge Zensur besaß sie allerdings wenig andere Möglichkeiten, sondern sollte bewerten, kritisieren und loben.29

Bevor jedoch diese Analyse durchgeführt wird, soll zunächst das Verhältnis der Erhebung zur Frankfurter Nationalversammlung und damit zur deutschen Revolution 1848/49 beleuchtet werden. Folgend findet ein knapper Überblick über die Geschichte der „Glückstädter Fortuna“ statt. Zudem wird auch ein Blick auf die Entwicklung des Zeitungswesens im Vormärz bis zum Jahr 1848 geworfen. Ferner werden die Konflikte in den Herzogtümern in diesem Zeitraum untersucht, da sie Einfluss auf die Berichterstattung der Zeitungen nahmen.

2. Die Schleswig-Holsteinische Erhebung und die Deutsche Revolution

Für die Vertreter der Paulskirche gestaltete sich Schleswig als die wichtigste und problematischste Frage der Außenpolitik.30 Die nationalen Kräfte der Revolution betrachteten Schleswig-Holstein mit großer Aufmerksamkeit. Auf der Heidelberger Versammlung vom 5. März einigten sich die einundfünfzig Teilnehmer auf den territorialen Bestand des kommenden Deutschlands. Schleswig sollte Bestandteil dieses Reiches sein.31 Einer der ersten einflussreichen Kämpfer für die national-deutsche Politik war Friedrich Christoph Dahlmann. Dieser stellte Schleswig-Holstein als Symbol für die Revolution dar. Nur ein siegreicher Kampf um Schleswig könnte die Ehre Deutschlands, die es nach dem von ihm als schändlich aufgefassten Wiener Frieden eingebüßt hätte, zurückbringen.32 Man nahm an, England33 als liberaler und „stammverwandter“ Staat werde im Bündnis mit Deutschland handeln.34 Ein möglicher Krieg mit Russland, als großer, letzter Kampf für die Einheit Deutschlands wurde in Kauf genommen.35 Das Einschreiten in Schleswig, welches auch rechtlich umstritten begründet worden war36 , ermöglichte König Wilhelm IV., dessen Ansehen durch die Barrikadenkämpfe in der Nacht des 18/19. März in Berlin stark gelitten hatte37 , die Sympathie nationaler Kräfte wiederzugewinnen. Dass die Mächte Europas, auch England, das gemeinsame Ziel des status quo teilten und Druck auf Preußen ausübten und der Hohenzollern-Staat auch handelte, um republikanische Strömungen zu unterdrücken, wurde im Taumel der „März-Euphorie“ nicht ausreichend registriert und für möglich gehalten.38 Mit der Ohnmacht des Parlaments beim Malmöer Waffenstillstand wirken sich die Ereignisse in Schleswig und Holstein auf die gesamte Revolution aus. Die Abhängigkeit der Zentralgewalt von Preußen wird ersichtlich und die Preußens von den europäischen Mächten. Eine Realisierung der Einheit Deutschlands im Kampf gegen die autokratischen Kräfte, den sich viele vorgestellt hatten, war nicht zu realisieren.39

Die Glückstädter Fortuna vom 1848. Stadtarchiv Glückstadt.

3. Die „Glückstädter Fortuna“

Im Jahr 1740 erweiterte der Buchdrucker Johann J. Babsten den Aufgabenbereich der königlichen Buchdruckerei mit der Gründung einer Zeitung40. Die „Glückstädter Fortuna“ ist somit eine der ältesten Zeitungen Deutschlands und die älteste noch existierende in der Provinz41 . Glückstadt, mit dem Bestreben von Christian IV. gegründet, in Konkurrenz zur Hansestadt Hamburg zu treten, hatte eine hohe Anzahl an Soldaten und damit auch an Offizieren in seinen Mauern zu beherbergen. Schätzungsweise bis zu 2500 Soldaten waren in Glückstadt stationiert42. Hinzu kam, dass im 18. Jahrhundert die Stadt als Verwaltungsmittelpunkt angelegt wurde. Die höheren Gerichte des Landes, das Oberamtsgericht (1737) und das Oberkriminalgericht (1754), hatten ihren Sitz in Glückstadt. 1806 wurden die Institutionen unter dem Begriff „Obergericht“ zusammengefasst. Es war damit die höchste Verwaltungs- und Justizbehörde in Holstein und unterstand der Deutschen Kanzlei in Kopenhagen.43 Mit der Gründung einer Zeitung wurde dem Bedürfnis der dort ansässigen Beamten und Offizieren nach Informationen aus dem Königreich und dem Ausland früh Rechnung getragen. Die Zeitung bestand zum großen Teil aus seiner Ansammlung an Hamburger und Altonaer Blättern.44 Zunächst einmal wöchentlich, erschien sie ab 1834 mittwochs und sonnabends. Durchschnittlich umfasste eine Ausgabe zwei bis vier Seiten, nach dem ihr Umfang 1834 auf 19 x 23 Zentimeter erhöht worden war. Hiermit sollte auch den Nachrichten und Anliegen ausreichend Raum geboten werden, die nicht zu den wichtigsten politischen Ereignissen zählten.45 Ein Ausdruck für den gestiegenen Informationswunsch der Abonnenten.

Die Nachrichten waren nicht nach thematischen Überschriften geordnet, es fungierten die Namen der Orte, aus welchen die Nachrichten kamen, als Gliederung. In fast allen Ausgaben vor dem März 1848 stehen die Hofnachrichten aus Kopenhagen an oberster Stelle. Es folgten die ausländischen Nachrichten, die je nach Herkunftsort angegeben wurden wie beispielsweise Wien, Berlin oder London. Anschließend folgten Meldungen aus den Herzogtümern. Am Ende wurde Platz für Anzeigen bereitgestellt, die u.a. amtliche Erlasse der Stadtverwaltung oder geschäftliche Anliegen beinhalteten konnten.46

Obwohl stabilisierende Faktoren, wie ein beständiger Leserteil und die Herausgabe in einer privilegierten Buchdruckerei, das Erscheinen begünstigten, war der Wirkungskreis der „Glückstädter Fortuna“ auf die Umgebung von Glückstadt begrenzt. Das Versenden von Ausgaben nach Itzehoe und Rendsburg versiegte durch die steigende Bedeutung des 1817 gegründeten „Itzehoer Wochenblatts“ zusehends.47 Die Urteile fallen dementsprechend negativ über die Bedeutsamkeit aus. Bülck stellte fest, dass 1810 die „Glückstädter Fortuna“ als einzige Zeitung in der Provinz auch Nachrichten politischen Inhalts drucken durfte. Trotz dieses Alleinstellungsmerkmals blieb sie „notorisch unbedeutend“48 . Ein anderes Urteil fällt Stolpe, welcher, allerdings für das 18. Jahrhundert, für die Provinzpresse im Dänischen Reich feststellte: [...] rørte der sig i Pressen ved Elben et kraftigt Liv, i en enkelt Retning saa kraftigt, at det havde Betydning for hele Nordeuropa.“49

Wenn auch nicht überregional verfügte die „Glückstädter Fortuna“ in Glückstadt und in der Krempermarsch über ein geringes aber festes Leserpublikum. Schätzungsweise wird von 300 Exemplaren ausgegangen, die eine Ausgabe umfasste. Da es allerdings nicht unüblich war, dass mehrere Personen oder Familien eine Zeitung bezogen, kann die Abnehmerzahl vorsichtig höher geschätzt werden. Bei ca. 4000 Einwohnern Mitte des 19.Jahrhunderts in Glückstadt schätzt man ca. 1000 Leser, was bedeutet, dass ungefähr 25% der Bürger ihre Nachrichten aus der im Ort ansässigen Zeitung erhielten.50 Seit 1775 führte die Familie Augustin die Buchdruckerei.51 Die Spannungen zwischen den Nationalitäten wirkten sich auch auf die Herausgeber aus. Johann Wilhelm Augustin musste um die Herausgabe der Zeitung nach Aufforderung seitens des Königs ersuchen. Die Regierung postulierte dies, nachdem der Buchdrucker die Zeitung bereits mehr als zwei Jahrzehnte herausgebracht hatte. Dies zeigt eine Verschärfung der Beziehungen zwischen den Beamten in den Herzogtümern und der Regierung sowie dem König in Dänemark. Im Oktober 1828 erhält Johann W. Augustin schließlich das Privileg zur Herausgabe.52 Die Streitfragen, die Verfassungs- und Erbrechtsfrage sowie der Nationalitätenkonflikt, der 1830er und 1840er Jahre wirkten sich auf die Presse im Gesamtstaat aus.

4. Die Zeitung 1815 – 1848 zwischen Zensur und Befreiung

Die Siege gegen das napoleonische Frankreich hatten Hoffnung auf die Erfüllung nationaler Begierden, die während der Besatzungszeit gehegt worden waren, geschürt. Nach der Niederwerfung Napoleons standen die nationalen Einheitsgedanken in Koexistenz zu den Herrschaftsansprüchen der Fürstenhäuser. Die Abwehr solcher nationalstaatlichen Tendenzen prägte im Metternich-System die Politik des Deutschen Bundes.53 Die in der Bundesakte in Aussicht gestellte Pressefreiheit wurde bereits 1819 durch die Karlsbader Beschlüsse aufgehoben bzw. verhindert. Die Zeitungen besaßen weiterhin nur eine begrenzte Möglichkeit zu Positionen Stellung zu beziehen, die in Abweichung zu der des Landesherrn stand.54 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dominierte die liberale55 Auffassung hinsichtlich der Presse. Freie Zeitungen wurden als höchstes Gut und Symbol für Freiheit aufgefasst. Da die Öffentlichkeit, zwar nicht ausschließlich aber größtenteils, durch Zeitungen gebildet wurde, ergaben sich für die herrschenden Autoritäten neue Herausforderungen.56 Seit der Julirevolution 1830 verschärften sich die Forderungen der Oppositionellen. Nationale und demokratische Forderungen für ein künftiges Deutschland wurden formuliert. Ein Affront für die Fürsten. Damit hatten die Anliegen der Opposition eine radikalere Note erhalten.57 Der Bund reagierte mit der Verschärfung der Zensur. Die „Sechs Artikel“ und „Zehn Artikel“58 entbanden nicht nur die Regierungen von der in der Bundesakte festgehaltenen Aufforderung nach Pressefreiheit, sie untersagten auch jegliches öffentliche politische Leben. Ferner durften im Druck keine Inhalte politischer Art mehr publiziert werden. Dennoch fanden die Publizisten Möglichkeiten, diese scharfen Kontrollmaßnahmen zu umgehen. Mit Kritik „zwischen den Zeilen“ oder Satire konnte dennoch ein Meinungsbild abgegeben werden. Das öffentliche Leben ließ sich nicht mehr gänzlich mit Gesetzesmaßnahmen unterdrücken.59

Mit dem Bundesbeschluss über die „Preßfreiheit“60 wurde im Folgenden in vielen Ländern des Deutschen Bundes die Zensur aufgehoben. In dem Extrablatt der „Vossischen Zeitung“ vom 20. März 1848 las sich die Freude über die Freiheit der Presse wie folgt: „Unter allen Rechten, deren Erfüllung uns geworden […] ist der befreite Gedanke der edelste […].“61 In Folge der Pressfreiheit erschien eine kaum zu überblickende Vielzahl von Meinungsäußerungen, politischen Programmen u.a. in den Tagesblättern.62 Doch es gab nicht nur positive Entwicklungen, die die befreite Presse mit sich brachte. Durch die Begeisterung der nun ermöglichten freien Meinungsäußerung kam es zu einer Fülle von formulierten Hoffnungen, die seitens der Redakteure geweckt wurden, die jedoch wenig Chance auf Realisierung besaßen.63 Die Vielfältigkeit der politischen Strömungen und das erfolglose Bündeln ließen eine unübersichtliche Ansammlung von Zeitungen aufblühen.64 Der nur marginal bestehende inhaltliche Unterschied lässt sich an der raschen Einstellung vieler neu gegründeten Zeitungen ausmachen. Die Verleger hatten Probleme die anfänglichen Absatzzahlen über die Euphorie der ersten Monate weiterhin hochzuhalten.65 Die Presse von 1848 war noch keine „Partei(en)presse“66 . Die politischen Gruppen besaßen keine festen Programme, sondern waren durch die Gemeinsamkeit an politischen Idealen und Ideen verbunden.67 Die Blätter nahmen auf Antrieb einzelner Redakteure bestimmte politische Haltungen ein, standen jedoch nicht in monetärer Abhängigkeit von politischen Gruppen.68

5. Die Herzogtümer und Dänemark im Konflikt der Nationalitäten

Die zum dänischen Gesamtstaat gehörenden Reichsteile umfassten nach dem Wiener Kongress neben dem Königreich Dänemark, die Herzogtümer Schleswig und Holstein sowie Lauenburg69 , Island, die Färöer und Grönland. Eine prekäre Situation ergab sich daraus, dass Holstein Mitglied des Deutschen Bundes, Schleswig aber ein dänisches Herzogtum war.70 In dem Zeitraum von 1815 bis zum Beginn der Erhebung waren drei Streifragen hinsichtlich der Herzogtümer virulent in der öffentlichen Diskussion.71 Ab den 1840er Jahren erfuhren vor allem die Erbfolge- und Sprachenfrage auch in der Zeitung, nicht nur in den Ständeversammlungen, eine rege Aufmerksamkeit.72

Die erste war die Forderung nach einer Verfassung, wie sie die Bundesakte (Art. 13) vorsah, sich allerdings auf Holstein als Bundesmitglied beschränkte. Hierbei bestanden Übereinstimmungen zwischen den Liberalen, die gesamtstaatlich gesinnt waren und denen, die für die Herzogtümer eintraten. Die politische Partizipation des gebildeten Bürgertums war das Ziel.73 Die Verfassungsfrage erhielt durch die Schrift74 Uwe Lornsens breite Aufmerksamkeit. In diesem wurde eine administrative und finanzielle Autonomie für die Herzogtümer gefordert. „Nur der König und der Feind sey uns gemeinschaftlich.“75 Aufsehen erregte vor allem die Schreibeweise „Schleswigholstein“, die als Provokation seitens des Königs aufgefasst wurde.76 Der Vorschlag wurde abgelehnt. Doch die Regierung in Kopenhagen erkannte die Dringlichkeit einer Verfassung und 1834 tagten zum ersten Mal die vier Ständeversammlungen (Holstein, Dänemark (Jütland und Inseln) sowie Schleswig). In den Ständeversammlungen, deren Befugnisse nicht mit denen eines Parlamentes verglichen werden können, dominierten die Nationalliberalen.77

Uwe Jens Lornsen (1793-1838), Jurist und Beamter der dänischen Regierung. Durch seine Schrift „Ueber das Verfassungswerk in Schleswigholstein“ wurde er zum Vorkämpfer eines geeinigten und unabhängigeren Schleswig-Holsteins, Zeichnung von Julius Fürst um 1895, aus: Schleswig-Holstein meerumschlungen in Wort und Bild von Hippolst Haas, Hermann Krumm u. Fritz Stoltenberg (1896).

Die nationale Frage war der zweite Streitpunkt. Die Idee eines Nationalstaates hatte seit den 1830er Jahren noch einmal zusätzlich große Sympathien und Unterstützung erhalten. Die Zugehörigkeit zu der deutschen oder dänischen Nationalität wurde über die Sprache bestimmt. Diese Dichotomie betraf auch die nicht politischen Teile der Bevölkerung. Die dänische Regierung führte 1840 das Dänische als Verwaltungs- und Rechtssprache in Nordschleswig ein. Eine Empörung der Deutsch-Nationalen in den Herzogtümern erhob sich. Peter Hjort Lorenzen sorgte für einen Skandal, als er 1842 in der schleswigschen Ständeversammlung ins dänische wechselte, obwohl er sonst auf Deutsch zu sprechen pflegte.78 Beide Seiten bemühten sich, eine historische Legitimation für den Anspruch auf Schleswig zu begründen. Denn eine Trennung der beiden Herzogtümer war schwierig durchzusetzen. Die sprachliche und kulturelle Gemengelage in Schleswig diente dazu, das Herzogtum als Ganzes für jede „Nation“ einzufordern.79 Die Eiderdänen betonten, dass die Eider die natürliche Grenze zwischen „Deutschland“ und Dänemark sei.80 Schleswig wurde als dänisches Land angesehen.81 Die Gegner des Gesamtstaates hingegen betonten die Zusammengehörigkeit und Selbstständigkeit der Herzogtümer, die seit der Ripener Wahlhandfeste 1460 bestand, „dat se blieve(n) ewich tosame(n) de vngedelt“82 . Die vertragliche Personalunion konnte jedoch mit dem Tod des Landesherrn aufgelöst werden. 83

Aus der Erbfrage ergab sich die dritte Streitfrage. Der Sohn Christian VIII., Friedrich VII., war kinderlos geblieben und die Augustenburger erhoben Anspruch auf die Herzogswürde in Schleswig und Holstein.84

Im Dänischen Reich gab es Bestrebungen, die „Lex Regia“, das Königsgesetz, auch auf die Herzogtümer auszuweiten. Während jedoch für Holstein, als Herzogtum des Deutschen Bundes, die agnatische Erbfolge galt (das Salische Recht), fand in Dänemark die agnatisch-cognatische Anwendung. Den Versuch seitens der dänischen Seite, die cognatische Erbfolge auch in Schleswig einzuführen, stieß auf Widerstand in Schleswig und Holstein, da man die Rechte der Herzogtümer verletzt sah.85 Die ungeklärte Erbfrage veranlasste die holsteinische Ständeversammlung am 21. Dezember 1844 die Ansprüche der Augustenburger in einer Rechtsverwahrung an ihren König bzw. Herzog aufzunehmen.

„Wir behaupten: Die Herzogthümer sind selbstständige Staaten. […]. Wir behaupten ferner: Der Mannesstamm herrscht in den Herzogtümern. […] Wir behaupten endlich: Die Herzogthümer Schleswig und Holstein sind fest miteinander verbundene Staaten.“86

Christian der VIII., bestrebt die Erbfrage endgültig zu klären, veröffentlichte am 8. Juli 1846 ein Schreiben, welches als „Offener Brief “87 bekannt geworden ist. Nach dem der König die Sukzessionsfrage durch eine Kommission hatte prüfen lassen, ließ er publik machen, „daß […] auch die gleiche Erbfolge des Königgesetzes im Herzogthum Schleswig […] in voller Kraft und Gültigkeit besteht.“88 Obwohl Christian VIII. in dem Brief auch betont, dem Herzogtum eine separate Verwaltung zuzubilligen und es als selbstständigen Landesteil, der jedoch fest mit dem dänischen Königtum verbunden war, ansah, erhob sich ein großer Protest in Holstein und Teilen Schleswigs. Die Stände der Herzogtümer schickten eine Adresse mit Forderungen an den dänischen König und als diese abgelehnt wurden, lösten sie sich auf. Bezeichnend war auch, dass der Statthalter der Herzogtümer Prinz Friedrich von Augustenburg, genannt „Noer“, von seinem Posten aus Entrüstung über die mangelnde Rücksichtnahme auf die (Erb-)Rechte seiner Familie zurücktrat.89 Die dänische Regierung reagierte mit einer Verschärfung der Zensur und verbot politische Versammlungen und Veranstaltungen.90

Auch im Kreis Steinburg und in Glückstadt waren die Folgen des Schreibens ersichtlich. War der König noch 1845 und 1846 vor Erscheinen des „Offenen Briefes“ wohlwollend und begeistert empfangen worden, war eine ablehnende Stimmung Ende 1846 registrierbar.91 Anders als Itzehoe, Rendsburg oder Kiel übernahm Glückstadt dennoch keine tragende Rolle in der Zeit der Erhebung. Dies mag an der kontinuierlichen Förderung der Könige gegenüber der Stadt gelegen haben oder an der Ansässigkeit vieler Beamten und Offiziere, welche gesamtstaatlich gesinnt waren.92 Der Begriff „Erhebung“, der ein kollektives Auflehnen der Bevölkerung gegen einen Monarchen oder eine Gruppe suggeriert, trifft jedenfalls nicht zu. Viele Teile der Bevölkerung, nicht nur in Glückstadt, besaßen weiterhin Sympathie für den Gesamtstaat.93 Die öffentliche Meinung und die von den Nationalliberalen auf beiden Seiten beförderte Dichotomie „dänisch“ und „deutsch“ war in der Öffentlichkeit allerdings vorherrschend.94 Eine Politisierung der Presse in den Herzogtümern war die Folge.95 Die liberalen und konservativen Vertreter der Provisorischen Regierung hatten unterschiedliche Ziele mit der Erhebung verbunden. Die konservativen Vertreter wie die Augustenburger sahen vor allem ihre dynastischen Rechte verletzt, während die Liberalen gegen den Absolutismus und Adel eingestellt waren und demokratische Reformen durchsetzen wollten. Die Ritterschaft sah darin, ihre traditionellen Rechte und Privilegien gefährdet. Trotz der unterschiedlichen politischen Vorstellungen der Mitglieder bei der Proklamation, waren sich die beteiligten Personen einig, eine militärische Grundlage zu schaffen, um militärischen Aktionen Dänemarks entgegenwirken zu können. 96

6. Die Berichterstattung der „Glückstädter Fortuna“

Nachdem nun die politische Situation in den Herzogtümern vor dem Ausbruch der Erhebung skizziert worden ist, soll nun die Berichterstat