MIT FELL UND FÜHLER - FRANK BEYER - E-Book

MIT FELL UND FÜHLER E-Book

Frank Beyer

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Beschreibung

Eine Fantasygeschichte rund um Wesen der anderen Art.   Sumpfstetten, eine Stadt mitten im Sumpf, bewohnt von mysteriösen Echsenwechsen und doch die letzte Spur von Wandas verschollenem Bruder. Das Schicksal meint es nicht gut mir ihr, werden Rattenwesen wie sie doch als minderwertig angesehen. Prompt wird ihre Notlage ausgenutzt, bis eines Tages ein Monster in der Stadt auftaucht und Angst verbreitet. Wanda gelingt es, sich mit ihm anzufreunden, und prompt ergibt sich eine Spur des Vermissten. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg, der ihre Freundschaft auf eine harte Probe stellt. Zumal in der fremdartige Umgebung offensichtlich eine heimtückische Intrige läuft . . .

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FRANK BEYER

MIT FELL UND FÜHLER

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Kapitel 1

Dort wo sich heutzutage der Wind in den Weiden fängt und sanfte Wellen über die Wasserflächen des Sumpfes trägt, lag einst Sumpfstetten. Seine Bewohner, ein Volk von Echsenwesen, nannten sich Reptilis und siedelten im Sumpf, solange sie zurückdenken konnten. Über die Region verteilt lagen zahlreiche Häuser, Plätze und Farmen für den Anbau von Algen. Aus einer kleinen Werkstatt am Rand der Siedlung drang lautes Hämmern und Klopfen hervor. Derartigen Lärm waren die Nachbarn gewohnt. Seit zwei Tagen gehörte jedoch ein Quieken und Fluchen zu den Geräuschen. Merkwürdig war zudem, C’Taang, der korpulente Besitzer der Werkstatt, war ausgegangen, was den Lärm aus der Werkstatt allerdings nicht verstummen ließ. Jeder wusste, Einbrecher konnten es nicht sein, denn bei dem glücklosen Erfinder gab es nicht viel zu holen. Seit Stunden hockten die neugierigen Nachbarn an ihren Fenstern oder beschäftigen sich mit belanglosen Arbeiten in der Nähe, um einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen. Alle hofften, noch vor Sonnenuntergang Näheres zu erfahren. Kälte machte sie träge und sie zogen es vor, zuhause im Warmen zu hocken.

 

Endlich näherte sich C’Taang über die schwimmenden Inseln und passierte die ersten Pfahlbauten auf den trockenen Flecken. Sumpfstetten lag inmitten eines Sumpfgebietes und dort fühlten die Reptilis sich wohl. Die meisten von ihnen waren Handwerker oder Händler. Unter ihnen lebten von Zeit zu Zeit Wesen, die meist auf der Durchreise waren. Abgesehen von den rattenartigen Rodenten, die es in jeder Stadt gab, blieb niemand länger als notwendig im Sumpf. Einzelne Reptilis leisteten sich den Luxus von Menschensklaven. Diese waren zwar nicht gerne gesehen, denn für Reptilis gab es nichts Abstoßenderes als die bleichen und behaarten Menschen. Allerdings überzeugten sie durch hohe Arbeitskraft. Wer den strengen Auflagen bei ihrer Haltung folgte und ihnen Fußfesseln anlegte, hatte nichts zu befürchten. Auf seinem Rücken trug C'Taang einen unförmigen Beutel. Sobald er in Sichtweite kam, taten die Nachbarn, als wären sie zufällig unterwegs. C'Taang wusste aus Erfahrung, sie beäugten ihn argwöhnisch. Wie üblich war es ihm egal, wer sich das Maul über ihn zerriss. Knarrend öffnete er das Tor zu seiner Werkstatt, wo sich ihm ein seltsamer Anblick offenbarte. Ein rundes Konstrukt aus Holz stand an eine Wand gelehnt. Mehrere Stützbalken hielten es in Position. Davor standen Kisten und eine Leiter lag quer darüber. Es roch nach frisch gesägtem Holz und ein Klopfen war zu hören.

„Verfluchter Mist! Das hält nie“, tönte eine schrille Stimme durch den Raum.

„Kommst du voran?“, erkundigte sich der Erfinder, ohne jemand sehen zu können. Hinter einer der Kisten erschien eine spitze Schnauze, danach war der ölverschmierte Kopf einer Rodentin zu sehen. In der Pfote hielt sie einen klobigen Hammer. „Ob ich vorankomme? Du machst Witze, oder? Sieh selbst!“ Sie zeigte augenrollend auf das Holzkonstrukt und kratzte sich mit einer Hinterpfote am Bauch. „Zusammengebaut habe ich es. Es hat jedoch keinerlei Halt und wie es funktioniert, ist mir ein Rätsel.“

C’Taang seufzte. „Wanda! Wie oft muss ich es dir noch erklären? Es handelt sich um den präzisen Bauplan einer Wassermühle. Sobald es im Fluss aufgebaut ist, bewegt sich alles. Verstanden?“

„Selbst mit Wasser kann sich das Konstrukt nicht bewegen. In dem Plan sind Fehler. Das habe ich dir mehrfach gesagt.“ Genervt sträubte sich ihr Nackenfell. „Um das auszugleichen habe ich den Plan überarbeitet. Sieh, ich habe…“

„Du hast was?“, schnauzte der Erfinder sie entsetzt an und blickte auf den Plan. „Dieses Geschmiere nennst du überarbeiten? Ruiniert hast du ihn! Damit kann ich nichts mehr anfangen.“

„Durch meine Verbesserung kann sich die Apparatur drehen“, verteidigte sich Wanda und verschwand hinter ein paar Kisten, so dass nur ihr langer Schwanz hervorschaute. „Sobald ich alles zusammengebaut habe, wirst du es erkennen. Meinen Auftrag ist damit erfüllt. Du weißt, was wir vereinbart haben?“

„Erfüllt? Dass ich nicht lache!“ C’Taang konnte sich ein herablassendes Lächeln nicht verkneifen. „Was kann ich von einer Rodentin schon erwarten? Vielleicht hole ich mir einen dieser Menschen. Die sind zwar hässlich, aber arbeiten können sie.“ Er schüttelte sich bei dem Gedanken. „Du solltest mir die Maschine nach meinem Plan bauen. Und dieses Ding sieht vollkommen anders aus.“

Sofort kam Wanda hinter einer Kiste hoch. „Immerhin funktioniert sie, also fast. Sieh her, das Wasser läuft hier durch, das Zahnrad dreht sich, treibt diesen Kolben an, woraufhin…“

„Schnickschnack! Komm mir nicht mit deinen Ausflüchten! Dafür entlohne ich dich nicht!“ Aufgeregt stellte der Reptilis seinen Stirnkamm hoch und verließ die Werkstatt wutschnaubend.

„Ist gut, baue ich es eben nach deinem Plan.“ Seufzend guckte Wanda ihm hinterher und machte sich an die Arbeit. „Wenn er seinen Fehler wenigstens einsehen würde, dieser Narr!“, schimpfte sie vor sich hin, während sie den korrekten Sitz der Dübel überprüfte. „Einen Menschen! Dass ich nicht lache. Wird schon sehen, was er davon hat.“ Der Gedanke ließ sie erschaudern. „Diese haarlosen Wesen sind echt hässlich!“ Vorsichtig zog sie an einem kleinen Hebel, woraufhin das Konstrukt knarrte. „Ich habe es gewusst. Das kann sich nicht drehen. Aber ich musste mich ja darauf einlassen. Hoffentlich verrät er mir nachher, was er weiß. Andernfalls…!“ Sie ballte die Pfoten zu Fäusten und knurrte grimmig.

Endlich waren die letzten Schaufelräder an dem Holzrahmen befestigt. Zufrieden betrachtete Wanda ihr Werk. Ihr war klar dieses Gerät würde nie in Betrieb gehen. Dafür entsprach es exakt den Plänen von C’Taang.

Sie hockte sich auf eine Kiste und wartete. Der Reptilis wollte später vorbeikommen und sie rollte sich zu einem Nickerchen zusammen. Eine raue Stimme riss sie wenig später aus dem Schlaf. „Du bist fertig, wie ich sehe?“, sagte C’Taang und fuhr voller Bewunderung über das glatte Holz der Maschine.

„Ja, das bin ich“, antwortete die Rodentin verschlafen und sah ihn auffordernd an. „Sagst du mir jetzt, was du über meinen Bruder weißt?“

C’Taang lächelte. Er wusste, sowie er mit der Information herausrückte, wäre er seine Helferin schneller los als er gucken konnte. „Erst überprüfe ich, ob die Maschine tatsächlich läuft. Ich bin gespannt.“

Wanda stöhnte auf. „Das Rad kann sich nicht drehen. Dein Plan war falsch. Glaub es mir endlich.“

Der Erfinder ließ sich nicht beirren. „Sollte die Maschine nicht funktionieren, ist es allein deine Schuld. Mein Plan ist über jeden Zweifel erhaben.“ Er machte einen Schritt auf den Hebel zu und zog daran. Abermals knarrte es, daraufhin löste sich ein Dübel und das Konstrukt brach polternd in sich zusammen. Erschrocken sprang C’Taang zur Seite und sah das Durcheinander vor sich.

„Das nennst du eine Maschine? Du bist einfach unfähig!“

Wanda rümpfte die Nase und baute sich erbost vor ihm auf. „Bin ich das? Möglicherweise bist du es, der unfähig ist. Dein Plan war voller Fehler und das wusstest du.“ Sie ließ ihn stehen und machte sich an ihren Werkzeugen zu schaffen. „Warum verschwende ich bloß meine Zeit mit dir? So komme ich mit meiner Suche nie voran“, fügte sie verbittert hinzu.

„Dein Pech! Schließlich willst du wissen, wo dein Bruder steckt. Ich hingegen benötige eine funktionierende Maschine. Wir haben also beide nicht das, was wir gerne hätten. Es liegt an dir, das zu ändern.“

„Ich weiß ohnehin nicht, was deine Maschine bezwecken sollte. Ein Vorschlag zur Güte: Gib mir einen besseren Bauplan und ich baue dir, was du willst. Du hingegen sagst mir, was du weißt.“

C’Taang überlegte für einen Moment. „Ich nehme dich beim Wort. Glücklicherweise habe ich noch einen Plan. Meine jüngste Erfindung gefällt dir garantiert. Hach, ich bin so kreativ in letzter Zeit und habe unglaublich tolle Ideen.“ Er verschwand in seinem Wohnhaus und kam mit einem weiteren Plan sowie einem Beutel zurück.

„Hier! Das liegt dir vielleicht eher. Mit diesem Gerät lassen sich Lasten über längere Strecke transportieren. Für viele Reptilis macht es das Leben leichter. Ihre Bewunderung ist mir sicher“, schwärmte er und ließ sie mit Plan und Beutel alleine.

Verwundert rieb Wanda sich die Augen und warf einen skeptischen Blick auf das Pergament. „Nicht noch eine Maschine mit Hebel“, seufzte sie. Danach schnupperte sie an dem Beutel und öffnete ihn. „Immerhin, daran denkt er“, freute sie sich und biss herzhaft in das darin befindliche Käsestück.

Kapitel 2

Krachend fuhr die Spitzhacke in das feste Erdreich. Der Boden lockerte sich ein wenig und sogleich entfernte Arbeiter 2342 das Erdreich mit seiner Schaufel. Erneut krachte die Hacke in den festen Boden.

„Du bist heute wieder mal besonders fleißig?“, ertönte eine Stimme. „Die anderen haben längst Feierabend.“

Als der Arbeiter sich nach der Stimme umschaute, sah er eine gedrungene Gestalt. Den Namen wusste er nicht, kannte ihn bloß vom Sehen. Die Gestalt trug ebenso wie er eine gelbe Kappe auf dem Kopf, aus der Fühler hervorragten. Er klappert aufgeregt mit den Mandibeln, seinem kräftigen Oberkiefer. Das Chitin seiner Arme war staubbedeckt und stumpf. Nur drei Hände waren leer, In der vierten Hand hält er eine Schaufel. Neben ihm häufte sich die Erde, die niemand wegbrachte.

„Ich kann noch nicht aufhören. Dieses Teilstück vom Tunnel noch“, erklärte er und wischte sich sein mittleres Händepaar an seiner Latzhose ab. Als er sich aufrichtete, überragte er den anderen beinahe um einen halben Meter. „Sonst gerät der Ausbau von unserem Siedlungsnest ins Stocken. Die Königin hasst Ausreden.“ Die Arbeit war anstrengend. Allerdings war er nichts anderes gewöhnt, seit er vor ein paar Wochen die Larvenzeit hinter sich gelassen hatte. So war es üblich bei den Miegeems, einer Rasse von unterirdischen Nestbauern.

„Alleine schaffst du das ohnehin nicht und die Königin kann warten“, mahnte der Arbeiter mit der gelben Kappe und entfernte sich ebenfalls.

Verschiedene Gedanken gingen 2342 durch den Kopf und er seufzte. Vom Nachdenken tat ihm für gewöhnlich schnell der Kopf weh. Lieber schlug er mit der Spitzhacke auf den festen Boden und arbeitete sich durch den Untergrund. Gab es Probleme, wusste einer der Aufseher Rat. Diesmal ging ihm jedoch nicht aus dem Kopf, was sein Kollege gesagt hatte. Die Bilder vom Morgen beschäftigen ihn. Einer der älteren Arbeiter seiner Schicht war erschöpft zusammengebrochen. Ehe ihm jemand helfen konnte, hatten die Aufpasser ihn bereits weggezerrt.

„Was passiert mit ihm?“, hatte 2342 sich bei den anderen Arbeitern erkundigt.

„Der? Er kommt zur Wiederverwertung. Die Larven brauchen Futter“, war die Erklärung von einem stämmigen Abräumer gewesen, der einen leeren Eimer mitbrachte.

„Seine Zeit war gekommen“, hatte ein anderer Gräber gesagt. „Früher oder später blüht uns das allen.“

Einer der Aufseher hatte sie pausieren sehen. „Hört auf zu schwatzen! Grabt! Dafür und nur dafür seid ihr da! Zum Wohle der Königin und für den Ausbau von Heif“, hatte er alle anschnauzte und seine Peitsche knallen lassen. „Wer fleißig ist, wird mit ein wenig Glück ausgezeichnet. Ihr wisst ja, was das bedeutet.“

Für 2342 waren es diese Anweisungen, die sein Leben leichter machen. Zwar hatte er die Königin noch nie zu Gesicht bekommen, doch es war klar, sie war die uneingeschränkte Herrscherin von Heif, den Nestbau der Miegeems. Erst viel später, als der Aufpasser außer Hörweite war, wagte 2342 eine Frage zu stellen. „Was bedeutet es, ausgezeichnet zu sein?“

Ein Lachen ging durch die Reihen der Arbeiter. „Du hast keine Ahnung, was?“, raunte ein älterer Arbeiter schmunzelnd und hob einen vollen Eimer an. „Jeder träumt davon. Die Unterkönigin wählt unter ihnen, um Eier zu befruchten. Mit ihrer Hilfe ziehen wir eine neue Generation Arbeiter auf. Für die Ausgezeichneten ist dann Schluss mit der Plackerei hier.“

Ungläubig sah er ihn an. „Ist das so? Ich meine, kennst du jemand, der das durfte?“

„Nun, da war mal einer. Der kam freilich nicht zurück“, war die prompte Antwort.

„Der lebt vermutlich tief im Bau und genießt das Leben“, mutmaßte ein anderer.

„Womöglich in den Teil vom Bau, wo keiner hindarf?“

„Darüber gibt es viele Erzählungen, aber genau weiß es keiner. Mach dich an die Arbeit und hör auf, Fragen zu stellen. Der Aufpasser guckt schon wieder argwöhnisch.“

2342 schwang seine Spitzhacke und trieb sie mit einem kräftigen Hieb tief in den festen Boden. Er war sich sicher, eines Tages würde er zu den Ausgezeichneten gehören. Seine Muskeln schmerzten und sein Magen knurrte als das Signal zum Ende der Schicht erklang. Müde von der Arbeit holte 2342 sich ein wenig zu essen und begab sich in seine Schlafkammer.

 

Aus den Reihen der Arbeiter wurde 2342 ausgedeutet und von einem Aufpasser direkt zum Revier der Unterkönigin gebracht. Dort nahm ihn einer der Leibdiener in Empfang und begleitete ihn tief in den Bau. Sie gelangten zu einem Wasserbecken. Dort nahm er ein Bad mit duftenden Öl. Danach führte man ihn zu den Gemächern der Unterkönigin. Sie war beinahe doppelt so groß wie er und lächelte ihn an. Bevor sie weiterreden kann, ertönte der Gong zum Wecken und 2342 erkannte, alles war nur ein Traum. Müde wischte er sich den Schlaf aus den Augen und begab sich zu den Waschräumen. Hier war alles auf eine große Menge an Arbeitern ausgerichtet. Die Anderen waren bereits unterwegs und redeten wie jeden Morgen wild durcheinander. 2342 konnte bisher nicht begreifen, was die alles zu erzählen hatten. Viel konnte nicht passiert sein. Er wusch sich das Gesicht und lauschte den Unterhaltungen.

„Wenn ich es dir sage. Früher waren fast alle Miegeems Frauen.“

„Quatsch, kann nicht sein. Wer hat all die schwere Arbeit gemacht? Frauen können nur Eier legen.“

„Gar nicht! Die können viel mehr. Wir Männer waren in der Unterzahl. Die Arbeit haben die Frauen alleine gemacht.“

„Schon klar. Deswegen gab es heute kaum Frauen und fast nur Männer. Du kannst mir viel erzählen, aber das glaube ich dir nicht. Wer hat dir diesen Blödsinn erzählt?“

„Ich wollte es erst auch nicht glauben. Einer der ganz Alten hat es mir gesagt. Und er weiß es von einem noch Älteren. Die ersten Miegeems waren Frauen.“

„Alles nur Geschwätz. Lass uns essen gehen, ehe nichts mehr übrig ist.“

Die Beiden setzten grüne Kappen auf und verschwinden. 2342 sah ihnen nachdenklich hinterher. Offensichtlich wusste der eine mehr als der andere. Und das, was er wusste, klang aberwitzig. Woher kamen solche Erzählungen? Neugierig folgte er ihnen in den Speisesaal. Dort wimmelte es von Hunderten von Arbeitern. Die Bautrupps ließen sich an der Farbe ihrer Kappen sowie an ihren unterschiedlichen Wimpeln erkennen. Er wusste, er gehört zu den Gelben. Die Grünen saßen in einiger Entfernung. Seine Kollegen hockten auf langgestreckten Bänken und schaufelten Brei in sich hinein. Nicht unbedingt schmackhaft, jedoch ungemein sättigend. Beim Essen war 2342 meist still und hört den anderen zu. Ihm gegenüber saß ein Arbeiter, der ihm freundlich zunickte.

„2342, nicht wahr? Du bist einer der Neuen.“

„Richtig“, erwiderte er kauend. „Und wer bist du?“

„Ich heiße 2187. Bin schon länger dabei. Du bist mir gestern aufgefallen, weil du viel schuftest.“

„Ist das gut oder schlecht?“

„Je nachdem“, entgegnete 2187 und ließ seine Muskeln spielen. „Du kennst hoffentlich deine Grenzen. Bilde dir nichts ein, bloß weil du groß bist. Pro Trupp wählen sie höchstens einen aus und ich dulde keine Konkurrenz. Haben wir uns verstanden?“

2342 sah ihn verwundert an und nickte.

„Gut, wir verstehen uns“, gab 2187 zurück. „Du weißt, was du besser sein lässt.“ Er steckte seinen Löffel in die Schüssel von 2342 und nahm sich einen Klumpen von seinem Brei, den er sich sogleich genüsslich einverleibt. Anschließend stand er auf und verschwand aus dem Speisesaal.

Ein anderer Arbeiter rückte auf. „Gab es Ärger?“

„Ich glaube schon.“

„Mach dir nichts daraus. Der war so. Ärgert die Neuen, weil er sich für was Besseres hält. Ich bin übrigens 2204.“

„Hat man überhaupt eine Chance, dazu zu gehören? Und lohnt sich das?“, erkundigte sich 2342.

„Manche sagen dies, manche das. Genau weiß es keiner“, flüsterte 2204. „Eines ist klar. Die Königin lässt es sich gut gehen. Aber das ist in Ordnung, sie ist schließlich die Königin. Würde ich an ihrer Stelle auch machen, wäre ich mächtig wie sie. Es heißt, sie kann mit der Kraft ihrer Gedanken Dinge bewegen. Oder sogar anzünden.“

„Wirklich? Das wäre praktisch für unsereins“, freute sich 2342 und kratzte den letzten Rest aus seiner Schüssel.

„Du wieder! Denkst echt nur ans arbeiten, was?“

„Ja, aber…“

„Vergiss es!“, unterbrach 2204 ihn unsanft. „Die wenigsten zählen zu den Auserwählten. Darauf kannst du dich nicht verlassen. Eher schuftest du dich tot. Was dann passiert, kannst du dir vorstellen. Lass uns gehen, unsere Schicht fängt an.“

2342 sah noch, wie der Aufpasser sie streng musterte und Anweisungen blaffte. Endlich konnte er graben und für die nächsten Stunden das Nachdenken vergessen.

Kapitel 3