Was geschah im 20. Jahrhundert? - Peter Sloterdijk - E-Book

Was geschah im 20. Jahrhundert? E-Book

Peter Sloterdijk

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Beschreibung

Peter Sloterdijk ist erwiesenermaßen ein Schriftsteller von Rang. Was nicht jedermann vertraut ist: Er ist ein brillanter Rhetor. Seine in diesem Band gedruckten Vorträge thematisieren, aus unterschiedlichen Perspektiven und zu unterschiedlichen Anlässen, welche Lasten, welche Lehren, welche Hoffnungen das 20. dem folgenden Jahrhundert vermacht hat.
Kein einzelner Begriff, kein einprägsamer Slogan, von »Atomzeitalter« bis »Globalisierung«, beantwortet die im Titel aufgeworfene Frage. Eine reine Ereignis- oder Ideengeschichte kann die Bedeutung dieses Jahrhunderts für die Nachwelt ebenfalls nicht erfassen. Deshalb, so die These von Peter Sloterdijk, sind völlig neue Vorgehensweisen auf allen Feldern notwendig, von der Ökonomie bis zur Philosophie. Und dabei kommt, nicht ohne Sloterdijks Ironie und Metaphernkunst, dem Schatz eine zentrale Stellung zu: Diesen Schatz, also die Natur, die Heimat, das Raumschiff Erde, gilt es zu bewahren gegen die extremistische Vernunft, die das vergangene Jahrhundert prägte. »Der Mensch ist für die Bewohnung und Geschäftsführung der Erde im ganzen verantwortlich geworden, seit seine Anwesenheit auf ihr sich nicht länger im Modus der mehr oder weniger spurlosen Integration vollzieht.«

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Peter Sloterdijk ist erwiesenermaßen ein Schriftsteller von hohem Rang. Was nicht jedermann vertraut ist: Er ist ein brillanter Rhetor. Seine in diesem Band gedruckten Vorträge entstanden zwischen 2005 und 2014 und thematisieren, aus unterschiedlichen Perspektiven und zu unterschiedlichen Anlässen, welche Lasten, welche Lehren, welche Hoffnungen das 20. dem folgenden Jahrhundert vermacht hat.

Kein einzelner Begriff, kein einprägsamer Slogan, von »Atomzeitalter« bis »Globalisierung«, beantwortet die im Titel aufgeworfene Frage – Was geschah im 20. Jahrhundert?. Eine reine Ereignis- oder Ideengeschichte kann die Bedeutung dieses Jahrhunderts für die Nachwelt ebenfalls nicht erfassen. Deshalb, so die These von Peter Sloterdijk, sind völlig neue Vorgehensweisen auf allen Feldern notwendig, von der Ökonomie bis zur Philosophie. Und dabei kommt, nicht ohne Sloterdijks Ironie und Metaphernkunst, dem Schatz eine zentrale Stellung zu: Diesen Schatz, also die Natur, die Heimat, das Raumschiff Erde, gilt es zu bewahren gegen die extremistische Vernunft, die das vergangene Jahrhundert prägte. Als explizite Botschaft formuliert: »Der Mensch ist für die Bewohnung und Geschäftsführung der Erde im ganzen verantwortlich geworden, seit seine Anwesenheit auf ihr sich nicht länger im Modus der mehr oder weniger spurlosen Integration vollzieht.«

Peter Sloterdijk, geboren 1947, ist Professor für Ästhetik und Philosophie an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe.

Peter Sloterdijk

Was geschah im 20. Jahrhundert?

Suhrkamp

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2016

Der vorliegende Text folgt der Erstausgabe, 2016

© Suhrkamp Verlag Berlin 2016

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

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Umschlaggestaltung: Hermann Michels und Regina Göllner

eISBN 978-3-518-74303-4

www.suhrkamp.de

Inhalt

Das Anthropozän – Ein Prozeß-Zustand am Rande der Erd-Geschichte?

Von der Domestikation des Menschen zur Zivilisierung der Kulturen Zur Beantwortung der Frage, ob die Menschheit zur Selbstzähmung fähig ist

Das Experiment Ozean Von der nautischen Globalisierung zur Allgemeinen Ökologie

Die synchronisierte Welt Philosophische Aspekte der Globalisierung

Was geschah im 20. Jahrhundert? Unterwegs zu einer Kritik der extremistischen Vernunft

Der Denker im Spukschloß Über Derridas Traumdeutung

Starke Beobachtung Für eine Philosophie der Raumstation

Die permanente Renaissance Die italienische Novelle und die Nachrichten der Moderne

Heideggers Politik: Das Ende der Geschichte vertagen

Odysseus der Sophist Über die Geburt der Philosophie aus dem Geist des Reise-Stress

Fast heilige Schrift Versuch über das Grundgesetz

Der andere Logos oder: Die Vernunft der List Zur Ideengeschichte des Indirekten

Editorische Notiz

Das Anthropozän – Ein Prozeß-Zustand am Rande der Erd-Geschichte?

§1 Gewichtlose Menschheit

Als der niederländische Atmosphärenchemiker Paul J. Crutzen im Jahr 2000 den Ausdruck »Anthropozän« vorschlug – ein analoges Konzept des italienischen Geologen Stoppani (1824-1891) von 1873 aufgreifend –, um das gegenwärtige Zeitalter in naturgeschichtlicher Sicht zu markieren, lag die Vermutung nahe, dieser Terminus würde Teil eines hermetischen Diskurses bleiben, der hinter den geschlossenen Türen von Instituten für Gas-Analyse oder Geo-Physik gesprochen wird.

Durch eine unbekannte Serie von Zufällen jedoch muß es dem synthetischen semantischen Virus gelungen sein, die gut isolierten Türen der Laboratorien zu passieren und sich in der allgemeinen Lebenswelt auszubreiten – wobei man den Eindruck gewinnt, er reproduziere sich im Kontext des gebildeten Feuilletons, des Museumsbetriebs, der Makrosoziologie, der neuen religiösen Bewegungen und der ökologischen Alarm-Literatur besonders leicht.

Die Proliferation des Begriffs dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, daß er im Gewande wissenschaftlicher Neutralität eine Botschaft von nahezu unüberbietbarer moralisch-politischer Dringlichkeit übermittelt, eine Botschaft, die in expliziter Sprache lautet: Der Mensch ist für die Bewohnung und Geschäftsführung der Erde im ganzen verantwortlich geworden, seit seine Anwesenheit auf ihr sich nicht länger im Modus der mehr oder weniger spurlosen Integration vollzieht.

Der scheinbar geologisch relevante Begriff »Anthropozän« beinhaltet eine Geste, die man in juristischen Kontexten als die Benennung einer verantwortlichen Agentur charakterisieren würde. Mit der Zuschreibung von Verantwortung wird eine Adresse für mögliche Anklagen eingerichtet. Eben damit haben wir es heute zu tun, wenn wir »dem Menschen« – ohne näheres Beiwort – die Fähigkeit zur Täterschaft in geo-historischen Dimensionen zuschreiben.

Wir sitzen, wenn wir »Anthropozän« sagen, nur dem Anschein nach in einem geo-wissenschaftlichen Seminar. In Wirklichkeit nehmen wir an einer Gerichtsverhandlung teil – genauer an einer Vorverhandlung zur Hauptverhandlung, bei welcher fürs erste die Schuldfähigkeit des Angeklagten abgeklärt werden soll.

In dieser Vorverhandlung geht es um die Frage, ob es angesichts der Minderjährigkeit des fraglichen Täters überhaupt sinnvoll wäre, den Prozeß gegen ihn zu eröffnen. In diesbezüglichen Anhörungen würde unter anderem der Autor Stanisław Lem angehört werden, der »den Menschen« zu entlasten scheint, indem er ihm im tellurischen Kontext den Status einer quantité négligeable zuspricht, wörtlich:

»Würde man … die gesamte Menschheit versammeln und an einer Stelle zusammenpferchen, so würde sie einen Raum von dreihundert Milliarden Litern, also nicht ganz ein Drittel eines Kubikkilometers einnehmen. Das scheint viel. Aber die Weltmeere enthalten eine Milliarde zweihundertfünfundachtzig Millionen Kubikkilometer Wasser. Würde man also die ganze Menschheit, diese fünf Milliarden Menschenkörper, in den Ozean werfen, dann würde sich der Meeresspiegel nicht einmal um ein Hundertstel Millimeter heben. Mit diesem einen Aufplätschern würde die Erde ein für allemal menschenleer werden.«[1]

Bei quantitativen Verhältnissen wie diesen spielt es keine Rolle, wenn wir statt der von Lem angenommenen 5 Milliarden-Menschheit die heute erreichte Zahl von 7 Milliarden in das Bild einsetzen, oder die von acht oder neun Milliarden, die nach dem Jahr 2050 erreicht sein werden. Unter dem Aspekt der Bio-Massivität wird auch eine beliebig rasch sich vermehrende Menschheit eine verschwindende Größe bleiben – falls man die Menschheit toto genere im Ozean versenken könnte. Wozu also einen Prozeß gegen eine Species führen, die im Verhältnis zu der materialen Hauptmasse des Gaia-Systems, dem Welt-Wasser, ein Beinahe-Nichts darstellt? Lems Position liegt im übrigen sehr nahe bei jener der Klassiker der Geringschätzung des Menschen – man erinnert sich an Schopenhauers verächtliche Bemerkung über die Menschenrasse als flüchtiger Schimmelpilz an der Oberfläche des Planeten Erde.

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