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Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. "Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser. »Grüß Gott, Toni! Bist auf dem Friedhof gewesen?« »Grüß Gott, Bürgermeister! Ja, meine Großmutter hätte heute Geburtstag. Da hab' ich ihr einen schönen Blumenstrauß gebracht.« »Des ist lieb von dir, Toni. Des gehört sich auch so. Die alte Baumbergerin war eine liebe gütige Frau, mit einem großen Herzen.« »Pfüat di, Fellbacher! Ich will noch in die Kirch' und eine Kerze anzünden.« »Da bin ich auch gerade gewesen und hab' eine große Kerze gestiftet. Ich hoffe, die Heiligen lassen sich ein bissel bestechen und erweichen die verhärteten Beamtenherzen in Kirchwalden. Die stellen sich immer noch stur.« »Geht es immer noch um den Kuhritt? Ist des noch net entschieden?« »Genau, darum geht es. Ich habe alles getan, um die Genehmigung für die öffentliche Veranstaltung zu bekommen. Aber nix is! Toni, da steckt bestimmt wieder der Ruppert Schwarzer dahinter. Himmel, ich bete darum, dass bei der nächsten Gemeindewahl sein Bazi keine einzige Stimme bekommt. Es wäre wirklich eine Erleichterung, wenn der Franz Huber nimmer im Gemeinderat sitzen würde. Jedes Wort, jede Idee, einfach alles hinterbringt er sofort dem Schwarzer.« Bürgermeister Fellbacher war sehr aufgebracht. Toni legte ihm kurz die Hand auf die Schulter. »Beruhig dich, Fellbacher! Des wird schon.« Sie verabschiedeten sich. Toni ging in die Kirche und zündete eine Kerze vor der Marienstatue an. Er verharrte kurz im Gebet. Dabei kam ihm ein Gedanke. Toni lächelte und blinzelte der Mutter Gottes zu. »Des ist wirklich eine gute Idee, heilige Maria! Darüber rede ich sofort mit unserem Herrn Pfarrer. Mit deiner Hilfe wird des schon werden«, flüsterte Toni und lächelte dabei. Augenblicke später saß
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Seitenzahl: 132
Veröffentlichungsjahr: 2017
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»Grüß Gott, Toni! Bist auf dem Friedhof gewesen?«
»Grüß Gott, Bürgermeister! Ja, meine Großmutter hätte heute Geburtstag. Da hab’ ich ihr einen schönen Blumenstrauß gebracht.«
»Des ist lieb von dir, Toni. Des gehört sich auch so. Die alte Baumbergerin war eine liebe gütige Frau, mit einem großen Herzen.«
»Pfüat di, Fellbacher! Ich will noch in die Kirch’ und eine Kerze anzünden.«
»Da bin ich auch gerade gewesen und hab’ eine große Kerze gestiftet. Ich hoffe, die Heiligen lassen sich ein bissel bestechen und erweichen die verhärteten Beamtenherzen in Kirchwalden. Die stellen sich immer noch stur.«
»Geht es immer noch um den Kuhritt? Ist des noch net entschieden?«
»Genau, darum geht es. Ich habe alles getan, um die Genehmigung für die öffentliche Veranstaltung zu bekommen. Aber nix is! Toni, da steckt bestimmt wieder der Ruppert Schwarzer dahinter. Himmel, ich bete darum, dass bei der nächsten Gemeindewahl sein Bazi keine einzige Stimme bekommt. Es wäre wirklich eine Erleichterung, wenn der Franz Huber nimmer im Gemeinderat sitzen würde. Jedes Wort, jede Idee, einfach alles hinterbringt er sofort dem Schwarzer.«
Bürgermeister Fellbacher war sehr aufgebracht. Toni legte ihm kurz die Hand auf die Schulter.
»Beruhig dich, Fellbacher! Des wird schon.«
Sie verabschiedeten sich. Toni ging in die Kirche und zündete eine Kerze vor der Marienstatue an. Er verharrte kurz im Gebet. Dabei kam ihm ein Gedanke. Toni lächelte und blinzelte der Mutter Gottes zu.
»Des ist wirklich eine gute Idee, heilige Maria! Darüber rede ich sofort mit unserem Herrn Pfarrer. Mit deiner Hilfe wird des schon werden«, flüsterte Toni und lächelte dabei.
Augenblicke später saß Toni in Pfarrer Zandlers Studierstube. Der Geistliche bot Toni einen Kaffee an.
»Was führt dich zu mir?«, fragte Pfarrer Zandler.
»Ich habe gerade den Fellbacher getroffen. Der ist ziemlich geknickt, will ich mal sagen. Die Beamtenheinis in Kirchwalden stellen sich quer. Sie wollen net, dass wir hier in Waldkogel den Kuhritt veranstalten. Ich denke, des hat politische Gründe. Da will einer dem Fellbacher den Ruhm net gönnen. Aber des ist ein anderes Thema. Jedenfalls kam mir, als ich in der Kirche war, ein Gedanke. Könnte der traditionelle Kuhritt nicht unter der Leitung der Kirche stattfinden? Wenn der Herr Bischof der Schirmherr wäre, dann können sich die Beamten nimmer querstellen. Sich mit der Kirche anzulegen, des wagen sie bestimmt nicht.«
Pfarrer Zandler schmunzelte. Er trank einen Schluck Kaffee.
»Toni, der Gedanke ist mir auch schon gekommen. Ich habe sogar schon mit der Kirchenverwaltung gesprochen. Die Sache ist am Laufen.«
»Mei, des ist schön! Aber davon hat der Fellbacher mir nix erzählt, als ich ihn eben getroffen habe.«
»Dem Fritz habe ich noch nix gesagt. Das Bischöfliche Ordinariat will noch heute zurückrufen. Unser lieber Herr Bischof ist von der Idee begeistert. Er hat mich angerufen und mir von seinen Erlebnissen als kleiner Bub erzählt. Die Erinnerungen an die damaligen Kuhritte, die rufen noch heute bei ihm ein warmes Heimatgefühl hervor. Du siehst, Toni, die Idee ist in den besten Händen.«
Noch während Toni und Pfarrer Zandler gemütlich plauderten, kamen der Anruf von der Kirchenverwaltung und gleich danach die schriftliche Genehmigung der Kreisbehörde in Kirchwalden.
»Siehst, Toni, es geht also doch«, lachte Pfarrer Zandler. »Mit dem Segen der Kirche kann jetzt nix mehr schief gehen.«
Pfarrer Zandler rief sofort im Rathaus an und bestellte seinen Freund, den Bürgermeister, sofort ein.
»Nun mach es net so spannend, Heiner! Red’ schon«, begrüßte der Bürgermeister den Geistlichen.
»Himmel, Fritz! Erst mal ein herzliches ›Grüß Gott‹. Dafür muss Zeit sein.«
»Ja schon, hast recht! Grüß Gott, Heiner! Grüß Gott, Toni!«
Pfarrer Zandler bat den Bürgermeister, sich zu setzen. Er schenkte ihm Kaffee ein. Dann reichte er ihm die Faxe. Der Bürgermeister las. Er strahlte und schlug vor Begeisterung auf den Tisch.
»Es geht also doch! Du bist ja ein ganz großer Geheimnistuer, Heiner. Da danke ich dir schön! Ein herzliches ›Vergelt’s Gott‹«, sagte Fritz Fellbacher gerührt.
»Gern geschehen, Fritz! Aber mit einem herzlichen ›Vergelt’s Gott‹ ist es net getan. Da muss schon etwas herausspringen. Ich hab’ mir gedacht, dass eine kleine Teilnahmegebühr erhoben wird, und die geht dann an mich. Natürlich net an mich persönlich, des muss ich ja net extra sagen. Ich werde des Geld einem guten Zweck zuführen.«
»Davon steht hier nix«, warf Fellbacher ein.
»Sicher steht da nix davon drin. Des ist eine mündliche Zusicherung, die ich dem Herrn Bischof gegeben habe.«
»Hast ihn damit geködert?«, lachte der Bürgermeister.
»Naa, aber des Waisenhaus kann immer Unterstützung gebrauchen. Du kannst die Idee gern als ein soziales Anliegen von Waldkogel verkünden, Fritz. Dagegen hab’ ich nix. ›Der Zweck heiligt die Mittel‹, sagt man.«
Die beiden Freunde schauten sich an und grinsten. Pfarrer Zandler holte den Obstler und schenkte ein. Die drei Männer prosteten sich zu. Der Geistliche erzählte, dass der Bischof sein Erscheinen angekündigt hatte. Er würde Vieh und Reitern seinen Segen geben.
»Er wird auch am Kuhritt teilnehmen, aber außer Konkurrenz«, lachte Pfarrer Zandler. »Wir müssen ein besonders ruhiges Tier für ihn aussuchen.«
»Der Wenzel kann uns sagen, welche Kuh dafür geeignet ist«, sagte Toni.
Er stand auf und trank seinen Kaffee aus. Er wollte sofort hinauf auf die Oberländer Alm und Wenzel Oberländer die gute Nachricht überbringen und mit ihm alles Weitere bereden. Bürgermeister Fellbach blieb auch nicht mehr lange im Pfarrhaus. Es gab jetzt viel zu tun.
*
Es war früher Abend. Gaby Färber saß im Büro der Rettungsleitstelle. Sie tippte ihren letzten Tagesbericht in den PC. Ihr Kollege kam ins Zimmer. Er hatte sich schon umgezogen.
»Du bist noch hier? Ich dachte, du wärest längst auf dem Weg in die Berge.«
»›Vor das Vergnügen hat der Herrgott die Arbeit gesetzt‹, sagt man. Aber ich bin fertig.«
Gaby speicherte die Datei ab. Sie lehnte sich auf dem Drehstuhl zurück und steckte die Arme nach oben.
»Das war es. Vier Wochen Urlaub!«
»Hältst du das aus? Kommst du wirklich einen ganzen Monat ohne deine Arbeit aus?«, schmunzelte der Kollege.
»Ja! Und wagt es nicht, mich aus dem Urlaub zurückzuordern, es sei denn, es passiert ein Vulkanausbruch oder Ähnliches. Ich habe mir meinen Urlaub verdient. Außerdem habe ich ihn dringend nötig. Unsere Arbeit ist nicht leicht, das weißt du. Ich muss unbedingt Kraft schöpfen. Meine Akkus müssen aufgeladen werden.«
»Ich verstehe dich, Gaby! Wir werden alles tun, damit du ungestört die Berge genießen kannst. Wo fährst du hin?«
»Plumpe Fangfrage! Das verrate ich nicht. Ich will meine Ruhe. Mein Handy ist ausgeschaltet. Versucht nicht anzurufen, es wäre zwecklos.«
Der Kollege grinste.
»Na, was du nicht sagst. Das glaube ich dir nicht ganz, Gaby. Gelegentlich wirst du die Nachrichten schon abhören und die SMSs lesen.«
Gaby machte eine abwinkende Handbewegung. Sie stand auf und ging in den Personalraum, um die weiße Dienstkleidung gegen Jeans und eine Bluse zu tauschen. Ihr Handy läutete. Gaby warf einen Blick auf das Display. Ihre Freundin Wiebke versuchte sie zu erreichen. Gaby nahm das Gespräch an.
»Grüß dich, Wiebke, was gibt es?«
»Ich muss sofort mit dir reden – sofort!«
Gaby hörte, wie Wiebkes Stimme bebte.
»Ist etwas passiert?«
»Ja! Bist du daheim? Kann ich bei dir vorbeikommen?«
»Ich bin noch in der Rettungsleitstation, wollte aber gerade gehen. Wenn du willst, kannst du kommen. Sagen wir, in einer halben Stunde?«
»Okay!«, schallte es durchs Handy. Danach wurde ohne Gruß aufgelegt.
Verwundert schaltete Gaby ebenfalls ab. Es bestand für sie kein Zweifel, dass Wiebke mit den Tränen gekämpft hatte – Wiebke, die Starke, die Unerschütterliche. Was konnte geschehen sein?
Gaby warf ihre Arbeitskleidung in die Wäschetonne, schloss ihren Spind ab und rannte fast zu ihrem Auto.
Kaum daheim angekommen, klingelte Wiebke. Gaby drückte auf den Knopf der Sprechanlage. Wiebke meldete sich.
»Komm rauf! Ich lehne die Wohnungstür an. Will noch schnell unter die Dusche.«
Dann brummte der Türsummer.
Etwas später kam Gaby im Hausanzug aus der Dusche. Ihr kurzes blondes Haar war noch feucht. Sie umarmte die Freundin. Wiebke schossen die Tränen in die Augen. Gaby drückte Wiebke an sich und streichelte ihr wie bei einem Säugling über den Rücken.
»Was ist los?«
»Detlev!«, stieß Wiebke hervor, der Rest des Satzes ging in einem tränenreichen Schluchzen unter.
Wiebke weinte, wie Gaby sie noch nie erlebt hatte. Die beiden jungen Frauen kannten sich seit dem Kindergarten. Sie waren gemeinsam zur Schule gegangen und hatten anschließend zusammen die Berufsausbildung zur Fachkrankenschwester durchlaufen. Danach war Wiebke am Krankenhaus geblieben, während sich Gaby zur Rettungssanitäterin ausbilden ließ.
»Was ist mit Detlev? Hat er dich betrogen?«
Ruckartig hob Wiebke den Kopf von Gabys Schulter.
»Wie kannst du das nur denken? Detlev liebt mich. Ganz im Gegenteil. Er hat mir gestern Abend einen Antrag gemacht.«
»He, wenn das kein Grund zur Freude ist. Meinen allerherzlichsten Glückwunsch! Das ist sicherlich kein Grund zum Heulen, oder?«
Wiebke wischte sich die Tränen ab.
»Nein, eigentlich nicht. Aber …«
»Du bist dir nicht sicher? Du hast seinen Antrag hoffentlich nicht abgelehnt?«
»Nein, das habe ich nicht. Aber jetzt überlege ich, ob ich mein Wort zurücknehmen sollte oder könnte.«
»Deine Panikattacke vor der Hochzeit kommt reichlich früh«, bemerkte Gaby.
»Das hat nichts mit Panik zu tun. Es ist nur so, dass er mir erst nach dem Heiratsantrag von den Plänen erzählt hat. ›Und der Teufel steckt doch immer im Detail‹, sagt man doch.«
Gaby reichte Wiebke die Box mit den Papiertüchern.
»Also, ich verstehe bisher rein gar nichts! Jetzt machen wir das mal so. Wir machen uns etwas zu essen, dann setzen wir uns gemütlich hin und reden. Während ich schnell zwei Tiefkühlpizzas in den Ofen schiebe, deckst du schon mal im Wohnzimmer den Tisch. Wo ist eigentlich Peggy? Hast du sie nicht mitgebracht?«
Peggy war eine cremefarbene Cairnterrierhündin. Sie war fünf Jahre alt und Wiebkes ganzer Stolz. Dass Gaby sich nach Peggy erkundigte, löste bei Wiebke weitere Tränen aus.
»Peggy …, sie ist im Wohnzimmer!«
Gaby holte einen Hundekeks aus dem Schrank, sie hatte immer welche vorrätig, und ging ins Wohnzimmer. Dort saß die Hündin auf ihrer Lieblingsdecke auf einem Sessel. Sie freute sich, als sie Gaby sah. Sie wedelte und ließ sich mit dem Hundekeks füttern. Dann legte sie sich hin, den Kopf zwischen den Vorderpfoten. Wiebke kam dazu. Sie kniete sich vor den Sessel und streichelte ihren Hund.
»Detlev erwartet – nein, verlangt, – dass ich mich von Peggy trenne«, stieß Wiebke unter Schluchzen hervor.
»Machst du Witze? Spinnt der?«, schrie Gaby. Dabei war ihr schon klar, dass Wiebke damit keinesfalls scherzen würde. »Wie kommt er dazu?«
In der Küche klingelte die Zeituhr.
»Warte! Setz dich! Ich hole die Pizzas. Dann kannst du mir alles erklären.«
Dann saßen die beiden Freundinnen zusammen im Wohnzimmer. Nach und nach erfuhr Gaby, welcher Kummer Wiebke so schwer auf dem Herzen lag, vielmehr, wie es dazu gekommen war. Doktor Detlev Harbeck, Facharzt für Kardiologie und Innere Medizin, hatte Wiebke einen Heiratsantrag gemacht. Sie kannten sich schon viele Jahre und wohnten mittlerweile schon drei Jahre zusammen. Wiebke kramte ihren Verlobungsring aus der Handtasche und gab ihn Gaby.
»Hier, den hat er mir geschenkt!«
»Wow, du, der war nicht billig! Er scheint dich wirklich zu lieben.«
»Daran habe ich meinen Zweifel. Okay, es ist ein lupenreiner Einkaräter, aber mit Liebe hat das wenig zu tun. Es kommt mir jetzt im Nachhinein eher wie ein Bestechungsversuch vor«, stieß Wiebke wütend hervor. »Deshalb habe ich den Ring auch wieder abgenommen. Ich werde ihn nicht tragen, bis die Sache geregelt ist. Oder ich werde ihn ihm zurückgeben, wenn ich mich von ihm trenne.«
Dann erzählte sie weiter. Nachdem sie Detlevs Antrag angenommen hatte, redeten sie über die gemeinsame Zukunft. Detlev erzählte, dass er die gutgehende Praxis seines Onkels übernehmen würde. Die renommierte Praxis lag im Anbau einer sehr großen Villa, die für seinen Onkel und dessen Frau viel zu groß war. Da die beiden keine eigenen Kinder hatten, wollten sie, dass Detlev mit Wiebke zu ihnen ziehen würde. Detlev war nicht fähig gewesen, ihren Wunsch abzulehnen. Sie hatten ihn immer wie einen Sohn unterstützt, da er nach dem frühen Tod seines Vaters Halbwaise war. Es waren die Verbindungen seines Onkels, die Detlev die Türen zu seiner Karriere geöffnet hatten. Es war also nicht nur sein Können, dass ihn so weit gebracht hatte, sondern auch das berühmte Vitamin »B«, Beziehungen eben. So fühlte sich Detlev verpflichtet, dem Wunsch nachzukommen und seine Dankbarkeit zu bekunden. Allerdings hatte seine Tante erklärt, dass sie in der Villa keine Haustiere duldete. Sie wusste, dass Wiebke einen Hund hatte, aber sie könne ihn ja abgeben, meinte sie. Bemühungen, mit seiner Tante zu sprechen und einen Kompromiss auszuhandeln, sparte Detlev sich. Er fügte sich einfach.
»Sie ist eine Hundehasserin«, schimpfte Wiebke. »Dabei kennt sie Peggy nicht.«
Gaby schüttelte den Kopf. »So hat dich Detlev gebeten, auf den Hund zu verzichten?«
»Ja, so war es! Ich muss mich also entscheiden, Hund oder Mann!«
»Hat Detlev dir ein Ultimatum gestellt?«
»Nein, das hat er nicht. Er tat so als wäre er total überrascht, dass ich deswegen solch ein Theater machen würde. Dabei weiß er, was mir Peggy bedeutet. Außerdem ist sie so ein kleiner lieber Hund. Sie bellt kaum. Du kennst sie, Gaby.«
Gaby nickte. O ja, sie kannte Peggy. Peggy war schon eine besondere Hündin. Sie war das Geschenk eines Züchters gewesen, der einige Tage auf der Station gelegen hatte, auf der Wiebke Nachtdienst hatte. Mit Peggy war Wiebke nicht mehr so alleine, wenn Detlev mal wieder zu viele Dienste schob. Sie ging mit Peggy in die Hundeschule und fuhr mit ihr zu Ausstellungen. Peggy hatte schon als junge Hündin Preise abgeräumt. Inzwischen war sie mehrfache Weltmeisterin ihrer Klasse und hatte schon Nachwuchs bekommen.
Peggy war sich ihrer Schönheit bewusst. Sie saß am liebsten in einem Sessel oder auf einem Stuhl und ließ sich bewundern. Sie legte den Kopf etwas schief und hielt ganz still, sobald sie einen Fotoapparat sah. Sie war eben ein richtiger Star.
»Was willst du jetzt tun?«, fragte Gaby.
Wiebke zuckte mit den Schultern. »Kann ich heute Nacht hierbleiben?«, fragte sie leise.
»Habt ihr euch so gestritten?«
»Ja, wir haben uns die ganze Nacht gefetzt. Gaby, wie kann er das von mir verlangen? Er sagt, er liebt mich. Pah! Was kann das für eine Liebe sein? Er weiß, wie sehr ich an Peggy hänge, und jetzt will er, dass ich sie fortgebe. Das kann keine wahre Liebe sein, oder? Er will sich doch nur Liebkind machen bei seiner Tante und seinem Onkel. Dafür soll ich Opfer bringen, ich und Peggy. Niemals habe ich auch nur angenommen, dass er so etwas von mir verlangen könnte. Er war mit Peggy immer einverstanden. Schließlich wohnen wir schon eine Weile zusammen und er weiß, dass sie sauber ist und keine Probleme macht. Sie ist der ruhigste und folgsamste Hund, den ich kenne.«
»Mir brauchst du das nicht zu erzählen, Wiebke. Meinst du nicht, du solltest noch einmal versuchen, mit Detlev zu reden?«
»Das ist sinnlos. Er will die Praxis seines Onkels, die er quasi auf dem Silbertablett serviert bekommt, und später wird er wohl die Villa erben. Bis dorthin tanzt er nach deren Pfeife. Die ganze Nacht hat er mir die Vorteile aufgezählt. Wir haben uns immer mehr zerstritten. Als die Sonne aufging, ging ich mit Peggy Gassi. Als ich zurückkam, schlief er schon. Ich konnte mich nicht zu ihm ins Schlafzimmer legen. Ich schlief im Wohnzimmer auf der Couch, mit Peggy. Dann war ich in der Stadt und besuchte den Züchter. Er kann Peggy nicht nehmen. Er hat alle seine Hunde gerade selbst verteilt, weil er für einige Zeit ins Ausland zu seinen Kindern geht.«
»Da ist guter Rat teuer«, seufzte Gaby. »Was willst du jetzt machen?«
»Ich werde mich wohl von Detlev trennen«, sagte Wiebke leise.
»Das kann nicht dein Ernst sein? Du liebst ihn doch!«
»Ich habe ihn geliebt. Detlev war meine große Liebe. Aber jetzt liegt alles in Scherben. Es tut so weh, Gaby, so unendlich weh.«
»Vielleicht wird alles wieder gut?«