Was passiert beim Urologen? - Christoph Pies - E-Book

Was passiert beim Urologen? E-Book

Christoph Pies

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Beschreibung

Antworten auf Fragen, die keine(r) zu stellen wagt Selbst die eloquentesten Zeitgenossen werden einsilbig, wenn sie über "untenrum" reden sollen oder müssen, weil es da Probleme gibt. Wer spricht schon gerne über Erektionsprobleme oder Schmerzen im Unterleib? Dr. Christoph Pies erlebt es seit Jahren in seiner urologischen Praxis. Und nein, er ist kein reiner Männerarzt, denn Blasen- und Nierenprobleme treiben auch zahlreiche Frauen in seine Sprechstunde. Nun gibt er Einblicke in seinen Alltag als Urologe und in den OP – und zeigt, wie spannend und vielfältig sein Fachgebiet ist. Und wie sensibel und humorvoll er mit seinen Patienten umgeht. Sein Anliegen: Niemand muss Angst haben vorm Urologen. Machen Sie lieber eine unterhaltsame und spannende Entdeckungsreise durch die unbekannte Welt der Urologie. - Amüsantes und Informatives aus dem Praxisalltag - Infotainment-Buch, das Berührungsängste nimmt

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Seitenzahl: 259

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www.herbig-verlag.de

© für die Originalausgabe und das eBook: 2017 F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten

Unter Mitarbeit von Holger Schaeben

Umschlaggestaltung: Wolfgang Heinzel

Umschlagfoto: Claudia Fahlbusch

Illustration: Mascha Greune, München

Satz und eBook-Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-7766-8265-6

Inhalt

Einleitung — Give Pies a Chance

Gefilterte Wahrheiten: Die Nieren

Der Klügere kippt nach: Trinken

Steinreich – arm dran: Nierensteine

Drängende Fragen: Die Harnblase

Dichtung und Wahrheit: Die Harninkontinenz

Von wegen klare Sache: Wasserlassen

Kein Pipifax: Harnwegsinfekte

Rauchen kann tödlich sein: Blasenkrebs

Eine Wachstumsstory: Die Prostata

Abnehmende Strahlkraft: Die gutartige Vergrößerung

Früh kommt besser: Die »Vorsorge«-Untersuchung

Thema statt Drama: Krebs

Geht den Mann an: Prostatakrebs

Kronjuwelen: Die Hoden

Hoffnung und Hormone: Eine Ode an die Hoden

Ein oft lösbarer Knoten: Hodenkrebs

Vorhang auf: Die Vorhaut

Jetzt wird’s eng: Phimose

Urteile und Vorurteile: Beschneidung

Antenne des Herzens: Penis und Sex

Tendenz steigend: Erektionsstörungen

Das blaue Wunder: Viagra

Quickie wider Willen: Vorzeitiger Samenerguss

Vorsicht, Sexperimente

»Frei« bis 18: Die Jungen-Sprechstunde

Juckreiz zwischen den Großzehen: Hygiene

Kein Empfang!?: Familienplanung

Cut and go: Sterilisation

Wenn die Saat nicht aufgeht: Unfruchtbarkeit

Wir müssen reden: Kommunikation

Ich hab einen Termin um 11:60 Uhr – »Nebenwirkungen« der Arzt-Patienten-Kommunikation

Arzt, aber herzlich: Dialog auf Lendenhöhe

Schluss — Nachsorge

Lachdienliche Hinweise

Danksagung

Glossar

Weiterführende Informationen

Quellenangaben

Gefilterte Wahrheit: Die Nieren

Der Klügere kippt nach: Trinken

Die kürzeste Formel zum Thema ist die: oben rein, unten raus und dazwischen ein fließender Übergang. Diese einfache Dreiteilung müssen wir uns jedoch näher anschauen, denn so easy-peasy ist die Sache dann doch nicht. Wir Urologen sitzen ja direkt an der Fehlerquelle. Trinken und Wasserlassen sind für uns laufende Themen. Kaum ein Urologenbesuch vergeht ohne die Empfehlung, ausreichend viel zu trinken. Aber nicht nur die Fragen nach Art und Häufigkeit der Flüssigkeitszufuhr, sondern auch die Spekulationen darüber, wie oft man müssen muss, zählen zu den letzten großen Rätseln der Menschheit. Dabei ist die Mutter aller Fragen diese: Woraus entstand das Leben auf der Erde? Die Antwort: Erst das Vorhandensein von Wasser ermöglichte die Entwicklung von Leben auf unserem Planeten.

Im September 2015 ließ uns die Wissenschaft an einer Sensation teilhaben: Die Raumsonde Mars Reconnaissance Orbiter hatte Hinweise auf flüssiges Wasser auf dem Mars gefunden. Die Wissenschaftler waren verzückt. Fast hätten sie sich bepinkelt vor Freude. War diese Entdeckung ein Beleg für mögliches Leben auch auf dem roten Planeten? Das Ergebnis ist wohl noch offen. Bis es uns vorliegt, kehren wir zurück zur Erde und zum Trinken.

Die Bedeutung des Wassers für unser irdisches Leben mag man auch daran ermessen, dass nicht nur die Erdoberfläche, sondern auch unser Körper zu etwa 70 Prozent aus Wasser besteht. Beim Menschen variiert der Wassergehalt allerdings je nach Alter stark: Bei einem Neugeborenen liegt der Anteil noch bei 70 bis 80 Prozent des Körpergewichts, während er im Laufe des Lebens immer weiter absinkt. Bei Menschen, die älter als 85 Jahre sind, liegt er bei nur noch 45 bis 50 Prozent.

Die zentrale Rolle in der Regulation des Wasserhaushaltes spielen die Nieren. Diese bohnenförmigen Organe liegen im hinteren Bauchraum, jeweils links und rechts an den oberen Enden der Lenden. Und dort verbleiben sie auch ein Leben lang. Die sprichwörtliche »Wanderniere« ist nämlich erstens selten und beschreibt zweitens nur ein möglicherweise übermäßiges Absinken der Niere, wenn der Mensch aufrecht steht. Die Nieren filtern nicht verwertbare oder gar giftige Stoffe aus dem Blut und sorgen für die Ausscheidung mittels Harnbildung. Zudem kontrollieren sie den Sauerstoffgehalt des Blutes, denn sie produzieren das Hormon Erythropoetin, besser bekannt als EPO, das die Bildung der roten Blutkörperchen anregt. Nebenbei sorgen sie noch für einen ausgeglichenen Säure- und Salzhaushalt und regulieren über Urinproduktion und Hormone den Blutdruck. Unser gesamtes Blut fließt 300 Mal am Tag durch die Nieren, und ohne die Konzentrationsprozesse der Nieren würden wir 180 Liter Urin produzieren. Das entspricht in etwa einer vollen Badewanne.

In Deutschland leben etwa zwei Millionen nierenkranke Menschen, aber nur ein Drittel weiß etwas davon. Stellt sich also die grundlegende Frage, wie hoch der Tagesbedarf an Flüssigkeit bei einem durchschnittlichen Erwachsenen ist, um eine reibungslose Funktion dieser lebenswichtigen Organe zu gewährleisten. Schnelle Antwort: zwei Liter. In den USA gibt es die 8-×-8-Regel, also acht Mal acht Ounces (zirka 30 ml) am Tag, womit man auf gut 1900 ml kommt. Da es eine solche Einheit bei uns nicht gibt, könnte man 10 Gläser oder Tassen zu je 200 ml empfehlen. Einen Teil der Flüssigkeit nimmt der Durchschnittsmensch auch durch feste Nahrung auf. Der tatsächliche Gesamtbedarf hängt jedoch auch von äußeren Faktoren ab: dem Wetter, der Temperatur, der körperlichen Belastung sowie der Ernährung. Ein weiterer entscheidender Faktor ist das Alter. Insbesondere ältere Menschen müssen mehr trinken, da ihr Körper ja ohnehin schon einen deutlich geringeren Flüssigkeitsanteil aufweist. Ein dauerhafter Mangel an Flüssigkeit kann zur Austrocknung führen.

Grundsätzlich trinken wir eher zu wenig. Machen Sie mal den Test und führen Sie über zwei Tage ein Trink-Protokoll. Nur so werden Sie sich Ihrer tatsächlichen Trinkgewohnheiten bewusst. Eine weitere Kontrollmöglichkeit ist der Kneiftest. Nehmen Sie Ihren rechten Handrücken, greifen Sie mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand eine Hautfalte, und lassen Sie sofort wieder los. Wenn die Kneiffalte sich gleich zurückzieht, ist alles bestens. Bleibt die Falte jedoch länger stehen, ist das ein Zeichen dafür, dass es Ihnen an Flüssigkeit mangelt.

Manchmal mangelt es dem Patienten aber nicht nur an Flüssigkeit, sondern auch an Genauigkeit bezüglich der Angaben, wie viel oder wie wenig er trinkt.

Ich: »Wie viel trinken Sie denn so am Tag?«

Patientin: »Ich trinke viel, also mittelmäßig, also eigentlich wenig, also gut, mittelmäßig …«

Der folgende Patient hatte immerhin eine sehr grundlegende Weisheit abgespeichert: »Ich hab jehört, man soll ja auch wat trinken.« Dagegen hatte ich nichts einzuwenden. Die Getränkeindustrie sagt zwar: Bitte nicht warten, bis der Durst kommt – Wer auf das Durstgefühl wartet, hat meist schon ein Flüssigkeitsdefizit. Ich sage: Der menschliche Körper hat im Laufe der Evolution zuverlässige Mechanismen entwickelt, um den Wasserhaushalt zu regulieren. Das Wichtigste ist, gut auf das Durstgefühl zu achten.

Für unsere Gesundheit ist ausreichendes Trinken am Tag ebenso wichtig wie die richtige Ernährung. Fast sogar noch wichtiger, denn der Mensch kann rund einen Monat ohne Nahrung überleben, aber höchstens eine Woche, ohne zu trinken. Wasser ist Transportmittel für Blut, Harn und Schweiß sowie Lösungsmittel für fast alle Stoffe innerhalb einer Körperzelle. Es regelt zudem die Körpertemperatur, indem es dem Organismus durch Verdunstung an der Körperoberfläche Wärme entzieht (Schweiß).

Unser Körper scheidet täglich große Mengen an Flüssigkeit aus – nicht nur durchs Schwitzen. Sogar beim Atmen gehen täglich knapp 400 ml Flüssigkeit verloren! Da scheint es einleuchtend, dass dieser Verlust ständig ausgeglichen werden muss, denn wie ein Kamel auf Vorrat zu trinken, das funktioniert bei uns Menschen leider nicht. Zwar hilft sich der Körper bei einem Flüssigkeitsdefizit bis zu einem gewissen Maß selbst und gleicht den Mangel durch Konzentrationsprozesse aus, doch der Nutzen dieser Maßnahme ist eher fragwürdig. Irgendwo im Organismus muss er die Flüssigkeit ja schließlich abziehen, und dort fehlt sie dann womöglich. Braucht der Körper die Flüssigkeit zum Beispiel zum Regeln der Temperatur (Schwitzen), fehlt sie im Blutkreislauf, und das Blut kann nicht mehr richtig fließen. Der Körper wird schlechter versorgt. Gehirnleistung und Konzentrationsfähigkeit lassen nach. Auch die Gefahr von Nierensteinerkrankungen, Harnwegsinfektionen oder Verstopfungen steigt an. Haut und Schleimhäute trocknen aus, wodurch Viren und Bakterien leichter in den Körper gelangen können.

Anzeichen für einen Flüssigkeitsmangel sind: Kopfschmerzen, Übelkeit, Mundtrockenheit, Durstgefühl oder auch Appetitlosigkeit. Lassen Sie es nicht so weit kommen! Immer auf die Warnsignale des Körpers hören, denn der Klügere kippt nach! Die 42-jährige Journalistin Sarah Smith beispielsweise hat so ihre Migräne in den Griff bekommen – und über vier Wochen im Internet den Effekt einer erhöhten Trinkmenge auf ihr Aussehen dokumentiert. Beeindruckend!

Und noch etwas: Die Volksweisheit, beim Essen nichts trinken zu dürfen, weil man dadurch die Magensäure verdünnen und die Verdauung stören könne, stimmt nicht. Im Gegenteil: Eine gewisse Magenfüllung durch Flüssigkeit dämpft das Hungergefühl und verhindert, dass wir uns zu sehr vollstopfen. Sie dürfen also beim Dinieren durchaus etwas für die Nieren tun.

So, wie der Mangel an Flüssigkeit schaden kann, kann auch eine zu große Flüssigkeitsaufnahme schädlich sein. Schon ab mehr als zwei Litern wird ein körpereigenes Schutz-Eiweiß aus den Nieren, das schädliche Bakterien binden kann, zu stark verdünnt. Bei mehr als sechs Litern Flüssigkeitszufuhr wird das Blut zu wässrig, die Zellen platzen, und die Gehirnmasse schwillt drastisch an. Der Körper kann pro Tag nun mal nur ein gewisses Quantum an Flüssigkeit wieder ausscheiden. Dieser Hinweis richtet sich beispielsweise an alle Oktoberfestbesucher …

Grundsätzlich gilt: Wer sich an die empfohlene Durchschnittsmenge von zwei Litern täglich hält, macht nichts falsch. Besonders vorsichtig müssen aber Herz-, Nieren- und Leberpatienten sein. Mit zu viel Wasser sind ihre geschwächten Organe einfach überfordert. Sie dürfen daher nicht so viel trinken wie ein gesunder Mensch. Diese Aussage einer Patientin schien mir jedoch stark übertrieben: »Wenn ich Wasser trinke, dann muss ich das verdünnen.« Vielleicht meinte die Dame die berühmte Wasser-Wasser-Schorle? Ich weiß es nicht. Was ich aber sagen kann: Dieser Hinweis leitet über zum nächsten Thema und damit zur Frage nach der Art der Flüssigkeit.

Wasser, Tees und Säfte sind selten ein Fehler, sofern sie nicht überdosiert werden. Eine Lanze möchte ich an dieser Stelle für den Kaffee brechen. Als bekennender Koffeinist muss ich auf die positiven Effekte von Kaffee hinweisen. Amerikanische Wissenschaftler fanden Hinweise, dass bestimmte Inhaltsstoffe des Kaffees nicht nur eine zellschützende Wirkung haben, sondern über einen bestimmten Effekt auf Sexualhormone auch das Prostatakrebsrisiko senken können.

Einen traditionell besseren Ruf hat da schon der Wein, der ja gut für Herz, Kreislauf und Psyche sein soll. Eine kanadische Studie zeigte sogar, dass ein bis zwei Gläser Rotwein ähnlich positive Effekte auf die Herzfunktion und die Muskeln haben sollen wie eine Stunde Sport. Ursächlich dafür ist der Inhaltsstoff Resveratrol. Allerdings, so betonen die Wissenschaftler, sollte der Wein den Sport nicht ersetzen. Dem schließe ich mich an.

Am allerliebsten sind mir aber immer noch die Biertrinker unter den Patienten, denn sie glauben sehr genau zu wissen, wie viel und was sie trinken. Lesen Sie mal genau hin:

Ich: »Wie viel trinken Sie denn so am Tag?«

Patient: »Ich bin jetzt von Kölsch auf Alkoholfrei umgestiegen, is dat ’n Fehler?«

Oder: »Abends trinke ich drei bis vier Flaschen Bier, aber wenn spannende Filme kommen, dann schaffe ich nur eine.«

Oder: »Früher fing es nach 15 Bier an zu schmecken, heute muss ich nach fünf bis sechs aufhören.«

Oder: »An Alkohol trinke ich nur alkoholfreies Bier.«

Oder umgekehrt: »Ich trinke überhaupt keinen Alkohol, aber Bier trinke ich sehr gerne.«

Oder: »Für die Blase trinke ich Radeberger-Tee – oder wie der heißt.«

Ja ne, is klar! Da ist mir aufrichtige Abstinenz lieber. Ein anderer Patient erfand passend zum Thema die beschönigende Bezeichnung »Nasen- und Bierentee«. Nach diesen vier Flaschen und 15 Gläschen Bier fällt mir die Überleitung zu einem weiteren Trink-Thema leicht: dem gesteigerten Durst.

Ein deutlich stärkeres Durstgefühl kann Anzeichen für eine Krankheit sein. Alkoholismus ist hier allerdings (noch) nicht gemeint. Wenn ich von übermäßigen Trinkmengen spreche, meine ich die gesteigerte Zufuhr von Wasser oder anderen alkoholfreien Getränken. Ganz oben auf der Liste steht die Zuckerkrankheit, auch Diabetes mellitus genannt. Vereinfacht gesagt, sind die Nieren bei Diabetikern überfordert, der Zucker geht in den Urin über und »zieht« das Wasser mit aus dem Körper. Um den Flüssigkeitsverlust wieder auszugleichen, verspürt der Körper diesen sehr großen Durst. Unstillbarer Durst kann aber auch durch eine Überfunktion der Nebenschilddrüse hervorgerufen werden oder durch die mangelnde Fähigkeit der Nieren, den Urin zu konzentrieren.

Werfen wir am Ende dieses Kapitels doch noch einen letzten Blick auf eine bisher nur am Rande erwähnte, aber in der Realität leider nicht seltene Folge übergroßen Durstes, nämlich diese:

Patient: »Ich bin jetzt Frührentner auf Alkohol jeworden.« – »So kann’s gehen.« Ich, aber nur gedacht.

Steinreich — arm dran: Nierensteine

Vorhin habe ich noch davon gesprochen, und nun kommt es dicke: Nierensteine. Wer schon mal welche hatte, kann ein Lied davon singen. Nierensteine kommen in meiner Praxis immer wieder vor, mitunter als Zufallsbefunde im Ultraschallbild. Häufiger aber fallen sie dem Patienten auf, und zwar durch Schmerzen, sehr heftige Schmerzen, sogenannte Koliken. Weibliche Betroffene, die Kinder haben, bestätigen häufig, dass Koliken nur noch von Geburtswehen übertroffen werden. Wehen ähnlich ist auch das Kommen und Gehen der Steinschmerzen. Ein Patient meinte zu mir: »Wenn meine Beschwerden besser werden, dann sind sie weg, und wenn sie dann wiederkommen, sind sie wieder da …«

Die Schmerzen treten in der Lendengegend oder im Bauchraum auf. Wer zum ersten Mal betroffen ist, kann mitunter nicht erkennen, ob der Schmerz wirklich von der Niere kommt. Die krampfartigen Schmerzen im unteren Rückenbereich strahlen nämlich gerne in alle Richtungen aus, typischerweise jedoch von der Flanke über den Unterbauch bis in die Leiste und je nach Lokalisation auch bis in die Schamlippen oder Hoden. Schweißausbrüche und Erbrechen zählen häufig zu den Begleiterscheinungen. Meine Standardfrage an Patienten mit Schmerzbeschwerden in der Nierengegend lautet daher: »Haben Sie noch weitere Beschwerden?« Einmal bekam ich zu hören: »Ja, ich hab ’ne schlechte Ernährung.«

Womit wir bei den Ursachen wären: Wer sich schlecht ernährt, nicht genügend trinkt und sich auch noch wenig bis gar nicht bewegt, bereitet dem Nierenstein die Bahn – und die führt geradewegs über den Harnleiter zur Harnblase. Doch »der Mensch heißt Mensch, weil er vergisst, weil er verdrängt«, sage nicht ich, singt Herbert Grönemeyer. Leider, sage ich, hat er recht. Die Menschen machen es sich aber auch einfach: »Ich hab bei der Krankenkasse ’nen Antrag für Sport laufen«, berichtete mir eine Patientin stolz. Worauf ich mir eine Spitze nicht verkneifen konnte: »Hoffentlich wird der bewilligt. Wie sollten Sie sonst jemals Sport machen können.«

Überernährung, Übergewicht und Süßgetränke haben die Menge der sogenannten Harnsteinbildner in den westlichen Ländern stark ansteigen lassen. Die Steine bestehen meistens aus Kalk, sprich Calcium, das vorwiegend in Milchprodukten vorkommt, und aus Oxalat, das in hoher Menge in Spinat, Nüssen und Schokolade enthalten ist. Noch etwas Cola obendrauf und der »Beton« ist angerührt. Wenn man pro Tag mindestens ein zuckerhaltiges Getränk zu sich nimmt, steigt das Steinrisiko um bis zu ein Drittel an, während das Trinken von Kaffee, Tee, Bier, Wein und Orangensaft mit einem niedrigeren Risiko verbunden ist. Dies liegt neben der harntreibenden Wirkung möglicherweise auch an den schützenden Inhaltsstoffen.

Obwohl Nierensteine bereits in tausend Jahre alten Mumien nachgewiesen werden konnten, zählen sie heute eindeutig zu den Zivilisationskrankheiten. Dies liegt daran, dass mit zunehmendem Wohlstand der Konsum von tierischem Eiweiß steigt. Aber auch Entzündungen und Fehlbildungen der Nieren mit Behinderung des Harnflusses oder etwa genetische Defekte sowie Stress begünstigen die Steinbildung. Fünf Prozent der Bevölkerung bilden ein Mal oder mehrmals im Leben Harnsteine, meist in der Altersgruppe zwischen 25 und 50 Jahren. Hier machen sich die Folgen von Bewegungsmangel und Übergewicht erstmals bemerkbar. Auf 100000 Einwohner kommen jährlich etwa 500 neu dazu. Wer einmal einen Stein hatte, der schleppt ein Risiko von immerhin 25 Prozent mit sich herum, dass der Schwerenöter wieder auftritt. Da erstaunt es doch sehr, dass deutlich weniger als die Hälfte der Betroffenen in der Folge ihre Lebensgewohnheiten ändert. Fatalerweise kann auf eine Steinkolik auch eine längere schmerzfreie Zeit folgen, was den Betroffenen den erlebten Schmerz wieder vergessen und verdrängen lässt. Ich nenne es mal HGE, den Herbert-Grönemeyer-Effekt.

Übrigens unterscheidet man zwischen aktiven und ruhenden Nierensteinen. Ruhende Steine, die keine Schmerzen, keine Blutungen, keine Infektion und vor allem keine Harnstauung verursachen, müssen nicht behandelt, aber unbedingt beobachtet werden. Ein unbehandelter Nierenstau kann eine Niere zugrunde richten, wie dieses Beispiel aus meiner Praxis belegt: »Stellen Sie sich vor, Herr Doktor, als mein Mann gestorben ist, hatte er schon ’ne tote Niere.« Bis dahin hatte ich wirklich nicht gewusst, dass der Sensenmann auch Ratenzahlungen akzeptiert.