Was soll das alles - Patrizia Hausheer - E-Book

Was soll das alles E-Book

Patrizia Hausheer

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Beschreibung

Zwei Freundinnen treffen sich regelmässig in Bars. Was die Mittdreissigerinnen umtreibt, ist das Leben, das Leben in allen seinen Facetten. Der Wein fliesst und so ihre Gespräche. Dem Alltag der Philosophinnen entsprungen bewegen sie sich von einer Lebensfrage zur nächsten – was ist aus Sehnsüchten, Träumen und Hoffnungen geworden? Schreiben wir Selbstverwirklichung zu gross? Wo erfährt man sich als Mensch? Im Rausch? In der Liebe? Im Sex? Was wollen wir?. Meistens bleiben endgültige Antworten aus. Immer geht es in eine nächste Runde, aber immer ist auch irgendwann letzte Runde. Mal abgeklärt, dann wieder hoffnungsvoll, persönlich, von tief philosophisch, weltentfremdet zu lebensnah, von ironisch zu bitterernst – Was soll das alles? basiert auf tatsächlich geführten Bargesprächen zwischen den beiden gut befreundeten Frauen und besticht durch seine Authentizität und Intimität. In Dialogform gehalten, schliesst es an die traditionsreiche philosophische Darstellungsmethode der platonischen Dialoge an.

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Zwei Freundinnen treffen sich regelmäßig in Bars. Was sie umtreibt, ist das Leben, das Leben in all seinen Facetten. Der Wein fließt und so ihre Gespräche. Vor dem Hintergrund ihrer Alltagswelt hangeln sie sich von einer Lebensfrage zur nächsten. Wo erfahre ich mich als Mensch? Im Rausch? In der Liebe? Existiere ich, wenn ich mich selbst vergesse? Wo beginne ich, wo ende ich? Und wie gehe ich mit meiner Endlichkeit um? … Mit einem Philosophiestudium im Rücken lassen sie sich nicht mit einfachen Antworten abspeisen. Immer geht es in eine nächste Runde, aber immer ist auch irgendwann letzte Runde.

Basierend auf tatsächlich geführten Bargesprächen zwischen den beiden gut befreundeten Frauen greift «Was soll das alles» die großen Fragen auf; mal direkt und unvermittelt, mal persönlich und intim, mal wissenschaftlich abgeklärt, dann wieder lebensnah, von ironisch zu bitterernst.

Vanessa   Und wo bitte findet sich dieses Selbst?Patrizia     Nietzsche hatte Recht. Im Rauschzustand bin ich. Bin ich nicht. Ich falle in eine Art Weltfusion. Das Sonderbare ist, dass ich mich gerade dann am ehesten erfahre, wenn ich mich vergesse. Ich bin dann bei mir, wenn ich nicht da bin.

Tiefsinnige und ebenso witzige Gespräche zu lebensphilosophischen Fragen aus dem Alltag zweier Philosophinnen – unbeschönigt und intim.

«Beim Lesen von Was soll das alles wird man auch als Nichtphilosophin ermutigt, mitzudenken, mitzureden, Einwände vorzubringen. Dieses Büchlein macht Lust auf die grossen Fragen – das ist inspirierend.»Martina Läubli, NZZ am Sonntag

Patrizia Hausheer (1983) studierte Philosophie und französische Literatur an den Universitäten Sorbonne, Bourgogne und Zürich. Seither ist sie als Lehrperson an Gymnasien und an Sekundarschulen tätig. Nebenher arbeitet sie als freie Journalistin.

Vanessa Sonder (1982) studierte Philosophie, Biologie und Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Zürich. Seither arbeitet sie als Redaktorin und Lektorin. Bisherige Veröffentlichungen: Gelebtes Embrach – Erinnerungen an ein vergangenes Jahrhundert (2014).

Patrizia Hausheer (l.) und Vanessa Sonder verbindet neben ihrer Freundschaft auch die Zusammenarbeit an künstlerischen Projekten in der Philosophie. Ihr Schaffen reicht von Installationen über philosophische Texterzeugnisse bis zu poetischen Kurzfilmen. Beiträge am Philosophiefestival Langenthal (2014) und an der Langen Nacht der Philosophie Zürich (2016 und 2017).

© Cyril Müller, Zürich

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.Alle Rechte vorbehalten

2. Auflage© 2018, Arisverlag (Ein Imprint von Redaktionsbüro.ch GmbH) Schützenhausstrasse 80 CH-8424 Embrach www.arisverlag.ch | www.redaktionsbüro.ch

Coverfoto: ©fafarumba/123rf.com & Lynn Grevenitz, kulturkonsulat.comUmschlaggestaltung und Satz: Lynn Grevenitz, kulturkonsulat.comLektorat: Redpen GmbH/Katrin Sutter Druck: CPI books GmbH, www.cpibooks.deISBN Print: 978-3-9524924-0-6E-Book-Erstellung: CPI books GmbH, LeckISBN E-Book: 978-3-907238-35-6

Mit freundlicher Unterstützung von

Inhalt

Vorwort

Sinn des Lebens

Selbstverwirklichung

Rausch

Ich und die anderen

Liebe

Von Leben und Tod

Was soll das alles? – Gespräche über Gespräche

Anhang: Literaturhinweise/zum Weiterlesen

Vorwort

In einer Bar nahm alles seinen Anfang. Unsere Freundschaft, die philosophischen Gespräche und nicht zuletzt dieses Buch.

Seit unserer ersten Begegnung treffen wir uns fast ausschließlich in Bars – bei einem Glas Rotwein, einem Drink, drinnen, draußen, in überfüllten Clubs oder in leeren Hotelbars. Unsere Gespräche handeln von alltäglichen Sorgen und Freuden, stoßen zu den großen Fragen vor, wieder zurück, vor, zurück.

Stets angetrieben durch den dringlichen Wunsch: Die Philosophie, unsere Leidenschaft, sie muss bleiben.

‹Was soll das alles› liegt allen hier versammelten Bargesprächen zugrunde, als ernsthafte Frage, Empörung, ernüchternde Feststellung oder als Ausdruck großer Irritation … Auch im Hinblick auf unser gegenwärtiges Tun: Was soll dieses Buch? – Der Leser möge für sich eine Antwort finden.

Sinn des Lebens

Patrizia

Das Wort Bonheur (franz. Glück) stammt aus dem Lateinischen. Es bedeutet so viel wie Chance. Etwas, das uns geschieht. Uns von außen her zufällt. Wofür wir nichts können. Genauso wenig wie für das Unglück. Eine prekäre Sache also. Mir ist bewusst, dass das keine moderne Auffassung ist. Heute würden viele sagen: «Das Glück, das hole ich mir. Dafür tue ich was.» Ein Recht auf Glück?

Wenn man gemäß ursprünglicher Bedeutung des Wortes nicht aktiv zum Glück beitragen kann, dann ist es doch umso besser, sich direkt ins Glück hineinzusetzen. An einen Ort, der schlichtweg Bonheur heißt. Café du Bonheur.

Es ist eines der wenigen Cafés, wo man ungestört auf der Terrasse die Sonnenstrahlen genießen kann und dabei einen wunderbaren Ausblick auf einen Springbrunnen hat. Nur zwischendurch hört man die Glocken der Bullingerkirche. Dann lauscht man wieder dem Plätschern des Wassers. Fast so wie im Zürcher Oberland, wo ich aufgewachsen bin.

Als Kind dachte ich immer, der Sinn des Lebens würde sich mir eines Tages wie eine Überraschung aus dem Nichts heraus offenbaren. Jemand würde mir das Geheimnis lüften. Jemand, der schon länger am Leben war als ich. Natürlich kannte ich die Konzepte des Glücks, Daseins und Sinns damals nicht, aber ich fühlte mich zu alten Menschen in der Nachbarschaft hingezogen. Ich suchte sie unangemeldet auf, setzte mich auf ihre Gartenstühle und unterhielt mich unverdrossen mit ihnen. Meine Mutter erzählte davon an Familienfeiern immer mit einem entzückten, aber zugleich auch verlegenen Gesichtsausdruck. Jemand musste doch über das Geheimnis Bescheid wissen. Doch bis heute blieb mir eine konkrete Antwort verwehrt. War das der Grund für mein Philosophie-Studium? Die Reaktionen auf meine Studienwahl waren meistens von leichter Verwunderung geprägt, wollten die Leute im gleichen Atemzug doch wissen, wie es um meine finanzielle Zukunft stand. Für mich hingegen stand fest, es gibt nichts Wichtigeres im Leben, als über Lebensfragen nachzudenken. Und ich war überrascht, dass nicht alle es mir gleichtaten. Auch sie waren doch mit den Sinnfragen konfrontiert. Was wäre denn sonst von selber Dringlichkeit?

In meinen Gedanken versunken, habe ich Vanessa übersehen. Sie sitzt schon an einem Tisch und blättert in einem Buch.

Patrizia* He, hallo! Sorry für die Verspätung! Sitzt du schon lange hier?

Vanessa* Nein, nein, ein paar Minuten. Ich hab mir aber schon was bestellt.

*Fortan werden die Namenskürzel P und V verwendet.

P     Ah, okay. Du, hier ist es so idyllisch, dass man glaubt, auf dem Land zu sein.

V     Stimmt. Ich war auch schon mit meinem Sohn hier und er hat sogar im Brunnen gebadet.

P     Schon toll, was man als Kind alles erlebt. – Ich dachte gerade darüber nach, wie ich als Kind immer hoffte, dass sich mir der Sinn des Lebens offenbaren würde. Ich hab dir doch mal erzählt, dass ich immer bei den alten Nachbarn einkehrte.

V     Echt, das hast du dich damals gefragt?!

P     Na ja, nicht bewusst. Aber ich habe nach etwas gesucht. Ich glaube schon, dass da eine Neugierde war zu erfahren, was ältere Menschen übers Leben wissen.

V     Und?

P     Und nichts.

Vanessa lacht. Der Kellner bringt ihr ein Glas französischer Merlot. Ich bestelle einen Bordeaux.

V     Du, ich muss noch was essen. Hast du schon gegessen?

P     Nein. Wir können ja den Käseteller bestellen, passt gut zum Rotwein.

V     Also diese bösen Alten! Sie haben dich einfach im Unwissen gelassen? Könnte es vielleicht daran liegen, dass sie kaum mehr darüber wussten als du? Ich habe mir die Frage nach dem Sinn des Lebens nie so gestellt, bis heute nicht.

P     Wie jetzt? Sie interessiert dich nicht? Du bist doch auch tagtäglich in irgendeiner Form mit der Sinnfrage konfrontiert.

Ich schaue mich um. Die Terrasse hat sich bis auf einen letzten gelben Tisch mit Menschen gefüllt. Familien, Jugendliche, Paare, alle unterhalten sich rege. Es ist diese angenehme, heitere Feierabendstimmung. Einzelne Kinder rennen zum Brunnen und planschen mit den Füßen. In hundert Jahren werden alle tot sein. Ein erschreckender Gedanke beim Anblick dieses lebendigen Treibens. Warum gibt es uns? Hat das alles einen Sinn? Was soll das alles?

V     Ehrlich jetzt, ich stelle mir diese Frage nicht. Wann stellt man sich denn diese Frage überhaupt? Stellst du sie dir im Alltag?

P     Wofür tue ich denn das hier alles? Arbeiten gehen, Zähne putzen, eine Beziehung führen etc. Alles, was du machst, tust du doch, weil du einen Zweck darin siehst. Die Frage nach dem Sinn begegnet dir unweigerlich im Leben.

V     Aber das sind doch alles Teilaspekte, die du da nennst. Das ist nicht die Frage nach dem Sinn des Lebens. Die hat doch das Ganze im Blick. Beginnend bei der Geburt und endend mit dem Tod. Da geht es nicht um einzelne Tage in meinem Dasein. Oder hast du etwa das Gefühl, dass du die große Frage beantworten wirst, wenn du alle Teilfragen in deinem Leben sinnvoll beantwortest?

P     Nein, nicht wirklich. Aber wir fragen doch auch, weil wir mehr sein wollen als bloße Existenz. Für Schopenhauer ist gerade das der Unterschied zum Tier, dass wir uns über unser Leben Gedanken machen.

V     Klar. Mehr sein als dahinvegetieren. Doch dafür muss ich mir weder die Sinnfrage stellen noch mich um deren Antwort bemühen. Die meisten Leute stellen sich die Frage nach dem Sinn des Lebens sowieso erst dann, wenn sie in einer Lebenskrise stecken. Dann denkt man plötzlich über das Leben und den größeren Zusammenhang nach und stellt sich überrascht die Frage: Hat das einen Sinn?

P     Das würde bedeuten, dass der Sinn des Lebens nie bewusst gelebt wird. Sondern erst bei seinem Abhandenkommen, in einer Krise, die folglich immer auch eine Sinnkrise ist, überhaupt erst zum Vorschein kommt?

V     War denn ein Sinn vorher da? Nehmen wir ein Beispiel aus dem Alltag. Jemand wird verlassen. Bei vielen führt eine Trennung zu einer allgemeinen Sinnkrise, die sich auf alle Lebensbereiche ausweiten kann. Man hört dann Sätze wie «Seit ich nicht mehr mit dieser Person bin, hat alles keinen Sinn mehr» etc. Was ist damit gemeint? Was ist passiert?

P     Vielleicht ging der Lebensentwurf nicht auf? Man war sozusagen gefangen im Lauf der Dinge. Und wie du sagst, die Frage nach dem Sinn wurde darum gar nie gestellt. Und plötzlich muss man sich einen neuen Entwurf zurechtlegen. Und da taucht die Sinnfrage auf.

Das ist meine große Angst. Dass das Leben einfach automatisch abläuft. Ehe man sich versieht, ist es schon vorüber, da man nur im Lauf der Dinge gefangen war.

V     Das Interessante an der Sinnfrage ist ja, dass sie erst durch die Erfahrung eines Verlustes, einer herben Enttäuschung, Verletzung oder von Vergleichbarem entsteht. Und das bedeutet doch auch, dass die Sinnfrage wiederum nur möglich ist, weil ich mich als Wesen in Raum und Zeit begreife. Ein Kleinkind kennt vielleicht gerade deshalb die Sinnfrage nicht, weil sein Selbst-Bewusstsein noch nicht entsprechend entwickelt ist.

P     Stimmt. Aber zurück zur Krise. Diese wäre also der Einbruch der Wahrheit. Das Leben gerät aus den Fugen. Es fällt auseinander und man löst sich aus den Trivialitäten des Alltags heraus. Man sucht nach Sinn, für alles. Heidegger beschreibt das auch als Moment, in dem das Sein zum Vorschein kommt. Dann, wenn der Mensch dem «man» der Gesellschaft entsagt.

V     Okay, und was passiert da?

P     Es ist wie eine metaphysische Erfahrung. Man wird sich seiner Existenz bewusst und dass es die Welt gibt. Man erschrickt. Eine Art metaphysisches Gruseln.

V