Was würde Orwell sagen? - George Orwell - E-Book

Was würde Orwell sagen? E-Book

George Orwell

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Beschreibung

George Orwell war ein britischer Schriftsteller und Journalist, der vor allem durch seine politischen Essays und Romane wie "1984" und "Animal Farm" bekannt wurde. Seine Essays zeichnen sich durch klare und präzise Sprache, scharfe Beobachtungen und eine unbeirrbare Haltung gegenüber Ungerechtigkeit und Unterdrückung aus. In seinen Essays setzte sich Orwell unter anderem mit Themen wie Kolonialismus, Nationalismus, Totalitarismus und dem Schreiben selbst auseinander. In dem Essay "Pressefreiheit" beschäftigt sich George Orwell mit der wichtigen Rolle der Pressefreiheit in einer demokratischen Gesellschaft. Orwell argumentiert, dass eine freie Presse notwendig ist, um die Regierung und andere Machthaber zu kontrollieren und zu überwachen. Der Essay "Die Verhinderung der Literatur" von George Orwell befasst sich mit dem Konzept der Zensur und der Einschränkung von Freiheiten im Bereich der Literatur. Orwell argumentiert, dass die Verhinderung von Literatur immer auch eine Verhinderung der Freiheit der Meinungsäußerung und der individuellen Gedanken darstellt. In "Politik und die englische Sprache" kritisiert er die Verwendung von verwirrenden und unpräzisen Ausdrücken in der politischen Debatte. Orwells Essays sind auch heute noch relevant und lesenswert, da sie die grundlegenden Fragen des menschlichen Zusammenlebens auf eine eindringliche und nachdenkliche Weise erforschen.

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Inhaltsverzeichnis

WARUM ICH SCHREIBE

PRESSEFREIHEIT

DIE VERHINDERUNG DER LITERATUR, 1946

KÖNNEN SOZIALISTEN GLÜCKLICH SEIN?

NOTIZEN ÜBER NATIONALISMUS

EINEN ELEFANTEN ERSCHIEßEN (1936)

REZENSION VON ADOLF HITLERS „MEIN KAMPF“

DU UND DIE ATOMBOMBE

DIE ZUKUNFT EINES ZERSTÖRTEN DEUTSCHLANDS

POLITIK UND DIE ENGLISHE SPRACHE, 1946

WARUM ICH SCHREIBE

ERSCHIENEN IM „GANGREL MAGAZINE“, NUMMER 4 IM SOMMER 1946

Schon in sehr jungen Jahren, vielleicht mit fünf oder sechs, wusste ich, dass ich als Erwachsener Autor werden würde. Zwischen dem Alter von etwa siebzehn und vierundzwanzig versuchte ich, diesen Gedanken aufzugeben, aber ich tat es in dem Bewusstsein, dass ich meine wahre Natur erzürnte und ich früher oder später zur Ruhe kommen und Bücher schreiben müsste.

Ich war das mittlere Kind von dreien, aber zu jeder Seite hin bestand ein Altersunterschied von fünf Jahren und ich sah meinen Vater kaum, bis ich acht war. Aus diesem und anderen Gründen war ich etwas einsam und entwickelte bald unangenehme Eigenheiten, die mich während meiner Schulzeit unbeliebt machten. Ich hatte die Angewohnheit des einsamen Kindes, mir Geschichten auszudenken und mich mit unsichtbaren Personen zu unterhalten, und ich glaube, dass meine literarischen Ambitionen von Anfang an mit dem Gefühl vermischt waren, isoliert und unterschätzt zu sein. Ich wusste, dass ich gut mit Worten umgehen konnte und die Kraft hatte, mich unangenehmen Fakten zu stellen, und ich wusste, dass dies eine Art private Welt schuf, in der ich mich für mein Versagen im Alltagsleben entschädigen konnte. Trotzdem bestand die Gesamtheit meiner ernsthaften – d.h. ernsthaft gemeinten – Schriften, die ich während meiner gesamten Kindheit und Jugend produzierte, aus nicht mehr als einem halben Dutzend Seiten. Ich verfasste mein erstes Gedicht im Alter von vier oder fünf, meine Mutter schrieb es nach meinem Diktat nieder. Ich kann mich an nichts daraus erinnern, nur dass es um einen Tiger ging und der Tiger „stuhlartige Zähne“ hatte – als Ausdruck gar nicht übel, aber ich glaube, das Gedicht war ein Plagiat von Blakes „Tiger, Tiger“. Im Alter von elf, als der Erste Weltkrieg ausbrach, schrieb ich ein patriotisches Gedicht, das in der lokalen Zeitung abgedruckt wurde, ebenso wie zwei Jahre später ein weiteres, über den Tod Kitcheners. Als ich älter war, schrieb ich von Zeit zu Zeit schlechte und normalerweise unvollendete „Naturgedichte“. Ich versuchte mich auch ungefähr zweimal an einer Kurzgeschichte, die ein grässlicher Fehlschlag war. Das war die Gesamtheit des möchtegern-ernsthaften Werks, das ich in all den Jahren zu Papier brachte.

Allerdings wurde ich in dieser Zeit in gewisser Hinsicht literarisch aktiv. Erstens gab es Sachen, die ich auf Bestellung produzierte, schnell, leicht und ohne großes Vergnügen. Abgesehen von den Schularbeiten schrieb ich vers d’occasion, halbkomische Gedichte, die ich mit einer Geschwindigkeit ausstoßen konnte, die mir jetzt unglaublich erscheint – im Alter von vierzehn schrieb ich innerhalb einer Woche ein komplettes Theaterstück in Versen, Aristophanes imitierend, und half dabei, Schülerzeitungen, sowohl gedruckt wie handschriftlich, herauszugeben. Diese Magazine waren das erbärmlichste possenhafteste Zeug, das man sich vorstellen kann, und ich gab mir mit ihnen weitaus weniger Mühe, als ich es jetzt mit dem billigsten Journalismus tun würde. Aber neben all dem übte ich mich fünfzehn oder mehr Jahre in einer ganz anderen literarischen Tätigkeit: diese war das Erfinden einer fortlaufenden „Geschichte“ über mich selbst, eine Art Tagebuch, das nur in meiner Vorstellung existierte. Ich glaube, das ist eine übliche Gewohnheit von Kindern und Jugendlichen. Als sehr kleines Kind stellte ich mir gerne vor, dass ich zum Beispiel Robin Hood wäre, und sah mich als Held spannender Abenteuer, aber ziemlich bald hörte meine „Geschichte“ auf, auf so derbe Weise narzisstisch zu sein, und wurde zunehmend zu einer reinen Beschreibung dessen, was ich tat und sah. Mir gingen minutenlang solche Dinge durch den Kopf: „Er öffnete die Tür und betrat das Zimmer. Ein gelber Sonnenstrahl, der durch die Musselinvorhänge drang, neigte sich zur Tischplatte, wo eine halboffene Streichholzschachtel neben dem Tintenfass lag. Er ging zum Fenster, die rechte Hand in der Tasche. Unten auf der Straße jagte eine Katze ein vertrocknetes Blatt“, etc. etc. Diese Angewohnheit setzte sich fort, bis ich etwa fünfundzwanzig war, durch meine nicht-literarischen Jahre hindurch. Obwohl ich nach den richtigen Worten suchen musste, schien ich diese beschreibenden Versuche fast gegen meinen Willen zu machen, unter irgendeiner Art äußeren Zwangs. Die „Geschichten“ reflektierten wohl, so nehme ich an, die Stile der verschiedenen Autoren, die ich in verschiedenen Altersstufen jeweils bewunderte, aber soweit ich mich erinnere, hatten sie immer dieselbe sorgfältig beschreibende Art.

Als ich etwa sechzehn war, entdeckte ich plötzlich die Freude der Worte an sich, d.h. Klang und Assoziationen von Worten. Was das Bedürfnis des Beschreibens von Dingen betrifft, darüber wusste ich bereits alles. Also ist klar, welche Art Bücher ich schreiben wollte, soweit man sagen kann, dass ich zu der Zeit überhaupt Bücher schreiben wollte. Ich wollte enorme naturalistische Romane mit unglücklichem Ende schreiben, voller detaillierter Beschreibungen und faszinierender Gleichnisse, und auch voller hochtrabender Passagen, in denen die Worte teilweise nur aufgrund ihres Klanges verwendet wurden. Und tatsächlich ist mein erster vollendeter Roman, ‚Tage in Burma‘, den ich im Alter von dreißig schrieb, aber viel früher plante, so ziemlich ein solches Buch.

Ich gebe all diese Hintergrundinformationen, weil ich nicht glaube, dass man die Motive eines Autors beurteilen kann, ohne etwas über seine frühe Entwicklung zu wissen. Seine Themen werden von dem Zeitalter, in dem er lebt, bestimmt – jedenfalls trifft dies in turbulenten, revolutionäre Zeiten wie unseren zu – aber bevor er überhaupt mit dem Schreiben beginnt, wird er eine emotionale Einstellung erreicht haben, der er nie vollständig entkommen kann. Es ist zweifellos seine Aufgabe, sein Temperament zu kontrollieren und es zu vermeiden, in irgendeinem unreifen Stadium oder irgendeiner verdrehten Stimmung steckenzubleiben: aber wenn er seinen frühen Einflüssen gänzlich entflieht, wird er seinen Schreibimpuls abgetötet haben. Von der Notwendigkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen, abgesehen, glaube ich, dass es vier große Motive für das Schreiben gibt, jedenfalls für das Schreiben von Prosa. Sie existieren in jedem Autor, in verschieden starker Ausprägung und ihre Anteile werden in jedem Autor von Zeit zu Zeit variieren, je nach der Atmosphäre, in der er oder sie lebt. Sie sind:

(i) Reiner Egoismus. Das Bedürfnis, dass man klug erscheint, über einen geredet wird und man nach dem Tod nicht vergessen wird, man es den Erwachsenen, die einen in der Kindheit von oben herab behandelten, zeigen kann, etc. etc. Es ist Unsinn, vorzugeben, dies wäre kein Motiv, es ist ein starkes. Autoren teilen diese Eigenschaft mit Wissenschaftlern, Künstlern, Politikern, Anwälten, Soldaten, erfolgreichen Geschäftsmännern – kurz gesagt, mit der ganzen Erfolgsschicht der Menschheit. Die große Masse der Menschen ist nicht übermäßig egoistisch. Mit ungefähr dreißig geben sie individuelle Ambitionen auf – in vielen Fällen geben sie tatsächlich das Bewusstsein, überhaupt Individuen zu sein, auf – und leben vorwiegend für andere oder werden schlichtweg von der Schufterei erstickt. Aber es gibt auch die Minderheit begabter, eigensinniger Menschen, die entschlossen sind, bis zum Ende ihr eigenes Leben zu leben, und Autoren gehören zu dieser Gruppe. Ernstzunehmende Autoren sind meiner Meinung nach insgesamt eitler und selbstbezogener als Journalisten, wenn auch weniger an Geld interessiert.

(ii) Ästhetischer Enthusiasmus. Das Empfinden von Schönheit in der Welt oder, andererseits, in Worten und ihrer richtigen Anordnung. Freude an der Wirkung dieses oder jenen Klangs, an der Entschlossenheit guter Prosa oder dem Rhythmus einer guten Geschichte. Das Bedürfnis, eine Erfahrung zu teilen, die man als wertvoll empfindet und die nicht verpasst werden sollte. Die ästhetische Motivation ist bei vielen Autoren sehr schwach ausgesprägt, aber sogar ein Pamphletist oder Autor von Lehrbüchern wird Lieblingsworte oder –ausdrücke haben, die ihm aus anderen als zweckmäßigen Gründen zusagen, oder er hat vielleicht entschiedene Ansichten über Typografie, Randbreite etc. Kein Buch, das über dem Kursbuch steht, ist gänzlich frei von ästhetischen Überlegungen.

(iii) Historischer Impuls. Bedürfnis, die Dinge zu sehen, wie sie sind, die wahren Fakten herauszufinden und sie für die Nachwelt festzuhalten.

(iv) Politischer Zweck – ich benutze das Wort „politisch“ im weitestmöglichen Sinn. Das Bedürfnis, die Welt in eine bestimmte Richtung zu lenken, die Vorstellungen anderer Leute über die Art Gesellschaft, nach der sie streben sollten, zu verändern. Wie gesagt, kein Buch ist völlig frei von politischer Voreingenommenheit. Die Meinung, dass Kunst mit Politik nichts zu tun haben sollte, ist selbst eine politische Einstellung.

Es ist ersichtlich, wie diese verschiedenen Impulse einander bekämpfen und wie sehr sie von Person zu Person und von Zeit zu Zeit variieren. Von Natur aus – sehen wir „Natur“ als den Zustand, den man mit Beginn des Erwachsenenalters erreicht hat – bin ich ein Mensch, in dem die ersten drei Motive das Vierte überwiegen. In einem friedlichen Zeitalter hätte ich vielleicht kunstvolle oder nur beschreibende Bücher geschrieben und wäre mir meiner politischen Loyalitäten fast unbewusst geblieben. Die gegebenen Umstände zwangen mich, eine Art Pamphletist zu werden. Zuerst verbrachte ich fünf Jahre in einem unpassenden Beruf (die Indian Imperial Police in Burma) und dann durchlebte ich Armut und das Gefühl des Versagens. Dies verstärkte meinen natürlichen Hass auf Autorität und machte mir zum ersten Mal die Existenz der Arbeiterklasse vollständig bewusst, und die Stelle in Burma führte dazu, dass ich die Natur des Imperialismus begriff: aber diese Erfahrungen reichten nicht aus, um mir eine präzise politische Einstellung zu verschaffen. Dann kamen Hitler, der Spanische Bürgerkrieg, etc. Am Ende des Jahres 1935 war es mir immer noch nicht gelungen, eine unerschütterliche Entscheidung zu treffen. Ich erinnere mich an ein kleines Gedicht, das ich zu der Zeit schrieb und das mein Dilemma ausdrückte:

Ein glücklicher Pfarrer hätte ich sein könnenvor zweihundert Jahren,ewige Verdammnis predigen und meine Walnüsse wachsen sehen.

Aber, ach!, ich wurde in eine böse Zeit geboren,ich verpasste diese angenehme Zuflucht,denn mir wuchsen Haare auf der Oberlippeund die Geistlichen sind immer sauber rasiert.

Und später waren die Zeiten noch gut, wir waren so leicht zu erfreuen,wir wiegten unsere aufgewühlten Gedankenam Busen der Bäume in den Schlaf.

Ganz unwissend wagten wir zu besitzendie Freuden, die wir jetzt verbergen;der Grünfink auf dem Apfelbaumzweigkönnte meine Feinde erzittern lassen.

Aber Mädchenbäuche und Aprikosendie Krümmung in einem schattigen Strom, Pferde, bei Morgenanbruch fliegende Enten, es sind alles Träume.

Es ist verboten, wieder zu träumen, wir verstümmeln oder verstecken unsere Freuden.Pferde aus Chromstahlgeritten von kleinen fetten Männern.

Ich bin der Wurm, der sich nie drehte, der Eunuch ohne Harem,zwischen dem Priester und dem Kommissargehe ich wie Eugene Aram.

Und der Kommissar sagt mir meine Zukunft vorauswährend das Radio spielt, aber der Priester hat einen Austin Seven versprochen,denn Duggie bezahlt immer.

Ich träumte, ich wandelte in Marmorhallen,wachte auf und es war wahr. Ich wurde für ein solches Zeitalter nicht geborenWurde Smith es? Oder Jones? Oder du?

Der Spanische Krieg und andere Ereignisse der Jahre 1936-37 waren das Zünglein an der Waage und danach wusste ich, wo ich stand. Jede Zeile ernsthafter Arbeit, die ich seit 1936 geschrieben habe, wurde, direkt oder indirekt, gegen den Totalitarismus und für den demokratischen Sozialismus, so wie ich ihn verstehe, geschrieben. Es scheint mir Unsinn, zu glauben, dass man in einer Zeit wie der unseren vermeiden kann, über solche Themen zu schreiben. Jeder schreibt in irgendeiner Weise über sie. Es ist einfach eine Frage, welche Seite man einnimmt und welchem Ansatz man folgt. Und umso mehr man sich der eigenen politischen Voreingenommenheit bewusst ist, desto mehr hat man die Chance, politisch zu handeln, ohne die eigenen ästhetische und intellektuelle Integrität zu opfern.

Was ich in den letzten zehn Jahren am meisten tun wollte, ist, politisches Schreiben zu einer Kunstform zu machen. Mein Anfangspunkt ist immer ein Gefühl der Parteilichkeit, eine Ahnung von Ungerechtigkeit. Wenn ich mich hinsetze, um ein Buch zu schreiben, sage ich mir nicht selbst: „Ich werde ein Kunstwerk schaffen.“ Ich schreibe es, weil es eine Lüge gibt, die ich enthüllen möchte, eine Tatsache, auf die ich Aufmerksamkeit richten möchte, und mein anfängliches Anliegen ist es, Gehör zu finden. Aber ich könnte die Arbeit, ein Buch, oder auch nur einen langen Zeitschriftenartikel zu schreiben, nicht bewältigen, wenn es nicht auch eine ästhetische Erfahrung wäre. Jeder, der sich die Mühe macht, meine Arbeit zu begutachten, wird feststellen, dass sie selbst dann, wenn sie direkte Propaganda ist, viel enthält, was ein Vollzeitpolitiker unwichtig finden würde. Ich bin nicht in der Lage, die Weltsicht, die ich mir in der Kindheit aneignete, komplett aufzugeben, und möchte es auch gar nicht. Solange ich lebendig und gesund bin, wird mir Prosastil weiterhin wichtig sein, ebenso wie die Oberfläche der Erde zu lieben und sich an soliden Themen und Fetzen nutzloser Information zu erfreuen. Es hat keinen Sinn, diese Seite in mir zu unterdrücken. Die Aufgabe ist es, meine tief verwurzelten Vorlieben und Abneigungen mit den notwendigerweise öffentlichen, nicht individuellen Aktivitäten zu vereinbaren, die dieses Zeitalter uns allen aufzwingt.

Es ist nicht leicht. Es wirft Probleme bei der Konstruktion und Sprache auf und es wirft auf neue Weise das Problem der Ehrlichkeit auf. Lassen Sie mich nur ein Beispiel der derberen Art auftretender Schwierigkeiten geben. Mein Buch über den Spanischen Bürgerkrieg, Mein Katalonien, ist natürlich ein offen politisches Buch, aber hauptsächlich wurde es mit einer gewissen Abgeklärtheit und Sinn für Form verfasst. Ich gab mir größte Mühe, darin die gesamte Wahrheit zu erzählen, ohne meine literarischen Instinkte zu verletzen. Aber es enthält unter anderem ein langes Kapitel, voller Zeitungszitate und ähnlichem, das die Trotzkisten verteidigt, welche beschuldigt wurden, mit Franco zu konspirieren. Offensichtlich muss ein solches Kapitel, welches nach ein oder zwei Jahren bei keinem normalen Leser noch Interesse weckt, das Buch ruinieren. Ein von mir respektierter Kritiker hielt mir dazu einen Vortrag. „Warum haben Sie dieses ganze Zeug mit aufgenommen?“, sagte er. „Sie haben etwas, das ein gutes Buch hätte sein können, in Journalismus verwandelt.“ Was er sagte, traf zu, aber ich hätte es nicht anders machen können. Ich wusste zufällig das, was nur wenigen anderen Menschen in England zu wissen erlaubt war, nämlich dass unschuldige Männer zu Unrecht beschuldigt wurden. Wäre ich darüber nicht wütend gewesen, hätte ich das Buch nie geschrieben.

Auf die eine oder andere Weise stellt sich dieses Problem immer wieder. Das Problem der Sprache ist subtiler und es würde zu lange dauern, es darzulegen. Ich möchte hier nur sagen, dass ich in den letzten Jahren versuchte, weniger bildhaft, sondern exakter zu schreiben. In jedem Fall stelle ich fest, dass man, wenn man irgendeinen Schreibstil perfektioniert hat, immer schon aus diesem herausgewachsen ist. Farm der Tiere war das erste Buch, in dem ich mit vollem Bewusstsein versuchte, politischen und künstlerischen Zweck zu vereinen. Ich habe seit sieben Jahren keinen Roman geschrieben, hoffe aber, ziemlich bald wieder einen zu schreiben. Es wird bestimmt ein Misserfolg, jedes Buch ist ein Misserfolg, aber ich weiß mit einiger Klarheit, welche Art Buch ich schreiben möchte.

Wenn ich die letzten ein, zwei Seiten durchsehe, stelle ich fest, dass ich den Eindruck vermittelt habe, meine Motive für das Schreiben wären völlig sozial. Das möchte ich nicht als letzten Eindruck stehen lassen. Alle Autoren sind eitel, egoistisch und faul, und die Wurzel ihrer Motive ist in ein Geheimnis gehüllt. Ein Buch zu schreiben ist ein schrecklicher, erschöpfender Kampf, wie eine lange, schmerzhafte Krankheit. Man würde so etwas nie auf sich nehmen, wenn man nicht von irgendeinem Dämon getrieben würde, dem man weder widerstehen noch ihn verstehen kann. Soweit man weiß, ist dieser Dämon einfach derselbe Instinkt, der ein Baby nach Aufmerksamkeit weinen lässt. Und trotzdem stimmt es auch, dass man nichts Lesbares schreiben kann, sofern man nicht ständig darum kämpft, die eigene Persönlichkeit zurückzudrängen. Gute Prosa ist wie eine Fensterscheibe. Ich kann nicht sicher sagen, welches meiner Motive das stärkste ist, aber ich weiß, welche es wert sind, ihnen zu folgen. Und wenn ich mir meine Arbeit betrachte, erkenne ich, dass ich genau dann leblose Bücher schrieb und mich zu hochtrabenden Passagen, bedeutungslosen Sätzen, dekorativen Adjektiven und allgemeinem Unsinn hinreißen ließ, wenn mir ein politischer Zweck fehlte.

PRESSEFREIHEIT

GEPLANTES VORWRT ZU „FARM DER TIERE“, ZUERST IM TIMES LITERARY SUPPLEMENT VOM 15. SEPTEMBER 1972 VERÖFFENTLICHT, MIT EINER EINFÜHRUNG VON SIR BERNARD CRICK. IAN ANGUS FAND DAS ORIGINALMANUSKRIPT 1972.

Die Idee zu diesem Buch entstand, wenn man vom allgemeinen Konzept ausgeht, 1937, aber es wurde erst Ende 1943 geschrieben. Als es geschrieben wurde, war offensichtlich, dass es sehr schwierig werden würde, es veröffentlichen zu lassen (trotz des momentanen Buchmangels, der sicherstellt, dass alles, was als Buch bezeichnet werden kann, sich „verkauft“) und es wurde von vier Verlegern zurückgewiesen. Nur einer von diesen hatte ein ideologisches Motiv. Zwei veröffentlichten seit Jahren anti-russische Bücher und der andere hatte keine merkliche politische Färbung. Ein Verleger nahm das Buch anfangs an, beschloss aber nach dem Erledigen der vorbereitenden Arrangements, das Ministry of Information zu befragen, das ihn anscheinend gewarnt oder ihm in jedem Fall energisch geraten hat, es nicht zu veröffentlichen. Hier ist ein Auszug seines Briefes:

Ich erwähnte die Reaktion, die ich von einem wichtigen Mitarbeiter des Ministry of Information hinsichtlich Farm der Tiere bekommen hatte. Ich muss zugeben, dass mir diese Meinungsäußerung sehr zu denken gegeben hat … Ich kann jetzt erkennen, dass es als etwas betrachtet werden könnte, dessen Veröffentlichung zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehr unklug ist. Wenn die Fabel sich allgemein auf Diktatoren und Diktaturen beziehen würde, wäre die Veröffentlichung in Ordnung, aber die Fabel verfolgt, wie ich jetzt sehe, so vollständig die Entwicklung der russischen Sowjets und ihrer beiden Diktatoren, dass sie sich nur auf Russland beziehen kann und auf keine der anderen Diktaturen. Eine weitere Sache: es wäre weniger anstößig, wenn die tonangebende Kaste in der Fabel keine Schweine wären. Ich glaube, die Wahl von Schweinen als herrschende Kaste wird zweifellos viele Menschen beleidigen, insbesondere jeden, der ein wenig empfindlich ist, wie es die Russen zweifellos sind.

So etwas ist kein gutes Symptom. Es ist offensichtlich nicht wünschenswert, dass eine Regierungsabteilung irgendwelche Macht zur Zensur (abgesehen von Zensur aus Sicherheitsgründen, gegen die in Kriegszeiten niemand etwas einzuwenden hat) von Büchern hat, die nicht von offizieller Seite gefördert werden. Aber die Hauptgefahr für die Gedanken- und Redefreiheit ist in diesem Augenblick nicht die direkte Einmischung des MOI oder irgendeiner offiziellen Stelle. Wenn Verleger und Redakteure sich bemühen, gewisse Themen aus Druckwerken fernzuhalten, liegt es nicht daran, dass sie vor Verfolgung Angst haben, sondern dass sie vor der öffentlichen Meinung Angst haben. In diesem Land ist intellektuelle Feigheit der schlimmste Feind, dem ein Autor oder Journalist sich stellen muss, und diese Tatsache scheint mir nicht die Diskussion zu erhalten, die sie verdient.

Jeder unparteiische Mensch mit journalistischer Erfahrung wird zugeben, dass die offizielle Zensur während dieses Krieges nicht sonderlich unangenehm war. Wir wurden nicht jener Art totalitärer „Koordination“ ausgesetzt, die realistisch zu erwarten gewesen wäre. Die Presse hat einige berechtigte Klagen, aber insgesamt hat die Regierung sich gut verhalten und war Minderheitenmeinungen gegenüber überraschend tolerant. Die unheilvolle Tatsache bei der literarischen Zensur in England ist, dass sie größtenteils freiwillig stattfindet.