Wasservolk - Kämpfer der Schatten - Renate Blieberger. - E-Book

Wasservolk - Kämpfer der Schatten E-Book

Renate Blieberger.

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Beschreibung

Ein romantischer Fantasy-Roman für Erwachsene

Durch die Willkür seiner toten Königin um ein Auge und jeden, der ihm nahe stand, gebracht, versteckt Leonis, der Krieger aus dem Wasservolk, sich hinter einem Schutzwall aus Zynismus. Nun zusammen mit den Überlebenden seiner alten Heimat an der Oberfläche im Exil kämpft er um deren und auch seine eigene Zukunft und bekommt es dabei mit einem gierigen Unternehmer und einer anderen Gruppe des Wasservolks zu tun. Dabei begegnet er der Ärztin Senara, die ihn mit jedem Tag mehr fasziniert. Doch eine gemeinsame Zukunft scheint unmöglich.

Senara wird von Männern entführt, die sie mit Schuppen an den Beinen aus dem Wasser kommen sieht, um einem von ihnen das Leben zu retten. In deren Gefangenschaft trifft sie auf Leonis, der, obwohl von derselben Rasse wie ihre Entführer, ebenfalls von ihnen gefangen gehalten wird. Was als Zweckbündnis beginnt, wird zu mehr und bald will sie ihn nicht mehr missen. Nur leider passen ihre Leben überhaupt nicht zusammen.


Andere Bände der Reihe:
Band 1: Wasservolk – Der Bastard Prinz
Band 2: Wasservolk – Der Sonnenkrieger
Band 3: Wasservolk – Bote der Sonne

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WASSERVOLK

 

Kämpfer der Schatten

 

von

Renate Blieberger

 

 

Inhaltsverzeichnis

Impressum

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

Leseprobe

Impressum

 

ALLE RECHTE VORBEHALTEN

2. Auflage 2024

Autor und Herausgeber: Renate Blieberger

Zwischenweg 14, A-2700 Wiener Neustadt

E-mail: [email protected]

Covergestaltung: Photodesign Rene` Brandes

Zur Lustgartenbreite 4a

39365 Harbke Deutschland

www.renebrandes.de

1. Kapitel

 

 

„Sie sind wie Geister“, seufzte Gilwar.

„Nur clever“, widersprach Leonis. „Sie lassen sich an keinem Ort mehr als einmal sehen und nutzen jede Deckung. Überraschend raffiniert für Mitglieder des Adels.“

Gilwar erwiderte müde: „Zwölf Jahre auf der Flucht können einen verändern. Außerdem sind sie nicht alle von Adel.“

„Nicht?“, fragte Leonis überrascht. In seiner Stadt wäre es undenkbar gewesen, jemand aus dem einfachen Volk in die Königswache aufzunehmen. Seine Stadt, die ebenso untergegangen war, wie Gilwars Stadt. Als Mitglieder eines Unterwasservolks lebten sie alle seit dem Verlust ihrer Heimat verborgen unter den Menschen. Nur leider gefährdeten die Gesuchten diese Tarnung, weil sie immer wieder gesehen wurden und Menschen ermordet hatten. Sein Freund und König Nikos wünschte, mit ihnen zu verhandeln, um ihre Tarnung zu sichern und hatte Leonis deswegen auf die Suche nach ihnen geschickt. Leonis selbst gab diesem Auftrag keine große Chance auf Erfolg. Er war zu lange in den Schatten der Gesellschaft gewandelt, um die Verbissenheit dieser Männer nicht zu verstehen.

Gilwar erklärte: „Als sie mich verbannt haben, waren sie zu sechst. Ihr Anführer Farald und die Brüder Adair und Bedran stammen aus großen Häusern, ebenso wie der, den ich töten musste. Sein Name war Haerviu. Die anderen Beiden stammen aus dem einfachen Volk.“

Leonis schnaubte: „Eure Stadt war wohl um einiges toleranter als unsere.“

„Nicht tolerant genug“, erwiderte Gilwar bitter, „und meine Versuche, das zu ändern, haben es noch schlimmer gemacht.“

„Das kommt mir irgendwie bekannt vor“, spottete Leonis. „Als Nikos das in unserer Stadt versucht hat, gab es einen Bürgerkrieg und die Stadt ist untergegangen. Aber zurück zu unserem Problem. Da sie, wie gesagt, nie zwei Mal am selben Ort gesehen wurden, bringt es nichts, die Orte ihrer Sichtungen abzuklappern. Wir müssen sie zu mir locken.“

„Wie?“

„Verbreite, dass du einen Wochenendtrip ans Meer machst. Sie werden der Versuchung, sich deinen Kopf zu holen, nicht widerstehen können. Allerdings wirst nicht du dort auf sie warten, sondern ich.“

„Was deinen Kopf in Gefahr bringen dürfte“, konterte Gilwar.

Leonis erwiderte ironisch: „Ich habe nicht so lange im miesesten Viertel der Stadt überlebt, weil ich unvorsichtig bin. Ich werde dort sein, aber vor ihren Blicken verborgen. Du schickst ein Double von dir, und wenn sie verschwinden, weil sie den Bluff bemerkt haben, werde ich ihnen folgen. Sobald wir ihren Unterschlupf kennen, wird es einfacher, einen von ihnen zu separieren und mit ihm zu sprechen.“

Gilwar erwiderte ernst: „Das Double darf mir nicht zu ähnlich sehen. Ich will nicht noch ein Leben auf dem Gewissen haben.“

„Dein Auto zusammen mit der Ankündigung sollte reichen“, beruhigte Leonis ihn.

 

 

Senara streichelte dem Hundewelpen zärtlich über den Kopf, ehe sie ihn in den Korb setzte. Irgendein Scheusal hatte den armen Kerl am Strand ausgesetzt und sich selbst überlassen. Ihr Freund Garvin hatte ihn verletzt und halb verhungert gefunden und in seine Auffangstation mitgenommen. Hauptsächlich versorgte er hier zwar verletzte Wildtiere aber auch für Streuner hatte der Meeresbiologe ein Herz. „Er mag dich“, brachte Garvin sich in Erinnerung.

Senara seufzte: „Ich ihn auch. Aber ich habe keine Zeit für einen Hund Garvin. Neben meinen Schichten im Krankenhaus schaffe ich es kaum, dir hier ein wenig zu helfen.“

„Eine Hilfe, für die ich sehr dankbar bin“, erwiderte er ernst. „Das Geld ist zu knapp für Angestellte und die Arbeit zu viel für eine Person und dann noch die Sache mit Webster.“

Senara runzelte besorgt die Stirn. „Hat er immer noch nicht aufgegeben?“

„Ganz im Gegenteil“, teilte Garvin ihr düster mit. „Dieser Mistkerl zieht alle Register. Er macht Stimmung gegen mich, indem er den Leuten Jobs in dem geplanten Hotel verspricht und du weißt ja, wie schlecht der Arbeitsmarkt derzeit ist. Aber etwas Positives gibt es. In Inverness gibt es eine Gruppe, die sich für meine Arbeit interessiert. Sie haben ein TV-Interview für mich organisiert, damit ich mein Dilemma der breiten Öffentlichkeit nahe bringen kann. Es ist zwar nur ein regionaler Sender, aber besser, als mich nur auf Mundpropaganda zu verlassen. Dafür muss ich aber für ein paar Tage nach Dublin reisen. Ich weiß du hast viel Arbeit, aber es wäre toll, wenn du ein Mal am Tag vorbeischauen und die Tiere füttern könntest.“

Sie schenkte ihm ein Lächeln. „Mach dir keine Sorgen. Wann fährst du? Vielleicht kann ich mir ein paar Tage Urlaub nehmen. Würde mir ohnehin gut tun. Es wird immer stressiger.“

Er verzog zerknirscht das Gesicht. „Es hat sich ganz kurzfristig ergeben und ich muss schon Morgen fahren.“

Sie versprach: „Ich sehe, was ich tun kann, aber verhungern lasse ich deine Schätze auf keinen Fall. Ich komme Morgen vor der Arbeit vorbei. Schlaf gut, damit du Morgen für das Interview fit bist“, und ging. Garvins Station lag direkt am Strand und sie liebte den Weg zu ihm fast so sehr, wie die Station selbst. Wenn Garvins Mittel nicht so knapp wären, hätte sie ihren Job als Ärztin wahrscheinlich schon über Bord geworfen, um mit ihm hier zu arbeiten. Die Dankbarkeit der Tiere war eine wunderbare Abwechslung zu den Neurosen ihrer Patienten. Dabei hatte Senara die Medizin mal geliebt. Während ihrer Ausbildung hatte sie davon geträumt, das Leben von entstellten Unfallopfern wieder lebenswert zu machen und sich auf plastische Chirurgie spezialisiert. Die Realität hatte sie allerdings rasch ernüchtert. Ihre meisten Patienten wollten größere Brüste, straffere Pos und weniger Falten. Sie hatte natürlich längst daran gedacht, die Fachrichtung zu wechseln, aber dafür hätte sie dort noch mal von unten anfangen müssen und darauf hatte sie keine besonders große Lust. Immerhin war sie schon dreiunddreißig und hatte nicht mehr die Energie einer Assistenzärztin. Außerdem war das Leben teuer und in der Ausbildung wurde man nicht eben gut bezahlt. Sie seufzte auf. Urlaub war wirklich eine gute Idee. Hoffentlich bekam sie ihn kurzfristig. Sie zog ihr Handy aus der Tasche und wählte die Nummer ihres Kollegen. Der hob nach ein paar Freizeichen ab und grinste: „Hältst du es nicht mehr bis Morgen ohne mich aus Hunter?“

Sie schmunzelte: „Eigentlich will ich es sogar noch viel länger ohne dich aushalten. Hast du Lust auf eine Körbchengröße D+ Op? Ich brauche Morgen frei und so kurzfristig werden die mir keinen Urlaub geben.“

„Ist etwas passiert?“, fragte er besorgt.

„Ein Freund fährt auf Urlaub und braucht einen Tiersitter und er hat wirklich viele Tiere.“

„Der Kerl von der Auffangstation?“

„Genau der.“

Sie sah Garys Grinsen förmlich noch breiter werden. „Wer könnte schon bei D+ im Paket mit hilflosen Tieren widerstehen? Ich übernehme für dich und überrede die Chefärztin, dir Urlaub zu geben. Ich schick dir ne SMS, wenn ich sie rumgekriegt habe.“

„Rumgekriegt?“, spottete sie. Die Chefärztin war zwar sehr fähig, aber fast sechzig und ganz sicher nicht Garys Typ.

Er schnaubte: „Nicht, woran du schon wieder denkst, Hunter. Du solltest dir echt mal einen Lover zulegen. Deine Fantasie liegt schon zu lange brach.“

„Und beschäftigt sich gar nicht mit dir“, zog sie ihn auf.

„Du brichst mir das Herz Hunter.“

„Du wirst es überleben“, neckte sie ihn. „Danke Gary. Wenn du das schaffst, hast du etwas gut bei mir.“

„Genieß deinen Urlaub“, erwiderte er und legte auf. Sie steckte das Handy wieder weg. Gary war ein viel zu guter Kollege, um sich mit ihm einzulassen und entschieden zu flatterhaft für ihren Geschmack. Aber mit einem hatte er recht, sie war schon verdammt lange solo. Allerdings hatte sie für einen Partner ebenso wenig Zeit, wie für einen Hund. Sie verdrängte die unerfreulichen Gedanken, konzentrierte sich auf das Rauschen der Brandung und setzte ihren Weg fort. Aus dem Augenwinkel sah sie zwei Köpfe aufs Ufer zu kommen und unterdrückte nur mit Mühe ein Grinsen. Manche Leute waren echt nicht mehr zu retten. Das Meer hatte um diese Jahreszeit keine fünfzehn Grad. Die Zwei würden sich eine gehörige Erkältung holen. Wirklich schade, dass die gut aussehenden Kerle immer eine Macke haben mussten. Der Eine hatte rotes kurzes Haar und etwas kantige aber gut geschnittene Züge. Der Zweite war blond und seine Augen so blau, dass sie es sogar von ihrer Position aus erkennen konnte. Inzwischen hatten sie das Ufer erreicht und sich aufgerichtet und sie bekam nackte gut gebaute Oberkörper zu sehen. Fast ohne es zu wollen, war sie stehen geblieben und beobachtete sie. Nirgends am Strand war Kleidung zu sehen und die Brise war kühl. Sie war neugierig, ob die zwei Verrückten tatsächlich nur in einer Badehose quer über den herbstlichen Strand laufen würden, oder ob sie wenigstens eine Neoprenhose trugen. Sie kamen weiter aus dem Wasser und sie erblickte Schuppen auf ihren Beinen. Das war doch nicht möglich. Sie kniff die Augen zusammen, um sie besser sehen zu können, aber die Schuppen blieben Schuppen. Verdammt noch mal, Garvins Räuberpistole war gar keine Räuberpistole. Diese Typen gab es wirklich. Sie warf sich herum und begann zu rennen.

Keine zehn Meter weiter wurde sie umgerissen und eine Hand presste sich auf Ihren Mund. Sie strampelte und wand sich, aber der Griff war zu fest und der Kerl auf ihr schien nur aus Muskeln zu bestehen. Er riss sie hoch und der Zweite legte ihr eine Kette mit einem Stein daran um den Hals. Kaum hatte er die Kette verschlossen, zerrte der Kerl hinter ihr sie mit sich, direkt auf das Wasser zu. Angst fuhr in Senaras Glieder. Die wollten sie ertränken, weil sie sie gesehen hatte. Sie trat und kratzte und wand sich, wurde aber immer weiter auf das Wasser zu gezogen und schließlich hineingestoßen. Das Wasser schlug über ihrem Kopf zusammen, aber sie wurde nicht nass und sie bekam Luft. Sie war in eine verdammte Luftblase gehüllt. Ihre Gedanken, wie das möglich war, zerfaserten je, als die zwei Männer sie weiter ins Meer hinaus und dort tief unter die Oberfläche zogen. Ihr Herz raste und sie war vor Angst wie erstarrt, und ehe die Schwärze der Tiefe sie verschlucken konnte, wurde sie ohnmächtig.

 

 

Einige Stunden später

 

Gilwar legte sein Handy weg und berichtete: „Ich habe bei der Bekannten eines Reporters durchsickern lassen, dass ich einen geschäftlichen Ausflug an die Küste machen werde, um dort Land zu begutachten, das ich angeblich kaufen und bebauen will. Wenn ich an eure heftige Reaktion auf mein angebliches Interesse am Land dieser Delia denke, dürfte sie das zu sehr reizen, um sich nicht blicken zu lassen. Mein Assistent wird mit meinem Wagen und meinem Chauffeur dorthin fahren. Er ist auch blond und hat eine ähnliche Figur wie ich. Aber sobald er aus dem Wagen steigt, ist die Katze aus dem Sack.“

„Das wird reichen“, versicherte Leonis. „Wann findet dieser Ausflug statt?“

„Schon Morgen. Ihnen zu viel Zeit zum Planen zu lassen, halte ich für unvernünftig, und wie ich diese Geier von der Klatschpresse kenne, ist die Story schon morgen früh in den Regalen und im Internet wird sie noch früher sein.“

„Ich wusste gar nicht, dass sich die Presse so um dich reißt“, spottete Leonis.

Gilwar zuckte die Schultern. „Je geheimnisvoller man tut, desto heißer sind sie auf jedes Detail aus deinem Leben. Was hältst du von dem Plan?“

Leonis räumte ein: „Er ist gut. Ein wenig Zugzwang wird sie hoffentlich schlampig machen. Wann genau wird er dort sein?“

„Am frühen Abend. So kannst du ihnen in der Dunkelheit folgen und sie haben genug Zeit, um die Falle zu erreichen, falls sie sich nicht in deren Nähe befinden sollten.“

„Gut mitgedacht“, lobte Leonis.

„Gefährlich ist es dennoch“, mahnte Gilwar. „Du solltest ein Peilgerät bei dir tragen, damit ich dich im Notfall finden kann.“

„Wenn deine Leute mich kriegen und es finden sind sie erst recht sauer und eine Rettung käme ohnehin zu spät“, wehrte Leonis ab.

Gilwar musterte ihn besorgt, „ich würde deinem König wirklich ungern von deinem Tod berichten.“

„Ihm ist das Risiko bei diesem Auftrag klar, ebenso wie die Tatsache, dass wir es versuchen müssen. Mein möglicher Tod wird seine Meinung bei etwaigen weiteren Verhandlungen mit dir nicht beeinflussen. Ich werde auch versuchen, sie von deinen guten Absichten zu überzeugen. Dazu wäre mehr Wissen über eure Fehde nützlich.“

Gilwars Miene wurde düster. „Wie gesagt, meine Arroganz hat den Stein unserer Stadt und damit die Stadt zerstört und unter den Opfern war auch die schwangere Frau meines Hauptmanns.“

„Das sagtest du schon. Die Frage ist, was genau hast du getan, um den Stein zu zerstören? Wenn es ein Unfall war, könnte so eine Offenbarung ihre Meinung ändern.“

„Ein hübscher Gedanke“, seufzte Gilwar. „Nur leider nicht zutreffend.“

„Was genau hast du getan?“, bohrte Leonis weiter. Sein Auftrag würde ihn in die Fehde zwischen Gilwar und seinen vormaligen Königswachen verwickeln. Je mehr er wusste, desto eher würde er überleben.

„Dazu muss ich etwas weiter ausholen“, erwiderte Gilwar bitter. „Der Legende nach schenkte der Gott Cerunnos unseren Vorfahren Kiemen und Schuppen und den heiligen Stein. Sie verließen die Oberfläche, um den schlechten Seiten der Menschheit zu entgehen.“

Leonis warf ironisch ein: „Die Geschichte kommt mir irgendwie bekannt vor.“

Gilwar verzog seine Lippen zu der Andeutung eines Lächelns. „Ich nehme an, Cerunnos war nicht der einzige Gott, der die Nase von der Menschheit voll hatte und ich kann es ihnen nicht verdenken. Doch leider nahmen unsere Vorfahren viele der schlechten Seiten mit unter Wasser, wie die Zweiklassengesellschaft. Als ich König wurde, wollte ich etwas dagegen unternehmen. Mir war natürlich klar, dass ich sie nicht einfach per Befehl abschaffen konnte. Also suchte ich einige begabte Leute aus dem einfachen Volk aus und nahm sie in meine Dienste. Der Krieger Cadoc, dem du bei Farald begegnen wirst, war einer von ihnen. Ich hoffte, wenn ich den Adeligen ihre Talente vor Augen führe, würde das langfristig ihre Meinung über das einfache Volk ändern.“

„Ich nehme an, das hat nicht so gut funktioniert“, schnaubte Leonis.

„Es hat gar nicht funktioniert“, erwiderte Gilwar bitter. „Ein paar Adelige nahmen sie an, doch für den Großteil waren sie immer noch Abschaum. Nachdem ich mir die Vergeblichkeit dieses Versuchs eingestanden hatte, versuchte ich einen anderen Ansatz. Wenn ich die Unterschicht schon nicht abschaffen konnte, wollte ich ihr Leben wenigstens besser machen. Ich war nie ein Mann des Glaubens Leonis, also suchte ich Rat in der Wissenschaft. Nach dem Studium unzähliger Schriftrollen und Gesprächen mit Gelehrten bin ich der Wahnsinnsidee verfallen, ich könne den Stein manipulieren. Ich dachte mir, wenn ich seinen Radius und seine Wärme steigern könnte, wäre unser Boden fruchtbarer und es würde für alle mehr bleiben. Ich testete mein Verfahren an einem der kleinen Steine und es funktionierte. Der Stein erzeugte bei Körperkontakt zwar keine größere aber eine wärmere Blase und sie war voller Licht. Im Taumel meines vermeintlichen Erfolgs wandte ich die Methode an dem großen Stein an. Auch er erzeugte erst mal mehr Wärme und Licht. Die Leute feierten mich, doch das Erwachen aus meinem Traum war unsanft. Der kleine Stein zerfiel keine Woche nach meinem Test in tausend Stücke.“ Er verstummte und Leonis sah Schmerz auf Gilwars Zügen. Nach einigen Momenten fuhr er fort: „Ich hatte die Energie des Steins nicht erhöht, sondern nur ihren Verbrauch gesteigert. Er brannte aus. Ich versuchte, es rückgängig zu machen, doch es gelang mir nicht. Da der große Stein mehr Energie hatte, hatten wir etwas Zeit. Also machte ich mich mit meinen treuesten Königswachen auf den Weg, um ein Exil für unsere Leute zu finden. Doch ich hatte unterschätzt, wie schnell der Stein sich verbrauchte. Den Rest kennst du. Ich würde meinen rechten Arm geben, um meine Schuld an ihnen abzutragen.“

„Dummerweise wollen sie nicht deinen Arm, sondern deinen Kopf“, erwiderte Leonis trocken, hauptsächlich um zu verbergen, wie sehr ihn Gilwars Geschichte bewegte.

Gilwar lachte bitter auf. „Ich verstehe ihren Hass Leonis. Ich habe ihnen alles genommen.“

„Dein Fehler hat ihnen alles genommen“, verbesserte Leonis ihn. „Das ist ein Unterschied und du versuchst wenigstens, es wieder gut zu machen. Davon konnten wir während der Regentschaft von Königin Poliniki und ihrem Sohn nur träumen.“ Er deutete auf seine Augenklappe. „Das hat sie mir ausstechen lassen, weil ich einem Wächter Widerworte gegeben habe und das war nur die Spitze des Eisbergs. Wir normale Leute mussten in den Minen schuften, und wenn wir nach Ansicht der Wächter nicht genug geschürft hatten, zeigten sie uns ihr Missfallen deutlich, und zwar so.“ Er wandte Gilwar den Rücken zu, zog sein Hemd hoch und entblößte damit seinen Rücken und die unzähligen Peitschennarben darauf.

„Bei Cerunnos“, keuchte Gilwar.

Leonis zog das Hemd wieder zurecht und erwiderte ernst: „Glaub mir, gegen Poliniki und ihren Sohn bist du ein Heiliger. Dessen solltest du dir bewusst sein und ich werde versuchen, ihnen das klar zu machen. Aber ...“

Gilwar vollendete seinen Satz: „Die Chancen stehen sehr schlecht. Das ist mir bewusst und bin dir für deine Hilfe sehr dankbar.“

„Eine Hand wäscht die andere. Ohne dich käme ich nie an sie heran. Außerdem käme ein Frieden zwischen ihnen und dir uns allen zugute. Sobald diese Fehde vom Tisch ist, wäre deine Siedlung für meine Leute wieder eine Option und glaub mir, die brauchen wir dringend.“

„Also tust du es nicht aus Mitgefühl“, stellte Gilwar ironisch fest.

Leonis zuckte die Schultern. „Ich habe zu lange in der Unterschicht gelebt, um keinen gesunden Egoismus zu entwickeln. Der hält einen am Leben.“

Gilwar antwortete rau: „Unabhängig von deinen Motiven wünsche ich dir Erfolg. Es sind schon zu viele unserer Leute gestorben.“ Das stimmte und leider könnten es noch weit mehr werden, falls er versagte.

 

 

Senara kämpfte sich aus der Schwärze hoch und fand sich in einem Albtraum wieder. Um sie herum war Luft und ihre Entführer hatten keine Schuppen mehr, aber dafür war über der Luftblase nur Wasser, und zwar so enorm viel, dass es nach ein paar Metern in Schwärze mündete. Das Licht, das die paar Meter beleuchtete, kam offenbar von irgendwo innerhalb der Luftblase. Der Rothaarige näherte sich ihr und kommandierte: „Steh auf. Du wirst gebraucht.“

„Wozu denn?“, krächzte sie.

„Du wirst einem meiner Männer das Leben retten.“

„Wie bitte?“ Er packte sie am Arm und zerrte sie auf die Beine. Dabei kam sein Gesicht ihr so nahe, dass sie seine verschiedenfärbigen Augen bemerkte. Eines war grün und eines blau und beide musterten sie eisig. Er zerrte sie um einen Fels herum und sie bekam einen am Boden liegenden Mann zu sehen. Dessen Haare waren ebenfalls rot und er war ähnlich gut gebaut, allerdings war seine Haut leichenblass und seine Augen geschlossen. Wie ihre beiden Entführer war er bis auf eine Badehose nackt und jemand hatte seine Schulter bandagiert.

„Heile ihn“, forderte der Kerl neben ihr.

„Wie stellen Sie sich das vor?“, fragte sie ungläubig.

Sein Blick wurde, falls überhaupt möglich, noch kälter. „Wir haben dich beobachtet und wissen, dass du eine Heilerin bist.“

„Das stimmt, aber ich kann keine Wunder wirken. Um jemand zu behandeln, brauche ich Medizin und Geräte.“

„Wir haben die Tasche aus Ihrem Haus geholt“, erklang von hinten eine bemerkenswert sanfte Stimme. Sie sah sich um und sah ihren anderen Entführer mit ihrer Tasche auf sich zu kommen. Leider war das mehr ein Andenken, als eine echte Arztasche. Als Spitalsärztin brauchte sie schließlich keine.

Sie würgte hervor: „Das ist keine vollständige Ausrüstung und Medizin ist gar keine darin.“

„Schreiben Sie das Rezept und wir besorgen die entsprechende Medizin“, verlangte er.

„Ich ...“, setzte sie an.

Der Blonde suchte ihren Blick. „Er ist mein Bruder Doktor und alles, was ich noch an Familie habe. Bitte helfen Sie ihm.“

„Was genau hat er denn?“, hakte sie nach.

„Er wurde vor gut drei Wochen angeschossen. Wir haben die Kugel rausgeholt und ihn verbunden. Erst mal schien er sich gut zu erholen und die Wunde hatte schon zu heilen begonnen. Vor ein paar Tagen ging es ihm plötzlich schlechter und er bekam Fieber. Seit gestern ist er nicht mehr aufgewacht.“ Senara unterdrückte einen Fluch. Bestimmt hatte sich die Wunde infiziert und so etwas mit ein paar Mittelchen und der Arztasche ihres Dads zu behandeln war so gut wie aussichtslos.

Sie argumentierte: „Er muss in ein Krankenhaus.“

„Das ist keine Option“, teilte ihr der Rothaarige mit. „Tu, was du kannst.“ Was nicht reichen würde und dann war sie vermutlich auch tot, wenn sie es nicht ohnehin schon war, weil sie deren Schuppen gesehen hatte. Nur leider war es zu versuchen und zu hoffen ihre einzige Option. Garvin würde morgen früh abreisen und im Krankenhaus würde sie auch niemand vermissen, weil Gary ihre OP übernahm und Urlaub für sie rausschinden wollte. Doch selbst wenn jemand ihr Fehlen bemerken sollte, wer würde schon auf die Idee kommen, sie am Grund des Ozeans zu suchen? Sie ging neben dem Bewusstlosen auf die Knie, begann die Bandage abzuwickeln und betete dabei um ein Wunder.

2. Kapitel

 

 

Am nächsten Abend

 

Gilwar hatte den Ort für die Falle wirklich gut gewählt. Das Stück Strand war mit großen Felsen übersät, hinter denen Leonis sich verborgen hatte und vom Meer aus nicht gesehen werden konnte. Er war schon um die Mittagszeit an den Strand gekommen und hatte ihn erkundet, um bei der Verfolgung keine bösen Überraschungen zu erleben. Da Gilwars Leute ohne Zweifel aus dem Wasser kommen und auch wieder dorthin verschwinden würden, hatte er seine Kleidung außer der Badehose und dem Gürtel mit der Bauchtasche nach dem Erkundungsgang abgelegt und wartete. Gleich musste Gilwars Wagen mit dessen Assistenten ankommen. Die Sonne stand schon tief und zauberte ein grandioses Lichtspiel aufs Wasser, das ihn für gewöhnlich entzückt hätte. Doch im Moment waren all seine Instinkte und Gedanken auf Überleben und seinen Auftrag ausgerichtet. Das hier war vermutlich ihre einzige Chance, an die Krieger heranzukommen. Das Motorengeräusch kündigte den Wagen an und Leonis spannte sich an. Die sündhaft teure Limousine hielt an der Straße, die am Strand vorbeiführte. Leonis unterdrückte einen Fluch. Das war zu weit weg. Der Assistent stieg aus und er sah einen von Gilwars teuren Anzügen an ihm, aber er war nicht so trainiert wie der Ex-König. Eine Bewegung im Wasser zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Er fuhr herum und sah Schuppen und nackte Haut unter der Oberfläche und beides entfernte sich vom Strand. Er fluchte verhalten und schlich auf das Wasser zu. So wurde ihr Vorsprung zwar noch größer, aber wenn er rannte, würden sie auf ihn aufmerksam werden.