We Were Born For This - Vika Breyer - E-Book

We Were Born For This E-Book

Vika Breyer

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Beschreibung

Sie: Eine Kommandantin, dazu verdammt den Wachhund eines Prinzen und den alleinigen Erben eines Königreichs zu mimen. Er: Ein Prinz der nichts von seiner Stellung weiß, nichts davon ahnt, dass er einer anderen Welt zugehörig ist und eine Hexe, die alles daran setzt seine Thronfolge vereiteln.

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Seitenzahl: 606

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Dieses Buch widme ich

meinem Mann, der meinte

”Wenn sonst keiner schreibt wie du’s dir vorstellst,

dann schreib dein eigenes Buch.”

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Aren

Lee

Marah

Aren

Kapitel 2

Marah

Lee

Aren

Lee

Aren

Leander

Aren

Leander

Aren

Kapitel 3

Leander

Marah

Aren

Marah

Kapitel 4

Marah

Aren

Leander

Aren

Kapitel 5

Leander

Aren

Leander

Aren

Kapitel 6

Aren

Leander

Aren

Leander

Kapitel 7

Aren

Leander

Aren

Leander

Aren

Kapitel 8

Leander

Aren

Leander

Aren

Leander

Aren

Marah

Leander

Aren

Marah

Kapitel 9

Leander

Aren

Marah

Leander

Boudicca

Aren

Leander

Marah

Kapitel 10

Aren

Leander

Aren

Leander

Aren

Marah

Aren

Leander

Marah

Kapitel 11

Leander

Aren

Leander

Aren

Marah

Aren

Leander

Aren

Leander

Aren

Leander

Kapitel 12

Aren

Marah

Aren

Leander

Aren

Marah

Kapitel 13

Aren

Leander

Aren

Marah

Aren

Leander

Marah

Aren

Kapitel 14

Leander

Aren

Leander

Aren

Marah

Kapitel 15

Leander

Aren

Leander

Aren

Marah

Leander

Aren

Leander

Marah

Aren

Marah

Aren

Leander

Aren

Leander

Prolog

”Mutter, Menschen kommen den Weg entlang.”

”Ich sehe es, Aren. Komm begrüßen wir sie, es sind die ersten Menschen seit was, 1.000 Jahren?”

”Seid gegrüßt meine Lieben, mein Name ist Aoibhe. Ich bin das Gleichgewicht.”

”Du bist ein Fuchs, ein großer, goldener Fuchs.”

”Ja, du liegst richtig und dann auch wieder nicht, aber urteile nicht zu voreilig. Lasst mich euch meine Geschichte erzählen. Setzen wir uns aber unter den Baum, bevor ich beginne. Begleitet mich”

”Wir sind gestorben, warum sind wir bei dir Ao... Aio...”

”Aoibhe. Aber nennt mich Aoi. Es gibt kein größeres Gleichgewicht als das des Lebens und des Todes. Ich bin hier und begrüße die Toten zu ihrem neuen Leben. Wenn ihr bereit seid, zieht weiter. Doch zuerst werde ich euch erklären, wer ich bin, warum ich hier bin. Mein Leben begann als Fuchswesen, das Fell silbern glänzend. Schwarze Augen, die alles sahen. Große Ohren, um Jedem Gehör zu schenken. Mein Körper war weich, jedoch schützend für alle Geschöpfe. Mein Wesen galt als verspielt und doch vorsichtig, war weise und tief verwurzelt in unserer Welt.

Als Welpe kam ich nach Monáro, wurde entführt und festgehalten, es dauerte einige Jahre bis ich durch den Herrscher Monáros in die Freiheit geführt und war seit jeher an seiner Seite. Viele Kriege bestritt ich an der Flanke des allmächtigen Hirsches, nicht auf dem Feld, sondern an Tischen. Einst beschenkte der Hirsch viele Fae mit der Macht der Elemente, ich jedoch gewährte hierfür anderen wenigen die Gabe der Telepathie.

Doch mein Licht musste erlöschen. Während einer der Schlachten um die Insel Monáro geriet ich in einen Hinterhalt und wurde durch menschliche feindliche Truppen des Festlands abgeschlachtet. Mein schlaffer Körper wurde mehrfach zerteilt und in einer Holzkiste an den Herrscher übergeben. Er ließ mir zu Ehren goldene Rosen auf meinem Grab erblühen.

Obgleich der Entsetzlichkeit meines Ablebens wurde ich im Tod keine grausame Seele. Ich trat durch die Tore der Bestimmung, wie auch ihr, doch ich nahm den Platz einer Göttin ein. Eine Göttlichkeit mit nun goldenem Fell und sternerfüllten Augen. Ohren, die die Erbärmlichkeit des Lebens vernehmen. Ein Körper, der in der materiellen Welt niemanden mehr beschützen kann, aber arme Seelen vor Flüchen bewahrt. Um den Menschen und Fae eine Chance auf Frieden zu geben, brachte ich einen Samen meiner Selbst in die Welt der Fae und Aren kam daraus hervor.”

”Also bist du sowas wie der Sensenmann”

”Das könnte man durchaus so sagen, was haltet ihr davon, seid ihr bereit überzutreten?”

”Wir wissen jetzt wer du bist Aoibhe. Doch wer die Fae bei dir?”

”Diese Fae war zu Lebzeiten meine Tochter, ein General und eure Königin”

”Ich wusste es, Aren von Uisce. König Leander liegt im Sterben, könnt ihr denn nicht etwas machen? Wir hatten nie ein besseres Leben als unter ihm.”

”Wir wissen davon, aber er hatte ein langes und erfülltes Leben. Aber vor allem war sein Leben dramatisch, zumindest war er es.”

”Würdet ihr uns diese Geschichte erzählen? Unter uns Menschen gibt es viele Legenden und Gerüchte, doch niemand kann sagen war wahr ist und was nicht.”

”Aren würdest du eure Geschichte mit mir erzählen?”

”Natürlich Mutter, ich werde meinen Teil erzählen. Doch zuerst möchte ich euch fragen, ob ihr wirklich bereit seid für unsere und eure Geschichte? Es wird lange dauern, bis ihr alles gehört und verstanden habt.”

”Warum unsere Geschichte?”

”Weil sie erklären wird, warum wir tausende Jahre getrennt lebten und wieder vereint werden konnten.”

”Macht es euch in meinem Fell gemütlich, ihr werdet die Geschichte nämlich nicht nur hören, sondern auch sehen. Wir werden in die Erinnerungen aller eintauchen und alles erleben. Fürchtet euch aber nicht, es kann euch nichts geschehen.”

”Diese Geschichte wird nicht mit meiner Geburt oder gar in Monáro beginnen, sondern in der Menschenwelt. In Irland, ihr werdet aber noch erfahren aus welchem Grund.”

Kapitel 1

Aren

Wieder ist ein Tag geschafft, die Nacht bahnt sich ihren Weg durch die Straßen von Athlone. Eine kleine Stadt am Fluss Shannon in der ich einen Antiquitätenladen führe. Der Laden ist abgeschlossen und ich wandere durch die kühler werdende Nachtluft Irlands. Die Zeit der spendablen Touristen neigt sich langsam dem Ende und jeder in diesem Ort erwartet sehnsüchtig die Weihnachtszeit. Oft frage ich mich, was ich wohl machen würde, hätte ich in meinen Laden keine Bar in den Keller gebaut. Wären meine Ersparnisse dann bereits aufgebraucht, könnte ich die zwei Kinder dann noch ernähren. Marah bestimmt, sie ist klein, achtet auf ihre Figur und Essen steht nicht an oberster Stelle ihrer Prioritätenliste. Bei Lee sieht es ein wenig anders aus, es kann gut sein, dass er mir bereits die Haare vom Kopf gefressen hätte, würde mein Geld knapp werden. Mein Weg führt mich durch schwach beleuchtete Gassen, in denen jede zweite Laterne nicht mehr funktioniert. Je näher ich unserer Wohnung, desto mehr ändert sich der Geruch von Stadtluft und stinkenden Menschen, zu einem leicht fischigen Ton. Am Ufer des Flusses befindet sich die Wohnung. Ein kleines Reich für drei, im obersten von vier Stockwerken. Ich biege um die nächste Ecke, gehe an der Feuertreppe vorbei, die ebenfalls hineinführt und ziehe meine Schlüssel heraus. Bevor ich die massive Metalltüre öffne fahre ich mit meinen Fingern noch über das Graffiti das meine eigene Zeichnung überdeckt. Ich schiebe sie auf und steige die alten Gitterstufen hinauf, öffne die Milchglastüre zu meiner Wohnung. Die Kinder sind noch nicht da, alles ist ruhig und liegt dunkel vor mir. Meinen grünen Parka nehme ich ab, hänge ihn auf und schmeiß meine Schuhe auf den Flickenteppich. Lautlos wandere ich über den Holzfußboden, an den Schlafzimmern vorbei und durch das Wohnzimmer. Bevor ich die große Fensterfront öffne, ziehe ich die schweren Samtvorhänge beiseite. Letzte Sonnenstrahlen erhellen den Raum hinter mir, ich fühle noch eine leichte Wärme durch die Herbstsonne. Ich drehe den Griff des Fensters und ziehe es zur Seite, knarrend öffnet es sich und frische Luft macht mir das Atmen leichter. Bevor ich hinaus steige schnappe ich mir noch eine Decke und ein Feuerzeug, ein breiter Absatz der Feuertreppe dient mir als Balkon, neben mir steht eine Kerze, die ich entzünde. Ein leichter Duft von Zitrone steigt auf und die fliegenden Insekten, die vom nahen Wasser angezogen werden, verschwinden langsamen. Zuerst werfe ich einen Blick zurück in den Raum, an den Wänden und auf jedem Schränkchen breiten sich Pflanzen und schaffen das ganze Jahr über eine sommerliche Atmosphäre, schwenke dann wieder hinüber. Mit geschlossenen Augen wende ich mein Gesicht dem roten Schimmer am Horizont zu, in diesem Land muss man jede Sekunde Licht auskosten. Seit 18 Jahren lebe ich hier, leben wir hier, meine Bräune musste darunter leiden, genauso wie mein Gemüt. Ich kann mich erinnern, dass ich früher in meiner Heimat glücklich war, doch mit zunehmendem Alter und fehlender Sonne verließ mich meine ständige Freude. Leichtlebig nennen es die Menschen hier, bedeutet das, dass ich schwerlebig bin, doch auch die Bezeichnung fühlt sich nicht richtig an. Das Rot verschwindet und zurückbleibt Schwärze. Obwohl der Himmel wolkenlos ist sind keine Sterne zu sehen, in der Stadt leuchten zu viele Lichter, trotz der Dunkelheit ist es immer hell. Die kleine Flamme neben mir flackert ein wenig, knistert und durchbricht die Stille des stetigen Lärms der Stadt. Mit angezogenen Beinen hocke ich auf dem Gitter, lege mein Gesicht auf den Knien ab und denke daran wieder nach Hause zu kommen. Im Sommer des nächsten Jahres wird es soweit sein, endlich. Wir werden unser sicheres Heim verlassen, das Heim in dem jeder seinen Platz fand, ich hebe meinen Kopf, blicke in die Wohnung und denke daran, wie Lee einmal ein Rehkitz mit nach Hause brachte. Es hatte ein gebrochenes Bein und er stand heulend vor mir. Kaum ein Wort brachte er heraus, soviel musste er schluchzen. Ich nahm mich seiner an und gemeinsam, mit Marah, konnten wir es aufpäppeln und in einem Wildpark auswildern. Lee war schon immer so, wenn einer seiner Freunde aufgeschürfte Knie oder einen gebrochenen Knochen hatte, dachte er nie an einen Arzt, sondern an mich. Als hätte ich besondere Kräfte erzählte er jedem, dass ich alles richten könne. Ein Lächeln unterdrückend blase ich das Kerzlein aus, stehe auf und springe in den warmen Raum. Die Decke werfe ich wieder vor den Fenstersims, schließe das Fenster und wende mich den Pflanzen zu. Welke Blätter und alte Blüten zupfe ich ab, über ein wirres System aus Schläuchen gieße ich sie und horche ihrem leisen Rascheln, welches beinahe wie ein Lied klingt.

Jetzt wo es kaum mehr ein Jahr, bis es nach Hause geht, denke ich immer öfter daran, sehne mich danach und verspüre sogar körperliche Schmerzen. Mir fehlt es immer draußen zu sein, mir fehlt die Wärme, doch was mir am meisten fehlt ist mein Wald mit seinen klaren Wassern. Irland ist wunderschön, immer grün, doch kein Vergleich zu meiner grünen Insel. Ein klickendes Schloss unterbricht meine Schwelgerei, Lee kann es noch nicht sein, er hat um diese Zeit noch Training. Marah reißt die Tür auf, knallt diese hinter sich zu und verschwindet in ihrem Zimmer. Von Jahr zu Jahr wird dieses Mädchen anstrengender, bei ihr trifft der Spruch eindeutig zu. Die Bosheit lässt sie nicht in die Höhe, mit ihren etwas mehr als 1,60 m ist sie ein Tornado, der alles hinter sich zerstört und um zu verhindern, dass ihr Zimmer als nächstes dran ist gehe ich vor und klopfe bei ihr an. <<Marah?>>

keine Antwort <<Was ist denn geschehen? Du weißt, du kannst es mir erzählen.>>

Wieder keine Antwort, ein Hämmern neben lässt mich zucken, jemand klopft ziemlich wütend an und brüllt <<Marah! Du kleine Schlampe! So etwas kannst du mit mir nicht abziehen!>>

Eine tiefe Männerstimme lässt Marah herausstürmen <<Verschwinde. Ich schick ihn weg.>>

ich trete zur Seite und sie zieht dicke Milchglastüre auf <<Verpiss dich Steve, ich dir doch gesagt, dass das>>

sie deutet mit ihrem Finger zwischen sich und ihm hin und her <<eh nix geworden wäre.>>

Dieser gutaussehende Schrank setzt zu einer verbalen Erwiderung an, doch er kommt nicht weiter als bis zum Luft holen. Marah wirft die Tür wieder ins Schloss. <<Darf ich jetzt bitte wieder in mein Zimmer, oder willst du mich verhören?>>

Ich bleibe an Ort und Stelle, keiner meiner Muskeln zuckt und ruhig frage ich sie <<Du warst früher doch so freundlich und liebenswert. Was ist geschehen?>>

Sie schnaubt <<Pubertät.>>

die kleine junge Frau schiebt mich mit all ihrer Kraft beiseite und verschwindet in ihrem Zimmer <<Gut, dass wenigsten dein Ego wächst, so kannst du deine Körpergröße leichter ausgleichen.>>

ich musste nicht mal laut sein, sie hat mich auch im Flüsterton verstanden, denn etwas fliegt mit einem lauten Knall gegen die Wand, genau dort wo ich stehe. Ab diesem Zeitpunkt ist jedes Gespräch mit ihr unmöglich und ich gehe zurück in den Wohnbereich und setze mich an einen Barhocker, der am Küchentresen steht. Gedankenverloren blättere ich in einer von Marahs Zeitschriften, übersehe irgendwelche Berichte von Promis, über die anscheinend die Welt spricht. Wenn wir nicht aufpassen könnte Marah ein Problem für uns alle werden, wenn wir zurückkehren, ein Klicken dringt meine Ohren, Gelächter schallt zu mir und Lee ruft <<Hey Mom! Dave und ich haben Burger mitgebracht>>

Ich frage ihn warum er jetzt schon daheim ist, da das Training eigentlich noch laufen sollte <<Der Trainer ist nicht gekommen, hab gehört, dass seine Frau im Krankenhaus ist>>

<<Was? Warum?>>

Karen, die Trainerfrau wie er sie nennt, ist jeden Samstag bei mir in der Bar, ich hoffe es geht und ihrem Ungeborenem gut. <<Mh, irgendwas mit Wehen die einsetzen, oder so>>

<<Hi Ms. Seann>>

Dave drückt mich und Lee drückt seine Wange an meine <<Hallo David. Klang dein Trainer besorgt? Vielleicht sollte ich sie morgen besuchen und was backen. Wie war denn sonst euer Tag?>>

<<Keine Ahnung, n anderer Lehrer hat uns nur kurz gesagt, dass das Training ausfällt. Und unser Tag, wie sollte der schon sein. Jeden Tag ist es dasselbe. Hier nimm>>

er reicht mir einen der Burger, Extrakäse herrlich. <<Danke. David kannst du wenigstens etwas Erfreuliches berichten? Warst du in deinem Technik-Kurs?>>

Er nickt, wie selbstverständlich es doch ist, dass er hier mit uns zusammensitzt, zu Abend isst und über seinen Tag erzählt. Vor knapp 2 Jahren ist er in die kleine Wohnung auf unserem Stock gezogen, allein. Er war damals 15 und hatte noch keine Ahnung was mit einer Wohnung auf ihn zukommt. Es war damals selbstverständlich, dass ich mich seiner annehme, ich ziehe solch hoffnungslose Fälle beinah magisch an. Aber es war gut, dass er dort einzog, Lee und er sind wie Brüder, etwas verbindet sie und noch weiß ich nicht was es ist, doch ich werde es erfahren. Ganz sicher <<Ja. War ich.>>

Er beißt ab und kaut auf der Hälfte des Burgers rum, ich warte ab, ob er noch etwas zu sagen hat, er hat immer noch etwas zu sagen. <<Heute konnte ich endlich meine Drohne fertig bauen und testen. Etwas Mechanisches selber zu bauen und zu testen ist schon aufregend. Von den Berechnungen, zu Skizzen und die ganze Zeit über ist es ungewiss, ob alles funktioniert. Wie bei einer Symphonie, bei der man am Ende ein Orchester spielen hört und feststellt, dass die Harmonie des Stücks nie anders hätte sein können.>>

<<Du bist so ein Streber>>

Lee wirft ihm ein Stück von seinem Brötchen an den Kopf. <<Und du ein emotionaler Krüppel>>

Als hätte das Schicksal bestimmt, dass sie Brüder im Geiste sind. Es könnte sein, dass Lee wirklich bald emotional verkrüppelt wird, doch jetzt noch nicht. Jetzt, hier und heute darf er noch genießen und beschwert lachen. Mit einem Schulterzucken lässt er von der Aussage ab. <<Los esst schon ihr zwei.>>

<<Wie wars heute eigentlich im Laden>>

<<An meiner Kasse spüre ich, dass die Touristenzeit vorerst vorbei ist. Aber was sonst alles gut, morgen bekomme ich eine neue Lieferung von einer Hausauflösung, ich konnte einige gute Stücke ergattern>>

Mein Herz schlägt schneller bei dem Gedanken, alte Stehuhren zu begutachten, ihr Holz ist makellos und aus einer anderen Zeit, einer besseren. Doch ich kann ihnen nicht lange nachträumen, ich höre wie eine Türe wütend geöffnet wird. Verrückt, dass man hören kann, wie wütend sie ist. Marah taucht auf, schnappt sich eine Tüte und verzieht sich wieder. <<Weiß einer von euch was da los ist? Vorhin war sogar n junges Kerlchen hier und hat sich aufgeregt, wegen ihr.>>

Schulterzucken. Was mache ich nur mit diesem Mädchen und was mache ich nur mit diesen Jungs, die nichts erzählen wollen, ich schweige. Schweigen hilft oft bei David, er mag keine Stille. Es dauert einige Minuten und David platzt es heraus <<Vielleicht weil deine Schwester eine Schlampe ist und jeden nach einmal vögeln abserviert.>>

Oha, ich hätte doch nicht nachfragen sollen. Zuerst reagiere ich nicht, beobachte Lee mit zusammengezogenen Augenbrauen, er springt auf, der Stuhl fällt nach hinten um und packt David am Nacken. Er drückt ihn auf die Thekenfläche. <<Sag das nochmal. Trau dich! Ich verspreche dir, dass dein Nacken ein letztes Mal...>>

mein Augenblick einzugreifen ist gekommen, mit scharfem Ton weise ich ihn an, dass er sich wieder setzen soll. <<Aber, er!>>

<<Setz dich sofort wieder hin.>>

Langsam stehe ich auf, ihre Blicke liegen auf mir, in solchen Momenten geben sie mir ein Gefühl sie wüssten, dass ich nicht hierhergehöre. Ich trete neben Lee, packe ihn an seinem breiten Oberarm <<Lass ihn los. Er weiß, dass er dumm war. Jetzt wisse du, dass du in diesem Moment der Dümmere bist. Reiß dich zusammen und hock dich hin>>

<<Aber...>>

mit einem kalten Blick und noch mehr Druck auf seinem Arm bringe ich ihn zum Schweigen, nachdem er Dave loslässt, lockere auch ich meinen Griff <<Will jemand, außer mir, Wein?>>

David reibt sich seinen geröteten Nacken <<Danke Ms. Seann. Ich würde ja echt gern ein Glas mit Ihnen trinken, aber sie wissen ja, mit meinem Alter ist es so ne Sache>>

<<Du bist hier privat und nicht in meiner Bar. Aber gut.>>

ich fülle mein Glas und David fügt an <<Wenn Sie aber ne Cola haben wär ich voll zufrieden>>

Ich nehme den ersten Schluck und verziehe mein Gesicht <<Oh, der muss noch atmen. Du weißt wo der Kühlschrank steht?>>

er nickt, wie auch bei der nächsten Frage <<Du hast zwei gesunde Füße? Dann hol dir deine Cola selber.>>

ich lächle ihn dabei an, wohlwissend, dass wir nur noch haben. Er öffnet den Kühlschrank und seine Ernüchterung ist deutlich sichtbar <<Echt jetzt?>>

Er zieht eine der Wasserflaschen heraus, hält sie hoch, um sie uns zu zeige und mit einem Zug leert er sie zur Hälfte <<Lee, sorry wegen dem was ich über Marah gesagt hab>>

doch Lee winkt es nur ab. Sollte ich mit ihr mal reden, frage ich mich während ich den Weinkelch schwenke. <<Mom, ich sollte dir sagen, dass ich Bio zurück bekommen habe>>

Dieses Wort, ich kann es bald nicht mehr hören, weniger als ein Jahr noch, dann wird er mich aber vermutlich alles heißen, immer noch besser als Mom. Mit meinem Rotwein setze ich mich wieder zu ihnen und frage nach seinem Ergebnis, woraufhin er mir ein zerknittertes Blatt vorlegt. Die große rote Zahl darauf brennt sich schon fast in meine Netzhaut. Ungläubig lache ich auf <<Hör auf mich zu verarschen.>>

immer noch grinsend frage ich <<Nicht dein Ernst oder? Komm der gehört jemand anderen.>>

ich sehe mir auch das Thema genauer an, dann ihn, dann unsere Wohnung <<Botanik und Heilpflanzen. Fällt dir eigentlich was auf? Ich meine hier drinnen.>>

<<Mom, ich bin Sportler, kein Gärtner>>

Damit hat er nicht ganz Unrecht, aber ganz richtig liegt er damit auch nicht. Marahs Tür bewegt sich, leise knarrend <<Du brauchst nicht glauben, dass du dich jetzt rausschleichen kannst>>

rufe ich ihr zu, worauf sie wütend kreischt <<Ich bin ja wohl alt genug, meine eigenen Entscheidungen zu treffen und ich werde jetzt ausgehen. Hör auf dich in mein Leben einzumischen, du bist nicht meine Mutter!>>

leiser fügt sie hinzu <<und jetzt halt einfach deine Fresse.>>

Stille breitet sich aus, eigentlich hätte ich es ahnen müssen, dass sie mir mit ihrem Wissen eine Schlinge drehen wird. <<Beweg deinen Arsch hierher.>>

der ruhige Ton meiner Stimme wird von einem gefährlichen Grollen begleitet <<Und ihr zwei geht jetzt besser, ich rede später mit dir, Lee>>

doch Lee weigert sich <<Marah ist nicht meine Schwester, also bist du nicht ihre Mom? Warum hast du das nie erwähnt? Ich würde das doch gerne gleich erfahren.>>

Dave steht bereits auf, klopft Lee auf seinen Rücken, fordert ihn auf ihm zu folgen. Er hebt die Hand und verabschiedet sich von mir. <<Lee, bitte. Ich möchte erst was mit ihr klären, dann können wir darüber reden, in einer ruhigen Minute.>>

Sie steht bereits, am Türrahmen angelehnt und wartet. Lee geht an ihr vorbei, mustert sie und verschwindet dann aus der Wohnung. <<Bist du eigentlich noch ganz bei Trost. Mich interessiert sehr, was du dir dabei gedacht hast.>>

Trotzig wie immer fährt sie mich an <<Er wird es doch sowieso erfahren, warum also nicht jetzt. Ich erzähle ihm auch gerne etwas über seine echte Mutter. Du bist vielleicht feige, doch ich nicht.>>

Was habe ich bei ihr übersehen, irgendwann in den letzten Jahren ist etwas mit ihr geschehen, doch was und wann. Abgeschlafft lege ich meinen Kopf in den Nacken << Was hab ich dir getan, dass du mich so hasst?>>

<<Wissen meine Liebste, wissen>>

Dieser sarkastische Unterton <<Marah, wir trainieren heute noch. Du warst in den vorigen Monaten dauer abwesend. Geh jetzt erstmal auf dein Zimmer und zieh dich um, die Nachtluft ist bereits kühl.>>

Ich gehe an ihr vorbei, während ihr Gesicht eine rote Färbung annimmt. Nachdem ich die Wohnung verlassen habe, klopfe ich an der alten verrosteten Tür nebenan an. Lee öffnet mir, <<Komm zurück.>>

und ich verschwinde wieder in unserer Wohnung, höre wie er mir folgt <<Bevor du fragst, sie wurde von mir adoptiert. Sie war ein Baby und du kaum ein Jahr alt, mehr ist es nicht. Dennoch wollte ich nicht, dass du es so erfährst und es hat sich für mich richtig angefühlt, euch als Geschwister großzuziehen. Ihr hattet immer eine gute Zeit miteinander. Ist alles in Ordnung mit dir?>>

Seine wütende Gesichtsfarbe normalisiert sich wieder, seine Sommersprossen werden wieder sichtbar und er nickt. <<Das ist aber alles, oder?>>

ich nicke seine Frage ab, bin mir aber vollkommen klar, dass das nicht alles ist. <<Ich werde mit Marah noch einen Spaziergang machen, das haben wir schon lange nicht mehr getan und wir können dann ein wenig reden. Würdest du hier bitte aufräumen?>>

Ohne auf seine Antwort zu warten, drücke ich meine Wange an seine und verlasse den Raum, er wirkt nicht überzeugt von meinen Lügen. Ich öffne Marahs Zimmertür und gebe ihr ein Zeichen mit mir zu kommen und widerwillig folgt sie mir. Warm angezogen verlassen wir unser Wohnhaus und eine kühle Brise weht uns draußen um unsere Nasen. <<Hörst du was der Wind uns sagen will?>>

Sie schnaubt, bleibt mir aber eine Rückmeldung schuldig und folgt mir immer einen Schritt langsamer als ich. Schweigend wandern wir nebeneinander her, ich lausche dem Wind, er erzählt von alten Geschichten aus unserer Heimat. Doch er bringt keine neuen Nachrichten. Stetig klagt er mit seinem Trauergesang über die Toten vor tausenden Jahren, bevor die Tore zwischen unseren Welten verschlossen wurden. Wir gehen immer am Shannon entlang, folgen unserem Weg. Die Häuser werden weniger, Straßen enden und Feldwege breiten sich vor uns aus. Alle Felder um uns wurden bereits abgeerntet, nur eine kleine Baumgruppe bringt Veränderung in die ebenen Flächen. Unser Ziel.

Aus einem hohlen Baum ziehe ich Pfeile, einen Bogen und zwei Holzschwerter heraus <<Mit was willst du anfangen?>>

<<Oha, da hat jemand seine Stimme wiedergefunden?>>

<<Du wirst mir sowieso keine Ruhe lassen. Also was darf es sein, entweder schmelze ich dir dein Gesicht weg, oder gibst mir Pfeil und Bogen.>>

<<Ja, ich würde sagen zuerst Zielübungen mit den Waffen und dann kannst du versuchen, ob du mein Gesicht triffst.>>

Ob ich da nicht einen Fehler gemacht habe, aber ich muss herausfinden, wie weit ihre Hexenkräfte sich entwickelt haben. Ich reiche ihr den einfachen Übungsbogen aus Holz und die Pfeile stelle ich neben ihren Beinen ab. Bevor sie jedoch ihren ersten Pfeil anlegt, fixiert sie mich mit ihrem Blick. Seit wann sind ihre braunen Augen golden?

Lee

<<Adoptiert. Marah soll adoptiert sein, ist sie adoptiert?>>

murmelt Lee, während er die Theke abwischt, spült danach das Weinglas ab und räumt alles andere an seinen Platz. Bezüglich dieser Biologieprüfung weiß er, dass er sie nicht versemmeln hätte dürfen, immerhin sind die Pflanzen hier in seiner Obhut. Er kennt ihre jeweilige Wirkung, bis zu welcher Menge sie heilend sind und ab wann sie giftig werden. Aber er hatte die Prüfung abbrechen müssen, er kreuzte willkürlich Antworten an, um aus dem Klassenraum verschwinden zu können. David brauchte seine Hilfe, er saß zu dem Zeitpunkt auf der Toilette fest und übergab sich in einer Tour. Lee konnte ihn nicht einfach so alleine lassen. Er stellt sich zu den Pflanzen, Kamille und Minze, aus denen er den Sud für Dave zubereitete. Seine Mom hat sicher bemerkt, dass Blüten und Stängel fehlen. In seinem Hinterkopf arbeitet aber noch immer die Frage, ob sie ihm noch etwas verheimlicht. Es war zwar bereits früher schon so, dass sie mehr mit Marah unternahm, aber der jetzige Zeitpunkt, ist doch verdächtig, oder? Kann es sein, dass er sich das alles nur einbildet, aber beide Frauen seines Lebens verhalten sich auffällig. Die Situation lässt ihm keinen Frieden. Von hinten schleicht sich jemand an ihn heran und er bemerkt es nicht <<Hey Bro>>

im Affekt packt er die Hand, die auf seiner Schulter liegt, begibt sich in einen Ausfallschritt und wirft Dave über die Schulter zu Boden. <<Fuck, sorry D.>>

er öffnet seine geballte Faust und reicht ihm die Hand, um ihm aufzuhelfen. <<Echt jetzt, was ist bei euch allen schiefgelaufen?>>

Seine Stirn kratzend stellt Lee dieselbe Frage und unbeantwortet wendet er sich den Pflanzen zu <<Ganz ehrlich? Ich hab keine Ahnung.>>

Bei einigen der Blumen fällt ihm auf, dass seine Mutter sie schon gepflegt hat, dass sie gegossen und welke Stängel entfernt wurden. Ein paar der Älteren lässt sie einfach wuchern und braun werden. Sie werden nie gestutzt, obwohl sie es dringend nötig hätten, ob Verdörrung für sie der bessere Weg wäre, doch auch ihre Erde ist feucht und noch immer sprießen neue Triebe aus einem Philodendron und der mindestens 30 Jahre alten Orchidee. Sie war schon alt, als er auf die Welt kam und wurde nie gepflegt, so erzählte es ihm seine Mom. Komplett in seinen Gedanken verloren, bringt ihn ein Quietschen hinter sich wieder in die Gegenwart. Er dreht sich zu David um, der in der Küche steht und sich ein Sandwich belegt. <<Alter, wir hatten doch eben erst Burger? Wie kannst du dir schon die nächste Mahlzeit in den Rachen schieben?>>

David möchte antworten, doch das Quietschen von vorhin lässt ihn innehalten, auch Lee stockt in der Bewegung <<D. du hast vorher nicht das Quietschen verursacht?>>

Ein Blick in seine Augen genügt Lee, sodass David nicht antworten muss, dieser wendet sich dem Fenster mit der Feuerleiter zu <<Du warst es dann auch nicht.>>

Da er sich zu einigen Grünlingen auf den Boden gehockt hat, steht er nun auf, langsam und bedächtig. Er schleicht fast zur Glasscheibe, immer darauf gefasst, dass etwas hervorspringen könnte. Kurz vor der Scheibe fährt ihm ein kalter Schauen den Rücken hinab, ein ungutes Gefühl überkommt ihn. <<Gab es in der letzten Zeit irgendwelche Nachrichten über Einbrüche?>>

flüstert Dave ihm fragend zu und stumm verneint Lee. Er schiebt den Vorhang, der das halbe Fenster verdeckt, beiseite, erfasst alles in der Umgebung, bis ein Flackern seine Aufmerksamkeit erregt. Er versucht das Fenster zu öffnen, doch es ist fest verschlossen, er zieht und rüttelt daran, doch nichts geschieht. <<Ganz sicher war da jemand! Warum geht das verdammte Fenster nicht auf!>>

knurrt er und die Kerze erlischt von ganz allein, es sah aus, als hätte sie jemand ausgeblasen, doch es weht kein Wind und keine Person ist zu sehen. Lee hört auf an dem Griff zu rütteln und David stellt sich neben ihn, er sieht die Kerze nicht brennen. Er sieht nicht, was Lee sah.

<<Bist du dir sicher, dass es dir gut geht? Da ist nichts zu sehen. Komm lass zocken.>>

Dave zieht ihn vom Fenster weg und drückt ihn mit beiden Händen auf die Sofakissen. In Lees Gedanken arbeitet das Geschehene weiter. Es wird zu viel, Marahs Adoption, ihr Verhalten, diese Spaziergänge mit seiner Mom. Aber auch das Benehmen seiner Mom, ihre Geheimnisse, sie wird immer verschlossener, immer strenger. Er fragt sich, was das zu bedeuten hat, warum sie ihn nicht einweihen, auch wenn sie keine richtigen Geschwister sind, so sind sie doch gemeinsam aufgewachsen. Sie können ihm doch vertrauen, oder vielleicht nicht? Aber warum können sie ihm nicht vertrauen, er muss herausfinden, was die beiden reden und auch was sie machen. Er kann sich erinnern, dass sie oft mit Verletzungen heimkamen, als die Ausflüge noch regelmäßiger waren. Damals hatten sie ihm auch nicht erzählt was sie machten, sie taten es ab mit Boxtraining oder Verteidigungskurse für Frauen. Seit diese Trips der Beiden nicht mehr regelmäßig waren konnte er sich auch nicht mehr vorstellen, dass das der Wahrheit entsprach. Er wirft einen Blick zu seinem Regal hinüber, betrachtet die Pokale darauf. In der Mittelstufe begann er mit Kickboxen, sein Rücken ist breit, seine Beine muskulös und seine Siege wirkten mit der Zeit wie vorherbestimmt. Natürlich hatte er einiges einstecken müssen, doch gewann er stets und das alles aus eigener Kraft. Auf seine Pokale, egal wie klein sie sind, ist er stolz. Warum sollten sie ihm also verschweigen, wenn sie in einem Kampfsportclub wären. Bei seiner Mom hätte er sich manchmal noch vorstellen können, dass sie bei den anonymen Alkoholikern wäre. An manchen Tagen, in manchen Wochen stapelten sich die Weinflaschen und er hatte Mühe sie wegzubringen. Da sie aber immer noch trinkt, nicht so viel wie früher, trifft diese Vermutung auch nicht zu. Außerdem, was sollte Marah dort. Sie trinkt nur Wasser aus Flaschen die sie selber öffnet, sie wird wohl kaum Wasser zu Gin verwandeln können. Ein wenig hoffnungsloser als vor ein paar Stunden lässt er sich in die Kissen zurückfallen. Dann wäre da auch noch die verrückte Situation mit der Kerze, warum sollte sie einfach so angehen und wieder erlöschen? Dave hat es richtig erfasst, dort war niemand draußen, also was ist geschehen. Hatte seine Mom vergessen die Kerze auszublasen? Aber das würde ihr nicht passieren, sie zündet jeden Abend eine dieser Kerzen an, um sie 5 – 10 Minuten später wieder auszublasen und er stellt sich zum ersten Mal die Frage, warum die Kerze nur so kurz angezündet wird. Sie brennt nicht aus romantischen Gründen oder um den Weg zur Straße zu erleuchten. Die gelbe Kerze brennt nur kurz, bildet einen dünnen Rauchfaden und wird dann am nächsten Tag wieder entzündet um gelöscht zu werden. Ein Schlag in die Seite reißt ihn aus seinen Gedanken «Echt jetzt? Was ist dein scheiß Problem, Lee?»

verwirrt starrt er David an «Was?»

«Boah, du hast noch keinen Kill, dafür wurdest du sekündlich gekillt! Hör auf zu träumen! Wir müssen die Penner endlich schlagen!»

«Sorry, aber ja klar. Bin jetzt voll da.»

das sagt er zwar, doch er weiß, dass es dafür bereits zu spät ist. Doch David zuliebe lässt er seine Gedanken ruhen und konzentriert sich auf das Spiel.

«D. sorry, aber ich bin durch und ich muss noch lernen.»

Genervt schmeißt David seinen Controller auf den kleinen Tisch vor ihnen. «Ja, ich werde mich direkt hinhauen. Nach der Nullnummer habe ich keinen Bock auf Lernen.»

«Wir sehen uns morgen.»

Zum Abschied hebt Dave seine Hand und verschwindet mit schlurfenden Schritten. Sie hatten noch mehrfach verloren, Lee konnte sich einfach nicht auf ihr Spiel einlassen. Immer wieder kamen seine Gedanken zurück zu Marah und seiner Mom. Lee weiß, dass Dave ihm keinen Vorwurf deswegen machen wird, auch wenn er jetzt erstmal angepisst ist. Morgen ist er wieder die Frohnatur in Person. Er dreht sich nach hinten um, die Wanduhr dort zwischen einigen Efeuranken zeigt ihm, dass Mitternacht längst vorbei ist. Die zwei Frauen sind noch nicht zurück, so lange waren sie selten weg. Auch wenn er David rausgeworfen hat, weil er noch lernen will, so weiß er doch, dass er nicht lernen wird. Nicht solange nicht eine der Beiden zurückkehrt. Um sich dennoch ein wenig abzulenken, räumt er noch die Sachen auf, die David liegen ließ. Spült seinen Teller ab, dabei fällt sein Blick wieder auf das Fenster und auf die Kerze. Was war nur mit dieser Kerze los, hört er auch schon ein bekanntes Geräusch. Ein Schlüssel dreht sich im Schloss und die Eingangstür schwingt auf. Schnell geht er in den Flur, sieht noch wie seine Mom zusperrt und ihn wütend anfunkelt. <<Solltest du nicht schon im Bett sein?>>

<<Warum sollte ich, wenn Marah noch mit dir unterwegs ist? Wo ist sie eigentlich?>>

Sie knurrt ihn wütend an und dann verschwindet sie im Badezimmer, Lee will ihr hinterher, doch sie keift ihn an, dass er draußen bleiben soll. Ihn interessiert aber, was geschehen ist.

Marah

Sie spannt den ersten Pfeil in ihren Bogen, zielt und trifft die Kirsche, die Aren für sie positioniert hatte. Auch die nächsten 5 Stück treffen, Aren nickt zufrieden <<Und jetzt raus mit der Sprache. Was ist los?>>

<<Als ob ich mit dir darüber reden würde, los weiter mit den Schwertern! Mit Pfeilen kann ich ja anscheinend meine Ziele treffen.>>

<<Du weißt, es hat sich von meiner Seite nichts geändert, ich war immer für euch beide da und ich werde auch weiterhin für euch da sein.>>

Aren drückt ihr ein Holzschwert in die Hand, entfernt sich wieder und nimmt ihre Position ein. <<Du bist für ihn da!>>

Mit ihrem Schwert springt Marah vor, greift zuerst an und Aren weicht aus. Marah vermutet, sie will wissen, ob sie ihr Gleichgewicht halten kann. <<Du hast mich gezwungen, seinen Schutz zu trainieren! Er sollte sich aber selbst verteidigen können. Er sollte sich besser nicht darauf verlassen, dass du ihn immer beschützen kannst und ich werde ihn nicht beschützen!>>

Marah greift wieder an, schlägt so hart zu, dass Arens Holzschwert bricht, damit sie nicht von ihr getroffen wird, wehrt Aren den Angriff mit ihrem Unterarm ab. Siegessicher greift Marah sie wieder und wieder an, drängt sie zurück, bis ein Baum ihr die weitere Flucht verwehrt. Noch ein Hieb, glaubt Marah, doch Aren bekommt sie Klinge zu fassen. Sie zieht ruckartig daran, hat nun das Schwert in ihrer Gewalt. Noch immer hält sie das Schwert an der hölzernen Klinge, schwingt einen Bogen und zieht Marah damit die Füße weg. Auf dem Boden sitzend stiert Marah zu Aren hinauf, die nun die Klinge an ihren Hals drückt. <<Du bist sowieso nicht bereit dazu ihn zu schützen, geschweige denn dich selbst. Zeig mir deine Runen, kleine Hexe.>>

Und wie sie ihr die zeigen wird, denkt sich Marah. Mit einer unauffälligen Fingerbewegung, auf dem Boden unter sich, zeichnet sie eine Rune und lässt damit die Hölle über Aren hereinbrechen. Aren war darauf nicht vorbereitet, stand noch immer mit dem Holzschwert vor ihr und rechnete nicht damit, dass sie direkt angegriffen werden würde. Feuerwelle über Feuerwelle bricht über Aren herein, sie kann nur ihr Gesicht schützen und ruft Marah dabei zu, dass sie aufhören soll. Doch Marah denkt gar nicht daran, sie weiß, dass Aren sich kaum verteidigen kann, jetzt will sie es zu Ende bringen, will, dass sie verbrannt vor ihr liegt. „Hör auf Kind! Ich brauche sie noch.” Die Stimme in Marahs Kopf schlägt um sich wie ein Gewitter. Ihre Hand zuckt und verwischt dabei die Rune <<Was verdammt nochmal sollte das! Wir sind hier für ein Training. Wenn ich gewollt hätte, dass wir einen Kampf austragen hätte ich es dich wissen lassen.>>

Arens Kleidung, ihr Körper stinken nach Verbrennungen, Marah weiß, dass sie es schaffen hätte können. Doch diese verfluchte Stimme ließ sie nicht. <<Leider muss ich aber zugeben, dass du dich verbessert hast. Dennoch, ich habe dir einen Befehl gegeben und dem hast du Folge zu leisten>>

Marah ist trotzdem erfreut über ihren kleinen Erfolg <<Du hast mir keinen Befehl gegeben, du wolltest sehen wie ich meine Runen einsetze. Du hast es gesehen, oder etwa nicht? Vor allem, ich bin keine deiner Soldaten, ich muss gar nichts. Die Frage ist aber, warum regst du dich auf? Bist du gestorben?>>

Aren muss wissen, dass sie ihr diese Frage ebenfalls stellte, mehrfach. Sie lässt sich zurückfallen, liegt im hohen Gras und fragt sich, aus welchem Grund sie aufhören musste. Wenn sie Aren jetzt getötet hätte, wären sie und ihre leibliche Mutter ihrem Ziel sehr viel näher gekommen. Aren unterbricht ihre Gedanken <<Nimm dein Schwert, wir machen mit dem Training weiter.>>

Sie fragt sich, wie Aren mit diesen Verletzungen kämpfen will. Offene Brandwunden, schwarz umrandet, teilweise komplett verkohlt. Aren sollte sich nicht einmal bewegen können, doch als sie sich erhebt, muss sie feststellen, dass die schlimmen Stellen bereits verheilt sind. Ihre Haut ist noch rot und sie erkennt, dass die Haut spannt, manchmal vergisst sie, dass diese Frau auch ein magisches Wesen ist. Sie kann ihre Magie zwar nicht für die Offensive nutzen, doch ihre Heilkraft macht es schwieriger sie dauerhaft zu schädigen. Genervt schnaubt Marah, schnappt sich ihr Schwert und muss auch schon den ersten Angriff von Aren abwehren, die sich eines der Ersatzschwerter geholt hat. Aren lässt sich aber nicht abwehren, mit einer Drehung, durch die sie mehr Kraft in den Schlag stecken kann, kracht sie auf Marahs Verteidigung, dem sie nicht standhalten kann. Bis vor einigen Monaten konnte sie es noch, doch Aren hat recht, sie hat wirklich alles schleifen lassen und nun ist sie ein kleines Mädchen mit zu großen magischen Kräften, die sie selbst kaum kontrollieren kann. Ihre Muskeln haben bereits so viel abgebaut, dass sie nach dieser Stunde zittert und sich die nächsten Tage nicht mehr bewegen können wird. Doch es muss noch viel getan werden, in kurzer Zeit. Die Reise nach Hause wird ihre volle Aufmerksamkeit und ihre ganze Stärke benötigen. Keuchend ergreift sie das Wort <<Eine Frage habe ich doch, was, wenn wir morgen schon aufbrechen müssten? Wie würden wir heimkommen?>>

Aren lässt ihr Schwert sinken, schlägt eine Pause vor und nimmt sich ihre Wasserflasche und daraus einen großen Schluck. Dieses Weib wirkt kein bisschen mehr außer Atem, immer noch verletzt, doch sonst ist keine Ermüdung an ihr zu erkennen. <<Dann hätten wir ein Problem, es ist nicht leicht einen Weg, außerhalb der gegebenen Zeit, zu finden.>>

<<Was, wenn ich einen Weg wüsste?>>

Aren lacht, lacht Aren über sie? <<Dann würde ich mich vor dir verbeugen. Dir auf diesem Weg aber nicht folgen. Wir sollten nach Hause.>>

<<Ich komme nach, geh voraus>>

erwidert Marah. Sie hat noch etwas zu erledigen, denn sie weiß wie sie nach Hause kommen und es wird nicht mehr lange dauern. <<Marah, komm jetzt mit>>

Doch sie sieht es nicht ein mitzukommen. Sie hat bereits eine Rune vorbereitet, zeichnet den Strich und aktiviert sie damit, ein Ring aus Feuer erhebt sich um Aren, wieder verbrennt sie sie. Wieder schreit Aren, doch Marah entfernt sich von ihr, lässt sie zurück. Sie weiß, dass diese Rune nicht lange ohne sie bestehen wird.

Sie sollte sich auf den Weg zurück machen. Sie konnte alles erledigen, was sie sollte. Marah wollte in die Wohnung und ihre Sachen zusammenpacken, doch was von dem menschlichen Unrat sollte sie mitnehmen, würde sie nicht alles bei ihrer Mutter haben, was sie braucht. Sie wandert am Ufer des Shannon, hüpft beinahe in die Richtung der Lichter Athlones. In ihren Gedanken summt sie ein Lied über den Sieg über Aren und Lee, der noch nichts von seinem Glück weiß.

Aren

Scheiße, was war das vorhin, seit wann hat sie so große Kräfte und wie konnte sie mich so leicht damit überrumpeln. Was habe ich nur übersehen? Schwungvoll öffne ich die Wohnungstür und ohne mich meiner Jacke oder der Schuhe zu entledigen, brülle ich erst Lee zu, dass er ins Bett soll und verschwinde ins Badezimmer. Doch Lee denkt anscheinend nicht daran in sein Zimmer zu gehen, schnelle Schritte nähern sich nämlich der Tür <<Mom?>>

die Klinke bewegt sich, er versucht hineinzukommen <<Bleib draußen Lee!>>

und er bleibt draußen <<Geh!>>

und er geht wieder, die Schritte entfernen sich und ich höre, wie er sich auf das Sofa setzt. Er wird warten, bis ich rauskomme und mit ihm rede, doch ich muss erstmal meine Wunden reinigen, damit sie schneller abheilen können. Dieses verflixte Mädchen hat mir so viele Brandwunden zugefügt, dass mein Körper nicht mit der Heilung hinterherkommt. Ich hoffe er hat nicht gesehen, wie sehr ich verletzt bin, ich könnte es nicht erklären, wie ich so schnell keine Wunden mehr haben kann, wie es sein kann, dass keine Narben geblieben sind. Wie lange ich wohl diese Maskerade noch aufrechterhalten kann. Ich bin kein armes schwaches Menschlein, ich habe Armeen angeführt, ich bin nicht seine Mutter, ich bin sein Wachhund, wenn man so will. Meinen eigenen Körper vermissend schüttle ich den Parka ab, stütze mich auf das Waschbecken und betrachte mein menschliches, langweiliges Gesicht. Von einem Ohr bis zum Kinn und die Halspartie hinab erstrecken sich Brandwunden, die nicht abheilen wollen. Sie waren zu tief und diese menschliche Hülle ist zu schwach. Meine Gliedmaßen und mein Rücken sehen nicht besser aus, ich spüre, wie überall die Haut zum Zerreißen gespannt ist. Vorsichtig schäle ich mich aus meinen Kleidern, werfe die Schuhe unter das Waschbecken und die kaputte Kleidung hinterher. Jetzt erst sehe ich das ganze Ausmaß meiner Verletzungen, dunkle Prellungen, die sich über meine Rippen ziehen, Schürfwunden an meinen Oberschenkeln und Armen. Verbrennungen von den Zehen bis hinauf zu meinem Gesicht, das Feuer hatte vor nichts Halt gemacht. Wenn ich mich gewaschen und alles mit Kräuterseife behandelt habe, werden auch diese Wunden heilen. In wenigen Stunden wird nichts mehr sichtbar sein. Ich steige über den Badewannenrand und stelle den Wasserlauf auf den hoch hängenden Duschkopf. Feine Fäden aus Wasser prasseln auf mein Gesicht, weich perlt es ab und fließt in den Ausguss. Ich beginne damit mein Make-Up vollständig abwaschen, nehme dann eine weiche Bürste und entwirre mein versengtes Haar, das stark verfilzt ist. Als hätte ich mich wochenlang nicht gekämmt komme ich nur schwer hindurch und reiße ein paar Haarsträhnen ab. Diese Haare sind sowieso zu lang, ich nehme die Verbandsschere, die im Spiegelschrank liegt, halte meinen Kopf hinaus und schneide die Haare auf eine Länge – Schulterlang. Ich werfe die Schere wieder zurück in den Schrank und schließe ihn. Die kürzeren Haare sind leichter zu waschen, doch nun spüre ich die Rundung meiner Ohren. Fühle die Piercings, eins nach dem Anderen nehme ich heraus, säubere sie im fließenden Wasser und lege diese beiseite. Vorsichtig wasche ich die kleinen Ohrmuscheln, erinnere mich daran wie sie früher aussahen und denke daran wie sie wieder aussehen werden. Ohren mit denen ich viel mehr hören kann, ein Körper der härter, stärker und schneller ist, als sich Menschen es vorstellen können. Auch wenn Marah die letzten Monate immer oder meistens gefehlt hatte, habe ich diesen weichen Körper gefordert. Täglich absolviere ich Trainingseinheiten, damit ich einsatzfähig bleibe. Das einzige was verschwand ist die Hornhaut an meinen Händen. Es wird dauern bis ich mich wieder daran gewöhne ein Schwert zu halten, ein richtiges Schwert. Mit materiellem Gewicht und der innewohnenden Magie. Ich bin erfüllt von der Sehnsucht meine eigens geschmiedeten Klingen wieder in den Händen halten zu können. Selten ist der Drang nach ihnen so stark wie jetzt, wie heute, es liegt mit Sicherheit an Marah, doch ich muss die Wohnung noch prüfen. Es ist ungewöhnlich, dass ich mich so nach ihnen sehne, als würde mein Herz bluten. Mit diesen zarten Händen wasche ich meinen Körper, reibe meine Seife vorerst auf die schmerzenden Stellen meines Körpers, die Kräuter darin unterstützen mich im Heilungsprozess. Der Saft des Spitzwegerichs und Gänseblümchen, unterstützend und für den Duft verarbeitete ich auch Rosen für die heilende Seife. Als ich vor 17 Jahren mit Lee hier ankam, war ich überrascht, dass ich hier alle Pflanzen finden kann, die ich für einen vollständigen Arzneischrank benötige. Da ich in der Vergangenheit mehrfach verwundet in dieser Wohnung ankam, stellte ich vor Jahren einen Ganzkörperspiegel in ein Eck des kleinen Raums. Um nun auch das Ausmaß auf meinem Rücken betrachten zu können, drehe ich mich ein wenig, doch die Haut ist nur noch gerötet, keine offenen Stellen, keine Narben und keine gespannte Haut. Diese Rötungen ziehen aber nicht meine Aufmerksamkeit auf sich, sie werden verschwinden. Es sind die Narben und die Tätowierungen auf die ich ein Augenmerk lege. Narben aus einer Zeit, die beweist, dass ich nie ein Menschlein war, aber eine Kämpferin, eine Soldatin, eine Anführerin. Lange bleibt mein Blick an ihnen kleben, wandert zu den Stellen, an denen sie die Tätowierungen durchziehen. Das Wappen meiner Familie das kurz nach meiner Geburt auf meinem Rücken festgehalten wurde. Eine Lotusblume, die von wilden Farben, gleich einem Sturm, umwirbelt wird, sitzt wie eine Krone zwischen dem Geweih eines Hirsches. Ein Hirsch schwärzer als die Nacht, dessen Geweih einem alten Baum ähnelt. Auf dessen Äste sitzen Knospen, Blüten und Schnee, nur ein Teil ist frei. Dieser spiegelt den Herbst wider, nicht mehr kräftig wie der Sommer, aber auch noch nicht bereit für einen Neuanfang wie der Winter. Dieses Mal auf meinem Rücken wurde nur für mich gestaltet. Ich kam aus einem verfeindeten Reich und war ein Flüchtling vor meiner eigenen Familie. Aber das ist der Beweis, die Linien, Farben und Formen wurden für eine Frau geschaffen, die stark und feminin, weibliche Rundungen und Muskeln ihr Eigen nennt. Meine schmale Taille, meine breiten Hüften, meine kräftigen Schultern und meine volle Brust konnte ich nicht beeinflussen. Meine blasse Haut, meine Augen, die hier so anders aussehen, alles an meinem Körper verrät meine Herkunft. Wütend sehe ich in die Augen des Hirsches, jedem anderen wurden sie in Rot gestochen, nur bei mir nahm man Blau. Nie war ich wirklich eine von ihnen und doch bin ich hier und nicht sie. An Tagen wie heute fühlt sich meine Haut zu klein für mich an, als wären meine Narben nur Nähte, die drohen aufzuplatzen. Ich reiße mich von dem Anblick los, nehme ein Duschgel zur Hand und wasche mich, beobachte, wie der restliche Dreck von meinem Körper hinunter im Abfluss verschwindet. Mit einem Handtuch, das ich um mich wickle, steige ich aus der Wanne und verlasse das Bad, den Dampf lasse ich darin zurück. Nur zwei Schritte entfernt von mir befindet sich Marahs Zimmer, die Tür steht offen <<Du kannst jetzt rein, die Kräuterseife liegt bereit.>>

Biete ich ihr, auf Frieden hoffend, an, während sie auf der Bettkante hockt und in ihrem Smartphone wild wischt <<Die brauche ich nicht, mir geht's gut>>

kommt die schnippische Antwort, ich bekomme wohl keinen Frieden. <<Wasch dich zumindest, du riechst etwas.>>

Sie wirft mir ein Kissen entgegen, ich vermute sie hat nichts schwereres zur Hand. Damit ich zumindest noch ein wenig Ruhe bekomme schließe ich die Tür und gehe ins Wohnzimmer, in dem immer noch Licht brennt <<Lee, du solltest auf deinem Zimmer sein, besser noch, du solltest im Bett liegen und schlafen>>

als Antwort bekomme ich nur ein Grunzen, wenigstens schläft er. Ich breite eine der Wolldecken aus, da es nachts doch kühl in dem Raum ist, streichle ihm über seine gelockten Haare und drehe sein Gesicht leicht in meine Richtung. Ob er diese Sommersprossen für immer tragen wird, keiner seiner Eltern hatte welche. Da es bereits spät ist, halb 3 morgens – war ich wirklich zwei Stunden im Badezimmer, ob ich noch ein paar Stunden in meinem Bett Schlaf suche, oder im Antiquariat. Bevor ich aber meine Entscheidung treffe, gehe ich noch die Fenster ab, prüfe, ob sie verschlossen und die Runen noch intakt sind. Die kleinen Fenster wirken unberührt, bei dem großen Fenster an der Feuertreppe lässt mich etwas innehalten. Ich werfe einen Blick hinaus, zur Kerze, dann zu Lee, der noch immer schläft. Es sperrt sich noch ein wenig, als ich öffne, ich werfe einen Blick hinaus und sehe nichts. Ich schnappe mir auch noch das Feuerzeug von der Fensterbank und trete, nur mit einem Handtuch bekleidet, in die kühle Herbstnacht hinaus. Der Duft von Zitrone, Pfefferminze und einem Hauch Lavendel umhüllt mich, nachdem ich die Kerze anzünde. Ich puste sie aus und Rauch steigt auf, verformt sich. Es war keine Person, kein Körper, aber eine Warnung. Jemand von Zuhause ließ uns eine Warnung zukommen. Ich befeuchte meine Finger und lösche die Glut, die den Rauch erzeugte, schnell springe ich wieder hinein. Lautlos schließe ich das Fenster und mir wurde die Wahl genommen, wo ich die Nacht verbringen werde. Die Vorhänge ziehe ich noch zu, eile in mein Zimmer und lege neue Kleidung an. Da keine Rune einen Schaden nahm, begebe ich mich auf den Weg ins Antiquariat und hinterlasse Lee einen Zettel, dass er für die Schule befreit ist und die Wohnung nicht verlassen soll.

KAPITEL 2

Marah

Schmunzelnd hört sie zu, wie Aren leise durch die Wohnung rennt und diese verlässt. Auf ihrem Bett lehnt sie sich weit zurück, bis sie sich fallen lässt und mit einem leisen dumpfen Geräusch in den Laken landet. Sie malt sich aus, wie es sein wird zum ersten Mal einen Schritt in ihrer Heimat zu machen. Als sie ihr Land verlassen musste, konnte sie kaum sehen. Ihre Erfolgserlebnisse, bis zu ihrer Ausreise bestanden aus Schreien und Scheißen. Wenn sie nur noch diesen einen letzten Tag übersteht, wenn sie ihre letzte Mission schafft, die ihre Mutter ihr auftrug, dann würde sie von ihr abgeholt werden. Am morgigen Abend wird sie von ihr auf der anderen Seite abgeholt werden. Sie lässt ihre Gedanken weiterziehen, wie sollen Aren und er nach Monáro kommen? Ihr kommt die Frage nicht aus Mitgefühl zu ihnen, sondern aus dem Grund, dass ihre Mutter die Beiden nicht hier töten kann, auch ihre Kräfte sind in dieser Welt beschränkt, sie kann aus ihrer Welt kaum ihre Macht in die Menschenwelt senden. Ihre Mutter wird es vermeiden auf diese Seite zu kommen, zu groß ist die Gefahr einer Niederlage zum jetzigen Zeitpunkt. Ihre Gedanken werden unterbrochen, die Erinnerung an das, was sie eben noch dachte, verblasst. Marah setzt sich von ihrem Bett auf, wundert sich, dass bereits 15 Minuten vergangen sind, seit Aren ihr Zimmer verlassen hat. Sie schnuppert ein wenig in der Luft, dann an ihren Achseln, Schweiß und Asche sind eine unangenehme Mischung. Sie sollte sich an den Rat, den Aren ihr gab, halten. Marah steht auf und geht in das Badezimmer, das auf der anderen Seite liegt, dreht das Wasser auf, bis Schwaden aus Wasserdampf hochsteigen. Solange die Wanne noch nicht vollgelaufen ist, zieht sie sich aus, betrachtet sich im Spiegel, um festzustellen, dass sie ihrer Mutter nicht im Ansatz gleicht. Gebräunt dunkle Haut, schwarze Augen, die durch goldene Sprenkel aufgehellt werden und so viel Metall in den Ohren, dass sie die Piercings nicht mehr zählen kann. Volle sinnliche Lippen, die in ihr weiches Gesicht einen Hauch Verruchtheit zaubern. Sie wendet sich von ihrem Spiegelbild ab, gibt wohlriechende Öle in das Wasser und legt sich die Seife bereit, die Aren erwähnt hatte. Wo ist Aren eigentlich, ist sie gegangen? Wenn sie gegangen ist, wann war das? An manchen Tagen hat sie das Gefühl verrückt zu werden. Manchmal sind es nur ein paar Minuten, doch aus Marahs Gedächtnis verschwinden immer mehr Stunden und Tage. Sie kann sich an eine ganze Woche nicht mehr erinnern, nur aus Erzählungen wurde ihr bewusst, dass sie mit Aren und ihm unterwegs war. Doch es sind nicht ihre Erinnerungen, sondern die von anderen die sie hütet. Was war geschehen, dass sie diese eine Woche vergisst, als junge Hexe, strotzend vor Kraft, ist es nur schwer vorstellbar, dass sie an einer Krankheit leidet. Zuerst taucht Marah ihre Zehen in das Badewasser, prüft damit die Temperatur, um festzustellen, dass sie ihre Wohlfühlwärme erreicht hat. Genüsslich und stöhnend gleitet sie in das Wasser, welches sie wohlig umschließt. Die strapazierten Körperteile geben ihren Protest auf und entspannen sich, je tiefer sie sinkt. In seltenen Momenten blitzen Erinnerungen auf, die sie vergessen hatte, genau wie jetzt. Das Wasser schwappt leicht in ihr Gesicht, dann strömt ihr der Geruch von Meerluft in die Nase. Ein Tag am Meer. Der Dreck aus Marahs Gesicht löst sich und treibt kurz auf der Oberfläche, bevor er sinkt und verschwindet. Sie war noch jung, als sie ans Meer fuhren, sie wollte auch nicht mit. Sogar nach ihrer Ankunft blieb sie stur und wollte nicht im Sand oder gar im Meer, danach verschwindet die Erinnerung und sie weiß nur noch, dass sie alle drei zurückkamen. Die drei waren voller Schlamm und getrocknetem Sand und glücklich. Sie waren wirklich und ehrlich glücklich. Wochenlang fanden sie noch Sand. Was aber zwischen der Ankunft am Strand und der Rückkehr geschah, daran kann sie sich nicht erinnern. Marah lehnt sich zurück, ihr Kopf gestützt durch ein Badewannenkissen und beginnt ihren Körper mit der Seife zu bearbeiten.

Lee

Nach wenigen Stunden eines traumlosen Schlafs wacht er auf, gekitzelt von einem Streifen blendenden Sonnenlichts. Der Vorhang im Wohnzimmer wurde nicht ganz geschlossen. Leicht geblendet von dem Licht steht er auf, öffnet den Vorhang und wirft einen Blick auf die Küchenuhr. In 20 Minuten müsste er zur ersten Stunde in der Schule sein, da er weiß, dass er es nicht rechtzeitig schaffen würde lässt er sich Zeit. Verschlafen trottet er in die Richtung seines Zimmers, da umhüllt ihn der schwere Duft von Rosen. Der Geruch zieht ihn zum Badezimmer, doch nicht nur der Rosenduft hängt in der Luft, Pfeffer. Obwohl, nein, kein Pfeffer, es riecht nach Pfefferminze. Noch etwas neben sich öffnet er die Tür zum Badezimmer, Dampfschwaden schlagen ihm entgegen und keine zwei Meter vor ihm steht Marah in der Dusche und reibt sich ihren Körper mit der Seife seiner Mutter ein. Für einen kurzen Moment hört er auf zu atmen, das Bild, das Marahs Rücken ihm bietet, verschlägt ihm die Sprache <<Ich bezweifle ganz stark, dass du noch nie eine nackte Frau gesehen hast. Wenn ich bitten dürfte, verschwinde Perversling.>>

Er antwortet nicht, sondern starrt sie weiterhin an und Marah greift nach einem Handtuch, das sie sich bereitgelegt hatte. <<Ich werde dich nicht nochmal bitten. Verpiss dich!>>

Doch Lee bleibt, im Gegenteil sogar, er kommt ihr näher. Als wäre er in einem Trancezustand, hebt er eine Hand und ist nur noch wenige Zentimeter von ihr entfernt. Mit dem Handtuch bedeckt dreht sich Marah um und gibt ihm eine Ohrfeige <<Auch wenn dir jetzt klar ist, dass wir nicht miteinander verwandt sind, gibt dir das nicht – ich wiederhole Nicht – das Recht mich anzufassen, während ich nackt bin!>>

Daran hatte er nicht mehr gedacht, seine Finger zucken zurück <<Kannst du mir sagen, woher diese Wunden sind? War das unsere>>

<<Unsere gleich mal gar nicht. Ja, es war Aren, doch das liegt schon lange zurück. Letzte Nacht habe ich mich gerächt, hast du sie gar nicht gesehen?>>

stellt sie ihm die Gegenfrage, mit einem gehässigen Lächeln. <<Aber warum sollte sie sowas machen? Ich dachte, ich verstehe es nicht.>>

Da sie in der Badewanne steht, ist sie nun seit langer Zeit größer als er, sie beugt sich leicht zu ihm herab, legt ihm einen Finger unter sein Kinn und antwortet <<Noch nicht. Aber bald. Raus jetzt!>>

Mit der Hand, mit der sie sein Kinn stützte, drückt sie ihm an seinem Brustkorb ruckartig nach hinten, sodass er stolpernd aus dem Badezimmer fällt. Sie stellt das Wasser wieder an und der Dampf verdichtet sich wieder, bevor sie sich jedoch umdreht, blickt sie ihn aus kalten Augen heraus an. Augen, die trotz des Nebels leuchten, beinahe golden und Lee schreckt noch einen Schritt zurück, stößt bereits an einer Wand an <<Was? Marah, was ist mit deinen Augen?>>

er fragt sich ernsthaft, ob er verrückt wird, er die Kerze letzte Nacht, jetzt leuchtende Augen. Er beschließt, dass er mit seiner Mutter bezüglich eines Arztes mal sprechen sollte. Marah indes wirft ihr Handtuch beiseite und Lee schließt zügig dir Tür, da er keine Antworten von ihr erwarten kann. Diese Provokation eben untermauert seine Vermutung, dass etwas nicht stimmt. Eine kräftige Hand klopft ein paar Mal auf seine Schulter und er ist wieder versucht den Unbekannten niederzustrecken, hält aber im letzten Moment inne. <<Lee. Alter, du bist ja immer noch aufgekratzt. Sollte ich mir Sorgen machen?>>

zieht Dave ihn mit sarkastischem Unterton auf. <<Ja, nein, keine Ahnung, was machst du eigentlich noch hier?>>

<<Hast du keine Nachricht von deiner Mom? Ich wollte vorhin eigentlich schon los, da lag ein Brief von ihr vor meiner Tür. Ich soll heute bei euch bleiben, nicht das Haus verlassen. Sie schrieb auch, dass sie sich um die Schule kümmert, ich nehme an, sie hat für uns beide angerufen.>>

Ungläubig geht Lee in die Küche, hier ist keine Nachricht für ihn, aber dort, auf den kleinen Tisch neben dem Sofa liegt ein handgeschriebener Zettel

- Bleib Zuhause. Hier ist es sicher. David soll auch hier bleiben. Aber Marah geht ihr besser aus dem Weg. Schule fällt heute aus. Ich komme so schnell es möglich ist, wieder zurück. -

Sie hat den Zettel in Eile geschrieben, ihre eigentlich sorgfältige Schrift wirkt ziemlich abgehackt. <<Und jetzt? Sollen wir allen Ernstes hierbleiben und auf sie warten?>>

Dave überlegt. <<Wie wäre es, wenn wir erstmal einen Kaffee trinken. Ich kann wirklich einen gebrauchen.>>

Lee nickt, öffnet einen Schrank und zieht, auf einem Schieberegal, einen Kaffeevollautomaten hervor. Er drückt einen Knopf, durch den die Maschine erstmal Wasser durchspülen lässt. <<Warum sollen wir hierbleiben? Irgendwas ist doch faul, hier ist es sicher und dann sollen wir uns noch von Marah fernhalten. Glaubst du sie hat Drogen genommen?>>

<<Es ist deine Mom, aber sie hat mit Sicherheit ihre Gründe.>>

das Mahlwerk läuft, dann steigt der Duft von frischem Kaffee auf, während sich die erste Tasse füllt. Nachdem auch die zweite Tasse vollgelaufen ist, stellt er diese, mit einer Flasche Mineralwasser, auf die Theke, an der David bereits sitzt. Erst gierig, dann genüsslich schluckt er die schwarze Flüssigkeit <<der beste Kaffee der Welt. Sie ist schlau.>>

<<Was? Wen meinst du?>>

reagiert Lee geistesabwesend. <<Deine Mom, sie ist schlau. Ich bin beinahe zu 100 % davon überzeugt, dass Drogen nichts mit dem Zettel zu tun haben. Sie hat ihre Gründe, wie immer.>>

<<Du hast eine viel zu hohe Meinung von ihr.>>

<<Weil ich keine hab, darf ich ’ne Meinung von deiner haben, auch wenn sie zu hoch sein sollte.>>

Lee nimmt seinen ersten Schluck, stellt dabei aber fest, dass er keinen Kaffee möchte, also schiebt er seine Tasse zu Dave. Er stößt sich von der Arbeitsfläche ab und nimmt den Teekessel zur Hand, füllt diesen mit Wasser. Nachdem er den Kessel platziert hat, stellt Lee den Gasherd an, es dauert nicht lange, bis das Teewasser heiß ist und der Teekessel pfeift. Er dreht das Gas ab, damit das Wasser ein wenig abkühlen kann, währenddessen holt er sich eine Keramiktasse und eine Dose mit getrockneten Kräutern, die er und seine Mutter regelmäßig trocknen. Ein paar der Kräuter landen in der Tasse, mit dieser und dem Kessel, stellt er sich über die Spüle und gießt gedankenverloren das heiße Wasser hinein. Sein Blick schweift ab, zurück zu der Notiz, die er bekommen hat. Während das Wasser weiter in die Tasse läuft, überläuft und rinnt über seine Finger. David, der bereits die zweite Tasse Kaffee zur Hälfte getrunken hat, bemerkt den Unfall, springt auf und dreht lauwarmes Wasser am Hahn auf. Jetzt erst besinnt sich Lee seiner Situation <<Fuck, Lee! Was ist bitte los mit dir? Ich kann jetzt keine Borderline-Störung gebrauchen. Was?>>

Abrupt stellt Lee das Wasser aus, beide sehen sich die vermeintlich verletzte Hand an, nur um festzustellen, dass nichts mehr zu sehen ist. Verbrühte Haut, die vor wenigen Sekunden noch gerötet war, ist nun wieder wie vorher. Typisch für ihn in der irischen Herbstzeit, noch etwas gebräunt vom Spätsommer, aber wieder sichtbar weiß. <<Lee? Was war das?>>

Auch er hat die Wunderheilung beobachtet <<Ich muss zu meiner Mom, jetzt.>>

<<Was ist denn hier los? Habt ihr endlich begriffen, dass eure Liebe zueinander stärker ist, als alles was ihr bisher kanntet?>>

keift Marah, die in der Mitte des Raumes steht, betrachtet die Jungen, die eng beieinander stehen. <<Verschwinde Marah>>

Doch sie denkt nicht daran, Wasser tropft von ihren Haarspitzen, ihre nassen Füße klatschen auf den Holzboden, worauf sie Spuren aus kleinen Pfützen hinterlässt. <<Du wolltest doch reden, also stell mir deine Fragen, Bruder.>>

erst kurz vor ihm bleibt sie stehen <<Warum soll ich mich vor dir in Acht nehmen?>>