Weihnachten im Mondscheincafé - Mai Mochizuki - E-Book

Weihnachten im Mondscheincafé E-Book

Mai Mochizuki

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Beschreibung

Was sind deine wahren Sehnsüchte? Weihnachtszeit in Tokyo. Das Mondscheincafé, das unvorhersehbar in Vollmondnächten erscheint und von liebenswerten Katzen betrieben wird, empfängt neue Gäste. Durch die inspirierenden Ratschläge und süßen Köstlichkeiten der charismatischen Betreiber werden die Besucher dazu inspiriert, tief in sich hineinzuhorchen und ihre wahren Wünsche zu erkennen. Denn zwischen funkelnden Lichterketten und dampfenden Getränken sind es wieder einmal die Sterne, die es vermögen, den Weg zu Glück und Zufriedenheit im Leben zu weisen.  Basierend auf dem japanischen Mythos, dass Katzen den Menschen, von denen sie gut behandelt wurden, etwas zurückgeben möchten, verzaubert die ›Mondscheincafé‹-Reihe Leser auf der ganzen Welt.

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Seitenzahl: 205

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über das Buch

Kennst du deine wahren Sehnsüchte?

Weihnachtszeit in Tokyo. Das Mondscheincafé, von liebenswerten Katzen betrieben, empfängt neue Gäste. Durch die inspirierenden Ratschläge und süßen Köstlichkeiten der charismatischen Betreiber werden die Besucher dazu ermutigt, tief in sich hineinzuhorchen und ihre wahren Wünsche zu erkennen. Denn zwischen funkelnden Lichterketten und dampfenden Getränken sind es wieder einmal die Sterne, die den Weg zu Glück und Zufriedenheit im Leben weisen.

 

Basierend auf dem japanischen Mythos, dass Katzen den Menschen, von denen sie gut behandelt wurden, etwas zurückgeben möchten, verzaubert die ›Mondscheincafé‹-Reihe Leser auf der ganzen Welt.

Mai Mochizuki

Weihnachten im Mondscheincafé

Was wir uns eigentlich wünschen

Aus dem Japanischen von Sabine Mangold und Yukiko Luginbühl

»Das Mondscheincafé, meine Damen und Herren, hat keinen festen Standort. Mal erscheint es mitten in Ihrer vertrauten Einkaufspassage, mal an der Endstation Ihrer Bahnlinie, manchmal an einem ruhigen Flussufer.

Bestellungen nehmen wir keine auf; stattdessen offerieren wir Ihnen Ihr ganz persönliches Dessert, Gericht oder Getränk.«

Ob der Meister des Cafés, jener große Schildpattkater, wohl auch heute Nacht irgendwo vor sich hin schmunzelt?

Zu Beginn

Ein heller, klarer Halbmond steht am Nachthimmel. Nächte mit einem zunehmenden Mond sind zum Lernen wie gemacht. Im wachsenden Halbmond liegt nämlich eine Energie, die bis zum Vollmond hin immer mehr an Kraft gewinnt und sich auf alles auf der Welt auswirkt – eine wesentliche Hilfe für die Entwicklung der Dinge! So pflegen auch wir vom Mondscheincafé unsere Lernabende jeweils in den Nächten des zunehmenden Mondes durchzuführen.

Auf dem großen Platz eines weitläufigen Stadtparks steht beleuchtet vom hellen Mond der Trailer des Mondscheincafés und wirft ein warmes Licht ab. In einem Kreis darum herum stehen einige Tische, an denen die Mitarbeiter sitzen. Sie haben sich um den Meister, den großen Schildpattkater, versammelt. Der Meister ist verantwortlich für den Betrieb des Cafés und er ist Sterndeuter. Die Sonne ist schon gänzlich untergegangen, und der Himmel hat sich in sein marineblaues Gewand geworfen. Eine kalte Brise kündigt den Anfang des Winters an. Rund um das Café ist es durch sein warm flackerndes Licht aber gemütlich und hell. Der Lernabend kann also beginnen.

Die Teilnehmer, man könnte sie die »Verbündeten« des heutigen Abends nennen, sind Diener der Sterne. Da sie aber außer über sich selbst ziemlich wenig Ahnung haben, kommen sie ab und zu, so wie heute, zusammen, um dem großen Wissen des Meisters zu lauschen. Auf jedem Tisch steht eine hausgemachte Mondschein-Limonade. Welch süßsaurer Schmaus für Körper und Seele dieses Getränk doch ist, dessen Zitronen im Licht des Monds gebadet haben. Nichts ist besser als ein Feierabenddrink nach einem langen Arbeitstag. Heute Nacht soll diese Limonade den Schülern des Meisters Kraft zum Lernen geben.

»Ach, diese Limonade hat ja dieselbe Farbe wie mein Haar …« Ich, Venus, streiche mir übers Fell, blinzle und führe mir das Glas schmunzelnd zum Mund. Dann drehe ich mich zum Meister und hebe meine Hand.

»Meister, ich hätte noch eine Frage …«

»Ja, bitte, Venus?«

»Wenn es stimmt, dass um das Jahr 2000 das Fische-Zeitalter ins Wassermann-Zeitalter übergegangen ist, weshalb ist die Welt dann in diesem Jahr, also 2020, bloß so ins Wanken geraten?«

Der Meister nickt nachdenklich und schaut dann in die Runde.

»Wer weiß die Antwort auf Venus’ Frage?«

Ein junger Rotschopf stützt sich mit beiden Händen am Tisch ab und erhebt sich.

»Das Fische-Zeitalter ist etwa im Jahr 2000 zu Ende gegangen. Danach hat das Wassermann-Zeitalter begonnen. Dass aber die Stimmung des Fische-Zeitalters nicht gleich verschwand, lag daran, dass damals die Erd-Ära noch weiterlief. Doch 2021 – genauer gesagt noch im Dezember 2020 – ging dann auch diese zu Ende, und wir traten in die Luft-Ära ein. Tja, und diesen Wechsel bekommen wir jetzt zu spüren.«

Der junge Mann setzt sich wieder. Sein Name ist Mars. Er hat markante, tapfere Gesichtszüge, und sein Haarschopf funkelt in flammendem Rot, in derselben Farbe wie seine Pupillen.

»Hast ja ganz schön fleißig gebüffelt, M.«, murmelt Merkur in die Stille. Dieser junge Schönling mit seinen silbern schimmernden Haaren genießt durch sein Aussehen ziemlich viel Aufmerksamkeit. Sein Stil hat im Übrigen etwas Mittelalterliches an sich.

»He, kannst du mich vielleicht beim Namen nennen? M. … das könntest ja genauso gut du sein!«

Als Merkur sieht, wie grimmig ihn Mars anschielt, zieht er lachend eine Grimmasse.

»Na gut, du hast ja recht …«

Der Meister, der dem Wortwechsel der beiden vergnügt gelauscht hat, bringt sich ein.

»Ganz genau, Mars. So ist es«, und lenkt die Aufmerksamkeit wieder auf das eigentliche Thema zurück. »Tatsächlich herrschte vom 19. Jahrhundert an für etwas mehr als zweihundert Jahre die Erd-Ära.«

Ich neige etwas ratlos meinen Kopf zur Seite und rekapituliere: »Ich habe verstanden, dass wir uns etwa vom Beginn unserer Zeitrechnung an bis ungefähr im Jahr 2000, also gut zweitausend Jahre lang, im Fische-Zeitalter befanden. Und nun kommen noch … Ären der Erde und der Luft dazu?«

In meinem Kopf herrscht ein riesiges Durcheinander. Merkur, der dies wohl bemerkt hat, öffnet fassungslos den Mund. »Wie? Du willst uns doch nicht etwa sagen, dass es bei dir schon da beginnt, oder? Und das, obwohl du unseren Gästen immer so selbstbewusst Ratschläge erteilst?«

Ich räuspere mich, hebe mein Näschen in die Luft und blinzle ein paarmal. »Das Horoskop habe ich sehr wohl verstanden! Ich weiß um die Besonderheiten der Häuser und um die Eigenschaften der Planeten. Und überhaupt hat das Ganze doch eher etwas von einer großen Offenbarung des Himmels. Diese gebe ich den Gästen weiter, wie eine Schamanin, wenn du so willst …«

»Ha! Dann berätst du unsere Gäste also einfach so nach Gefühl?«

»Nein! Mit Gefühl hat das nichts zu tun. Ich gebe ihnen den Willen des Universums weiter!« Doch während ich Merkur so barsch antworte, macht sich in mir ein schlechtes Gewissen breit, und ich ducke mich.

»Jaa, ja …« Merkur seufzt laut und provozierend, wieder mal typisch für sein Alter. Mars wirft ihm erneut einen grimmigen Blick zu.

»Unsere Ve ist der Planet der Sinnlichkeit. Behandle sie gefälligst mit mehr Respekt!«

»Okay …«, gibt Merkur gleichgültig zur Antwort. Da zückt der Meister seine Taschenuhr, als wolle er damit andeuten, dass die Lernstunde nun weitergeht. Die Taschenuhr dient natürlich in erster Linie dem Ablesen der Zeit, doch der Meister kann mit ihr auch noch anderes tun.

Am Nachthimmel leuchten auf einmal zwei Sternbilder auf – das der Fische und das des Wassermanns.

»So«, beginnt er zu erklären. »Wie Mars richtig gesagt hat, herrschte für zweitausend Jahre bis ungefähr zum Jahr 2000 nach Christus das Fische-Zeitalter und jetzt befinden wir uns im Wassermann-Zeitalter. Und eigentlich geht es hier um nichts anderes als um den sogenannten Frühlingspunkt. Dieser befand sich nämlich bis vor Kurzem noch im Sternbild der Fische und ist jetzt ins Sternbild des Wassermanns gewandert.«

»Frühlingspunkt also …«, sage ich immer noch ziemlich verwirrt.

»Beim Wechsel in eine neue Jahreszeit beginnen wir, uns anders zu kleiden, und tun andere Dinge, nicht wahr? Man könnte dazu sagen: ›Wir leben anders.‹ Genauso verhält es sich beim Wechsel in ein neues Zeitalter. Vieles verändert sich …«, setzte der Meister seine Erklärung fort.

Ich beschließe, die vielen Fragen, die in mir hochkommen, erst einmal für mich zu behalten und den Erläuterungen des Meisters bis zum Ende zu lauschen.

Während des Fische-Zeitalters wechseln sich die Elemente Feuer, Erde, Luft und Wasser ab. Man kann es sich wie eine Story vorstellen. Zunächst braucht es da doch einen Impuls, um die Handlung ins Rollen zu bringen. Dadurch entwickelt sich eine Geschichte, in der an einem gewissen Punkt eine bahnbrechende Wendung geschieht und die nach einigen Wirren wieder zu einem harmonischen Ende findet.

Das Element des Feuers ist dabei der Impuls. Die Sternzeichen, welche die Züge dieses Elements in sich tragen, sind Widder, Löwe und Schütze.

Das Element der Erde, das von den Sternzeichen Stier, Jungfrau und Steinbock repräsentiert wird, hilft der Story, sich zu entwickeln.

Die bahnbrechende Wendung der Geschichte kann dem Element Luft zugeschrieben werden, für welches die Zwillinge, die Waage und der Wassermann stehen.

Das Element des Wassers, in welchem die Zeichen Krebs, Skorpion und Fische stehen, führt zu guter Letzt die Geschichte zu einem harmonischen Ende.

Beim Wechsel von einem Element ins nächste spricht man von einer »Mutation«, und eine solche tritt etwa alle zweihundert Jahre auf.

»Tja, und wie entsteht ein solcher Wechsel?«, fragt der Meister seine Schüler, während er zu Saturnus hinüberschlurft, einem elegant gekleideten Mann im mittleren Alter. Er legt ihm und der neben ihm sitzenden, etwas molligen, freundlichen Dame Jupiter die Pfoten auf die Schultern. Dann erklärt er: »Saturn und Jupiter besitzen wie keine anderen Planeten die Kraft, die Gesellschaft zu beeinflussen. Einmal in zwanzig Jahren geschieht es, dass die beiden von der Erde aus gesehen aufeinandertreffen. Das nennen wir dann eine ›Große Konjunktion‹.«

»Konjunktion … das muss in der Astrologie also etwas wie ›Berührung‹ bedeuten«, murmle ich und kritzle die Bezeichnung Große Konjunktion in mein Notizheft. »Das heißt also, dass sich Saturn und Jupiter einmal in zwanzig Jahren so richtig nahe sind«, sage ich nun laut.

»Nun ja, das könnte man auch etwas passender ausdrücken …«, grummelt Saturnus und verzieht den Mund. Doch Jupiter kichert vergnügt. »Ach komm, das klingt doch gut«, meint sie.

»Genau so ist es«, nickt der Meister mir zu. »Jupiter und Saturn treffen in Zyklen von zwanzig Jahren aufeinander. Doch der Ort, an dem sie sich begegnen, ändert sich alle zweihundert Jahre. Wenn sie sich zum Beispiel zweihundert Jahre lang jedes zwanzigste Jahr im Element des Feuers getroffen haben, treffen sie sich nach dieser Zeit alle zwanzig Jahre im Element der Erde. Betrachten wir nun unsere Zeit: Vom 19. Jahrhundert an bis ins Jahr 2020 haben sich die beiden Planeten immer im Element der Erde, also in den Zeichen des Stiers, der Jungfrau und des Steinbocks, getroffen«, sagt der Meister und drückt dabei zweimal auf die Krone seiner Taschenuhr. »Aber! Ab Anfang Dezember 2020 werden sich Jupiter und Saturn nicht mehr dort, sondern im Element Luft begegnen, also im Zeichen des Wassermanns, der Zwillinge und der Waage.«

Im selben Moment funkelt seine Taschenuhr auf, und am Himmel erstrahlen zwei Sternbilder.

Ich erhebe mich vom Stuhl. Endlich macht alles Sinn!

»Nun habe ich es verstanden! Lassen Sie es mich mit Bildern erklären, die mir besonders gefallen«, kündige ich meine kleine Rede an und beginne den anderen zu schildern, wie ich mir die Sache in meinem Kopf ausgemalt habe.

»Also. Die Zeit vom Jahr 0 bis um das Jahr 2000 nach Christus, das war die Bühne für das Theaterstück namens ›Fische‹. Während die Story ihren Lauf nahm, ließ die Regie das Scheinwerferlicht vom ›Feuer‹ zur ›Erde‹ und weiter zur ›Luft‹ und zum ›Wasser‹ wandern. Obwohl das ganze Stück auf ein und derselben Bühne gespielt wurde, tauchte das wandernde Scheinwerferlicht die Szenen jeweils in eine vollkommen andere Stimmung. In den rund zweihundert Jahren vom 19. Jahrhundert bis heute spielte das Stück im Scheinwerferlicht des Elements Erde. Noch während dieser Scheinwerfer die Bühne beleuchtete, war das Stück der ›Fische‹ aber zu Ende, und der Vorhang ging zu. Aber auch als er sich wieder öffnete, weil nun das nächste Stück namens ›Wassermann‹ begann, herrschte auf der Bühne immer noch dasselbe Licht: das des Elements Erde. Deshalb verstanden die Zuschauer nicht gleich, dass ein neues Stück begonnen hatte. Die Stimmung auf der Bühne war ja noch genau dieselbe wie im vorherigen Stück. Aber dann, Anfang Dezember des Jahres 2020, wanderte der Scheinwerfer weiter und warf sein Licht ins Element der Luft. Endlich wurde dem Publikum klar, dass nun ein neues Stück begonnen hatte.«

»Das heißt«, schließe ich meine Deutung, »sobald der Scheinwerfer das Element Luft in den Fokus rückte, war die Story des Wassermanns endlich vollends bereit, sich zu entfalten.«

Der Meister lächelt und nickt zufrieden.

»Nach Ves Darstellung könnte man die Zeit kurz vor dem Wechsel ins Licht des Elements Luft, also das Jahr 2020, sozusagen als Zeit des Übergangs sehen. Sehr gut! Tja, der Wechsel zu einem Zeitalter mit einem anderen Charakter beeinflusst auch immer die Gesellschaft. Kein Wunder, dass in dieser Zeit ein zerrüttendes Ereignis nach dem anderen geschehen ist. Auch jetzt, nachdem das neue Zeitalter bereits angebrochen ist, ist die Welt noch immer ein wenig in Unruhe. Da will ich doch hoffen, dass wir, als Diener der Sterne, den Menschen auf ihrem Weg ein Licht sein können.«

Wir nicken alle schweigend.

»So. Es ist nicht mehr lange hin bis Dezember. Ihr wisst, das ist für viele Menschen eine besondere Zeit. Ich plane also, auch an diesem Heiligabend unser Mondscheincafé außerordentlich zu öffnen.«

Als er das sagt, huscht bei uns allen ein Strahlen übers Gesicht. Das Mondscheincafé hat grundsätzlich nur bei Vollmond (oder Neumond) geöffnet. Aber in der Weihnachtszeit machen wir jedes Jahr eine Ausnahme.

»Juhu! Und eröffnen wir nach Ladenschluss wieder unser Bankett?«

»Du meinst unsere Jahresendfeier?«

Während Jupiter und ich aufgeregt unsere Vorfreude kundgeben, zuckt Merkur neben uns nur kühl mit den Schultern.

»Ihr Frauen mit eurem ›Bankett‹ und eurer ›Jahresendfeier‹ … können wir es nicht einfach ›Weihnachtsparty‹ nennen?«

Nur Saturnus’ Züge bleiben ungerührt, es steht ihm auch dieses Jahr ins Gesicht geschrieben, dass er an so etwas wie Partys keinerlei Interesse hat. Dennoch ist zu betonen, dass er als rechtschaffener, aufrichtiger Mann jedes Jahr an der Feier teilgenommen hat. Der Meister, der unser Geschwätz still beobachtet hat, kneift seine ohnehin schon schmalen Augen vergnüglich zu hauchdünnen Schlitzen zusammen.

»Übrigens«, meint er, »es sieht so aus, als könnten wir uns dieses Jahr endlich dem Auftrag jener beiden widmen.«

Auf diese Ankündigung hin ziehe ich die Augenbrauen hoch. Wen meint er damit? Luna scheint eine Vermutung zu haben.

»Aha! Sie meinen wohl das Mädchen damals vor einundzwanzig Jahren …«

»Wie? Wer war vor einundzwanzig Jahren hier?«

»Meine Freundin. Bevor sie ihre Reise angetreten hat, hat sie mich um eine Sache gebeten … Ah, nun ist es also so weit …«

Der Meister nickt.

»Der andere Gast ist vor vierzehn Jahren mit einer Bitte zu uns gekommen. Beide Zeiträume sind ein Vielfaches von sieben, seltsam.«

Daraufhin lacht Uranus verschmitzt und stützt seine Wange auf.

»Aber Meister … Die Sieben und ihre Vielfachen sind im Universum äußerst bedeutungsvolle Zahlen, so ›seltsam‹ ist das doch gar nicht.«

»Ja, du begibst dich zum Beispiel alle sieben Jahre in ein neues Tierkreiszeichen, stimmt’s?«, bemerkt Merkur.

»Yep«, nickt Uranus. »Und du, Onkel Saturnus, du hältst den Menschen alle sieben Jahre deine Prüfungen vor die Nase.«

»Onkel Saturnus?«, brummt dieser. »Und wie oft muss ich euch das noch sagen: Es sind ›Aufgaben‹, keine ›Prüfungen‹.«

»Ach ja? Ich würde mal meinen, je nachdem, was man für ein Typ ist, kann sich eine Aufgabe ziemlich schnell wie eine Prüfung anfühlen«, argumentiere ich.

Als unser Gesprächspegel immer lauter wird, greift der Meister ein, um uns wieder auf den Boden zu holen. »Aber, aber. Lassen Sie uns bitte zum Thema zurückkehren. Ich werde Sie zu einem späteren Zeitpunkt über die Einzelheiten des erwähnten Auftrags aufklären. Jedenfalls kann es sein, dass wir vor diesem Hintergrund unser Café im kommenden Dezember außer an Heiligabend noch an weiteren Abenden außerordentlich öffnen müssen. Ich bitte Sie um Ihr Verständnis und um Ihre Mithilfe.«

Wir alle nicken zustimmend.

»Ah!«, rufe ich und balle voller Elan meine Fäuste. »Ich verstehe zwar noch nicht alles, aber ich will mein Bestes geben!« Doch Merkur wirft mir einen kühlen Blick zu.

»Das ist ja schön zu hören. Aber, Ve, meinst du, das wird auch gut gehen?«

»Wie?«

»Ich meine, du hattest bis heute nicht einmal die Grundlage der Grundlage der Astrologie begriffen. Hast es nicht so genommen mit dem Lernen, was?«

Aua, das trifft einen wunden Punkt in mir, und ich ziehe meinen Kopf ein. »Aber«, erwidere ich leise, »es ist wie Mars vorhin gesagt hat, meine Stärke liegt nun mal eher in der Sinnlichkeit, im Empfinden. Eigentlich … ja, eigentlich liegt mir das Legen von Tarotkarten viel besser als diese ganzen astrologischen Lehren.«

Als ich mich rauszureden versuche, merke ich, wie Jupiter neben mir zu kichern beginnt. Mit ihrem langen kastanienbraunen, welligen Haar hat sie etwas von einer Jazzsängerin.

»Ves Arbeit ist es, die Sinnlichkeit und das Vergnügen zum Leben zu erwecken. Sie ist nicht wie du, der das Lernen über alles liebt, Merkur, verstehst du?«

»Oh, Jupiter«, sage ich dankbar.

»Meine Ve, das macht dich doch gerade so besonders!«

»Danke, liebe Jupiter! Ja! Ich liebe die Unterhaltung, das Sinnliche! Deshalb würde ich unser Café nächstes Mal so gern an einem richtig lauschigen, romantischen Ort öffnen, was meint ihr?«

»Ja, warum denn nicht! Du hast recht, wir sind schon bald im Dezember, die Weihnachtszeit naht. Warum stellen wir unser Café nicht einfach unter funkelnder Weihnachtsbeleuchtung auf?«, frohlockt Jupiter.

Saturnus seufzt grämlich und rückt mit strenger Miene seine Brille gerade. »Jupiter, nun sei doch nicht immer so nett zu Ve …«

»Wir verstehen uns eben prima, nicht wahr, Ve?«

»Ja!«, nicke ich glücklich.

Saturnus und Merkur blicken sich an und zucken ernüchtert mit den Schultern. Mars jedoch bemerkt leise: »Ist es nicht schön, wenn sie sich gut verstehen?«

Ach je, unser lieber Mars. Manchmal führt er sich immer noch auf wie ein pubertierender Junge und hat nicht selten ein ziemlich schroffes Mundwerk, aber er unterstützt mich immer. Ich fasse mir ans Herz. Auch ich will ihm nun meine beste Seite zeigen.

»Sagen Sie«, wende ich mich deshalb an den Meister, »worauf sollen wir denn im neu angebrochenen, ja, und nun bestimmt eine ganze Ewigkeit andauernden Wassermann-Zeitalter denn am besten achten?«

Der Meister neigt nachdenklich seinen Kopf. »Das Wichtigste wird wohl sein, sich selbst und seine Wünsche zu kennen.«

»Oh ja!« Wir nicken alle eifrig. Dann erhebt Merkur seine Stimme.

»Wir brauchen nur unser Geburtshoroskop zu studieren, um herauszufinden, welche Eigenschaften unser Wesen ausmachen. Und schon lebt es sich ganz locker.«

»Das ist mir schon klar«, werfe ich ein. »Aber kann man das nicht auch etwas einfacher erklären? Als bescheidenen Teil meiner Sterndeuter-Ausbildung habe ich mich manchmal in eine Einkaufsstraße gesetzt, um den Leuten den Rat der Sterne zu vermitteln. Aber sobald ich ihnen mit Begriffen wie ›Geburtshoroskop‹ oder ›Wesenseigenschaften‹ kam, sahen sie mich oft nur ratlos an.«

»Nun, wie wäre es denn damit: ›Der Weg ist, seine Aufgaben zu erkennen‹«, sagt Saturnus.

»Ach, deine Aufgaben sind am Ende ja doch nur Prüfungen! Solch ernste Dinge sind mir zuwider, pah!«, kontere ich und wende mich beleidigt von ihm ab.

»Ernste Dinge …«, setzt Saturnus brummend an, kommt aber sogleich ins Stottern.

Die anderen um uns herum beginnen zu kichern.

Auch die wunderschöne Luna mit ihrem pechschwarzen langen Haar lächelt. Mit leiser, kaum hörbarer Stimme sagt sie: »Um sich selbst zu erkennen, hilft es vielleicht auch, den Stand des Mondes in Betracht zu ziehen.« Als Opernsängerin hat Luna eigentlich eine durch und durch kräftige Stimme, doch wenn sie mit einem spricht, klingt diese immer hauchzart.

»Der Stand des Mondes, also …«, denke ich laut nach. »Hatte damals nicht Serikawa-Sensei den Mond im vierten Haus, das für das ›Zuhause‹ steht?« Plötzlich erinnere ich mich an eine junge Frau, die einst in unser Café gekommen war. Luna stimmt mir nickend zu.

»Du hast recht, es ist von großer Bedeutung, in welchem Haus der Mond steht. Doch der Mond spielt auch eine wichtige Rolle, wenn wir von Sternzeichen sprechen.«

»Das Mondzeichen …«, murmle ich und schreibe sogleich ins Notizbuch: Auch das Mondzeichen ist von Bedeutung.

»Nun«, übernimmt der Meister wieder das Wort, »sich selbst kennenzulernen, kann ja auch etwas Vergnügliches sein …« Im selben Moment scheint der Mond auf einmal strahlend hell. Er hat den Zenit erreicht. Ob das der Grund ist, dass wir uns plötzlich alle wieder in Katzen verwandeln? Luna wird zu einer pechschwarzen Katze, Merkur zu einem Siamkater, Mars zu einem Abessinier, Jupiter zu einer Maine-Coon-Katze, Saturnus zu einer Tuxedo, Uranus zu einer Singapura und ich zu einer weißen Perserkatze.

Den hellen Schein des Mondes in unseren Pupillen reflektierend blicken wir zum Meister hoch. Wir konnten seine Worte nicht mehr zu Ende hören. Sich selbst kennenzulernen, könne auch etwas Vergnügliches sein? Was hatte er danach wohl gesagt? Nachdenklich runzle ich die Stirn.

»Aber die eigenen Wünsche? Diese kennt doch jedes Kind«, murmle ich verunsichert. Da höre ich neben mir leise eine elegante Stimme. Es ist die schwarze Katze Luna, die sich unbemerkt neben mich hingehockt hat.

»Viele Menschen glauben zwar, sie zu kennen, dabei versteckt sich die Wahrheit aber oft ganz hinten in ihrem Herzen.«

Meine Augen beginnen zu glitzern.

»Denkt an die Sage von der himmlischen Felsengrotte Ama-no-Iwato[1] …«, meint Jupiter augenzwinkernd und stimmt Luna zu. Endlich glaube ich, verstanden zu haben.

Der Meister wollte sagen: »Sich selbst kennenzulernen, kann ja auch etwas Vergnügliches sein, wenn man sich auf die Suche nach seinem tiefsten Wunsch macht.«

Prolog

Ein warmer Herbsttag.

Im Expo ’85 Memorial Park in Tsukuba hatten sich viele Menschen zum Jahresend- und Erntedankfest versammelt. An den Buden wurden die verschiedensten Produkte aus der Region verkauft: Steaks vom Hitachi-Rind, Lotoswurzel-Chips, Rosinen … In einer Ecke des Parks hatte sich außerdem ein Grüppchen von ausländischen Musikern platziert und spielte fröhliche Melodien. Eine blonde Frau und ein Junge, dessen Haar silbern schimmerte, spielten Geige, ein Rotschopf – nur wenig älter als der silberhaarige Junge – spielte die Bratsche und eine Frau mit langen, glatten pechschwarzen Haaren das Cello – es war ein Quartett!

Da es in Tsukuba nicht nur weltbekannte Forschungseinrichtungen gab, sondern die Stadt auch Hauptsitz einiger bedeutender Firmen war, lebten hier viele Forscher aus dem Ausland. Der Anblick dieser nicht japanischen Musiker hätte die Besucher des Festes deshalb eigentlich nicht in Erstaunen versetzen müssen. Doch diese vor Schönheit wie Hollywoodstars glänzenden vier Künstler zogen alle Blicke auf sich. Der Dirigent seinerseits schien ein Japaner zu sein. Der Mann mittleren Alters, schwarzhaarig und im ebenso schwarzen Frack, hatte eine ziemlich griesgrämige Miene. Mit zusammengezogenen Brauen schwang er den Taktstock.

»Der macht aber ein strenges Gesicht …«, rutschte es mir heraus. Ob er auf etwas wütend war? Doch meine bald siebenjährige Tochter Ayu schüttelte den Kopf.

»Nein, Mama, der sieht nur so aus. In Wirklichkeit hat er Spaß und ist glücklich«, sagte sie laut.

Anscheinend hatte der Dirigent Ayu gehört, denn er zuckte leicht zusammen und lächelte schief. Die vier spielenden Musiker fingen an zu kichern. Ich entschuldigte mich unter vielen Verbeugungen, schob Ayu rasch von ihnen weg und wollte sofort verschwinden. In diesem Augenblick sah ich, wie der Dirigent Ayu mit seiner freien Hand zuwinkte. Ich war diesem Mann noch nie zuvor begegnet, doch spürte ich, als ich sein schüchternes und doch so liebevolles Lächeln sah, dass ich gerade etwas ganz Wertvolles miterleben durfte. Auf einmal wurde mir warm ums Herz.

»Siehst du, der ist doch richtig nett!«

Ja, du hattest recht, nickte ich.

Ayu besaß so eine Seite …

Wie neulich auf dem Spielplatz vor dem Haus. Manchmal saß dort ein Mann auf einer Bank, der immer nur mürrisch dreinschaute. Niemals hätte er junge Mütter wie mich zurückgegrüßt, er warf uns immer nur eiskalte Blicke zu, ich konnte ihn nicht leiden! Und er erinnerte mich an meinen Vater. Auch er war ein wortkarger Mann gewesen, stets missgelaunt, und wenn er einmal den Mund öffnete, dann nur, um uns herumzukommandieren und zu tyrannisieren. Er war schuld daran, dass sich unsere Familie am Ende auseinandergelebt hatte. Dieser Mann im Park musste doch genau so ein Typ sein. Was machte er eigentlich immer hier? So wie er aussah, hatte er doch mit Kindern gar nichts am Hut! Nach einer Weile hörte ich auf, ihn zu grüßen und nickte ihm allerhöchstens zu, wenn ich ihm begegnete. Doch Ayu lief an diesem Tag einfach zu ihm und rief fröhlich: »Hallo!«. Der Mann erwiderte nichts und schielte bloß aus den Augenwinkeln zu ihr herüber. So zu reagieren, wenn einen ein Kind begrüßt … das ging doch wohl gar nicht! Die Wut stieg in mir hoch, und ich flüsterte Ayu zu: »Mach dir nichts daraus, Ayu.« Doch auch an jenem Tag hatte sie mich verwundert angeschaut und gefragt: »Woraus soll ich mir nichts machen, Mama?«

»Dass dich der Mann nicht zurückgrüßt«, antwortete ich und gab mir dabei Mühe, gelassen zu klingen.

Ayu aber schüttelte energisch den Kopf. »Nein, Mama. Der Mann hat eine ganz leise Stimme. Du hast ihn bloß nicht gehört. Er hat ›Grüß dich‹ gesagt!«

»So? Hast du es denn gehört, Ayu?«

»Nein, ich habe es auf seinen Lippen gesehen, die haben sich so bewegt. Vielleicht ist er ein bisschen schüchtern.«

So etwas konnte doch nicht sein … Doch später, bevor er losging, kam der Mann tatsächlich zu uns gelaufen und streckte Ayu wortlos ein Bonbon hin. Nein, wortlos war die Geste nicht, tatsächlich bewegten sich seine Lippen, als würde er etwas sagen. Ayu sah mich fragend an, um sicherzugehen, dass sie das Geschenk annehmen durfte. Als ich nickte, hielt sie dem Mann überglücklich die Hand hin. »Danke!«, sagte sie mit leuchtenden Augen. Beim Anblick von Ayu, die über das ganze Gesicht strahlte, hob der Mann seine Mundwinkel etwas an. Vielleicht, ja … vielleicht war er, wie Ayu meinte, tatsächlich einfach ein schüchterner und etwas ungeschickter Mann, dachte ich dann.

Ob mein Vater in Wahrheit auch so war?