Weiße Langnase - Herbert Müller - E-Book

Weiße Langnase E-Book

Herbert Müller

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Beschreibung

Schon als kleiner Junge träumt der gebürtige Schwabe und leidenschaftliche Natur- und Tierfilmer Herbert Müller davon, es seinen Vorbildern, den berühmten Forschern und Abenteurern Sven Hedin und Thor Heyerdahl, gleichzutun und die Schönheiten der Wildnis selbst zu erkunden. Die Faszination des Autodidakten Müller gilt dabei seit jeher dem Reiz des Unbekannten und der Entdeckung seltener Tiere und Pflanzen. Mit Mitte 40 ist es dann endlich so weit und der Hobby-Botaniker bereist zunächst allein und später zusammen mit seiner Familie die entlegenen Regenwald- und Dschungelgebiete Südostasiens. In seinen poetischen und spannenden Reiseerzählungen entführt er den Leser in eine schillernde und geheimnisvolle Welt voller Abenteuer und überraschender Begegnungen mit Einheimischen, die schon bald zu Freunden werden. Herbert Müller gelingt es so, ein beeindruckend plastisches und lebendiges Bild von Land und Leuten zu zeichnen, welches uns das Gefühl vermittelt, selbst Teil dieser unvergesslichen Reise geworden zu sein.

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Inhalt

Wie ich der wurde, der ich heute bin

Lehrjahre in der Fotografie

Raus aus den Jugenschuhen

Ein völlig neuer Lebensabschnitt

Wander- oder besser Reisejahre

Wie alles begann

Die Reise kann beginnen

Hallo Sri Lanka!

Mit dem Boot durch die Mangrovensümpfe

Unter Spionageverdacht

Eine Begegnung der anderen Art

Weitereise Richtung Anuradhapura

Auf geheimnisvollen Dschungelpfaden

Die heilige Stadt der Könige

Auf zu den Ureinwohnern Sri Lankas

Weiter zum Yala Nationalpark

Die alte Königsstadt Kandy

Die eigenartige Welt der „Horton Plains“

Eine Oase zum Träumen und Entspannen

In der Schattenwelt des Urwalds

Die heilige Stadt Kataragama

Im Bummeltempo der Küste entlang

Mit Riesenschritten zurück Richtung Colombo

Unfreiwilliger Aufschub

Die Abreise naht

Zurück daheim

Auf zu neuen Abenteuern!

Eine besondere nächtliche Begegnung

Die prächtige Perahera Zeremonie

Erbneut zu den Weddas

Zum beeindruckenden Gal Oya-Nationalpark

Eine Bootsafari auf dem Stausse

Auf den Spuren der Elefanten

Von der Wildnis aufgenommen

Ratnapura – Die Stadt der Edelsteine

Die Schattenseiten eines Paradieses

Der Abschied naht

My home is my castle

..und, das war’s? – Von wegen!

Wie ich zu dem wurde, der ich heute bin

Wie ich zu dem wurde, der ich heute bin

Ein kleiner schmächtiger und schüchterner Junge einer ländlichen Küferfamilie der Nachkriegszeit stellte beim Lesen alter, schon vergilbter und abgegriffener Bücher plötzlich fest, dass die Welt unendlich größer und schöner sein musste, als er es bisher in seiner kindlichen Naivität zu wissen und kaum zu ahnen vermochte – vor allem, dass sie hinterm Dorf nicht gleich endet!

Vor allem Sven Hedin und Th or Heyerdahl, die berühmten Forscher und Abenteurer, Carl Hagenbecks Tierfangexpeditionen in die Dschungel und Regenwälder der Tropen, allen voran in Südostasien, haben ihn stark fasziniert. Des Weiteren wenig bekannte Völker und Ureinwohner, deren Kultur mitunter grausamen Bräuchen und Riten unterworfen ist. Die Schönheit und Vielfalt des Lebens im Regenwald, die ständig lauernden Gefahren trotz einzigartiger Botanik und Flora ließen ihm fortan keine Ruhe mehr. Sehnsüchte, Jugendträume von Fremde und Abenteuer, selbst einmal wie die Großen eigene kleine Expeditionen zu unternehmen und zu organisieren, diese Vorstellungen waren seine ständigen Begleiter. Doch der Weg dahin war steinig und schwer, bis er es endlich schaffte, mit guter Filmausrüstung und reichlich Erfahrung zahlreiche Abenteuer und unvergessliche Erlebnisse zu filmen, zu überstehen und es seinen großen Vorbildern gleichzutun und das Ganze in Form eines Buches zu erzählen, was auch in seinem weiteren Leben sichtbare Spuren hinterlassen sollte.

Ich bin 1936 als ältestes Kind einer schwäbischen Handwerkerfamilie nahe Göppingen geboren worden und dort aufgewachsen. Von Bescheidenheit und Entbehrung der Kriegswirren geprägt, wurde mit Vaters Heimkehr vom Militär neue Hoffnung auf besseres Leben geschöpft. Jahre der Wanderschaft, durch In- und Ausland, machten ihn zu einem erfahrenen, guten Holz- und Weinküfer. Das alte Backsteinhaus mit Werkstatt gab bald bis zu zehn Menschen Lohn und Brot.

Die Zeit war schwierig! Lebensmittel und Gegenstände gab es nur über Bezugscheine oder Schwarzhandel. Die Lieferung von Fässern und Waren ins nahe Remstal brachten den Winzern Lebensmittel, Obst und Wein und so manches mehr ein. Wir hatten endlich ausreichend zu essen! Oft beschenkte Vater damit die ärmsten, Flüchtlinge und Verstoßene oder vertrieb die Sachen zu Schleuderpreisen. Öfters bewunderte ich meinen Vater und seine fleißigen Arbeiter, wie sie die schönsten und größten Zuber und Fässer bauten. Ich war richtig stolz, denn wer hatte schon einen Vater, der solch eine Leistung vollbringen konnte?

Des Öfteren kamen sogar Autos, ganz große und schöne, und die Fahrgäste darin waren so ganz anders wie wir: vornehm und hübsch gekleidet. Manchmal gab es sogar ein paar Süßigkeiten und sie lächelten uns freundlich zu, streichelten uns übers Haar oder Gesicht. Vater hatte das nie gemacht und wir Kinder wussten nicht, warum diese Fremden das taten. Wir fanden das richtig blöd!

Einige Male durften wir sogar mit ihnen zu Onkel Hermann ins Oberland fahren. Er hatte einen großen einsamen Hof mit viel Gesinde, etlichen Tieren und Obst. Unweit eines dunklen Furcht einflößenden Waldes lag ein verträumtes, silbern schimmerndes Flüsschen, wo wir immer gerne träumten und spielten!

Zum Abschied bekamen unsere Gäste immer reichlich Geschenke! Schweine, viel Wurst, Rauchfleisch und Speck und so einiges mehr. Manchmal war das große Auto sogar so voll, dass man sich kaum regen konnte.

Zu Hause hörten wir anschließend fröhliches Lachen und ihre schönen Stimmen, wenn sie sangen! Ich bewunderte diese Menschen. Trotzdem wollte ich doch lieber Küfer werden. Das gefiel mir einfach besser!

Beim überschwänglichen Abschied gab es immer reichlich Geschenke, Wein und Schnaps aus Vaters gewölbtem, tiefem, muffigem Keller, der etwas unheimlich und dunkel war und fürchterlich nach Gärung und Alkohol stank! Man konnte mitunter meinen, die Kellergeister wären wirklich los, es gäbe sie tatsächlich. Sie spukten herum und fühlen sich wohl. Wir Kinder – meine Schwester und ich – hatten immer ein komisches Gefühl beim Aufenthalt in diesem Keller, zumal er groß und dunkel war.

Vater hatte, wie es sich für einen Küfermeister nun einmal ziemt, seine eigene Weinstube. Unvergessen die mit den großen Autos! Ja – da war doch dieses vornehme und sich doch ganz bescheiden gebende Paar mit dem herrlichen Wagen – ein Millionärsehepaar aus Vaihingen bei Stuttgart! Das würden wir Kinder von damals nie vergessen!

Wenn bei Wein und Schummerlicht ihre Stimmen erklangen, bebten die Gläser, die Gäste kämpften mit den Tränen. Die einer schönen, dunkelhaarigen Frau mit einer noch schöneren, begnadeteren Stimme und ihrem gut aussehendem Ehemann. Unvergessliche Stimmen und Lieder, die mir die Freude am Gesang geschenkt haben. Besonders das Lied jener Zeit wird ewig in meinem Herzen ruhen: „Alle Tage ist kein Sonntag“ Kindheitserinnerungen der schöneren Art!

Vater war stets recht stolz auf seine vornehmen Gäste, wogegen Mutter doch weniger erfreut zu sein schien, was wir doch etwas komisch fanden – meine Schwester und ich. Beim heimlichen Lauschen erfuhren wir, dass Vater von guten, nützlichen Beziehungen gesprochen und dabei Minister und Staatssekretäre gemeint hatte, die bei uns aus und ein gingen. Doch allzu schnell sollte alles wieder anders werden. Wir sahen das Leid unserer geliebten Mutter, spürten ihren Schmerz. Das teuer verdiente Geld konnte dem Lebenswandel des Vaters, mit den „ach“ so guten Freunden aus Stuttgart, auf Dauer nicht standhalten. Bald blieb die „feine“ Gesellschaft weg, und zum Spott aller mussten wir Kinder mit ansehen, wie auch noch alles verloren ging!

Vater befand sich von nun an auf Wanderschaft, auf der Suche nach dem ewig vermeintlichen Glück. Unsere Mutter war nett, von zarter Gestalt, hübsch und eine überall sehr beliebte Frau. Mit dunkelschwarzen langen, zu einem Kranz geflochtenen Zöpfen. Wenigstens durften wir weiterhin im vormals eigenen Haus wohnen bleiben, doch Schmerz und Preis waren groß. Auf Kosten ihrer Gesundheit musste meine Mutter die schwere Arbeit einer Büglerin ausüben, um ihre drei Kinder zu ernähren. Jahre der Kindheit wurden uns geraubt. Schmerz und Leid, allgegenwärtig. Narben auf der Seele eines Kinderherzes, Wunden, die nie verheilen – die man nie vergisst.

Da ein Tier gerechter ist als der Mensch und nur tötet, um zu überleben, wurde mir mein Herzenswunsch bald erfüllt. Ich durfte mich in der schweren Zeit den geliebten Tieren zuwenden. Ich glaube, dass die mir so einiges gegeben haben, was mir ansonsten zum Teil entgangen war!

Mit Tauben fing es an! Ein großer Taubenschlag auf der Werkstatt mit herrlichen Rassetauben sollte nur der Anfang sein. Denn was später folgte, wurde ein richtiges kleines Vogelparadies. Mit Geschick, viel Liebe und Fantasie baute der Junge von damals die schönsten Volieren, mit allem, was für eine erfolgreiche Zucht nötig war.

Der Verkauf junger Wellensittiche ermöglichte es, immer wertvollere Vögel zu erwerben. Verschiedenste Arten, kleinere und größere Papageien und Sittiche schmückten neben anderen Exoten, Waldvögeln und Kanarien die Volieren. Sie brachten mithilfe von Nachzucht und Verkauf immer etwas Geld ein, auf diese Weise konnte so mancher Wunsch erfüllt werden. Ein zahmer Rabe durfte neben Eichhörnchen und so manch anderem Getier nicht fehlen. Ich hatte mir ein richtig kleines Paradies geschaffen, dabei viel über die Welt der Tropen gelesen und gelernt. Was mich ungemein faszinierte und für mein weiteres Leben ungeahnte Träume und Sehnsüchte wecken sollte.

Eigentlich sollte und wollte ich das Küferhandwerk erlernen, doch daraus wurde nichts. Stattdessen hieß es, zu sparen, Geld zu verdienen, um die Schmach und Schande zu tilgen und ein eigenes schönes Haus zu bauen! Was wir mehrere Jahre später, mit eisernem Willen, auch erreichten. Meine Freizeit galt eher dem Sport, der mir viel bedeutete. Geselligkeit und Kameradschaft, sich mit den Besten zu messen, gute Leistung zu bringen, das erfüllte mich mit Stolz. Niederlagen konnte ich schlecht ertragen – dafür war mein Ehrgeiz nicht geschaffen.

Alkohol war für mich kein Thema! Zu frisch und schmerzhaft waren die Erinnerungen an die Kindheit. Gelegentliches Lästern musste ich in Kauf nehmen. Mädchen fand ich zu dieser Zeit eher etwas zu kindisch. Ich hätte mir diese allerdings auch kaum leisten können! Abfälliges Getuschel war die Folge. Manchmal war ich der Verzweiflung nahe! Keiner hörte den Aufschrei meiner Seele! Ja … das war der Preis – der Preis des Anstandes! Feines Gehabe und große Sprüche innerhalb der Clique waren nie mein Ding! Ich hasste vor allem Ehrverletzungen! Als gut durchtrainierter Sportler wurde ich bedauerlicherweise mehrere Male dazu gezwungen, die Ehre meiner Familie und meine eigene in Schutz zu nehmen. Was die Betroffenen deutlich zu spüren bekamen!

Wissbegierig und ehrgeizig, wie ich war, brauchte ich natürlich ein gutes Luftgewehr (Schützenmodell), mit dem ich gut umzugehen verstand. Ohne meine Vögel hätte ich mir das, genauso wie meinen ersten Fotoapparat sowie eine kleine Dunkelkammer mit Zubehör, nie leisten können! Ja – das waren Jugendjahre! Geprägt von Neugier – voller Wissensdurst!

Lehrjahre in der Fotografie

Die Agfa-Box, die gute alte! – Ach, waren das noch Zeiten! Die ersten Bilder – und gar nicht mal so schlecht … ich war einfach begeistert! Ich saß mitunter die halbe Nacht über in der Dunkelkammer und war einfach fasziniert und hingerissen vom „Wunder“ Fotografie. Unbewusst wie in Trance und verträumt, wie ich war, folgte der Kauf einer besseren Kamera.

Lehrjahre im Bereich Fotografie – ob bei Morgengrauen, Dämmerung oder bei der Ablichtung meiner Exoten, immer Neues entstand. Fast hätte ich es vergessen: Mit 14 Jahren fand meine erste Reise voller Abenteuer statt. Wir, ein Freund und ich, zwei alte Damenfahrräder und ein altes ausgedientes, zerschlissenes Militärzelt der deutschen Wehrmacht. Besatzungszeit – und 180 endlose Kilometer zum Bodensee. Als wir das Erlebte hinter uns ließen, fühlten wir uns wie richtige Helden einer nicht wirklichen und „doch noch“ so heilen Welt! In späteren Jahren folgten weitere unzählige Reisen.

Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Ich war damals knapp zehn Jahre alt. Als wir, das heißt, meine Freunde und ich, so manch tolle Dinge ausgeheckt hatten, die Vater meist gar nicht lustig fand und daher im Zorn darüber öfters nach seinem Küferschlegel griff. Meist zog er jedoch den Kürzeren, weil wir immer eine Nasenlänge flinker waren. Wir hatten doch so manchen Streich vollbracht, eben das, was nur Kinder können: Ein altes kleines Leinensäckchen, gefüllt mit Schwarzpulver, entdeckt in der obersten Ecke der hohen Werkstatt, erweckte unsere Neugier! Das Pulver, zur Sprengung bei Großvaters Steinbrüchen gedacht, sollte heimlich beim Rauchen von Teeblättern in einigen der vom Trödler gekauften Porzellanpfeifen versteckt werden. Vater war zum Glück nicht da, als die ahnungslosen Jungraucher unter riesigem Gelächter und unter Verpuffung von Feuer und Qualm pechschwarz, mit schlotternden Beinen und angesengtem Haar um sich blickten.

Einmal, im Zuge einer Mutprobe, hat es mich selbst erwischt. Es ging darum, wer die größten und stärksten Schlüsselbüchsen hat! Sie wurden mit Streichholzpulver gefüllt, mit Nägeln verschlossen und zum Knallen gebracht. Erfüllt von Stolz darüber, den größten „Schlüssel“ und einen mächtigen Zimmermannsnagel aus Vaters Werkstatt stibitzt zu haben, gab es unter der gespannten Erwartung aller Freunde einen riesigen Knall! Bleich und zu Tode verängstigt, mit weichen Knien und Gestank in der Luft starrten mich alle an. Ich spürte nichts – doch ich ahnte und sah Schreckliches! Ein großes Loch im Oberschenkel, aus dem kaum sichtbar „etwas verschämt“ der Schlüsselbart ragte! Nicht der Schmerz – die Angst vor meinem Vater war es! Die Verletzung wurde heimlich mit heißem Tannenharz und der Hilfe von Mutter und Freunden behandelt und vertuscht, was zu vertuschen war!

Ein anderes Mal wagte ich mich heimlich an die Bandsäge! Leider kamen drei der kleinen, ausgestreckten Finger zu nahe an das Sägeblatt. Alles war voller Blut und ich hatte fürchterliche Angst. Zum Glück waren alle Finger noch dran und Vater nicht da! Unser damaliger Lehrbursche Hans versorgte mich fürs Erste so rasch wie möglich.

Manchmal durfte ich auch ein wenig stolz sein – nämlich dann, wenn ich beim alten Dorfbäcker in den Backofen schlüpfen durfte! War ich doch schmächtig – nicht zu dick … gerade richtig für den Backofen, um ihn, rußverschmiert nach Luft ringend, kübelweise vom Dreck zu befreien. Anschließend gab es einen Berg der süßesten und knusprigsten Dinge, die ein Kinderherz sich kaum zu erträumen vermochte. Dazu viel Lob, leuchtende Augen der Mutter auf ihren kleinen Sohn gerichtet und gute Dinge, überreich von der Bäckersfrau.

Manchmal durfte ich auch Vaters große, stinkende Fässer im dunklen Keller der geizigen, reichen Dorfbauern putzen – wozu ich gar keine Lust hatte. Bekam ich doch meist nur ein Butterbrot mit Marmelade und ein Glas Milch – was mir gar nicht schmeckte! Bis Vater diese Putzaktionen versteckt auf Rechnung setzte! Besonders stolz war ich damals, als ich mit Freunden bei einem großen Seifenkistenrennen mitfahren durfte, was die Amerikaner mit kostenlosen Rädern und Achsen unterstützten! Vater hatte extra einen Arbeiter beauftragt, um mir eine tolle Kiste zu bauen – doch wie sich schnell herausstellte, zeigte ebendieser beim Fassbau doch etwas mehr Geschick als bei der Seifenkiste. Aber schön war es dann doch – ich denke heute noch gerne daran zurück!

Da war noch etwas! Damals im alten Haus – die Weinstube! Wo die Wände dünn und die Ohren gespitzt waren. Wir Kinder hörten zu später Stunde oft unheimliche Geister- und Spukgeschichten mit an. Heimlich! Beim Trunk der Alten, angeblich wahre Begebenheiten im nahen Schloss oder im Wald der Barone. Etwas später sprach der Vater plötzlich gar von unerklärlichen und seltsamen Dingen und Erscheinungen im Haus. Was große Angst auslöste! Bis ein weiser alter Mann, mit angeblich göttlicher Gabe, durch Beschwörungen und Gebete dem Spuk ein Ende bereitete. Hatten wir Kinder damals Angst! Heute können wir darüber lachen – doch das Ganze zu vergessen, war kaum möglich. Wir waren damals gerade im kindlichen Alter von zehn bis zwölf Jahren!

Als inzwischen junger Führerscheinbesitzer war mein ganzer Stolz eine neue, auf Raten finanzierte 175er Maico. Frisiert und schnell, einfach toll! So konnte ich erstmals meiner etwas eng gewordenen, schönen schwäbischen Heimat den Rücken kehren, um die mir bis dahin fremde Welt besser kennenzulernen. Dabei konnte ich meiner Leidenschaft für Fotografie besser frönen. Mehrere Preise bei Fotowettbewerben waren zusätzlicher Ansporn!

Bei etlichen, zum Teil lebensgefährlichen Situationen beim wilden Zelten lernte ich schon früh, mit Gefahren umzugehen. Zudem sah ich darin einen gewissen Nervenkitzel und eine stetige Herausforderung. So geschehen auch bei der Bedrohung mit einer Pistole, nahe einem Bergbach bei Lienz, an der Grenze zu Italien. Nur mit kühlem Kopf und kaltblütigem Handeln konnte damals Schlimmeres vermieden werden. Eine andere Begebenheit trug sich in einer stockdunklen, stürmischen und regnerischen Nacht in Norditalien zu. Plötzlich brach unter Geschrei das Zelt über uns zusammen. Wir – mein Freund und ich – sahen uns aus heiterem Himmel einem anscheinend Irren mit Eisenstange gegenüber. Was wir mit viel Glück heil überstanden haben!

Einmal bekamen wir bei einer nächtlichen Heimkehr aus Sizilien einen gewaltigen Schreck! Als wir in unserem Zelt eine ca. 120 cm große Giftschlange entdeckten. Schließlich konnte sie unter viel Geschrei mit einigen Helfern eingefangen werden! Doch gerade solche Aktionen gaben dem Reisen und Zelten das gewisse Etwas!

Raus aus den Jugenschuhen

Mit den Jahren hat sich manches geändert! Die ganzen Vögel hat es nicht mehr gegeben! Der schmächtige Junge von damals ist inzwischen zu einem sportlichen, jungen Burschen im Alter von 22 Jahren herangewachsen. Recht selbstbewusst, doch verträumt, mit starkem Hang zu Natur und Romantik.

Das selbst gebaute schmucke neue Haus war bald fertiggestellt! Aus dem mit Stolz besessenen Motorrad wurde ein alter, roter VW Käfer. Dieser Wagen wurde beim Sport und im Freundeskreis, generell bei jeder Gelegenheit, gerne in Anspruch genommen. Nur gut, dass die treue Seele nicht reden konnte … ich glaube, dieses Auto hätte so manches erzählen können!

Es folgte der Einzug in das neue Haus, in schöner, ruhiger Lage, unweit eines Waldes. Aufgrund des ständigen Durchstreifens der Wälder und des Kontaktes mit allen möglichen Waldbewohnern wurde die Idee einer Schmalfilmkamera geboren!

Die Freude an meiner Kamera und den ersten bewegten Bildern hat selbst meine kühnsten Erwartungen bei Weitem übertroffen! Ich fand das alles einfach unbeschreiblich! Zumal ich der Erste war, der eine Kamera besaß – dafür wurde ich einfach bewundert. Ich bin damals einfach stolz gewesen!

Mit guter Ausrüstung und Zubehör war ich nach nächtelangem Studieren zahlreicher Sachbücher zum Thema Filmerei bald in der Lage, begeisternde Filme zu drehen. Dazu kam ein gutes Reportergerät mit speziellen Mikrofonen, das Tricks, Videoschnitt und Vertonung möglich machte.

Eine fantastische Welt hatte sich mir eröffnet! Die ersten kleinen Filme, bei allen möglichen Anlässen entstanden – wurden begeistert bestaunt. Ich bin mir schon wie ein richtiger Kameramann vorgekommen! Unbeschreiblich war dieses Gefühl! Ich habe in dieser Zeit aber immer häufiger nach Ruhe, Stille und Einsamkeit der Wälder gesucht. Den Weg zur Natur! Sport wurde nicht mehr ganz so ernst genommen!

Aufgrund der Belastung durch Hausbau und Hobby konnten keine größeren Sprünge mehr gemacht werden. Ach ja, zur Gaudi aller probierte ich mein erstes Bier! Scheußlich hat es geschmeckt – ich musste mich wirklich überwinden! Von Schmecken keine Spur!

Ein völlig neuer Lebensabschnitt

Frauen, ja - ‚die Frauen‘ spielten bis dato in meinem Leben kaum eine Rolle! Zu dieser Zeit fehlte einfach das Geld! Außerdem hätten sie meinen Freiraum zu sehr eingeengt. Doch das sollte sich zu meiner eigenen Überraschung plötzlich ändern! Es war die Wirtin! Ja … die hübsche junge Wirtin! Die den noch unerfahrenen jungen Burschen regelrecht verführte. Mit der Bitte, zusammen im Auto etwas besorgen zu müssen. Schon war die Neugierde geweckt!

Doch außer Gelegenheitsbekanntschaften kam nichts zustande: Was ich mir auch kaum leisten konnte. Im Gegenteil: Ich war drauf und dran, meinen Hausanteil abzugeben. Die Belastung wurde mir zu groß.

Mit Heirat und Hausbau meines jüngeren Bruders Hans Dieter bekam mein Leben eine plötzliche Wende! Unsere Mutter war schon alt und krank, sah sich außerstande, weiter den ältesten Sohn zu versorgen. Zudem gab es noch gewisse finanzielle Probleme, die mir aufgrund der damaligen Hochzinspolitik zu schaffen machten.

Ich lernte beim Hausbau meines Bruders ein hübsches junges Schwabenmädel, meine heutige Ehefrau und liebe Mutter unserer zwei Kinder Sven und Cornelia, kennen. Um ehrlich zu sein, haben meine Geschwister doch etwas nachgeholfen. Was heute noch von ihrem guten Geschmack zeugt!

Mit der Heirat ins schwäbische Bissingen an der Teck begann für mich ein völlig neuer Lebensabschnitt. Zahlreiche herrliche Grundstücke und schöne Wälder, die meine Frau von ihrer allzu früh in jungen Jahren verstorbenen Mutter erhalten hatte, suchten nach einem neuen Besitzer. Unerfahren im Obstbau, doch wissbegierig und ehrgeizig, schöpfte ich alle Möglichkeiten aus, um schnell hineinzuwachsen. Was mir relativ leicht gelang! Alte erschöpfte Bestände wurden durch neue ersetzt. Neue Obstsorten wurden angepflanzt oder durch Veredelungen bessere und schnellere Erträge erzielt. Ich erhielt so manche Worte der Anerkennung! Doch was mir bis dahin fremd war: Plötzlich gab es auch Neid! Jungbäume wurden wahllos kaputt gemacht oder beschädigt. Oft war ich der Verzweiflung nahe – es musste sich wohl um die Tat eines Irren handeln!

Ein richtiger Befreiungsschlag war für mich, dass mich meine Frau als sparsame Schwäbin als Erstes gleich einmal des ganzen Schuldenbergs in Bezug auf mein Haus entledigt hatte. Aus beruflicher Sicht bekam ich das Angebot für eine gehobene Stellung mit späterer Aufstiegsmöglichkeit. Was unseren finanziellen Vorstellungen leider nicht entsprach und unserem Familienleben kaum von Nutzen gewesen wäre!

Wander- oder besser Reisejahre

Zahlreiche Reisen mit Auto und Zelt, von der Türkei bis Portugal, sowie herrliche Inselreisen durchs Mittelmeer waren mir weitere Lern- und Lehrjahre. Viele kleinere Reisen und Kulturfilme der dort heimischen Flora und Fauna sind Zeugen meiner damaliger Besessenheit und meiner Tierfilmerei.

Einsam streifte ich durch die Wälder und Flure meiner heiß geliebten schwäbischen Heimat, nur Filmkamera und Stativ waren Begleiter und die einzigen Zeugen! Die Natur wurde zu einem Teil von mir selbst! Die Tiere akzeptierten mich – als ginge von mir keine Gefahr aus. Es war ein ungeahntes, unbeschreibliches Gefühl, das ich erleben durfte! Ich wurde des Öfteren Zeuge von an Wunder grenzenden Erlebnissen. Die Gedanken kreisten umher und beschäftigten sich mit den Themen Schöpfung, Gott und Natur. Ich sinnierte über Allmacht und Ohnmacht, das menschlich Unbegreifliche und Übersinnliche. Das voller Wunder erschaffene Irgendwo, wo ich mich befand, versunkenen Hauptes dem gegenüber, der das Ganze erschaffen hatte!

Davon inspiriert sind meine ersten Gedichte entstanden! Von einer Welle, das unbedingt tun zu müssen, getragen, war es wie eine Droge. Bis einige Jahre später, nach der Geburt zweier süßer Kinder, irgendwie mein erstes Buch der Poesie erschien, weitere über Pflanzen der Tropen, Reisen und Abenteuer sollten folgen! Es gingen Jahre des Glücks und der Freude mit meiner Familie dahin, aber auch so manch tiefer Schmerz verschonte uns nicht. Da gab es zum Beispiel eine schwere Erkrankung meiner Frau, an der ich fast zerbrach, und selbst nicht ganz verschont davon blieb. Ich konnte immer wieder auf abwechslungsreiche Jahre zurückblicken. Gott sei Dank hat sich schlussendlich doch wieder alles zum Guten gewendet!

Ich fand Anerkennung im Obstbau und Baumschnitt in weitem Umkreis. Dazu kam die Filmerei, das Schreiben ohnehin! Ich hatte natürlich eine weitere große Leidenschaft: die Liebe zu den Pflanzen! Ein herrlicher größerer Wintergarten – bis zur Giebelhöhe unseres Hauses, mit allen Möglichkeiten erfolgreicher Zucht und tauglich für diverse Versuche, möglichst neue tropische Fruchtpflanzen zu kreieren, wurde nach eigener Vorstellung entworfen und errichtet. Vielfältige Möglichkeiten einer bis dahin unbekannten Pflanzenwelt hatten sich aufgetan!

Ein „Garten Eden“ herrlichster Früchte und Geschmacks, berauschende Düfte, eine Welt der Träume und Sehnsüchte ist entstanden!

Langjährige Kontakte zu Pflanzenfreunden im In- und Ausland, Erfahrungsaustausch und Anregungen im Hinblick auf Freilandkultivierung waren mit unerlässliche Voraussetzungen für erfolgreiche Anpflanzung sowie Überwinterung! Viele herrliche Reisen mit Zelt und Familie, all die vielen schönen Dinge, die mich all die Jahre lang beschäftigten, hielten mich ständig unter Hochspannung!

Viel hat der kleine Junge von damals mit eisernem Willen und großer Unterstützung von seiner Familie erreichen dürfen. Doch, der ganz große Kindheitstraum von Dschungelabenteuern, fremden Ländern und Völkern, ließ weiter auf sich warten. Doch das sollte sich bald ändern!

Eines Tages, völlig unerwartet kam meine Frau mit der Idee, in Zukunft doch lieber Flugreisen unternehmen zu wollen, da „die Zelterei“ auf Dauer zu unbequem werden würde, zu mir. Ich war total verblüfft, denn damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet! So nahm das letzte und entscheidende Kapitel seinen Lauf! Ab jetzt durfte geplant werden: Sehnsucht nach Reisen und Abenteuern, Suche nach dem Fremden, von Geheimnissen umwobener Dinge, einer anderen Welt.

Auf Dschungelpfaden – Ein Traum scheint sich zu erfüllen!

Die Planung war abgeschlossen! Der Kreislauf schien sich zu schließen! Der kleine schmächtige Junge von damals, inzwischen 44 Jahre alt, ein sportlicher Typ mit zwei süßen Kindern – Sven, sechs Jahre und Cornelia, acht Jahre. Sie träumten inzwischen, genau wie damals ihr Vater, und doch ging es um andere, eigene Träume! Schlummerten doch im Vater noch immer das Kind und die Sehnsucht nach Abenteuer und Freiheit, danach, etwas erleben zu müssen und zu wollen – ähnlich seinen großen Vorbildern.

Er suchte nach Antworten, um jenem Land der wilden Dschungel und Regenwälder seine Geheimnisse zu entlocken und das Mysterium im Hinblick auf Kopfjäger und Kannibalen von damals zu lüften. Er liebte den Reiz unsichtbarer, heimlicher Gefahren und Begegnungen. Er suchte nach einem bestimmten Land – dem Garten Eden, mit wundervollen Früchten, nach wilder, unberührter Natur, seltenen Tieren und Pflanzen. Ja – er träumte! Doch er war kein Träumer! Sein Traumziel lautete: Südostasien und dessen Inselwelt! Es sollten Reisen und kleinere Expeditionen abseits menschlicher Trampelpfade, möglichst voller Abenteuer und Erlebnisse, werden. Er suchte und liebte unvorhergesehene Gefahren.

Er wollte den Aufbruch in die Vergangenheit, in eine andere, uns fremde Welt wagen. Seine Neugier auf das Unbekannte und der damit verbundene Reiz kannten keine Grenzen! Es sollte eine unvergessliche, mit vielen Strapazen und Abenteuern gespickte Zeit werden, die ich und all meine Begleiter erleben durften! Neue Freundschaften sind entstanden. Wir sahen Schicksale des Elends und der Not, die oft zu Herzen gingen und zutiefst berührten – uns beschäftigte im Zuge dessen die Frage nach dem Wieso und Warum?

Ja, ich habe gesucht und gefunden! Ich habe die Hoffnung nie aufgegeben! Gleich einem leuchtenden Pfad bin ich den Weg gegangen. In das Land der Träume. Ich sah und spürte ihren Schmerz, sah die leblosen Augen, ihre reglosen Gesichter – die Toten und die geschundenen Wälder ihrer Ahnen – das sterbende Volk. Ich spürte selbst eigene Mitschuld und tiefe Trauer. Doch dank ihrer Gastfreundschaft uns Fremden gegenüber wurde es eine unvergessliche Zeit!

Die Wildnis ruft! – Wie alles begann

Die Wildnis ruft! – Wie alles begann

Eigentlich war es eine gewisse Art von Neugier, die uns – das heißt, meine Frau Else und mich, dazu bewogen hatte, uns einen Diavortrag der Volkshochschule anzusehen – doch dieser Vortrag sollte eine gewisse Signalwirkung auslösen! War doch der Leiter dieser begeisternden Veranstaltung kein geringerer als der überall beliebte und hochgeschätzte Fotojournalist und Buchautor Erich Hänßler aus Albershausen, einer angrenzenden Nachbargemeinde.

Da wir uns bei meinen gelegentlichen Einkäufen in seinem Film- und Fotogeschäft schon näher kennengelernt hatten, nahm ich seine Einladung zu einem Gespräch über unsere Reiseabsichten gerne dankend an. Ich war von der Art seiner Erzählung des Erlebten, der Schilderung und Planung des ganzen Ablaufes, wie er seine Reisen unternimmt und organisiert, einfach begeistert. So stand für mich ab diesem Augenblick fest, dass das und nichts anderes für uns infrage kommen konnte. Genau so hatte ich mir das Ganze vorgestellt!

Das hieß: Flug buchen – Reisen auf eigene Faust. Unabhängig, mit einem eigenen Wagen, einem Fahrer und Diener. Heute hier, morgen dort – Freiheit pur! Ich sah mich meinem ersehnten Traum schon ganz nah! Begeistert und voller Euphorie schwärmte ich, kaum zu Hause angekommen, von der Traumreise in schönsten Farben. Cornelia und Sven lauschten mit leuchtenden Kinderaugen. Während ich bei Else, die vom Typ her eher ängstlich war, noch einiges an Überredungskunst einsetzen musste, bis schließlich der gefürchtete Widerstand erlahmte.

In der Folgezeit sollte keine Langeweile mehr aufkommen! Mehrere notwendige Reiseführer und Kartenmaterial mit herrlich verführerischen Prospekten ließen unserer Fantasie freien Lauf. Eine professionelle neue Beaulieu-Filmkamera, mit entsprechend notwendigem Zubehör und Objektiven für große und kleinere Brennweite, für die Tierfilmerei ein Gerät für Nahaufnahmen und Kleinstlebewesen, Blenden – als das war unerlässlich. Fernbedienung über Funk (Eigenkonstruktion) und Holzstativ – nicht gerade von leichtem Gewicht, doch zwingend notwendig, gehörten einfach mit dazu, um meinen Ansprüchen an das Filmen gerecht zu werden. Natürlich weiß der erfahrene Filmer, dass etwas mehr dazugehört, um erfolgreiche Arbeiten zu schaffen. Das Gleiche gilt für die obligatorischen Tonaufnahmen.

Inzwischen hatte ich für mein Inselabenteuer, das wirklich zum Horrorabenteuer werden sollte, ein herrliches, am Meer gelegenes Quartier, abseits jeden Trubels finden können – dank Herrn Hänßler. Der mir dankenswerterweise ebenso eine ausführliche Lagebeschreibung, mit Informationen und lohnenswerten Angaben ausgearbeitet hatte.

Der Flug war gebucht – die Reise, eine andere Art von Reise konnte beginnen! Ach ja, wohin ging es denn nun? Nach Sri Lanka? – Nein … Es sollte etwas anderes – das Unbekannte und zum Teil auch schrecklich und unfassbar werden. Doch zuvor beschäftigte uns noch das Problem der Sprachkenntnisse. Das heißt, zumindest Töchterchen Cornelia, Else und mich. Der Kleinste im Bunde, unser Sven, war gerade sechs stolze Jahre alt und sollte am besten bei Tante Anneliese und Onkel Paul bleiben, die den Kleinen gerne versorgten.

Ich war der festen Überzeugung: Es würde unser gutes altes Schwäbisch genügen! Dazu als Fremdsprache, aber durchaus beliebt, unser mitunter fast perfektes Deutsch! Wenn mir auch, das muss ich schon sagen, mein Schwäbisch einfach lieber gewesen ist! Deshalb, weil wir Schwaben, als altes fahrendes Volk, mit viel Fernweh im Blut, inzwischen auf der ganzen Welt einfach wie zu Hause sind. Das war meiner Meinung nach der beste Beweis dafür, dass man auch ohne Englisch auskommen konnte, da es zu diesem Zeitpunkt ohnehin kaum jemand beherrschte. Das Kontra von Else kam prompt! Ich hatte allerdings bereits mit Gegenworten gerechnet! Sie meinte kurz, wie es nun mal ihre Art war: „Ein paar Brocken Singhalesisch können ja auch nicht schaden.“

So paukten wir drei, und unser Kleinster durfte dabei auch nicht fehlen, bis wir das ganze Kauderwelsch unseres Reiseführers in- und auswendig konnten. Es war irgendwie ein erhabenes Gefühl, zu wissen, dass man etwas weiß und trotzdem eventuell keinen Nutzen daraus ziehen kann, nämlich ob wir mit unserem Singhalesisch überhaupt etwas anfangen konnten. Gut, dass uns beim Lernen niemand zugehört hat, denn sonst wäre dem heimlichen Zuhörer manch Zweifel gekommen!

Die Reise kann beginnen

Unfreundlich, eines Sommertages absolut unwürdig, zeigte sich der Himmel – mit launischem, regnerischem Gesicht – windig und kühl. Doch voll bepackt, mit Lust und guter Laune ging es gemütlich im neuen metallic-grünen Opel Commodore zum Flughafen München Riem. Fast etwas verloren und hilflos, das Auto geparkt, die Hände voller Gepäck, irrten wir Ausschau haltend umher! Beeindruckt von dem Trubel, vom ständigen Kommen und Gehen, kam es uns fast so vor, als wären wir am falschen Ort. Nach der Abfertigung und der Abgabe des Gepäcks schien aller Druck wie verflogen. Wir fühlten uns nun frei – frei, fast glücklich! Waren wir doch plötzlich nur einige unter vielen Menschen, geplagt von ewigem Fernweh, der Sehnsucht nach Wärme und Sonne.

Nach dem Start und nachdem wir uns bereits eine Weile in der Luft befanden, schien die anfängliche Flugangst wie verflogen zu sein. Während Cornelia und Else sich mit allem Möglichen die Zeit vertrieben, nutzte ich die Gelegenheit, möglichst gute Aufnahmen zu machen. Oder ich studierte die Menschen, die doch alle so unterschiedlich waren und trotz allem irgendwie dasselbe Ziel verfolgten.

Plötzlich erklang die Durchsage, dass nun eine planmäßige Zwischenlandung in Dubai erfolgen sollte. Das war eine willkommene Abwechslung und ein wahres Geschenk für unsere Füße! Ungeplant sollte der Zwischenstopp etwas länger dauern. Während der Reinigung der Maschine durch die Crew vor Ort wurde neues Essen an Bord gebracht und die Maschine neu aufgetankt und inspiziert. Eigentlich erstaunlich, wie ein Rädchen in das andere griff und alles funktionierte, ohne die geringste Panne.

Alle Passagiere mussten in dieser Zeit die Maschine verlassen. Fast furchterregende dunkelhäutige Sicherheitsbeamte, mit traditioneller Dschambija hinter dem Gürtel, versetzten uns für Augenblicke in eine längst verloren geglaubte Welt. Eine kaum erträgliche hohe Luftfeuchtigkeit nahm uns fast den Atem! Wir verweilten in einer „Wartenische“, dem Aufenthaltsbereich, im Inneren des Flughafens auf unseren Weiterflug. Eine Auswahl verführerisch aussehender Häppchen, Tee und erfrischende Getränke ließen die Zeit zu Augenblicken der Erholung werden. Zahlreiche Ventilatoren spendeten wohltuende Luft.

Elses Wohlbefinden steigerte sich in redlicher Atmosphäre, sie stand in scheinbar stoischer Ruhe und Gelassenheit etwas abseits von den anderen und verfolgte das Ganze teilnahmslos. Cornelia schien in ihrer kindlichen Neugier eher dem orientalischen Zauber zu erliegen. Zugegeben: Mir erging es kaum anders! Ich führte ein unterhaltsames Gespräch mit einem eher schüchtern wirkenden, jungen Mann – der über unsere Unterhaltung sichtlich erfreut war. Wir konnten uns locker und ungezwungen über die weiteren Absichten unserer Reise besprechen.

Ein kurzer, gemeinsamer Bummel mit Else und Cornelia versetzte uns in eine Traumwelt von „Tausend und einer Nacht“. Es gab unzählige Schmuckgeschäfte in den Einkaufspassagen, mit Kostbarkeiten von nie gesehener Schönheit und Harmonie. Geschaffen für den Wahn erlesener Gier! Und wir fragten uns: Wer, wer wohl, kann das bezahlen?

Endlich konnte der Weiterflug beginnen und die Maschine abheben! Winzige kleine, fleißige Ameisen schienen sich unter uns in Bedeutungslosigkeit – in einem Nichts –, wie in einer fremden, verlorenen Welt zu verlieren. Zwischenzeitlich erzählte Else von einem Mann am Flughafen. Es ging um einen Geschäftsmann, der regelmäßig nach Sri Lanka flog und im Zuge dessen bereits das siebte Mal dahin unterwegs gewesen ist. Für Else war das die beste Medizin!

Bereits auf dem Münchener Flughafen waren mir zwei hübsche junge Mädels aufgefallen, allerdings nicht nur ihrer Schönheit wegen – nein, denn davon gab es ja viele! Sie waren einfach anders – lockere, unternehmungslustige Typen! Diesen Eindruck hinterließen sie auf jeden Fall bei mir! Und jetzt saßen sie gleich unweit von uns, seitlich zu unserer Linken!

Welch sympathische Erscheinungen, bestimmt sehr sportlich, voller Lust auf Abenteuer! Ihr Blickkontakt verriet mir, dass sie einem Gespräch kaum abgeneigt waren. Zumal sie ebenfalls, so wie ich, einen Hang zur Filmerei zeigten. Ich hielt die Hoffnung aufrecht, dass sich im Laufe des Fluges irgendwann noch eine passende Gelegenheit zu einer Unterredung ergeben würde. Doch dazu sollte es dann leider doch nicht mehr kommen!

Wir überflogen gerade, von der Südspitze Indiens kommend, die am weitesten nördlich gelegene Provinz Jaffna und steuerten auf die an der Westküste gelegene Hauptstadt Colombo zu. Unter uns noch unscheinbare, unscharfe Konturen einer malerischen Tropeninsel, umspült von Wasser – unendliche Weiten des Indischen Ozeans.

Die Verabreichung von Erfrischungstüchern ließ die gröbsten Spuren der Strapazen erträglicher erscheinen. So wurden allerdings bereits erste Vorbereitungen für den bevorstehenden Landeanflug getroffen. Schnell wurden noch einige notwendige Formalitäten für die Einreise erledigt, schon befand sich die Maschine im Landeanflug auf Colombo.

Ein unbeschreiblicher Augenblick eröffnete sich uns: In beängstigender Form eines silbern schimmernden, gierigen Ungeheuers schien der Flughafen auf uns zuzurasen – als wollte er uns verschlingen! Dankbarer Jubel, Händeklatschen für die Crew, während der Ausrollphase, zeugte von spürbarer Erleichterung und Dank für einen herrlichen Flug. Nun würde das Beschützende dem Ungewissen und Unvorhersehbaren weichen.

Feuchtheiße Hitze und Schwüle schlugen uns bereits entgegen, ehe wir uns gerade zur Mittagszeit, voll bepackt, mit weichen Knien – den andern folgend –in das Innere des Flughafengebäudes plagten. Das Erste, das uns auffiel: die schleppende, fast zur Verzweiflung führende Abfertigungshalle.

Mit Ruhe und Gelassenheit, geradezu lethargisch und desinteressiert wirkend, verrichten die Angestellten hier ihre Arbeit. Cornelia, unserer Tochter, erging es wie uns. Else und ich waren fast am Verzweifeln. Bei uns würde man das als arrogant und überheblich, nach ‚Gutsherrenart‘ bezeichnen. Als wollten sie demonstrieren, dass die Uhren hier wirklich anders gingen – nicht nur der Zeitverschiebung von +4,5 Std. wegen. Was wir später noch des Öfteren, zur Genüge erleben sollten. Sind doch die Menschen, es entsteht auf jeden Fall dieser Eindruck, immer nett und höflich, hilfsbereit und mit ewigem Lächeln im Gesicht – im Gegensatz zu uns.

Hallo Sri Lanka!

Was für ein Gefühl! Raus aus dem Flughafen, die erste Rupie in der Hand. Ein einziges Strahlen aller Gesichter. Hurra, wir hatten es geschafft!

Während die meisten Passagiere bereits unterwegs waren, suchten wir noch immer vergeblich nach dem Schild mit der Aufschrift „Mr. Müller“. Herr Hänßler hatte uns nämlich versprochen, dass wir mit einem Wagen vom Flughafen abgeholt werden würden – doch weit und breit keine Spur davon. Allmählich waren wir schon die letzten Fluggäste und das Ganze ging uns langsam auf die Nerven. Derweil herrschte überall buntes und geschäftiges Treiben. Hunderte von Händlern, an allen Ecken und Enden. Sie versuchten mit unglaublichen Angeboten, allen möglichen Tricks und Mitteln, ihr großes Glück zu machen.

Hundemüde und richtig genervt waren wir! Wir beschlossen, eine der unzähligen Rostlauben für die Fahrt zu unserem Quartier zu mieten. Doch war das leichter gedacht als getan. Niemand verstand uns, wir beherrschten die Sprache nicht, oder kannte die entsprechende Adresse. Ein großer Berg an Gepäck, dazu kein Englisch … ja, wirklich zum Durchdrehen! Endlich, als wir alle schon fast der Verzweiflung nahe waren, fanden wir einen uns bemitleidenswert erscheinenden, noch jüngeren netten Mann mit einem kaum mehr als Auto zu bezeichnendem Etwas. Doch waren wir nicht eigentlich selbst auch als bemitleidenswert anzusehen?

Eine mit Klebeband zusammengehaltene Frontscheibe, die Heckscheibe fehlte ganz. Von den Rädern nicht zu sprechen! Statt eines vorderen Kotflügels ein aus Blech geformtes Kuddelmuddel. Die Türen waren total durchgefressen von nagendem Rost. Des Weiteren war sicherlich zu befürchten, dass der nächste Türschlag auch schon der Letzte sein könnte! Wir verzichteten lieber darauf, den Unterboden zu betrachten. Doch wir waren in diesem Moment fast zu jeder Schandtat bereit – nichts wie weg, egal, zu welchem Preis. Hauptsache irgendjemand würde uns endlich zu unserem endgültigen Reiseziel bringen.

Und dieser wirklich nette und hilfsbereite junge Mann begriff sofort, worum es ging. Er packte geschickt und schnell den ganzen Kram in den stolzen Wagen – und ab ging die Fahrt!

Wir fuhren durch eine von der Natur überaus verwöhnte Landschaft von subtropischer Schönheit. Vorbei an überschwänglich blühenden bunten Gärten. Müde von ihrer Last, schlank und stolz, dem blauen Tropenhimmel entgegenragende Kokospalmen. Die leuchtend gelben, köstlichen Nüsse – die Thambilis – waren neben dem unendlichen Grün der schmucken Reisfelder und der Wasserbüffel eine wohltuende Augenweide.

Melancholischer, fast schwermütiger Gesang einer hübschen singhalesischen Frauenstimme aus dem Recorder unseres Wagens unterbrach die von eintönigem Rütteln und Schütteln geprägte Fahrt auf einer schlaglochgepflasterten und staubigen Sandpiste in das 40 km entfernte Negombo. Else und Cornelia waren müde und erschöpft.

Ich versuchte mithilfe eines Gespräches, unseren Fahrer bei Laune zu halten. Das gestaltete sich allerdings äußerst kompliziert, da keiner den andern verstehen konnte! Eine Packung guter amerikanischer Zigaretten wirkte dann in diesem Zusammenhang wahre Wunder! Siehe da! Plötzlich schien er mich zu verstehen, obwohl ich kein Englisch konnte.

Er zeigte und erklärte mir mit strahlendem Lächeln Dinge, für die mir einfach das Auge fehlte. Noch dazu sprach er, man konnte es kaum glauben, in verständlichem Deutsch! Ja – was für ein Schlingel, aber ein netter. Er hatte sechs Jahre in einem größeren Hotel in Colombo gearbeitet und dabei ein bisschen Deutsch gelernt. Nun war er gerade dabei, sich selbstständig zu machen. „Na dann viel Glück“, wünschte ich ihm, wobei er meinte: „Das kann man schon brauchen!“

Plötzlich und ohne Vorankündigung befanden wir uns an der sandigen Hauptstraße, unmittelbar nebenan der Strand. Kaum 2 km nach dem Ortseingang zu Ethukala spürten wir einen gewaltigen Rüttler – und der Wagen stand. „So, das war’s“, rief ich, in der Annahme, der Wagen hätte nun endgültig den Geist aufgegeben! Der Fahrer riss jedoch kurzerhand die Tür auf und sprang eilends nach draußen. Er öffnete den Kofferraum und erklärte: „Bitte steigen Sie aus!“ Noch dazu setzte er das Gepäck zu unserem Erstaunen einfach in den Sand, mit der Bemerkung: „Wir sind am Ziel!“

Gut entlohnt, mit zufriedener Miene und reichlich Trinkgeld schnaufte das stinkende Vehikel unter einer dunklen Wolke widerlicher Abgase und Staub von dannen. Gleichzeitig versuchten drei „Boys“ mit langen Schritten, die jedoch aufgrund des traditionellen Sarongs viel zu kurz gerieten, mit Gemurmel und angeborener Neugier unser für sie viel zu schweres Gepäck in den nahen Empfangsraum unseres Gästehauses zu hieven.

Nach einem kurzen Begrüßungstrunk, einem nicht definierbaren, schmackhaften Etwas, wünschte uns der mir wenig vertrauenerweckende, gut genährte Chef der Anlage einen schönen und erholsamen Aufenthalt in seinem Hause – was wir fürs Erste bitter nötig hatten. Unser Zimmer lag im Oberstock des einstöckigen Hauses, erbaut auf Natursteinen – eine mit Holz errichtete Etage. Ein wahres Schmuckstück! Eine bequeme Holztreppe führte zu einem großen überdachten offenen Gang aus altem Holz inklusive Meeresblick.

Aufgeschreckt und durch zaghaftes Klopfen aus dem Schlaf gerissen, stellten wir völlig schlaftrunken fest, dass wir uns in einem fremden fast dämmrig anmutenden Zimmer befanden. Rasch die Lage erkennend, stürmte ich zu unserer noch fest verschlossenen Tür, riss sie auf und fand einen fast verlegen wirkenden Boy im Wickelgewand vor, der sich zwischen asiatischer Höflichkeit und Ergebenheit nach unseren Wünschen erkundigte.

Kurz darauf – erfrischt, sportlich gekleidet und darauf gespannt, was uns erwarten würde – begaben wir uns in einen großen romantisch beleuchteten, zum Meer hin mit Palmwedeln abgegrenzten Garten mit bequemem Zugang zum davor liegenden Strand. Schön verteilt, in angenehmem Abstand, unter ca. 5 Meter hohen, dichtkronigen Schattenbäumen entdeckten wir meist verwaiste, aber dennoch schmuck einladende Sitzgarnituren mit Tischen. Schnell entschieden wir uns für Meeresrauschen und etwas Schutz im Rücken. Wir träumten schon voller Heißhunger von einem guten, köstlichen Essen.

Die Enttäuschung war groß – eigentlich hätte es so schön sein können! Doch die geniale Kochkunst unserer Spitzenköche beschränkte sich auf die Zubereitung und das Servieren frisch gekochter Hühnereier. Auf speziellen Wunsch hin und als besondere Aufmerksamkeit gegenüber dem Gast konnte variiert werden: als Spiegelei mit Schinken, Brot oder Brötchen. Was die Boys – mehrere an der Zahl – mit vollem Stolz ihres Könnens und einer gewissen Erwartung auf ein angemessenes Trinkgeld servierten. Zur Rettung ihrer Ehre sei jedoch gesagt, dass hier für gewöhnlich nur Tee mit Frühstück serviert wurde. Außerdem waren die Boys immer um unser Wohlergehen bemüht gewesen. Es gab immer genügend heimischen schwarzen Ceylontee, herrliche Marmelade und Säfte, dazu als Nachtisch eine große Auswahl herrlicher, köstlicher Früchte. Genau das versüßte uns unsere erste Nacht fern der Heimat unter dem Firmament, bei funkelndem Sternenzelt – einfach eine melancholische Tropennacht. Einfach unbeschreibliche Gefühle nahmen von uns Besitz.

Wie sich schnell herausstellte, sollte das nervende „tschiktschik“ der Geckos, unter dem sicheren Schutz unserer Moskitonetze, noch weitere zwei Tage lang andauern. Ich war natürlich wenig begeistert davon, zumal ich für die Tour alles organisiert und eine schriftliche Bestätigung erhalten hatte. Ich hatte mir vorgenommen, ordentlich Dampf zu machen!

Unsere Wertsachen, im Safe verwahrt, bereiteten mir kein Kopfzerbrechen! Eher ging es dabei um meine wertvolle Filmausrüstung! Außerdem hatte ich ja eine große Menge an kostbarem Filmmaterial mitgebracht.

Meine Kamera samt Ausrüstung sowie mein Holzstativ sollten von nun an meine ständigen und treuen Begleiter sein – ohne die ging nichts! Zu kostbar und unersetzlich wäre der Verlust gewesen – zu verführerisch für alle Langfinger. Nein! Ab heute sollten meine Kamera und das schwere Holzstativ auf dem Rücken zu einer Art ungewolltem Markenzeichen von mir werden, mitsamt all den anderen Utensilien, die ich mit mir umherschleifte. Wehe dem, der es wagen sollte …! Ich habe leider bereits so manche weniger schöne Dinge gehört und könnte unter keinen Umständen, aufgrund der bevorstehenden Ziele, auf meine Ausrüstung verzichten.

Schon bei früher „Morgenschwüle“ gingen wir drei den unendlichen, feinsandigen, weißen, jungfräulich erscheinenden Sandstrand entlang, um dessen Umgebung zu erkunden. Fast ruhig, wie im Schlafe, schien sie zu grüßen. Sanft wiegend spülte sie ihre Wellen schäumend und rauschend an Land. Im gleichen Rhythmus seit Millionen von Jahren.

Nichts hatte sich geändert – nur der Mensch an sich! Doch trotz aller Technik ist und bleibt er ihr stets Untertan, ihr, der gütigen, von Fischreichtum gezeichneten, aber auch launischen und unberechenbaren See. Gut gelaunt und fröhlich, mit der sanften Brise im wehenden Haar wateten wir unter juchzendem Freudengeschrei von Cornelia durch das erfrischende Nass. Ich liebte es, dem faszinierenden Schauspiel, Heerscharen geschäftiger und gefräßiger Krabben im Kampf mit den Naturgewalten zuzusehen und mich darüber zu amüsieren. Außerdem erspähten wir die akrobatisch anmutenden Flugkünste heißhungriger, listiger Dohlen, im Kampf um ihre Lieblingsspeise – den Krabben.

Doch weit draußen tobte der ewige Kampf des Überlebens im Spiel mit den Elementen. Wie jeden Morgen bzw. jeden Tag, und das seit undenklichen Zeiten, legten die Fischer mit ihren bunt geflickten, abenteuerlich und verwegen aussehenden Katamaranen langsam, wie einem geheimen Ritual folgend, eine lebensbedrohliche Fahrt zurück, um im Fischerhafen den meist spärlichen Fang an Meerestieren zu sortieren und frisch zu verkaufen.

Inzwischen stapften wir vereint durch den angenehmen weichen Sand und spürten ihn zwischen den Zehen – weiter, einfach weiter. „Schau – da! Ist das nicht schön?“, rief Cornelia.

„Ja, das ist ja unglaublich – einfach traumhaft“, fand ich, als wir vor der malerischen Kulisse einer wahren Postkartenidylle stehen blieben. Palmhütten, umwoben von großen grazilen, sanft wiegenden und mit Kokosnüssen geschmückten Palmen unter strahlend blauem Tropenhimmel. Darunter ankerten verträumte, fast schlafend anmutende, bunte alte und morsche Fischerboote.

„Kein Mensch könnte mich je in so ein Ding bringen“, entfuhr es mir. „Reinste Seelenverkäufer.“ Ich konnte nicht anders: Ich verspürte plötzlich ein starkes Mitgefühl den Menschen gegenüber, dieses ergriff rasend schnell Besitz von mir. Rund um die Hütten baumelte an langen Schnüren getrockneter Fisch. Während die Fischer kauend und fast reglos ihre Netze flickten oder scheinbar gelangweilt mit spitzen Fischgräten übrig gebliebene Essensreste aus schneeweißen Zähnen holten. Die Frauen schienen allerdings eher scheu zu sein! Wogegen uns die Kleinen in ihrer Neugier wie aus dem Zoo entlaufene Exoten betrachteten. Ihrer Meinung lohnte es sich offensichtlich, sich diese andersartigen Menschen einmal näher anzuschauen. Doch daran sollten wir uns bald gewöhnen.

Die Einwohner sind christliche, seit Jahrhunderten direkt am Strand hausende, arme und bescheiden lebende, einfache Leute. Sie lebten ausschließlich vom Fischfang. Ich habe bei Filmarbeiten immer ein paar Geschenke in Form von Kugelschreibern, Feuerzeugen oder auch Zigaretten dabei. Die Höflichkeit gebietet es einem einfach, des Öfteren freundlich um Erlaubnis zu bitten, um ein Foto schießen zu dürfen. Was in der Regel auch mit einem freundlichen Lächeln belohnt wird. Ein kleines Geschenk bewirkte obendrein wahre Wunder!

Öfters stand ich, wie von magischer Macht angetrieben, fast wie in Trance da, wo der mächtige Mangobaum grüßend seine Arme mit den süßen Früchten zu mir herüberstreckte. Oben am Gang – über der Treppe! Ja, ich träumte oft! Zumeist schöne, manchmal aber auch traurige Dinge, die zum Beispiel dem kleinen Jungen, der ich einmal war, widerfahren sind. Bis die Sehnsucht der Freiheit mich weckte, mit sausendem Getöse. Blicke schweiften umher, über den darunter liegenden Garten, die Gedanken schweiften zu den Wogen des Meeres, um sich in der Unendlichkeit des Horizonts zu verlieren.

Manchmal lag ich einfach nur so da oder lief zwischen geschäftigem Treiben umher – am Strand der Glücklichen, der „Reichen“, aber noch öfter an dem der Ärmsten.

Dabei handelte es sich um geduldige Menschen, die kaum eine Hoffnung hatten! Die ihre Tage einfach so am Strand verbrachten, bei heißer Schwüle und salziger Luft. Mittlerweile hatte ich sie fast alle kennengelernt. So einige schöne Dinge habe ich schon erlebt und erworben oder ihre Darbietungen entsprechend honoriert. Leider blieb es mir auch nicht erspart, schreckliche Dinge mit anzusehen, die man schwer wieder vergisst.

Unweit von mir befand sich eines Tages der verwegen aussehende, mit magischen Kräften versehene, immer flötende, gut gelaunte Schlangenbeschwörer. Mit seinen furchterregenden Kobras und anderen giftigen Vipern, die drohend und sich windend geflochtenen Körben entstiegen.

Ein paar Schritte davon entfernt gab es herrliche Bilder und wundervolle Schiffsmodelle, Schnitzereien mit traumhaften Motiven aus unterschiedlichsten Materialien. Wundervoll erarbeitete Batiken von der singhalesischen Mythologie entnommenen Figuren oder Masken und Geister fanden neben Palmen, Sonnenuntergängen und Katamaranen stets die notwendige Aufmerksamkeit der wenigen sich verlaufenden Fremden, um ihnen bei der Bearbeitung zuzusehen.

Wenn ich so vor ihnen stand, den Frauen und Kindern am Strand – oft das wandelnde Elend: Wie war so etwas möglich? Fragen über Fragen, die sich mir stellten!

Keiner konnte sie mir beantworten. Wortlos, stumm, fast etwas verlegen stand ich dabei und schaute zu. Ich wollte irgendwie helfen, wusste allerdings nicht, wie! Nebenan war ein kleiner Junge zu sehen, der niemanden hatte und auf sich allein gestellt gewesen ist – ein Waisenkind. Der Vater, ein Fischer, beim Fischfang ertrunken, die Mutter ist erst vor Kurzem an einer schwereren Krankheit gestorben. Das Einzige, das er besitzt: ein kleines Äffchen auf seiner Schulter – sein ganzer Stolz! Er sieht krank aus und ist bleich im Gesicht. Bekleidet war er mit einem schmutzigen Höschen, barfuß und er trug ein mit Urin von seinem Äffchen beschmutztes und zerrissenes T-Shirt. So versuchte er mit dem Verkauf von Bildern an die wenigen Touristen am Strand ein paar Rupien zum Überleben zu ergattern.

Wenige Hundert Meter entfernt, allein, scheinbar verlassen, fiel mir ein kleines süßes Mädchen in einem ärmlichen Kleidchen auf. Mit ihren traurig dreinblickenden Augen bot sie kleine Muschelkettchen, Pfauenfedern und geflochtene Armringe aus Elefantenhaar an. Ich war so gerührt, dass ich zur großen Freude des Kindes gleich ein paar Kleinigkeiten kaufte. Ich musste mich alsbald rasch abwenden, um meine Rührung verbergen zu können!

Ja, viele waren mir wirklich ans Herz gewachsen. Wenn wir uns des Öfteren begegneten, gab es immer ein fröhliches Hallo und ein dankbares Lächeln zeigte sich auf den Gesichtern!

Dem reglosen Gesicht unseres Gästehaus-Besitzers entnahmen wir mit versteinerter Miene eine neuerliche Hiobsbotschaft. Unsere Weiterreise musste wegen einer notwendigen Autoreparatur noch um zwei Tage verschoben werden. Ich wollte das gar nicht glauben und war mit meiner Geduld am Ende! In einem Ton, der über alle Zweifel erhaben zu sein schien, gab ich ihm zu verstehen, dass ich weitere Verzögerungen nicht hinnehmen würde und meine Reise, falls notwendig, anderweitig fortsetzen würde. Die verlorene Zeit war mir einfach zu kostbar!

Ohne festes Ziel, einfach nur genervt und gelangweilt lief ich mit voller Kameraausrüstung einen schmalen, zwischen bunten Gärten verwilderten Weg entlang, hinunter zum nahe gelegenen Fluss. Liebevoll grüßten scheinbar verlassene, bunt blühende Gärten. Häuser mit netten, schilfrohrartig bedeckten Dächern machten den Eindruck unbeschreiblicher Ruhe und von tiefem Frieden.

Doch mich interessierten augenblicklich ganz andere Dinge! Alles schien hier einfach anders zu sein, nämlich näher an der Natur. Ich war beeindruckt, da kein Laut und kein Lärm zu hören waren. Ich wollte endlich wieder zur Kamera greifen – einfach Filmen und die Umgebung mit meinem Fernglas heimlich beobachten. Geduldig, schon fast zwei Stunden lang, ohne wesentlichen Schatten, verfolgte ich den Beutefang und das Tarnverhalten zweier Chamäleons an einem Papayabaum. Ich war so intensiv damit beschäftigt, dass ich die staunenden, mich beobachtenden jungen Leute hinter meinem Rücken nicht bemerkte.

Die anschließende Einladung in eine nahe gelegene schlichte und schilfrohrartig eingedeckte Fischerhütte sollte mir später Abwechslung verschaffen.