Wellness fürs Herz - Manuela Schopfer - E-Book

Wellness fürs Herz E-Book

Manuela Schopfer

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Beschreibung

Kein Techtelmechtel am Arbeitsplatz, lautet Lous Devise, die erfolgreich einen Wellness & Spa betreibt. Doch die Prinzipien geraten ins Wanken, als sie die Schreinerin Emma engagiert, um einen neuen Boden in einem Massagezimmer zu verlegen. Fasziniert von Lou lässt sich Emma auf heißen Sex ein, um enttäuscht festzustellen, dass Lou wohl nur Interesse an One-Night-Stands hat. Doch Lous Gefühle machen sich selbstständig, und so versucht die beste Freundin Iris ungefragt, das Problem Emma eigenmächtig aus der Welt zu schaffen – doch wird Emma wirklich so schnell aufgeben, um Lou zu kämpfen?

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Manuela Schopfer

WELLNESS FÜRS HERZ

Roman

© 2021édition el!es

www.elles.de [email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN 978-3-95609-343-2

Coverfoto:

1

»So kann ich das nicht durchgehen lassen!«, ereiferte Gebäudeinspektorin Donner sich. »Sie sehen doch selbst, in was für einem besorgniserregenden Zustand dieser Boden ist.«

»Das ist Laminat, das kann ich problemlos auswechseln. Dafür müssen Sie doch nicht gleich den ganzen Bereich schließen.« Verständnislos sah Lou auf zu Frau Donner, während sie vor dem Corpus Delicti kniete und mit der Hand über die entsprechende Stelle fuhr.

»Nur vorübergehend. Die Stelle ist nämlich viel zu gefährlich, so, wie sie jetzt ist«, bestand Frau Donner auf ihrer Meinung. »Und woher soll ich denn wissen, ob Sie diesen Mangel auch wirklich bis zu Ihrem nächsten Termin repariert haben und dieser marode Boden keine Verletzungsgefahr für ihre Kunden mehr darstellt?« Schnaubend schob sie sich ihre dicke Hornbrille ihren Nasenrücken hoch.

»Ich versichere Ihnen, dass ich gleich nachher einen Schreiner damit beauftragen werde. Das ist in zwei bis drei Tagen erledigt.« Lou unterdrückte ein Augenrollen. Diese Stelle hier – das musste sie zugeben – war wirklich etwas unschön. Das Laminat war abgetreten, ein Stück abgesplittert, und wenn man nicht aufpasste, dann konnte man schon darüber stolpern. Aber deswegen musste die Gebäudeinspektorin noch lange nicht den gesamten Wellnessbereich ihres Wellness & Spa schließen. Auch nicht nur vorübergehend.

»Nehmen Sie das nicht auf die leichte Schulter, Frau Gerber«, mahnte Frau Donner. »Stellen Sie sich doch bitte mal vor, ich verlängere Ihnen die Betriebserlaubnis, und dann stolpert einer Ihrer Besucher genau über diese Stelle, verliert das Gleichgewicht und knallt vornüber auf dieses Möbel.«

Sie trat einen Schritt zurück und deutete gestenreich auf das Sideboard. Mit geübtem Handgriff rüttelte sie an einer Ecke, nickte und machte sich dazu eine kurze Notiz auf ihrem Klemmbrett.

Leise stöhnend erhob sich Lou wieder. Beiläufig schob sie die Massageliege an ihren Platz zurück und sah der Gebäudeinspektorin fest in die Augen. »Ich kann verstehen, dass diese Stelle da auf dem Boden ein Problem ist, aber das ist nur eine Kleinigkeit, und es ist doch unverhältnismäßig, mir deswegen den kompletten Wellnessbereich zu schließen.«

»Ich entscheide, was verhältnismäßig ist«, bestand Frau Donner mit spitz erhobenem Finger darauf. »Es liegt ganz allein in meinem Ermessen.« Sie krampfte ihre Finger ums Klemmbrett. »Oder wie wollen Sie mir garantieren, dass bei Ihrem nächsten Massagetermin hier drin niemand zu Tode stürzt?«

Unterdrückt seufzte Lou vor sich hin. In ihr sträubte sich alles dagegen, hier noch weiter mit der Gebäudeinspektorin wegen so was zu diskutieren. Das war einfach lächerlich. Und das lag keinesfalls daran, dass sie Frau Donner schon an der Nasenspitze ansehen konnte, dass diese Frau sich wohl noch nie eine entspannende Massage in einem Wellness-Center oder Spa wie dem ihren gegönnt hatte. Und es wohl auch nie tun würde.

Lou riss sich zusammen und versuchte, diplomatisch zu bleiben. »Wie wäre es, wenn ich Ihnen verspreche, dass ich dieses Zimmer hier verschlossen halte, und unsere Kunden in einem der anderen Zimmer massiert werden?« Sie schob sich ihre Hände in die Hosentaschen, um besonders unschuldig zu wirken. »Dann kann niemand hier rein, und es kann sich auch niemand an der Stelle verletzen.«

Sie hoffte inständig, dass Frau Donner sich damit einverstanden erklärte. Etwas anderes fiel ihr auf die Schnelle auch nicht ein.

Würde sie ihren Spa vollständig schließen müssen, wäre der Imageschaden immens. Denn wer weiß, was die Gerüchteküche alles hergeben würde. Zudem hätte ihr das in Anbetracht ihrer Zukunftspläne gerade noch gefehlt. Aber das musste sie der Gebäudeinspektorin nicht unbedingt auf die Nase binden.

Immerhin sah die mit ihrer gerunzelten Stirn so aus, als würde sie ernsthaft über diesen Vorschlag nachdenken.

»Gut, damit kann ich leben.« Frau Donner notierte etwas auf ihrem Klemmbrett, drehte es um und hielt es Lou hin. »Unterschreiben Sie da. Damit garantieren Sie, dass dieses Zimmer«, sie ließ ihren Blick kurz zur Massageliege schweifen und rümpfte ihre Nase, »erst wieder für Ihre Kunden zugänglich ist, wenn Sie es von allen Mängeln befreit haben und ich es abgenommen habe.«

»Natürlich.« Lou nahm das Klemmbrett und unterschrieb an der Stelle, auf die Frau Donner wiederholt mit ihrem Finger tippte.

Sie nahm das Klemmbrett wieder an sich, riss ein Doppel heraus und hielt es Lou hin. »Ich komme in ein paar Tagen noch einmal, um zu kontrollieren, ob der Schaden behoben wurde.«

»Ich werde noch heute einen Schreiner mit der Reparatur beauftragen«, erwiderte Lou artig, faltete den Zettel zusammen und steckte ihn in die Hosentasche.

»Besser ist es«, mahnte Frau Donner und sah sie streng über den Rand ihrer Brille an. »Nun, dann ist meine Arbeit hier getan.« Mit einer zackigen Handbewegung strich sie sich ihren Blaser glatt und nickte Lou kaum merklich zu. »Wir sind fertig.«

Puh, na endlich. »Bitte folgen Sie mir. Ich werde Sie noch zum Ausgang begleiten.« Und sicherstellen, dass Sie auch wirklich gehen, verkniff Lou sich zu sagen. Stattdessen schwang sie ihren Arm nach vorn und deutete entlang des Korridors zum Empfang.

»Gern.« Frau Donner nickte kaum merklich.

Während sie Richtung Ausgang gingen, schüttelte Lou innerlich den Kopf. Abgesehen vom Laminat waren es nur wenige Kleinigkeiten, die beanstandet wurden.

Sie selbst legte auch ohne die Gebäudeinspektorin großen Wert darauf, dass hier immer alles tipptopp war. Ganz egal, ob ihre Kunden bevorzugten, in einem der Bäder im Spa zu relaxen oder ob sie sich noch zusätzlich im Wellnessbereich eine erstklassige Massage gönnten. Für sie alle bot ihr Wellness & Spa eine entspannende Atmosphäre, die ihre wohltuende Wirkung auf Körper und Geist entfaltete.

Ja, sie führte hier ein Unternehmen, das sie durch harte Arbeit dahin gebracht hatte, wo es jetzt war. Und auch wenn es sie viel Schweiß und Nerven gekostet hatte, sie war stolz darauf und auch auf jeden einzelnen ihrer Mitarbeiter, die ihr Bestes gaben, um den Kunden ein Erlebnis der Extraklasse zu ermöglichen.

Am Ausgang angelangt reichte Lou der Gebäudeinspektorin die Hand. »Auf Wiedersehen und einen schönen Tag noch«, wünschte sie ihr und begleitete sie noch ein paar Schritte nach draußen, bis sich hinter ihnen die Türen wieder schlossen.

»Das wünsche ich Ihnen auch«, erwiderte Frau Donner unerwartet höflich, drehte sich auf ihren niedrigen Absatzschuhen um und stöckelte die wenigen Treppenstufen hinunter zu ihrem Wagen.

Lou stieß einen lauten Seufzer aus. Der Tag hatte doch heute Morgen so schön mit Sonnenschein begonnen.

In diesem Moment fuhr Iris, Mitarbeiterin der ersten Stunde und gute Freundin, mit ihrem blauen BMW auf den Parkplatz. »Wer war das denn?«, rief sie Lou entgegen, kaum dass sie ausgestiegen war. Schwungvoll knallte sie die Autotür zu und zeigte auf Frau Donners Wagen, der gerade an ihr vorbeifuhr.

»Pscht«, mahnte Lou. Unterdrückt brummte sie: »Halt dich zurück, wenigstens so lange, bis sie die Schranke passiert hat. Die hat Haare auf den Zähnen.«

Gebannt verfolgte Iris das Auto, und als sich die Schranke dahinter senkte, wandte sie sich an Lou. »Sie ist weg.« Sie hob die Augenbrauen. »Und jetzt spuck es aus. Wer war das? Und sag mir jetzt nicht, dass du seit Neustem auf Frauen in biederen Businessanzügen stehst, die die Geburt Christi miterlebt haben.«

»Spinnst du?«, brach es lachend aus Lou heraus. »Das war die Gebäudeinspektorin.« Bereits beim Gedanken daran, dass sie und Frau Donner was zusammen haben könnten, durchfuhr sie ein eisiger Schauer.

Lou wandte sich ab und ging zu ihrem kleinen Haus hinüber, das nur einen Steinwurf vom Wellness & Spa entfernt lag. Es war vollkommen klar, dass Iris ihr wie ein kleines Hündchen nachlaufen würde. Iris’ Neugierde war geweckt, und die würde nicht so einfach wieder verschwinden.

»Ja, und was wollte die hier?«, rief Iris ihr prompt hinterher. Bemüht, Lou einzuholen, eilte sie ihr schnellen Schrittes nach. »Nun lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen«, bestand sie darauf, kaum hatte sie sie eingeholt.

»Nur ihre ganz normale Betriebskontrolle.« Lou holte den Schlüssel aus ihrer Hosentasche und schloss die Haustür auf. Gefolgt von Iris betrat sie ihr Büro am Ende des Flures. »Du weißt schon«, sagte sie. »Die kontrollieren in regelmäßigen Abständen, ob die Notausgänge die vorgeschriebenen Maße haben. Ob die Notleuchten angebracht sind und funktionieren. Eben, ob alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden, damit meine Besucher hier sicher ihren Aufenthalt genießen können«, sagte Lou in übertrieben amtlichem Tonfall.

»So, wie die ausgesehen hat«, Iris tippte sich gegen ihr Kinn, »lechzt die förmlich danach, den anderen das Leben schwer zu machen.« Grinsend folgte sie Lou ins Büro und blieb hinter dem Stuhl stehen, der vor dem eleganten Schreibtisch stand.

»Oh ja, das konnte sie auch hinter ihrer dicken Brille nicht verstecken.« Lou holte die Mängelliste aus ihrer Gesäßtasche und legte sie auf den Schreibtisch. »Es ist eigentlich nicht viel. Ein paar Kleinigkeiten. Aber das größte Problem ist der Boden in Maggies Massagezimmer.« Sie seufzte. »Der hat’s wirklich gesehen und muss erneuert werden. Ich konnte die Donner gerade noch davon abhalten, dass sie mir gleich die Betriebserlaubnis für den ganzen Wellnessbereich entzieht.«

»Das ist alles?« Iris kräuselte die Stirn und kam um den Stuhl herum. »Wegen des popeligen Bodens in Maggies Zimmer? Darf die das denn?«

»Ja, leider.« Lou tippte auf die Mängelliste. »Ich musste unterschreiben, dass ich das Zimmer außer Betrieb nehme, bis der Boden repariert ist und sie es abgenommen hat.«

»Krass.« Neugierig nahm Iris den Zettel und überflog ihn. »Hast du denn einen Schreiner zur Hand?«

»Ich kenne nur den alten Herrn Stoss, den, den ich das letzte Mal hatte.« Ratlos zuckte Lou die Schultern. »Ich werde ihn anrufen und hoffen, dass er keine wochenlange Warteliste hat.« Genervt ließ sie sich in ihren Sessel plumpsen. »Ausgerechnet jetzt«, schnaubte sie. »Maggie wird immer sehr gut gebucht, und nun fehlt dieses Zimmer.« Sie seufzte laut auf. »Weißt du, wie ätzend das ist, einen Handwerker zu beauftragen? Das war es schon letztes Mal, bis ich Herrn Stoss gefunden habe. Bei den anderen war es immer ein Drama, bis die mal Zeit hatten, und dann waren das teilweise Männer, die mehr meinen Besucherinnen nachgeglotzt haben, als zu arbeiten. Ich kann das anzügliche Grinsen und die blöden Sprüche der Kerle untereinander immer noch hören.«

»Kann mich noch erinnern«, sinnierte Iris vor sich hin. Dann tippte sie auf die Mängelliste. »Was ist denn mit dem Sideboard in deinem Massagezimmer?«

Lou beugte sich vor, drehte den Zettel zu sich und sah auf die Stelle, die Iris ihr zeigte. »Das wackelt ganz ordentlich. Da war wohl jemand etwas zu rabiat.« Strafend blickte sie Iris an.

Iris verdrehte die Augen. »Beim letzten Mal hast du dich beschwert, dass du deine Massageliege desinfizieren musstest. Also brauchten wir eine Alternative.«

»Die Alternative ist, es überhaupt nicht in meinem Massagezimmer zu treiben!«, erwiderte Lou leicht gereizt. »Nein, es im gesamten Spa nicht zu treiben. Irgendwann wirst du noch dabei erwischt, und ich habe dann den Ärger.«

Iris beugte sich leicht über den Schreibtisch und säuselte: »Was glaubst du, weshalb wir uns in deinem Zimmer einschließen?«

Lou wollte empört hochfahren, doch Iris hob beschwichtigend die Hände. »Schon gut, schon gut. Keinen Sex mehr im Spa. Versprochen.«

»Na hoffentlich.« Unwirsch wischte Lou einen Staubkrümel vom Schreibtisch.

So gern sie Iris mochte und ihre Loyalität und Arbeit für das Spa schätzte, aber diese Eskapaden gingen langsam eindeutig zu weit. Und es war nicht das erste Mal, dass Iris ihr versprochen hatte, damit aufzuhören.

»Pass auf. Ich kenne eine Schreinerei, die professionell und flott arbeitet. Die nehmen auch solche eher kleinen Aufträge kurzfristig an.« Schnelle Themenwechsel, wenn ein Gespräch für sie unangenehm wurde, waren schon immer Iris’ Spezialität.

»Ehrlich?« Lous Augenbrauen wanderten erstaunt nach oben. »Die hätten wirklich kurzfristig Zeit?« Gute Handwerker waren schließlich sehr gefragt, und ein billiger Pfuscher kam auch ohne Frau Donners Ermahnung nicht in Frage.

»Ich schreib dir die Nummer auf, dann kannst du anrufen und einen Termin vereinbaren.« Iris schnappte sich einen Kuli von Lous Schreibtisch und notierte ihr die Nummer auf einen Notizzettel. »Sollen wirklich gut sein.« Sie schob Lou den Zettel hin. »Also, das habe ich gehört«, ergänzte sie noch beiläufig.

»Und du bist sicher, die schicken nicht irgendwelche Sabbernasen her?« Nachdenklich tippte Lou sich gegen ihr Kinn. »Vielleicht sollte ich doch den Stoss wieder beauftragen. Da weiß ich wenigstens, dass er anständige Arbeit leistet und kein notgeiler Voyeur ist.«

»Also echt«, kam es gespielt vorwurfsvoll von Iris. »Und das ausgerechnet von einer, die in anderen Bereichen immer gern Neues«, sie zwinkerte anzüglich, »oder Neue ausprobiert.«

»Das ist doch nicht vergleichbar«, sagte Lou grinsend, während sie mahnend ihren Finger erhob. »Nur weil ich mich bei den Frauen auf nichts Festes einlasse und hin und wieder eine Frau vernasche, muss das noch lange nicht heißen, dass ich bei einem Arbeitsverhältnis nicht auf Altbewährtes zurückgreife.«

»Schon klar«, foppte Iris sie. »Keine feste Beziehung mit Frauen, aber gern öfters eine Neue zum Vögeln, und beim Stoss setzt du auf eure langjährige Beziehung.«

»Arbeitsbeziehung«, korrigierte Lou. »Und du brauchst dich gar nicht lustig zu machen.« Schmunzelnd erhob sie sich und tippte nebenher noch mal auf die Mängelliste. »Wenn ich erneut Herrn Stoss beauftrage, dann kann ich mir wenigstens sicher sein, dass er den Job ordentlich macht.«

»Kleines, du vergisst was Entscheidendes«, säuselte Iris mit sanfter Stimme. »Der alte Stoss stand doch schon letztes Mal mit einem Bein in der Pension. Ich bin mir sicher, der liegt mit einem kühlen Drink in der Hand in seinem Garten und guckt den Rosen beim Wachsen zu.« Da Lou immer noch skeptisch dreinblickte, schob sie hinterher: »Nun ruf schon an. Je schneller du anrufst, desto schneller ist die Sache vom Tisch.«

»Ist ja gut, ich mach ja schon.« Lou wunderte sich zwar kurz über Iris’ Hartnäckigkeit, sie vom Stoss wegzubringen, doch dann griff sie zum Telefon und klaubte sich den Notizzettel vom Schreibtisch.

Iris blickte auf ihre Armbanduhr. »Gut, dann ist ja alles klar. Ich muss jetzt eh gehen, meine Schicht hinter der Bar beginnt in ein paar Minuten.«

»Na, dann hau schon ab«, befahl Lou in gespielt strengem Tonfall. Mit der Hand wedelnd scheuchte sie Iris wie eine lästige Fliege aus ihrem Büro. »Ich will nicht, dass meine Besucher vergebens an der Poolbar auf ihre Getränke warten müssen.«

»Bin schon weg«, rief Iris über die Schulter beim Hinausgehen.

Die von Iris betriebene Poolbar war der Renner im Spa. Iris hatte sie ganz allein aufgebaut und die Servicekräfte, die ebenfalls an der Bar bedienten, sehr gut im Griff. In diesem Bereich musste sich Lou um nichts kümmern, außer von Iris’ Geschäftstüchtigkeit zu profitieren. Die Partys, die Iris oft an Wochenenden schmiss, spülten ebenfalls mächtig Geld in die Kasse.

Nein, Lou konnte es ich nicht leisten, Iris zu vergraulen, und deshalb sah sie immer wieder über Iris’ ›Sexkapaden‹ hinweg. Auch wenn sie sich mehr und mehr darüber ärgerte.

Sie blickte auf den Notizzettel und kniff die Augen zusammen. Hatte Iris immer schon so eine unleserliche Schrift, oder kam Lou langsam in das Alter, wo sie eine Brille brauchte?

Schließlich glaubte sie, die Nummer richtig zu entziffern, und tippte sie ins Telefon.

2

»Oh, wow.« Emmas Augen wurden immer größer, je weiter sie die langgezogene Auffahrt entlangfuhr. Das ansehnliche Gebäude, das vor ihr thronte, wurde mit jedem Meter imposanter.

Emma schluckte bei dem Anblick. Hoffentlich waren die Besitzer keine versnobten alten Besserwisser, denen sie nichts recht machen würde. Obwohl, Frau Gerber, die Frau, mit der sie gestern telefoniert hatte, hatte nicht den Eindruck gemacht. Ganz im Gegenteil. Aber wer wusste schon, wer und was sie im Endeffekt hier erwarten würde.

Sie parkte ihren Lieferwagen – der ihr auf einmal etwas schäbig vorkam – mit gebührendem Abstand vor der Treppe, die zum Haupteingang hinaufführte.

Kurz schloss sie die Augen und zwang sich innerlich zur Ruhe. In so einem noblen Schuppen hatte sie noch nie gearbeitet. Das machte sie etwas nervös. Doch sie brauchte diesen Auftrag dringend. Oder besser gesagt: das Geld. Deshalb musste sie ihn auch unbedingt an Land ziehen.

So, wie Frau Gerber sich gestern am Telefon angehört hatte, waren die Kosten für sie zweitrangig. Zum Glück. Sie schien mehr Wert darauf zu legen, dass die Arbeiten perfekt ausgeführt wurden, und das ziemlich zackig. Sollte Emma recht sein. Hoffentlich würde Frau Gerber dann ihre Rechnung genauso zackig bezahlen.

Einen tiefen Atemzug später nahm Emma ihren Notizblock und das Bandmaß vom Beifahrersitz, stieg aus und schloss die Fahrertür hinter sich. So ein paar Stunden Erholung in den warmen Bädern und eine Massage hätte sie sich jetzt auch gern gegönnt . . .

Da sie noch ein paar Minuten Zeit bis zum vereinbarten Termin hatte, zog sie ihr Handy aus der Hosentasche, ging ein paar Schritte zurück und machte ein Foto. Damit konnte sie ein wenig vor zukünftigen Kunden angeben: Und für dieses Wellness & Spa habe ich auch schon gearbeitet.

Sie betrachtete das Foto. Sie hatte das Gebäude gut getroffen. Selbst auf dem Handybildschirm machte es einen imposanten Eindruck. »Wunderschön.« Zufrieden nickte sie.

»Dann warten Sie mal ab, bis Sie es von innen gesehen haben«, meldete sich in diesem Augenblick eine Stimme dicht hinter ihr.

»Huch!«, entfuhr es Emma überrascht. Vor Schreck flutschte ihr das Handy durch die Finger und klatschte nach einem kurzen Zwischenstopp auf ihrem Fuß direkt auf den Boden. Mist.

»Sie haben da was fallenlassen«, sagte die Frau schmunzelnd.

Gefesselt von diesen grünen Augen, die direkt in ihre sahen, brauchte Emma ein paar Sekunden, um zu reagieren. Dann blickte sie zu Boden. Da hatte sie ja mal wieder Eindruck hinterlassen. Hoffentlich war das nicht Frau Gerber, ihre Auftraggeberin.

Emma konnte den Blick der Frau förmlich auf sich spüren und wie er sich in ihren Rücken bohrte, als sie sich bückte und das Handy vom Boden klaubte. Gott sei Dank hat die Schutzhülle das teure Gerät vor Schaden bewahrt.

Schnell schob sie es sich in die Hosentasche und strich sich eine Strähne hinters Ohr, die sich wie immer nicht daran halten wollte, im Zopf eingeflochten zu bleiben. »Ich habe einen Termin mit Frau Gerber«, sagte sie in der Hoffnung, dass die Frau, die in dieser weißen Hose und dem dunkelblauen Polo ganz danach aussah, als würde sie hier arbeiten, sie vielleicht zu ihr bringen würde. »Sie erwartet mich schon.«

»Nun, Sie haben sie bereits gefunden«, sagte die Frau ungerührt und bot Emma ihre Hand an. »Louisa Gerber. Und Sie sind die Schreinerin, nehme ich an. Schön, dass Sie es so schnell einrichten konnten.«

Umpf . . . schluckte Emma den Seufzer hinunter, der ihr beinah entfleucht wäre. Ja, jetzt sah sie es auch. Denn wenn sie mal einen kleinen Blick auf das Namenschildchen geworfen hätte, hätte sie sich diese Peinlichkeit ersparen können. »Emma Wickly«, stellte sie sich trotzdem noch vor und nahm die dargebotene Hand.

So weich, dachte Emma. Ihren Blick auf ihre Hände gesenkt sah sie gebannt dabei zu, wie Frau Gerber nach ein paar Sekunden ihre Hand langsam wieder aus ihrer löste.

Im Gegensatz zu ihrer eigenen, die sich durch die tägliche Arbeit mit dem Holz wohl sehr rau anfühlen musste, war Frau Gerbers Hand richtig samtig. Zudem hinterließ sie ein warmes Gefühl, das sich irgendwie in ihrer ganzen Hand ausbreitete.

Emma spürte genüsslich diesem Gefühl nach, das sich über ihren Arm weiter hinauf und in ihrem ganzen Körper ausbreitete. Faszinierend. Ja, wer solche Hände hatte, die allein mit einer solch einfachen Berührung dieses Wohlbefinden auslösen konnten, war wohl goldrichtig in einem Wellness & Spa.

»Es freut mich, Sie kennenzulernen«, holte Lou Gerber Emma aus ihren Träumereien und deutete mit dem Kopf zum Haupteingang. »Wollen wir?«

Augenblicklich riss Emma die Augen auf. Gott, wie peinlich! Allein wegen einer sanften Berührung, die irgendwie immer noch in ihr nachschwang, so in Träumereien zu verfallen, dass Frau Gerber sie wieder zurückholen musste. Doch die Art, wie ihr Gegenüber die Blicke über Emma schweifen ließ, war nicht gerade hilfreich.

Aber kein Wunder, so, wie sie sich gerade anstellte. Sie musste sich unbedingt zusammenreißen. Ja, das musste sie. Sie wusste zwar nicht warum, aber seit sie in diese grünen Augen gesehen hatte, wollte sie diesen Auftrag noch mehr als zuvor. Und vielleicht noch mal eine Berührung wie diese eben. Warum auch immer . . .

Unruhig knetete Emma ihre Hände und suchte nach den passenden Worten, die ihr unter Lou Gerbers Blick irgendwie abhandengekommen waren. »Gern«, krächzte sie undeutlich und versuchte sich in einem angedeuteten Nicken.

Ausgerechnet! Das war selbst für sie untypisch, dass sie sich wegen eines Handschlages vergaß und hier einen völlig unprofessionellen Eindruck machte. Seltsam, was diese Frau Gerber in ihr auslöste. Leise seufzte sie in sich hinein. So was war ihr doch noch nie passiert.

Also los, spornte sie sich an. Jetzt galt es, sich zu konzentrieren.

Schnell versicherte sie sich, dass sie Notizblock und Bandmaß eingesteckt hatte, und eilte dann Lou Gerber, die sich bereits zum Gehen abwandte, zum Haupteingang hinterher.

Blöderweise war ihr erster Eindruck bei Frau Gerber wohl gründlich der Kreissäge zum Opfer gefallen. Jetzt fehlte es gerade noch, dass sie nachher vor ihr stand und nichts notieren oder ausmessen konnte, weil sie ihre Ausrüstung im Lieferwagen vergessen hatte.

Wäre peinlich geworden und hätte sie, nach Frau Gerbers Blick zu urteilen, wohl den Auftrag gekostet.

Erneut seufzte Emma leise vor sich hin und versuchte, mit Lou Gerbers langen Schritten mitzuhalten. So zielgerichtet, wie die vorging, schien sie es wirklich eilig zu haben, die Sache hinter sich zu bringen.

»Wow.« Emmas Augen weiteten sich zum zweiten Mal, als sie in die Eingangshalle trat. Sie wusste gar nicht, wo sie zuerst hinsehen sollte. So eine prachtvolle Eingangshalle hatte sie noch nie gesehen. Sie verlangsamte ihren Schritt und ließ ihre Blicke schweifen.

»Hier geht es lang«, drang Lou Gerbers Stimme gleich wieder an ihr Ohr. Sie war bereits an den Kassen und schien nun ungeduldig auf sie zu warten. »Der Boden und die anderen Arbeiten sind im Wellnessbereich.«

»Ja . . . ja, natürlich . . . ich komme«, beeilte Emma sich zu sagen.

Nur ungern riss sie sich von den imposanten Holzbalken los, die das Dach der Eingangshalle stützten. Eines war sicher, wenn sie diesen Auftrag erhalten würde, würde sie sich die Zeit nehmen und diese ganze Pracht hier in Ruhe auf sich wirken lassen.

Aber jetzt gab es Wichtigeres, und das war Lou Gerber und dieser Auftrag.

Schnell schloss Emma zu ihr auf, und noch während sie ihr den Gang entlang vorbei an den Umkleiden folgte, ließ sie ihre Blicke weiter schweifen. Alles sah gepflegt und sauber aus. Ganz, wie es sich für ein Wellness & Spa gehörte.

Die Eintrittspreise, auf die sie vorhin beim Eingang kurz einen Blick geworfen hatte, waren zwar ordentlich, aber hier bekam der Kunde auch einiges für sein Geld geboten. Sie war zwar hier, um zu arbeiten, aber selbst auf sie wirkte dieses exquisite Ambiente schon jetzt entspannend.

Dann blieb sie neben Lou Gerber stehen, und ihre Augen weiteten sich. Beinahe hätte sie ein drittes »Wow!« von sich gegeben.

»Das ist unser Wellnessbereich«, erklärte Lou. Mit der Hand deutete sie auf den Tresen, hinter dem eine Frau stand und sie freundlich grüßte. »Hier werden unsere Besucher in Empfang genommen, und da, den Korridor entlang, geht es zu den verschiedenen Massagezimmern.«

Emma fiel beinahe die Kinnlade herunter. Sie hatte ja schon vieles gesehen, aber dieser Empfangsbereich übertraf alles.

Gemütliche Sessel luden zum Verweilen ein, ein kleiner Zimmerbrunnen plätscherte unauffällig vor sich hin, und das Zusammenspiel aus dezenter Beleuchtung und diesem milden Duft entfaltete seine entspannende Atmosphäre, kaum hatte sie den Wellnessbereich betreten.

Ja, hier konnte man den Alltag wirklich vergessen.

Das Einzige, fiel es Emma gerade auf, was hier einen kleinen Stilbruch darstellte, war das Holz vom Tresen. Das passte nicht exakt zum Laminat. Je nachdem, wie das hier lief, würde sie Frau Gerber vielleicht noch den Vorschlag machen, den Tresen neu zu verkleiden, ganz im Stil vom Rest dieses Raumes, damit der hier besser ins Gesamtbild passte.

»Hier ist es«, sagte Lou, ging ein paar Schritte den Korridor entlang und zeigte auf eines der Zimmer.

Emma blieb wie angewurzelt im Türrahmen stehen. Wenn der Empfangsbereich sie nicht schon sprachlos gemacht hätte, dann das hier. So einen sorgfältig eingerichteten Raum hatte sie noch nie gesehen. Da brauchte sie keine Sekunde, um zu erkennen, dass dieser Raum darauf ausgelegt war, dass die Besucher sich hier schon beim Eintreten wohlfühlten und der Stress von ihnen abfiel.

Mal abgesehen vom Boden, der da ein paar unschöne Stellen aufwies, wäre sie hier sofort eingezogen.

Verstohlen kaute sie auf ihrer Unterlippe herum und sah sich weiter um. Im Vergleich zu ihrer Wohnungseinrichtung war das hier ein Traum. Die Massageliege schien bequemer als ihr Bett zu sein, und der dezente Duft nach . . . nach . . . was war das bloß?

Aber leider war sie ja nicht hier, um hier einzuziehen, oder sich von Lou Gerber massieren zu lassen. Das hätte sie sich auch gar nicht leisten können.

Aus dem Augenwinkel spähte sie zu ihr hinüber. So, wie Lou jetzt mit ihren Händen auf dem Rücken dastand, machte sie einen sehr attraktiven Eindruck, und Emma konnte sich daher gut vorstellen, dass die Kundinnen und Kunden unter ihren Händen förmlich dahinschmolzen. Ihr selbst hatte ja vorhin schon der Handschlag gereicht, um sie für einen Moment alles um sich herum vergessen zu lassen. Da wollte sie gar nicht wissen, wie es sich anfühlte, wenn Lou Gerbers Hände erst über ihre Schultern und dann über ihren Rücken strichen.

Schon allein der Gedanke daran ließ sie erschauern, und dieses warme Gefühl von vorhin war augenblicklich wieder da.

Unterdrückt seufzte sie leise in sich hinein und ließ die Vorstellung von Lous wohltuenden Händen auf ihrem Körper wieder los. Auch wenn der Gedanke da gewisse südliche Regionen anregte, jetzt war nicht der Zeitpunkt für solche Fantasien, auch wenn sich ihr Körper gerade heftig gegen die krasse Zensur sträubte.

Um sich und ihren Körper abzulenken, schlenderte sie mit gesenktem Blick ein paar Schritte durchs Zimmer. Denn was sie unter keinen Umständen vergessen durfte, war, weshalb sie hier war, und das waren leider nicht Lou Gerber und ihre Hände. Nein, das war dieser Auftrag, den sie wirklich ganz dringend brauchte.

Ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Boden gerichtet, ging sie in die Hocke und kratzte mit den Fingernägeln über eine aufgesprungene Stelle. »Er ist wirklich schon in die Jahre gekommen«, sagte sie. »Da sind überall kleinere oder größere Stellen, die es gesehen haben.« Konzentriert und immer noch den Boden fixierend erhob sie sich und erkundete weiter den Raum. »Den Boden sollten Sie wirklich ersetzen.« Sorgsam schob sie die Massageliege ein Stück zur Seite, um die Stelle darunter besser sehen zu können. »Doch, ich denke, hier lohnt es sich nicht mehr, die einzelnen Stellen zu reparieren. Ich würde Ihnen empfehlen, das ganze Laminat rauszureißen und neu zu legen.«

Puh, stöhnte sie erleichtert in sich hinein. Es schien, als hätte sie gerade zu ihrem professionellen Ich zurückgefunden und ihren Körper erfolgreich in seine Schranken verwiesen.

»Ja, das habe ich mir auch schon gedacht«, meinte Lou und nickte angedeutet. »Folgen Sie mir.«

Emma kam gar nicht so schnell hinterher mit gucken, so flott hatte Lou das Zimmer verlassen. Eilig folgte sie ihr in das Zimmer gleich nebenan.

»Was denken Sie?«, fragte Lou. Direkt neben einem Sideboard stehend rüttelte sie daran, das sich unter ihrer Hand auch gleich bedenklich nach links und rechts neigte. »Können Sie das so verstärken oder fixieren, dass das mal eine ganze Weile hält?«

Nachdenklich rieb Emma sich übers Kinn und stellte sich vor das Sideboard. »Darf ich?« Mit dem Finger zeigte sie auf die Griffe an den Türchen. Sie wusste aus Erfahrung, dass man so was, je nach Holz und Bauart, mit ein paar Verstärkungen gut und unsichtbar von innen oder von hinten wieder stabil bekam.

»Nur zu«, sagte Lou. Kaum merklich nickte sie.

Emma ging vor dem Sideboard in die Hocke, legte ihre Finger um die Griffe und zog die Türchen auf. »Huch«, rutschte es ihr im gleichen Augenblick über die Lippen. Sie wusste gar nicht, wie ihr geschah, denn das Sideboard knackte laut und neigte sich ihr augenblicklich entgegen. Statt nach hinten auszuweichen, verlor sie das Gleichgewicht und plumpste mit dem Hintern auf den Boden.

Sie konnte nur noch untätig dabei zusehen, wie die oberste Ablage aus den Angeln brach und ein paar Handtücher zusammen mit etwas Länglichem herausrutschten. Und jetzt erkannte sie auch, was das war. Mit wummerndem Herzen starrte sie auf den schwarzen Dildo, der zwischen ihren Beinen auf dem Boden lag und sich leise surrend zwischen den Handtüchern bewegte.

Oh Gott! Augenblicklich spürte sie, wie ihr die Hitze in die Wangen schoss, als sie das ganze Ausmaß erkannte. Ein Türchen hing lose in der Luft, und das Sideboard hatte sich zur Seite geneigt wie ein untergehendes Schiff.

Okay, ruhigbleiben, sagte sie zu sich selbst und atmete tief durch. Du brauchst diesen Auftrag, und das Ding da ist nicht dein Problem. Angestrengt schluckte sie gegen die Trockenheit an, die wie Sägemehl die letzte Feuchtigkeit aus ihrem Hals saugte. »Ähm . . .«, krächzte sie, weil sie das Gefühl hatte, etwas sagen zu müssen. Aber was? Was zum verbrannten Holz noch mal sagte man in solch einer Situation?

Zugegeben, sie hatte vorhin ja schon unkeusche Gedanken gehabt bezüglich Lou und wo ihre Hände überall zum Einsatz kommen könnten, aber das kleine Schwarze da, das sich surrend auf sie zubewegte, ging ihr doch etwas zu schnell.

Hilfesuchend blickte sie zu Lou hoch, deren Augen ziemlich wütend funkelten. Mit einer schnellen Bewegung hob sie den Dildo ruckartig auf, schaltete ihn aus und legte ihn unsanft auf die Massageliege. »Ist alles okay mit Ihnen? Das tut mir furchtbar leid. Ich hoffe, Sie bekommen jetzt keinen falschen Eindruck«, entschuldigte sie sich hastig. »Hier hat sich eine meiner Angestellten wohl einen bösen Scherz erlaubt. Das wird auf jeden Fall Konsequenzen haben«, zischte sie mehr, als dass sie es laut sagte.

Doch dann fiel ihr Blick auf Emma, die sich etwas ungeschickt – verdammt, seit wann stellte sie sich so ungeschickt an? – aufzurappeln versuchte, und augenblicklich begannen ihre Mundwinkel zu zucken. Sie reichte Emma die Hand.

»Alles . . . alles gut«, stammelte Emma, nahm Lous Hand und stand mit ihrer Hilfe auf. »Nichts passiert.« Unsicher tapste sie von einem Fuß auf den anderen und wischte sich rein aus Verlegenheit den Hintern ab. »Das . . . das mit dem Sideboard tut mir sehr leid«, stotterte sie unbeholfen weiter.

Hastig rieb sie sich übers Gesicht. Die Hitze in ihren Wangen glich einem Glutofen, und es fühlte sich an, als würden da munter weiter Kohlen ins Feuer geschaufelt. Warum musste so was auch immer ihr passieren? Sie schluckte. Wenn Lou jetzt annahm, dass Emma genauso ungeschickt arbeiten würde, konnte sie den Auftrag in den Schornstein schreiben.

Doch Lou schien reichlich unbeeindruckt. »Das macht doch nichts«, sagte sie mit Blick auf die Reste des Sideboards. »Ich bin nur froh, dass Ihnen nichts passiert ist.« Aufmerksam ließ sie ihren Blick über Emma gleiten, beinahe so, als prüfe sie eingehend, ob ihr auch wirklich nichts passiert wäre. »Sind Sie sicher, dass es Ihnen gutgeht?«

Emmas Herz wummerte unter Lous prüfendem Blick noch einen Tick schneller. Oder war es eher die Vorstellung von einer Lou Gerber, wie sie es ihr mit dem Ding da auf der Massageliege besorgte? Himmel, was war bloß los mit ihr!

»Ja, ja«, bestätigte sie heftig nickend. »Ich denke . . . es ist vielleicht besser, wenn ich Ihnen ein neues Sideboard mache. Aber . . . aber das wird mir heute nicht mehr reichen.«

Mit zittrigen Fingern zog sie Notizblock und Stift hervor und starrte darauf, weil sie einfach Angst hatte, dass Lou ihr sonst vielleicht ansah, was sie da gerade in ihrer Fantasie mit ihr anstellte. Unwillkürlich wanderte ihr Blick jedoch zu dem Dildo, der noch auf der Massageliege lag.

»Ja«, schmunzelte Lou, »das glaube ich auch, dass das etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen wird.«

Emma blickte auf und sah, dass Lou sie intensiv betrachtete. Hat sie jetzt gedacht, ich starre den Dildo an, weil . . .? Oh Mann, heute trat sie aber auch von einem Fettnäpfchen ins nächste.

Um den Eindruck, den Lou bekommen haben musste, zu entkräften, tippte sie geschäftig auf ihren Notizblock. »Ich wollte mir nur eine Notiz zum Sideboard machen und wegen des Bodens.« Und dafür starre ich den Dildo an. Ja klar.

»Wenn Sie es sagen.« Lous Schmunzeln wurde eine Spur breiter.

Natürlich glaubt sie mir kein Wort. Wenn Emma aus dieser Nummer wieder rauskommen wollte, musste sie sich verdammt noch mal zusammenreißen und am besten so tun, als wäre überhaupt nichts gewesen. Das schien die beste Strategie.

»Haben die anderen Räume auch noch Sideboards, die verstärkt werden müssen, oder haben Sie sonst noch Mängel, die ich mir ansehen soll?«, fragte sie deshalb schnell, um von diesem Thema abzulenken.

Mal ganz abgesehen davon, dass eine lächelnde Lou Gerber sehr sympathisch wirkte. Ja, geradezu unwiderstehlich.

»Ja.« Lou Gerber setzte nun ebenfalls wieder ihre professionell-zurückhaltende Miene auf. »Am besten, wir gehen jedes Zimmer durch und sehen uns das gemeinsam an.«

»Sehr gern.« Erleichtert atmete Emma aus.

Es sah ganz danach aus, als ob Frau Gerber immer noch daran interessiert war, sie mit diesem Auftrag zu betrauen.

Ansonsten hätte sie jetzt sicherlich nicht noch weiter Zeit in sie investiert.

3

Schreinerei Wickly, las Lou die Inschrift auf dem Schaufenster und atmete nebenher tief den Geruch von frisch geschnittenem Holz ein. Es war zwar schon eine kleine Weile her, aber so hatte es in der Schreinerei Stoss auch immer gerochen.

Interessiert betrachtete sie die Holzarbeiten, die im Schaufenster ausgestellt waren. Diese Emma Wickly hat Talent. Das musste Lou zugeben. Der Steinbock, den sie da aus einem Holzstrunk geschnitzt hatte, war wunderschön herausgearbeitet. Ein echter Hingucker.

Fast so ein Hingucker wie der Dildo, der der armen Schreinerin die Schamesröte ins Gesicht getrieben hatte. Unwillkürlich musste Lou schmunzeln.

Aber eigentlich war das nicht zum Schmunzeln. Sie schüttelte leicht den Kopf, und ihre Miene wurde eher wütend als amüsiert. Verdammte Iris! Das war ganz bestimmt ihre Schuld. Jemand anderen, der dafür verantwortlich sein könnte, konnte sie sich kaum vorstellen. Der würde sie den Marsch blasen, wenn sie sie das nächste Mal sah.

Die arme Schreinerin . . . Das war schon ganz schön peinlich gewesen. Sie wusste wirklich kaum, wie sie darauf reagieren sollte, gleich, wenn sie Frau Wickly sah. Sicher, heutzutage sollte keine Frau mehr rote Wangen kriegen beim Anblick eines Dildos, aber es war trotzdem nicht das, was man erwartete. Oder was man harmlosen Besuchern zumutete.

Und obwohl sie an gewisse Dinge gewöhnt war, musste sie sogar selbst zugeben, dass der Vorfall ihr für einen kurzen Moment die Sprache verschlagen hatte. Iris’ Verhalten wurde immer verantwortungsloser. Was, wenn eine Kundin den Dildo gefunden hätte? In Nullkommanichts wäre der Ruf des Spa ruiniert gewesen. Und Iris ebenfalls ihren Job los. Dachte sie denn gar nicht über so etwas nach?

Auf jeden Fall hatte Lou beim Anblick von Emma Wickly und ihren glühenden Bäckchen befürchtet, dass sie mitsamt ihrem Notizblock das Weite suchen würde. Das wäre ausgesprochen blöd gewesen. Ihr selbst war es nämlich wirklich wichtig, dass die Mängel so schnell wie möglich aus der Welt geschafft wurden. Und da Iris diese Schreinerei empfohlen hatte, musste sie auch gut sein. Was tat Lou nicht alles, um die gute Frau Donner zufriedenzustellen . . .

Kaum merklich nickte sie vor sich hin. Wenn Emma Wickly die gleiche Sorgfalt bei ihrem Boden, dem Sideboard und den anderen Kleinigkeiten an den Tag legte wie bei diesem Steinbock, dann würde das den Spa-Besuchern sicherlich auch gefallen und ins Gesamtkonzept passen. Aber jetzt stand erst einmal Material aussuchen auf der To-do-Liste.

Entschieden drückte sie die Klinke herunter und betrat den Verkaufsladen der Schreinerei. Hier drin war der Geruch nach Holz noch dominanter als draußen vor der Tür. Ihr sollte es recht sein, denn sie mochte ihn.

Leise schloss sie hinter sich die Tür und ging ein paar Schritte in den Raum hinein. »Hallo?« Sie reckte den Kopf.

War Emma Wickly überhaupt hier? Nach einem kurzen Blick auf ihre Armbanduhr war Lou sich jedoch sicher, dass sie nicht zu früh gekommen war. Nein, sie war pünktlich. Beinahe auf die Minute. Ganz wie es sich für einen Geschäftstermin gehörte.

Vielleicht war die Schreinerin auch nur hinten in der Werkstatt mit etwas beschäftigt und hatte die Zeit völlig vergessen.

Lou schmunzelte und schlenderte durch den Laden auf den Durchgang zu, von dem sie annahm, dass er nach hinten in die Werkstatt führte.

Nebenbei ließ sie ihren Blick über die Ausstellungsstücke schweifen, bis sie bei einem größeren Regal, in dem ein paar Holzmuster aufgetürmt lagen, ankam. Ob das die Muster für ihren Boden waren, konnte sie nur vermuten. Wenigstens sah es danach aus, dass Frau Wickly sich auf ihren Termin vorbereitet hatte, auch wenn von ihr noch nichts zu sehen war.

Gerade, als sie beim Durchgang angekommen war und die Hand hob, um gegen den Türrahmen zu klopfen, sah sie sie auch schon.

Nur ein paar Meter von ihr entfernt stand Emma Wickly gegen die Werkbank gelehnt, hielt ihr Handy vor sich und starrte gebannt darauf. Ihre Zungenspitze lugte leicht zwischen ihren Lippen hervor, und ihre Stirn kräuselte sich nachdenklich.

Augenblicklich überzog ein leichtes Lächeln Lous Gesicht. Mit verschränkten Armen lehnte sie sich gegen den Türrahmen und betrachtete sie.