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Beschreibung

Gleichstellung: eine Frage politischer Prioritäten

Frauen aus Kunst, Kultur, Politik, Wissenschaft, Sport und Zivilgesellschaft erzählen in persönlichen Texten von den besonderen Erlebnissen und Begegnungen, die ihr Leben und ihre Arbeit verändert haben. Das Buch bildet ein eindrucksvolles Mosaik starker Frauen, die mit ihrem Engagement Grenzen überwinden und in einer globalisierten Welt Verantwortung übernehmen – von der Reporterin, die über die Folgen von Krieg und Gewalt für Mädchen und Frauen berichtet, bis zur Schauspielerin, die ein Frauenhaus in Brasilien mitbegründet. Es sind Frauen, die sich nicht einschüchtern lassen, die immer wieder unbequeme Themen ansprechen und auf Missstände aufmerksam machen. Es sind Frauen, für die Gleichberechtigung kein utopischer Wunsch ist, sondern ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt. Hier erzählen sie von sich: von ihren Zielen, ihrer Motivation, von ihrer ganz persönlichen Lebensgeschichte bis hin zu ihrer Arbeit an den Schaltstellen der großen Weltpolitik in den Vereinten Nationen.

Mit einem Vorwort von Elke Büdenbender.

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Seitenzahl: 205

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»Geschichte wird von Menschen gemacht. Fortschritt geschieht nicht automatisch, sondern wird erkämpft.«

Michelle Müntefering

Herausgegeben von Michelle Müntefering

Mit einem Vorwort von Elke Büdenbender

WELT DER FRAUEN

Von Worten und Taten, die für uns alle gut sind

INHALT

Einleitung:MICHELLE MÜNTEFERING

Vorwort:ELKE BÜDENBENDER

Kapitel 1:DIE GLÄSERNE DECKE DURCHBRECHEN – VERÄNDERUNG DURCH VORBILDERWie ist es Frauen gelungen, als Erste die gläserne Decke zu durchbrechen? Welche gläsernen Decken gibt es heute noch?Wie kann man auch sie durchbrechen?

Quoten und die Veränderung durch VorbilderJUTTA ALLMENDINGERAutorin, Soziologin, Präsidentin des WZB Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung

Funken und Feuer im FrauenfußballMONIKA STAABPionierin des Frauenfußballs weltweit

Glück, harte Arbeit und unterstützende StrukturenCAROLA LENTZPräsidentin des Goethe-Instituts

Die gläserne Decke durchbrechenPETRA GERSTERJournalistin und langjährige Nachrichtenmoderatorin für ZDF heute

Kapitel 2:REALITÄTEN VON FRAUEN – VERÄNDERUNG IM DENKENMit welchen Erwartungen undZuschreibungen sind Frauen auch heute noch konfrontiert? Wie kann man sie überwinden? Wie gehen Frauen in der Öffentlichkeit mit dem Hass und der Verachtung um, die ihnen immer wieder entgegenschlagen?

Gleichberechtigung kann nicht wartenMELINDA FRENCH GATESAutorin, Geschäftsfrau, globale Anwältin für Frauen und Mädchen

Porträts von KleidernJENNIFER CLEMENTAutorin, Präsidentin von PEN International

Meine Geschichte – zwischen Farben, Gesängen und einem Krieg, der nie vorüber warLUCIA IXCHÍUIndigene Maya-K’iche’-Frau, Kulturförderin, Journalistin, Feministin, Gründerin von »Mujeres en movimienta«

Begegnungen mit mutigen Frauen aus Krisen- und KriegsgebietenJULIA LEEBKriegsfotografin, Journalistin, Autorin

Kapitel 3:WEGE ZU EINER GERECHTEREN GESELLSCHAFT – VERÄNDERUNG DURCH GESETZE UND INTERNATIONALE ABKOMMENWelche Ansätze gibt es, um Geschlechtergerechtigkeit voranzubringen (national und international)? Wie könnte eine konsequente feministische Innen- und Außenpolitik aussehen?

Mut und GeduldMARGOT WALLSTRÖMPolitikerin der schwedischen Sozialdemokratischen Partei, ehemalige Vize-Premierministerin und Außenministerin von Schweden

Feminist awakeningKRISTINA LUNZMitbegründerin und Mit-Geschäftsführerin des Centre for Feminist Foreign Policy

Die Agenda für Frauen, Frieden und Sicherheit: eine persönliche ReiseBINETA DIOPGründerin und Präsidentin von Femmes Africa Solidarité

Hier stehen Menschenrechte auf dem SpielAUDREY AZOULAYGeneraldirektorin der UNESCO

Kapitel 4:GESELLSCHAFTSPOLITISCHES ENGAGEMENT VON FRAUEN FÜR FRAUEN – VERÄNDERUNG VON UNTENEchte Veränderung entsteht häufig von unten. Das zivilgesellschaftliche Engagement Einzelner kann das Leben vieler verändern. In diesem Kapitel stellen Frauen Projekte vor, die sie mit und für andere Frauen ins Leben gerufen und damit einen echten Unterschied gemacht haben.

Weibliche FührungsstärkeACHINOAM NINIIsraels international erfolgreichste Sängerin, Songwriterin, Aufnahmekünstlerin, Performerin

»Das schaffen Sie nie!« oder: Wie gründe ich eine NGO gegen Sexismus?STEVIE SCHMIEDELGründerin von Pinkstinks

Frauenrechte und ChancengleichheitSIBEL KEKILLISchauspielerin, Aktivistin

Frauen und Musik in GhanaRIA BOSSMusikerin, Aktivistin

Kapitel 5:VIELFALT ZUR NORMALITÄT MACHEN – VERÄNDERUNG DURCH EINE POLITIK DES RESPEKTSDer Kampf für mehr Gleichberechtigung ist zugleich ein Kampf für mehr gesellschaftliche Vielfalt. Viele Frauen setzen sich neben Geschlechtergerechtigkeit auch allgemein für Vielfalt und Diversität ein. Das Kapitel stellt Autorinnen vor, die durch ihre Arbeit gegen Diskriminierung und Ausgrenzung jeder Art kämpfen.

HANDELN JETZT! Solidarisieren, unterstüzen, empowernDÜZEN TEKKALJournalistin, Autorin, Dokumentarfilmerin/Regisseurin

Vielfalt sichtbar machen, Vorbild seinGEORGINE KELLERMANNJournalistin, Leiterin des WDR-Studios Essen

Deutschland ist superdivers. Unsere Institutionen sollten es auch seinFERDA ATAMANJournalistin, Rednerin, Aktivistin

»Schwestern« in einer MännerweltZUKISWA WANNERJournalistin, Romanautorin, Redakteurin

Bildnachweis

»Das Leben einer Frau wird durch die gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmt: Ob Ausbildungen und sichere Anstellungsverhältnisse zur Verfügung stehen. Ob der Zugang zu ärztlicher Versorgung, Kinderbetreuung und Verhütungsmitteln gewährleistet ist. Ob Abtreibungen oder Scheidungen unkompliziert möglich sind.«

Margot Wallström

EinleitungMICHELLE MÜNTEFERING

Noch ein Buch über Frauen? Ist das wirklich nötig? Ich meine, ja, ist es! Ein paar Zahlen gefällig?

In Deutschland erhalten Männer immer noch knapp 20 Prozent mehr Lohn als Frauen. Und selbst bei gleicher Qualifikation beträgt der Unterschied noch sechs Prozent. Fast überall auf der Welt gibt es bei der Entlohnung von Männern und Frauen große Unterschiede.

Ein einziges DAX-Unternehmen wird aktuell in Deutschland von einer Frau geführt. Der Frauenanteil in den Vorständen börsennotierter Unternehmen liegt bei nicht einmal 15 Prozent. Laut Global Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums heißt es, dass es beim aktuellen Tempo noch über 200 Jahre dauern würde, bis weltweit Geschlechtergerechtigkeit am Arbeitsplatz herrscht.

In der Politik sieht es nicht viel besser aus – in Deutschland, aber auch international. Als bei der Generaldebatte der Vereinten Nationen vergangenes Jahr im Zehnminutentakt Staats- und Regierungschefs das Wort ergriffen, dauerte es geschlagene eineinhalb Tage, bis die erste Frau an der Reihe war.

Ein anderes Thema: Auch bei häuslicher Gewalt gibt es ein eindeutiges Bild. Knapp jede vierte Frau hat in ihrem Erwachsenenalter mindestens einmal körperliche oder sexualisierte Übergriffe durch ihren Partner erlebt. Während der Corona-Krise hat sich die Situation sogar noch verschlimmert. Die Vereinten Nationen sprechen inzwischen von einer »Pandemie der Femizide«. Die Niederlage des politischen Westens in Afghanistan ist auch eine Katastrophe für die Frauenrechte weltweit. 

Geschlechtergerechtigkeit im Jahr 2021? Das ist noch immer eine Vision, ganz sicher keine Realität. Woran liegt das? Und was kann man tun, um das zu ändern? Darum geht es in diesem Buch. 

20 Frauen aus Politik, Gesellschaft, Wissenschaft, Kunst und Kultur erzählen von ihrem Einsatz. Sie berichten von Begegnungen, die sie bewegt und geprägt haben. Sie geben Einblicke in ihre Arbeit. Und sie machen konkrete Vorschläge, wie wir gerechtere Gesellschaften aufbauen können: Genau das ist auch die Leitfrage des Buches.

Im ersten Kapitel geht es um Veränderung durch Vorbilder. Als mein Patenkind Alba (damals sieben Jahre alt) einmal mit ihrer Mutter die Kunstmuseen in Madrid besuchte und sie danach gefragt wurde, wie es ihr gefallen habe, sagte sie: »Gut. Aber gab es denn keine Frauen, die gemalt haben?«

Kein Wunder. Frauen waren über Jahrhunderte im öffentlichen Leben fast unsichtbar. Deshalb kam es vielen überhaupt nicht in den Sinn, Künstlerin, Politikerin oder Managerin zu werden. Und die, die es doch geworden sind, hatten es schwer, Sichtbarkeit zu erlangen und ernst genommen zu werden. Nicht nur in der Kunst. Frauen haben sich viel zu lang einreden lassen, dass sie für bestimmte Berufe nicht geschaffen wären. Das ist natürlich blanker Unsinn. Zum Glück beweisen Frauen das heute jeden Tag auf der ganzen Welt. 

Einige von ihnen kommen in diesem Kapitel zu Wort und beschreiben, wie sie als Erste in ihrem Bereich die gläserne Decke durchbrochen haben, wie sie sich dabei gegen enorme Widerstände durchsetzen mussten, und was sie heute jungen Frauen raten würden, die vor einer ganz ähnlichen Situation stehen.

Im zweiten Kapitel geht es um Rollenklischees und Stereotype. Ein Freund erzählte mir einmal in seiner Studienzeit als Arzt im Praktischen Jahr folgende Geschichte: Während auf der Station in der Klinik, in der er und seine Kommilitonen als angehende Medizinerinnen und Mediziner arbeiteten, die jungen Männer in weißem Kittel meist gleich als »Herr Doktor« angesprochen wurden, waren die Frauen in gleicher Kleidung die »Schwester«. Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger machen fantastische Arbeit, das steht hier außer Frage. Aber ist es ein Zufall, dass den Herren automatisch die Qualifikation des Arztes zugesprochen wurde? 

Über Männer und Frauen wird heute immer noch unterschiedlich gesprochen, geschrieben – und gedacht. Davon kann jede Frau, die in der Öffentlichkeit steht, ein Lied singen. Die Journalistin Lara Fritzsche beschrieb dieses Phänomen einmal so: Männer seien ein weißes Blatt Papier, Frauen seien ein rosafarbenes: in der Wahrnehmung schon immer in der Weiblichkeit eingefärbt. 

»Veränderung im Denken ist wichtig. Es braucht aber auch Gesetze genau wie internationale Abkommen«

Kein Wunder, dass sich all diese Klischees halten. Das liegt nicht nur an der viel zu geringen Zahl an Frauen in Führungspositionen. Auch in der Sprache, in der Werbung und durch bestimmte Diskursmechanismen werden Stereotype immer wieder von Neuem reproduziert. Wie man diese Mechanismen überwinden kann, darum geht es in diesem Kapitel.

Veränderung im Denken ist wichtig. Es braucht aber auch Gesetze genau wie internationale Abkommen. Man muss nur daran denken, dass Frauen in Deutschland erstmals 1919 wählen und gewählt werden konnten. Bis 1958 entschied der Ehemann, ob eine Frau arbeiten durfte; und sogar bis 1977 war das Prinzip der Hausfrauenehe gesetzlich verankert.

Die 2014 in Kraft tretende Istanbul-Konvention war ein echter Meilenstein im Kampf gegen Gewalt an Frauen. Ausgerechnet die Türkei, auf deren Boden sie verabschiedet wurde, ist 2021 aus dieser ausgetreten. Die Internationale Frauenkonferenz in Peking 1995 oder auch die Resolution 1325, die im Jahr 2000 einstimmig vom UN-Sicherheitsrat angenommen wurde, haben den Kampf für mehr Gleichberechtigung vorangebracht und Milliarden Frauen auf der Welt Hoffnung gegeben. Dennoch sehen wir heute, dass es nicht nur bei der Umsetzung der Resolutionen Probleme, sondern sogar erhebliche Rückschritte gibt. Heute wäre es wohl kaum möglich, einen Text wie die Resolution 1325 einstimmig zu verabschieden. Zu viele versuchen, die Erfolge der letzten Jahrzehnte zurückzudrängen. 

Doch in Deutschland und auch in anderen Ländern haben einzelne Gesetze die Situation von Frauen inzwischen entscheidend verbessert. Wie es weitergeht, das hängt von der Politik, aber auch von der Zivilgesellschaft ab, die oftmals ausschlaggebend für Veränderungen war und ist – wie zuletzt beim deutschen Führungspositionen-Gesetz. Oft brauchte und braucht es den Willen, das Richtige auch gegen Widerstände durchzusetzen. Das war schon beim Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes so, der 1949 von Elisabeth Selbert trotz erheblichem Gegenwind durchgesetzt wurde. 

Die Konsequenz daraus ist für mich klar: Ohne klare gesetzliche Vorgaben geht es nicht. Und deshalb braucht es die Reflexion darüber, wie Gesetze und internationale Abkommen zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beitragen können. Die Autorinnen des dritten Kapitels setzen genau hier an. Sie stellen ihre Ideen und Konzepte für mehr Geschlechtergerechtigkeit vor – von einer konsequenten feministischen Außenpolitik bis hin zum Kampf gegen häusliche Gewalt.

Die Autorinnen des vierten Kapitels zeigen, wie Veränderung von unten entsteht. Hier kommen Frauen zu Wort, die sich in unterschiedlichen Bereichen für andere Frauen einsetzen: bildende Künstlerinnen, Schauspielerinnen, Musikerinnen. Sie berichten von ihren Projekten, ihren Zielen und ihrer Motivation. Und sie zeigen, dass es am Ende auf uns selbst ankommt, Veränderung zu bewirken.

»Eine geschlechtergerechte Gesellschaft kann es nur dann geben, wenn Vielfalt zur gesellschaftlichen Norm wird«

Geschlechtergerechtigkeit bedeutet, einen Menschen nicht nach Äußerlichkeiten zu beurteilen. Deshalb ist der Kampf für mehr Gleichberechtigung zugleich ein Plädoyer für gesellschaftliche Diversität. Frauenrechte und der Einsatz für Vielfalt gehören zusammen. Oder anders ausgedrückt: Eine geschlechtergerechte Gesellschaft kann es nur dann geben, wenn Vielfalt zur gesellschaftlichen Norm wird. Deshalb kommen im letzten Kapitel Frauen zu Wort, die sich in ihrer Arbeit für Vielfalt und Nichtdiskriminierung jeder Art einsetzen. Sie erklären, wie sich strukturelle Diskriminierung in ihren Instrumenten und Methoden ähneln. Und sie zeigen, wie gerade Frauen häufig einer doppelten Diskriminierung ausgesetzt sind, etwa als Muslima, Afroamerikanerin oder queere Frau.

Entstanden ist die Idee zu dem Buch, als ich im November 2020 zusammen mit Elke Büdenbender Frauen aus der ganzen Welt zum zweiten Mal zur »Women’s Night« eingeladen habe, in dem Fall digital. Als Auswärtiges Amt war und ist es uns ein Anliegen, Politik und Zivilgesellschaft miteinander zu vernetzen. Geschlechtergerechtigkeit ist inzwischen ein wichtiger Schwerpunkt der deutschen Außenpolitik und war auch eine der Prioritäten während der deutschen Mitgliedschaft im Sicherheitsrat 2019–2020. Denn Frauenrechte sind Menschenrechte. Und außerdem eine Frage von Stabilität und Krisenfestigkeit.

»Gleichberechtigung geschieht nicht automatisch«

Das Signal der »Women’s Night« war eindeutig: Wir lassen es nicht zu, dass Corona die Fortschritte der letzten Jahrzehnte im Kampf für mehr Gleichberechtigung zunichtemacht. Wir schließen uns für unser gemeinsames Ziel über Grenzen hinweg zusammen.

Denn: Gleichberechtigung geschieht nicht automatisch. Nach dem Fall der Mauer war es eine Zeit lang Mode zu glauben, Demokratie und Menschenrechte würden sich wie ein Weltgesetz unaufhaltsam und fast von allein ausbreiten. Aber so funktioniert Geschichte eben nicht. Geschichte wird von Menschen gemacht. Fortschritt geschieht nicht automatisch, sondern wird erkämpft. Dieser Geist prägt dieses Buch. Es richtet sich übrigens nicht nur an Frauen: Denn Vernunft hat eben kein Geschlecht. 

Ich bin überzeugt, wir können der Begeisterung für Demokratie und Menschenrechte einen neuen Schub verleihen. Das ist kein utopischer Wunsch. Es ist schlicht eine Frage politischer Prioritäten. Unser Ziel nach der Pandemie muss sein: Build back better. 

Das gilt für Themen wie Klimaschutz und Digitalisierung, aber eben auch für die Gleichstellung der Frau. Denn geschlechtergerechte und vielfältige Gesellschaften sind stärkere Gesellschaften, und Friedensverträge halten länger, wenn Frauen an ihrer Aushandlung beteiligt sind.

Ich danke allen Beteiligten, die dieses Projekt möglich gemacht haben, dem Auswärtigen Amt, dem tollen Team des Elisabeth Sandmann Verlags, Karin Graf, die das Projekt von Anfang an mit begleitet hat, und nicht zuletzt Deutschlands »First Lady« Elke Büdenbender für ihre anhaltende Unterstützung. Danke auch allen Autorinnen und allen Frauen, und all jenen, die sich für die Gleichwertigkeit der Menschen einsetzen und uns inspirieren. 

Denn starke Gesellschaften brauchen starke Frauen. Und genau darum geht es: um Worte und Taten, die für uns alle gut sind – auch für die Männer.

»Starke Gesellschaften brauchen starke Frauen. Und genau darum geht es: um Worte und Taten, die für uns alle gut sind.«

VorwortELKE BÜDENBENDER

Ohne die Begegnung mit anderen kommt der Mensch nicht aus. Er braucht ein Gegenüber, andere Menschen, die mit ihm leben. Das war immer so und ist so geblieben. Auch in unserer heutigen Gesellschaft, in unserer heutigen Welt sind Begegnungen und daraus entstehende Netzwerke und Freundschaften von entscheidender Bedeutung für unsere Weiterentwicklung und Gemeinschaft. Wir Menschen brauchen andere Menschen, die uns ein Vorbild sein können und die uns Inspiration geben. Menschen, die uns unterstützen und fördern und fordern, um uns weiterzuentwickeln. Wir brauchen viele »Gegenüber«, wir brauchen viele »MitmacherInnen«. Manche Begegnungen mit anderen Menschen sind ganz herausragend für uns, sie haben prägenden Einfluss auf unseren weiteren Lebenslauf und führen uns auf neue Bahnen. Das ist auch herausfordernd, denn wir müssen Überzeugungen oder auch Lebensentwürfe hinterfragen und überdenken. Andererseits hilft es uns, gibt uns Orientierung und kann vor allem Unterstützung und Solidarität bedeuten. Das gilt für alle Menschen, aber für uns Frauen gilt es besonders. Wir müssen miteinander in den Austausch treten, wir müssen Netzwerke bilden, um füreinander einzutreten und um uns gemeinsam für die Interessen der Frauen starkzumachen.

»Die Geschichten starker Frauen müssen erzählt werden, um anderen Mut zu machen«

Denn auch wenn wir Frauen in vielen Ländern dieser Welt in unserem Kampf um Gleichberechtigung schon weit gekommen sind – Männer und ihre kulturellen Spielregeln dominieren nach wie vor in Parlamenten und Parteien, in Konzernen und Betrieben, in der Forschung und an Universitäten, am Theater oder Filmset, in der Chefredaktion oder im Verlag. Dort, wo es um Einfluss geht, findet sich zuallermeist: ein Mann. Und es gibt noch immer zu viele Länder, in denen Frauen nicht die gleichen Rechte haben wie Männer. Deshalb müssen Frauen weiter für die Gleichberechtigung kämpfen, und das können sie am besten, wenn sie sich begegnen und sich zusammentun. Deshalb ist das vorliegende Buch auch so wichtig. Die Geschichten starker Frauen müssen erzählt werden, um anderen Mut zu machen. Dabei ist das Buch selbst aus Begegnungen entstanden. Begegnungen, die zuletzt leibhaftig 2019 stattfinden konnten. Im Jahr 2019, das ganz besonders durch das 100-jährige Jubiläum des Frauenwahlrechts geprägt war, fanden sehr viele Veranstaltungen statt, bei denen es um Frauen ging, um unsere Selbstbestimmung und die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Es gab auch zwei Veranstaltungen in Schloss Bellevue – eine zu 100 Jahre Frauenwahlrecht, die andere zu Louise Ebert, die als eine Vorreiterin der Gleichberechtigung zu bezeichnen ist. Ich war bei vielen Diskussionsrunden zu Themen wie der Parität in europäischen Parlamenten, Frauen und Digitalisierung, Frauen in Führungspositionen oder Frauen in der Wirtschaft. Und wir haben die »Women’s Night Out« veranstaltet, mit Frauen aus Wirtschaft, Sport, Politik, Kultur, Bildung, Wissenschaft, Medien, Gesellschaft. Es war ein Fest des Zusammenseins, Austausches und der Freude über so viel geballte »Frauenpower«. Das alles hat mich bestärkt in meiner Überzeugung, dass es nicht ohne andere geht, wenn wir darüber nachdenken und dafür eintreten wollen, Teilhabe und Gestaltung in unserer Gesellschaft für alle zu ermöglichen.

Wenn ich darüber nachdenke, wer mich geprägt hat, waren es sicherlich Menschen – aus meinem unmittelbaren Umfeld, meiner Familie, gerade die starken Frauen. Aber auch Lehrerinnen und Lehrer, die ein Potenzial in mir entdeckt und mich gefördert haben, indem sie mich ermutigten, meine Talente zu entfalten. Auch Männer und Frauen aus der Gewerkschaft, der ich damals angehörte, oder in den unterschiedlichen Betrieben, in denen ich gearbeitet habe, waren ganz wichtig, um neue Wege zu gehen. Nicht zuletzt habe ich für meine Arbeit als Richterin weibliche Vorbilder gehabt, die mich ermutigt und geprägt haben. Wir werden in den nachfolgenden Beiträgen sehen, wie die einzelnen Autorinnen profitiert haben von Menschen, und zwar national wie international.

»Es gibt sie, die guten Beispiele von Brückenbauerinnen, Netzwerkerinnen, klugen Frauen aus allen Bereichen des Lebens, die das Leben von anderen Menschen verbessern«

In den vergangenen mehr als vier Jahren in meiner Funktion an der Seite des Bundespräsidenten habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich sehr viel von Frauen aus anderen Ländern lernen kann, von ihrem Kampf, ihrem Mut und ihrem Selbstbewusstsein, unter schwierigen Bedingungen für eine Verbesserung ihrer Lebenssituation einzutreten. Die Begegnung mit einigen von ihnen hat mir gezeigt, dass wir Frauen in den meisten Staaten Europas es schon weit gebracht haben – bei allen Missständen, gegen die wir immer noch sehr nachdrücklich und hartnäckig angehen müssen. Ich nenne hier nur beispielhaft: ungleiche Bezahlung, die ungerechte Verteilung von Sorgearbeit, die Unterrepräsentanz von Frauen auf Führungsebenen in allen Bereichen unserer Gesellschaft, einschließlich den Parlamenten und in den Regierungen von Bund, Ländern und Kommunen.

Wie wir international voneinander lernen können, wird ein Schwerpunkt des vorliegenden Buches sein. Wir leben in einer Welt – die Folgen des Klimawandels und der Corona-Pandemie, die Folgen von Krieg und Vertreibung führen das deutlich wie nie vor Augen. Zudem zeigte sich während der Corona-Pandemie, dass in allen betroffenen Ländern, aber vor allem in den ärmeren Teilen der Welt es vor allem die Frauen waren, die die Last der Pandemiefolgen zu tragen hatten und haben.

Diese Last bedeutet allerdings nicht, einfach Opfer zu sein, sondern vor allem die Last der Verantwortung zu tragen. In meinem Schlussstatement zur »Women’s Night In« 2020 sagte ich: »In der Friedensschaffung, dem Wiederaufbau und der Transformation von Gesellschaften nach Krisen spielen wir stets eine wichtige Rolle. Mit der UN-Resolution 1325, die der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vor genau 20 Jahren verabschiedete, wird dieser Tatsache Rechnung getragen.« Das soll eine der zentralen Botschaften dieses Buches sein.

Es gibt sie, die guten Beispiele von Brückenbauerinnen, Netzwerkerinnen, klugen Frauen aus allen Bereichen des Lebens, die das Leben von anderen Menschen verbessern, aber auch zugleich zeigen, dass sie selbst beeinflusst wurden von anderen, von Vorbildern, die ihnen begegnet sind – wo auch immer: tatsächlich oder in Büchern, zu Hause oder »in der Ferne«, in Institutionen, in Bewegungen, in Betrieben. Es kommen alle Orte und auch Zeiten in Betracht, sie können jünger oder älter gewesen sein. Vor allem sind es Begegnungen, die die Autorinnen zutiefst berührt haben.

»Wir Menschen brauchen andere Menschen, die uns ein Vorbild sein können und die uns Inspiration geben. Menschen, die uns unterstützen und fördern und fordern, um uns weiterzuentwickeln.«

Kapitel 1DIE GLÄSERNE DECKE DURCHBRECHENVERÄNDERUNG DURCH VORBILDER

Autorin, Soziologin, Präsidentin des WZB Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung

JUTTA ALLMENDINGER Quoten und die Veränderung durch Vorbilder1

Die Lage ist bekannt. In allen Sektoren des wirtschaftlichen Geschehens besetzenMänner mehrheitlich die Führungspositionen. Dennoch ist im Gegensatz zum Gender-Wage- bzw. Gender-Care-Gap, den Unterschieden zwischen Frauen und Männern hinsichtlich Stundenlohn und unbezahlter Arbeitszeit, der Gender-Position-Gap, also der Unterschied zwischen Frauen und Männern bezüglich ihrer Besetzung von Leitungspositionen, kein etabliertes Maß. Die Bezugsgröße ist nicht definiert. Sollen alle Führungspositionen in Deutschland berücksichtigt werden? Gleichermaßen Leitungen von Stiftungen, Konzernen, Bäckereien, Universitäten und Parteien dazuzählen? Oder betrachtet man nur börsennotierte Unternehmen? Die größten? Die DAX-Gruppe?

Auf welche Führungspositionen wir uns auch immer beziehen, der Frauenanteil liegt nie höher als 36 Prozent. Dieser Wert wurde 2018 im öffentlichen Sektor erreicht, 2004 lag er bei 32 Prozent.2 In 15 Jahren wurden also gerade einmal vier Prozentpunkte dazugewonnen. In der Privatwirtschaft sehen wir im gleichen Zeitraum einen Anstieg von 24 auf 26 Prozent3. Das Bild verdunkelt sich weiter, wenn wir Vorstände und Aufsichtsräte der DAX-Unternehmensgruppe betrachten. Von den 30 DAX-Unternehmen haben 22 überhaupt keine Frau im Vorstand, der Frauenanteil liegt bei 12,8 Prozent. In einem einzigen Unternehmen wird der Vorstandsvorsitz von einer Frau gehalten.4 Vorsichtige Hoffnung entsteht, wenn wir uns die Entwicklung anschauen. Im Jahr 2008 war nur in einem einzigen der 30 DAX-Unternehmen eine Frau im Vorstand vertreten.

Demütigend ist, dass sich 55 der 160 in den Indizes DAX 30, MDAX und SDAX vertretenden Börsenunternehmen bezüglich ihres Frauenanteils in Vorständen bis 2022 die Zielgröße Null gesetzt haben, darunter vier Unternehmen der DAX-30-Gruppe. Diese Unternehmen streben nicht einmal an, auch nur eine einzige Frau in den Vorstand zu berufen. Welch ein Zeichen für die vielen Frauen, die in diesen und anderen Unternehmen arbeiten. Welch ein Nackenschlag für die jungen ambitionierten Frauen, die Leitbilder, die Visionen, die eine Zukunftsoption brauchen.

»Man kann viel verändern, wenn man es nur will«

Doch bei aller Bedrückung und allem Unverständnis, die diese Zahlen auslösen, gibt es durchaus auch Lichtblicke. Man kann viel verändern, wenn man es nur will. Es gibt sie, die hoch qualifizierten Frauen, und man findet sie. Sie verweigern sich Führungsaufgaben nicht. Die Unternehmen erleiden durch die Quote mitnichten Schaden. Quotierungen sind ein Mittel zum Zweck. Das zeigt sich bei den Aufsichtsräten der 30 DAX-Unternehmen deutlich. Nachdem die Quote für Aufsichtsräte eingeführt wurde, stieg der Frauenanteil auf heute 35 Prozent. Und in den Aufsichtsräten der Beteiligungsunternehmen des Bundes wurde Parität erreicht.

Auch der Blick ins Ausland vermittelt ein etwas freundlicheres Bild. Der letzte AllBright-Bericht5 zeigt eindrücklich, dass in den USA, Schweden, Großbritannien und Frankreich deutlich über 20 Prozent der Vorstände mit Frauen besetzt sind.

Vor diesem Hintergrund engagierten sich im Herbst 2020 viele Frauen, um das FüPoG II aus verstaubten Schubladen des Regierungsprogramms zu holen. Diese sperrige Abkürzung steht für das im letzten Koalitionsvertrag verankerte Vorhaben, den Zugang von Frauen zu Führungspositionen voranzutreiben. Frauen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Sport trafen sich, organisierten sich, verbanden sich in klassischen Print- wie in digitalen sozialen Medien. Der Hashtag #ichwill entstand, ebenso #jetztreichts. Ein Auftritt in der Bundespressekonferenz folgte, viele Medien reagierten und fragten nach. Die Frauen forderten, den Entwurf zum FüPoG II endlich zu bearbeiten, zumindest sollten Unternehmen die Zielgröße Null begründen müssen. Außerdem sollte die Quote von 50 Prozent für große Firmen im Staatsbesitz umgesetzt werden. Gefordert wurde auch eine feste Quote von 30 Prozent für Vorstandspositionen in DAX-notierten Unternehmen.

»Wer von der Quote profitieren wird? Alle«

Wir Frauen haben gewonnen, gerade mal so und in der letzten Sekunde der Legislaturperiode 2017–21. Deutlich abgeschwächt, wurde das FüPoG II Mitte Juni 2021 verabschiedet. Das FüPoG II greift nun nur dann, wenn der Vorstand großer börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen aus mehr als drei Personen besteht, aktuell sind das 66 Unternehmen, von denen 21 keine Frau im Vorstand haben. Zudem muss die Zielgröße Null fortan begründet werden, ist aber nicht verboten. Bei Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes gilt das Gesetz bereits dann, wenn der Vorstand aus mehr als zwei Personen besteht, das sind derzeit 100 Unternehmen, ähnliche Regelungen gelten bei Körperschaften des öffentlichen Rechts im Bereich der Sozialversicherung und im öffentlichen Dienst des Bundes.

Nun ließe sich einwenden, dass eine Kassiererin, eine Krankenpflegerin oder eine Erzieherin von Frauenquoten für Führungspositionen nur wenig hat. Würde sie tatsächlich in der einen oder anderen Weise, direkt oder indirekt, von der Quote profitieren? Oder handelt es sich hier allein um Interessen und Vorteile hochgebildeter, meist weißer Frauen, die weit entfernt sind von der Realität des täglichen Lebens in ›typischen‹ Frauenberufen?

Meine Antwort ist, wenig überraschend, dass alle Frauen, durchaus aber auch Männer, von der Quote profitieren werden. Mindestens drei Gründe sprechen dafür. Zunächst wissen wir alle, dass unsere Vorstellungskraft geprägt wird von der Realität, die wir Tag für Tag erleben. Was man nicht sieht, gibt es auch nicht. Erst nachdem Angela Merkel zur Kanzlerin wurde, äußern Mädchen vermehrt den Wunsch, Kanzlerin zu werden. Erst wenn man Männer im Alltag und in den Medien mit Säuglingen sieht, ist das Wickeln von Kleinkindern keine Frauensache mehr. Es geht dabei um mehr als das ›können‹. Mit jeder Frau in einer Führungsposition sehen wir auch, dass Frauen durchaus führen ›wollen‹, ein Wunsch, der ihnen so häufig abgesprochen wird. Ähnliches gilt für die Erweiterung männlicher Lebenswelten. Wir wissen auch, dass divers zusammengesetzte Leitungsteams innovative Strategien entwickeln und zu größerem wirtschaftlichem Erfolg führen können. Das kommt der gesamten Wirtschaft und damit uns allen zugute. Letztlich steht hinter den Quoten eine gezielte Strategie, Gleichstellung zu erreichen.

Über Quotierungen als Bekenntnis zur Gleichstellung von Männern und Frauen kommen wir daher auch eher zu gleichem Lohn für vergleichbare Erwerbsarbeit und zur Anpassung der unbezahlten Care-Arbeit zwischen Frauen und Männern, beides ein Muss für die gleiche Teilhabe von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft. Natürlich brauchen wir viel mehr als Quoten. Ohne Quoten wird es aber auch nicht gehen.

»Wir müssen handeln, und zwar jetzt«