Weniger schlecht über IT schreiben - Christina Czeschik - E-Book

Weniger schlecht über IT schreiben E-Book

Christina Czeschik

0,0

Beschreibung

Es gibt zwei Gruppen von Menschen: Die, die IT verstehen, und die, die sie trotzdem benutzen wollen oder müssen. Wenn Sie zur ersten Gruppe gehören und einen Kommunikationskanal zur zweiten Gruppe öffnen wollen, dann hilft Ihnen dieses Buch: Wir erklären Schritt für Schritt, wie Sie digitale Technologien laienverständlich erklären, welche Techniken Sie dabei unterstützen und wie Sie typische Fehler vermeiden. Egal, ob Sie Handbücher verfassen, Support-E-Mails beantworten, Schulungen halten oder die Welt in einem Blog von Ihrem neuen Projekt überzeugen wollen – schon ein paar Grundregeln helfen, den Wissensfluch zu überwinden und von Ihrer Zielgruppe verstanden zu werden. Zum Schluss geben wir Ihnen noch einige handfeste Tipps an die Hand, wie Sie Schreibblockaden überwinden – und wie und wo Sie Ihre Texte am Ende veröffentlichen können. Aus dem Inhalt: - Mein Leser, das unbekannte Wesen - Big und Little Data: Recherche und Quellenangabe - GOTO considered harmful: Texte klar strukturieren - Ausdruck vor Eindruck: Verstanden statt gefürchtet werden - Erzähl mir nix: Storytelling - Auftragen, polieren, einatmen, ausatmen: die Überarbeitung - Prokrastination 101: (Un)produktiv sein - Press Any Key: Was möchten Sie schreiben? E-Mail, Artikel, Buch & Co. - Schöner leaken: Texte veröffentlichen

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 300

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Zu diesem Buch – sowie zu vielen weiteren O’Reilly-Büchern – können Sie auch das entsprechende E-Book im PDF-Format herunterladen. Werden Sie dazu einfach Mitglied bei oreilly.plus+:

www.oreilly.plus

Weniger schlecht über IT schreiben

Die Schreibwerkstatt für IT-Erklärer

Christina Czeschik, Matthias Lindhorst

Christina Czeschik, Matthias Lindhorst

Lektorat: Ariane Hesse

Review: Corina Pahrmann, Jörg Staudemeyer, Wolfgang Stief, Moritz »mo.« Sauer

Korrektorat: Sibylle Feldmann, www.richtiger-text.de

Satz: III-satz, www.drei-satz.de

Herstellung: Stefanie Weidner

Umschlaggestaltung: Michael Oréal, www.oreal.de

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:

Print   978-3-96009-063-2

PDF    978-3-96010-129-1

ePub   978-3-96010-130-7

mobi   978-3-96010-131-4

Dieses Buch erscheint in Kooperation mit O’Reilly Media, Inc. unter dem Imprint »O’REILLY«.

O’REILLY ist ein Markenzeichen und eine eingetragene Marke von O’Reilly Media, Inc. und wird mit Einwilligung des Eigentümers verwendet.

1. Auflage 2019

Copyright © 2019 dpunkt.verlag GmbH

Wieblinger Weg 17

69123 Heidelberg

Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

Es wird darauf hingewiesen, dass die im Buch verwendeten Soft- und Hardware-Bezeichnungen sowie Markennamen und Produktbezeichnungen der jeweiligen Firmen im Allgemeinen warenzeichen-, marken- oder patentrechtlichem Schutz unterliegen.

Die Informationen in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden. Verlag, Autoren und Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für eventuell verbliebene Fehler und deren Folgen.

5 4 3 2 1 0

Inhalt

1Ist dieses Buch das richtige für mich?

Warum dieses Buch?

Was Sie in diesem Buch lernen

Wann ist dieses Buch nicht das richtige für Sie?

Gute und schlechte Beispiele

Auch wir machen Feler

2Mein Leser, das unbekannte Wesen

Den Leser kennenlernen – warum?

Der Wissensfluch

whoami: Selbstfindung

Den Leser kennenlernen

Top-down: von der Leserschaft zum Leser

Teil I: Zielgruppenrecherche

Teil II: Feldforschung

Teil III: Mit der Ente reden

Zusammenfassung

Ran an die Tastatur: Übungen

3Big und Little Data: Recherche und Quellenangabe

Let me google that for you: die Recherche

Der Einstieg in ein Thema: ein kleiner Test

Content, Marketing und Content Marketing

Gibt es überhaupt objektive Informationen?

Daten, Meinungen und stille Post

Czeschik, Lindhorst (2018): die Quellenangabe

Don’t be evil: Plagiate vermeiden

Zusammenfassung

Ran an die Tastatur: Übungen

4GOTO considered harmful: Texte klar strukturieren

Mission Control: Was soll mein Text erreichen?

Objektorientiertes Schreiben: die Bausteine

Satz

Absatz

Kapitel und Unterkapitel

Überschrift und Zwischenüberschrift

Infokasten und Exkurs

Hinweise

Bildunterschriften und Tabellenüberschriften

Einleitung, Hauptteil, Schluss: Mut zur Unoriginalität

Einleitung

Hauptteil

Schluss

Guck, ein Eichhörnchen! – Der Kampf um Aufmerksamkeit

Strukturieren, um im Gedächtnis zu bleiben

Strukturieren, um Aufmerksamkeit zu wecken (und zu halten)

Snackable Content: Noch ’n Keks?

Spannungsbogen: Warum Sie dieses Buch zu Ende lesen sollten

Little Bobby Tables: Bilder, Schemata, Tabellen

Hoodies in Space: der Fluch der Stockfotos

Daten sichtbar machen: Tabellen, Diagramme und Infografiken

Zusammenfassung

Ran an die Tastatur: Übungen

5Ausdruck vor Eindruck: Verstanden statt gefürchtet werden

Was macht einen Text verständlich? – Das Hamburger Modell

Einfachheit

Gliederung und Ordnung

Kürze und Prägnanz

Anregung

Besser parsen: Satzlänge und Satzzeichen

Satzlänge

Satzzeichen

Parallelisierung: gleiche Muster für ähnliche Gedanken

Die Notwendigkeit der Vermeidung des Nominalstils

Assimiliert werden: Passivsätze

The Jargon File: Heute schon einen x86 emuliert?

Das Phrasenschwein

Buzzwords

Wieselwörter

Klischees und Binsenweisheiten

Faule Annahmen über den Leser

Lost in Translation: IT auf Deutsch und Englisch

Hacker und Haeckse? – Schöner gendern

Metaphern: tägliches Brot in der IT

Kugelsichere (und andere) Metaphern

Die Burg

Das Hamsterrad

The cake is a lie

Die Cloud

Ran an die Tastatur: Übungen

6Erzähl mir nix: Storytelling

Der Mensch, das Geschichten erzählende Tier

Was ist eine Geschichte?

Die Wissenschaft des Storytelling

Aufmerksamkeit

Vertiefende Codierung

Wissensorganisation

Selbstbezug

Emotion

Beispiel: The Analogies Project

Ran an die Tastatur: Übungen

7Auftragen, polieren, einatmen, ausatmen: die Überarbeitung

Einmal YouTube, immer YouTube: Rechtschreibung und Konsistenz

Erst mal abhängen

Lautsprecher: den Text hören

Kill your Darlings: Überflüssiges streichen

Lesen und lesen lassen

Checkliste: An alles gedacht?

Ran an die Tastatur: Übungen

8Prokrastination 101: (Un)produktiv sein

Ein Leck im Raum-Zeit-Kontinuum? – Zeit finden

Gedanken organisieren

Mindmap

Outline oder Gliederung

Denial of Service: Schreibblockade

Aufschreiben, was der innere Kritiker sagt

Einfach schlecht schreiben

Das Werkzeug wechseln

Woanders schreiben

Und wenn alles nicht hilft?

Ran an die Tastatur: Übungen

9Press Any Key: Was möchten Sie schreiben? – E-Mail, Artikel, Buch & Co.

Brief und E-Mail

Angebot

Fachartikel, populärwissenschaftlicher Artikel und Blogartikel

Anleitung und Tutorial

Handbuch

Gebrauchsanleitung und technische Dokumentation

Bericht

White Paper

Fallstudie

Präsentation

Buch und E-Book

10Schöner leaken: Texte veröffentlichen

Fachartikel, populärwissenschaftlicher Artikel und Blogartikel

Das eigene Blog

Blogplattformen

Online- und Printmagazine

Anleitung und Tutorial

Präsentation

Buch und E-Book

Veröffentlichung im Verlag

Veröffentlichung im Selbstverlag (Self-Publishing)

Etablierter Verlag oder Selbstverlag?

Ran an die Tastatur: Übungen

11Ende: Relaxen und watchen das Blinkenlichten

Anhang

Interview mit Wolfgang Schultz (Marketing für IT-Dienstleister) zum Thema Angebot

Interview mit Ulrich Matthey (KONTECXT) zum Thema technische Dokumentation

Interview mit Florian Bernard (Explain) zum Thema Präsentationen

Literaturempfehlungen

Index

KAPITEL 1

Ist dieses Buch das richtige für mich?

Liebe Leserin und lieber Leser – schön, dass Sie da sind!

Leider können wir uns gerade nicht persönlich unterhalten – aber wir haben uns, bevor und während wir dieses Buch schrieben, ein paar Gedanken dazu gemacht, wer Sie wohl sein könnten.

Finden Sie sich in einer der folgenden Beschreibungen wieder?

Sie sind Softwareentwicklerin und haben nebenher eine nützliche App entwickelt, die nun so langsam das Licht der Öffentlichkeit erblicken soll. Jetzt stehen Sie vor der Herausforderung, auf Ihrer Website kurz und bündig zu erklären, was Ihre App tut und warum das nützlich ist.

Sie machen IT-Support. Dabei fragen Sie sich, warum Ihre User so schwer von Begriff sind und Sie immer wieder vor Ort helfen müssen. Wollen oder können die Nutzer Ihre E-Mails nicht verstehen?

Sie sind IT-Consultant und Spezialist für eine bestimmte Technologie. Jetzt wollen Sie ein Buch darüber schreiben – und zwar so, dass auch Manager ohne IT-Ahnung verstehen, worum es geht (und warum sie Sie in Zukunft für solche Projekte anheuern sollten).

Sie sind im Freundeskreis immer diejenige, die anderen Leuten ihre Computer erklären muss. Ehrlich gesagt, macht es Ihnen sogar Spaß. Sie überlegen, ob Sie nicht ein Blog zu IT-Themen anfangen sollten – oder einem Nachrichtenportal Ihre Beiträge anbieten.

Sie schreiben sowieso schon professionell – vielleicht über erneuerbare Energien, Craft Beer und den Nahostkonflikt. Jetzt würden Sie gern auch Digitales mit abdecken und fragen sich, ob man dazu Informatik studiert haben muss oder einen Mindestscore in Minecraft

1

braucht. (Spoiler: Nein.)

Warum dieses Buch?

»Das Leben so kurz, das Handwerk so lang zu lernen.«

Geoffrey Chaucer

Wir haben dieses Buch geschrieben, weil IT in all ihren Ausprägungen unser Leben immer mehr bestimmt – aber immer weniger Menschen verstehen, wie sie funktioniert. Das brauchen sie oberflächlich betrachtet auch nicht mehr, denn Computer sind immer nutzerfreundlicher und intuitiver geworden. Und mit »Computer« meinen wir auch das Smartphone, den Bordcomputer Ihres Autos und die Rechenzentren, in denen Algorithmen darüber entscheiden, ob wir Werbung für Motorräder oder Inkontinenzeinlagen zu sehen kriegen.

Aber spätestens dann, wenn etwas nicht mehr funktioniert – oder wenn man eine fundierte Entscheidung darüber treffen muss, ob man in einer bestimmten Angelegenheit einem Computer vertraut oder nicht –, ist es doch ungemein nützlich, ein Grundverständnis davon zu haben, wie die digitale Welt um uns herum funktioniert.

Weil nun nicht jeder IT-Nutzer ein begabter Hacker ist, der ohne Hilfe und Anweisung die Funktionsweise eines Systems durch reines Herumspielen rekonstruieren kann, brauchen wir dazu:

Leute, die über IT schreiben.

Und zwar so interessant und verständlich wie möglich.

Denn was unser Verhältnis zur Technologie betrifft, gibt es in unserer Gesellschaft zwei Gruppen, die durch eine immer größer werdende Kluft getrennt sind: die Anwender und die Versteher.

Anwender sind wir am Anfang alle – wenn wir das erste Mal vor einer Tastatur sitzen oder mit einer neuen Technologie wie beispielsweise einem Hausassistenten mit Spracherkennung konfrontiert werden. Nur einige von uns machen allerdings – aus reinem Interesse oder aus beruflichen Gründen – den Schritt zum Versteher und finden heraus, nach welchen Prinzipien die Technologie in ihrem Inneren funktioniert. Nur wenn man das weiß, kann man eine vernünftige, auf dem Abwägen von Vor- und Nachteilen basierende Entscheidung darüber treffen, ob man sie einsetzen möchte oder nicht – ob man sich etwa ein Amazon Echo ins Wohnzimmer stellt oder ob man darauf vertrauen kann, dass das Smart Home das Fenster rechtzeitig vor dem heranziehenden Gewitter schließt. Oder ob man lieber schnell vom Italiener in der Stadt nach Hause fährt, um das Fenster selbst zu schließen – und ob das Fahrzeug, das man dazu benutzt, ein Infotainment-System haben soll oder nicht (oder ob es sich um ein Taxi handelt, das man mit einer App herbeigerufen hat).

Menschen, die nicht zumindest in Grundzügen verstehen, was unsere digitalisierte Welt in ihrem Inneren zusammenhält, müssen sich bei ihren Entscheidungen entweder auf die Marketingversprechen von Technologiekonzernen verlassen oder zu Technologieverweigerern werden, die keine E-Mail-Adresse haben und darauf hoffen, dass ihr altes Nokia 5110 sie überlebt.

Warum schreiben wir das alles im ersten Kapitel eines Buchs über das Schreiben?

Ganz einfach: Es werden heute viel mehr Texte über Computer und andere Erscheinungsformen der IT produziert als jemals zuvor:

Bücher und E-Books,

Artikel (online und offline) sowie Blogbeiträge,

Gebrauchsanleitungen,

technische Dokumentationen,

Einträge in Foren,

E-Mails an Einzelne und auf Mailinglisten,

Uniskripten,

Wikipedia-Einträge,

Verkaufsbroschüren und Produktbeschreibungen

und viele mehr!

Aber in den meisten dieser Texte bleiben die Fachleute unter sich – in ihrer ganz eigenen Blase: Sie werden von Experten für Experten geschrieben. Oder es handelt sich um Werbung, auch versteckte (mehr dazu in Kapitel 3, »Big und Little Data: Recherche und Quellenangabe«).

Klar, viele Expertinnen und Experten finden: Wer was über IT lernen will, soll doch einfach unsere Texte lesen. Da stehen alle Details drin. Frag mich nicht, was funktionale Programmierung ist oder wie eigentlich Machine Learning funktioniert – steht alles bei Wikipedia!

Das Problem dabei: So werden alle Menschen aus der Gruppe der Versteher ausgeschlossen, die nicht den größten Teil ihrer Zeit investieren können, um zuverlässige Quellen zu suchen und wichtige von unwichtigen Details zu trennen. Und das sind mehr, als wir denken: Dazu gehören fast alle Leute außerhalb von IT-lastigen Berufen, vom Sachbearbeiter in der Stadtverwaltung über die Ärztin und den Versicherungsvertreter bis hin zum Bäcker und zur Lehrerin.

Viele von ihnen würden sich unserer Erfahrung nach gern besser mit Technik auskennen – würden aber in einer Fachzeitschrift wie der c’t nicht einmal die Artikelüberschriften verstehen und halten nach einem langen Arbeitstag auch die ersten zwei Absätze eines Wikipedia-Artikels oder einer ähnlich trockenen Materie nicht mehr durch.2

Wir finden daher: Unsere Gesellschaft braucht mehr Texte über IT, die für die unterschiedlichsten Zielgruppen geschrieben sind – und deren Lektüre Spaß macht! Wie unsere Laptops und Smartphones und bald auch unsere Häuser und Autos funktionieren, sollte kein elitäres Wissen sein, sondern etwas, das für jeden auf einem passenden Niveau frei zugänglich ist.

Und wer soll diese Texte schreiben?

Sie!

Was Sie in diesem Buch lernen

Jeder gute Text fängt bei der Leserin3 an. Unser Buch daher auch. In Kapitel 2, »Mein Leser, das unbekannte Wesen«, überlegen wir, wie Sie den Bedürfnissen Ihrer Leserin auf die Spur kommen.

Nachdem Sie herausgefunden haben, was Ihre Leser interessiert, steht als Nächstes die Recherche an: In Kapitel 3, »Big und Little Data: Recherche und Quellenangabe«, schauen wir uns an, wie Sie seriöse Quellen finden und diese transparent zitieren. Kein Platz für Fake News!

Im nächsten Kapitel – »GOTO considered harmful« – befassen wir uns damit, wie Sie einen Text gut strukturieren und damit Ihre Leserin an die Hand nehmen, damit sie nicht die Orientierung (und das Interesse) verliert. Dazu gehört auch der kluge Einsatz von Bildern und Tabellen.

Dann geht es schließlich in Kapitel 5, »Ausdruck vor Eindruck: Verstanden statt gefürchtet werden«, ans Eingemachte: Wie schreibe ich denn nun was? Welche Wörter und Satzstrukturen verwende ich, welche besser nicht? Welche Ausdrücke sind überflüssig – und wann sollte man Überflüssiges trotzdem hinschreiben?

Anschließend widmen wir uns einer oft übersehenen, aber sehr wichtigen Frage – im sechsten Kapitel »Erzähl mir nix: Storytelling«: Wie kann man einen Text über Technologie menscheln lassen, und warum sollte man das überhaupt?

Schließlich geht es an die Überarbeitung – oder anders gesagt: »Auftragen, polieren, einatmen, ausatmen«(Kapitel 7). Denn in dem Moment, in dem Sie aufatmen, den Laptop zuklappen und sich im Stuhl zurücklehnen, ist der Text in Wirklichkeit noch gar nicht fertig. (Sorry.)

Was tun, wenn es mit dem Schreiben nicht so recht vorwärts geht? In Kapitel 8, »Prokrastination 101: (Un)produktiv sein«, teilen wir unsere geheimen und nicht so geheimen Rezepte4 dazu, wie Sie schwierige Aufgaben noch besser vor sich herschieben (Bonusmaterial: die besten Videos von stolpernden Elefantenbabys und zwölf Gründe, warum Sie genau heute Ihre Garage aufräumen sollten).

Ihre bis hierhin neu erworbenen oder aufgefrischten Fähigkeiten können Sie nun auf ganz verschiedene Textsorten anwenden: von der schnellen E-Mail bis hin zum ausgewachsenen Buch. Wie Sie jede einzelne davon noch besser machen, erfahren Sie in Kapitel 9, »Press Any Key: Was möchten Sie schreiben? – E-Mail, Artikel, Buch & Co.«.

Und zum Schluss stellen Sie vielleicht fest, dass Sie auf den Geschmack gekommen sind – und noch viel mehr schreiben wollen. Wo Sie Ihre Texte nun am besten veröffentlicht bekommen, das erklären wir am Ende des Buchs in »Schöner leaken: Texte veröffentlichen«.

Wann ist dieses Buch nicht das richtige für Sie?

Sie werden weite Teile dieses Buchs wahrscheinlich nicht sehr nützlich finden, wenn Sie

fiktionale Texte schreiben (Romane, Kurzgeschichten, Drehbücher),

das wissenschaftliche Schreiben lernen (für Dissertationen, wissenschaftliche Artikel oder Fachbücher) oder

Werbetexte schreiben wollen.

Für alle diese Bereiche sind viele Tipps, die wir in diesem Buch geben, etwa zu

Zielgruppenorientierung,

einer klaren Ausdrucksweise,

Produktivität und

der Überarbeitung von Texten

zwar auch wichtig und nützlich, aber Sie werden mit einem auf Ihren Arbeitsbereich spezialisierten Buch vielleicht glücklicher als mit unserem (auch wenn dessen Cover vielleicht nicht so schön ist). Blättern Sie doch jetzt einfach mal an den Anfang von Kapitel 9, »Press Any Key: Was möchten Sie schreiben? – E-Mail, Artikel, Buch & Co.« oder in unsere Literaturempfehlungen. Dort geben wir Ihnen ein paar Buchtipps. Vielleicht müssen Sie hierzu auch erst den Laptop ausschalten und die örtliche Buchhandlung aufsuchen, wo Sie unseren Anweisungen dann unter dem gestrengen Blick der Buchhändlerin Folge leisten können. Ist gerade Sonntag oder drei Uhr nachts, können Sie uns stattdessen auch eine E-Mail schreiben.

Außerdem raten wir vom Kauf dieses Buchs ab, wenn Sie Fußnoten hassen.

Gute und schlechte Beispiele

Eichhörnchen-Icon:

Dieses Element kennzeichnet einen Hinweis oder Tipp.

Skorpion-Icon:

Dieses Element kennzeichnet eine Warnung.

Anhand guter Beispiele lernt man besser als anhand schlechter Beispiele. Deshalb werden wir in diesem Buch vor allem gute Beispiele zeigen. Diese sind entweder frei erfunden oder mit einer Quellenangabe versehen.

Gelegentlich müssen wir aber auch mal demonstrieren, wie man seine Ziele nicht erreicht. Da wir annehmen, dass jeder Autor sein Bestes gegeben hat, möchten wir niemanden an den Pranger stellen und haben daher alle schlechten Beispiele verfremdet oder ebenfalls frei erfunden.

Auch wir machen Feler

Weder Autorinnen und Autoren noch Lektorinnen und Lektoren sind immer inspiriert, ausgeschlafen und konzentriert. Und dann kommt auch noch das Muphry’sche Gesetz5 ins Spiel. Dieses ist verwandt, aber nicht zu verwechseln mit dem berühmten Murphy’schen Gesetz6: »Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.«

Muphry’sches Gesetz

Jeder Text, in dem auf Fehler in Grammatik, Rechtschreibung oder Stil in anderen Texten hingewiesen oder vor diesen gewarnt wird, wird seinerseits wieder solche Fehler enthalten.

Daher unser Angebot:

Wenn wir uns in diesem Buch grobe Schnitzer geleistet haben, dann weisen Sie uns darauf hin, am besten per E-Mail an [email protected]!

Wir werden diese Schnitzer dann als Negativbeispiele in die nächste Auflage7 dieses Buchs mit aufnehmen.8

Und nun: Viel Spaß bei der Lektüre!

KAPITEL 2

Mein Leser, das unbekannte Wesen

Den Leser kennenlernen – warum?

Wie würden Sie mit einem Außerirdischen kommunizieren?

Wenn es sich um ALF1 oder einen Bürger der Vereinten Föderation der Planeten2 handelt, klar: in amerikanischem Englisch (es sei denn, der Betreffende ist auf Deutsch synchronisiert).

Im Jahr 1977 stand ein Team von Wissenschaftlern um Astronom und Allround-Talent Carl Sagan aber vor einer größeren Herausforderung: Wie kann man sich anhand von Bildern und Tönen einem Wesen verständlich machen, das sich grundlegend von uns Menschen unterscheidet? Das vielleicht nicht einmal eine auf Kohlenstoff basierende Biologie hat – und mit Sicherheit andere Dinge unterhaltsam findet als Videos von Katzen, die gegen ihren Willen gebadet werden?3

Eine der möglichen Antworten sehen Sie in Abbildung 2-1. Mithilfe von zwei identischen Metallplaketten wurde die Zeichnung 1972 und 1973 mit den Raumsonden Pioneer 10 und 11 in die Tiefen des Weltalls geschickt.

Die Zeichnung enthält einige Informationen, von denen Sagan und Mitstreiter hofften, sie seien auch in außerirdischen Zivilisationen bekannt – unter anderem eine Schemazeichnung des Spin-Flips des Wasserstoffatoms4 (Nummer 2 in Abbildung 2-1). Wasserstoffatome, so nahmen die Wissenschaftler an, seien überall im Weltall gleich, und eine ausreichend neugierige und fortgeschrittene Zivilisation habe sich dieses Atom sicher schon einmal näher angeschaut.

Die weiteren Inhalte der Zeichnung sind schon weniger übertragbar auf andere Zivilisationen: Das Schema von der Lage der Sonne im Verhältnis zu weiteren Sternen und zur Mitte des Sonnensystems erkennt offensichtlich nur ein weit gereister oder anderweitig gebildeter Außerirdischer.5 Und der Pfeil in Teil 6 der Abbildung, der die ungefähre Route von Pioneer 10 angibt? Höchst missverständlich, sagten Kritiker der Grafik schon 1972. Den (übertragenen) Sinn eines Pfeils verstehe man nur in solchen Zivilisationen, die einmal Jäger und Sammler gewesen seien.

Abbildung 2-1: Schema der gravierten Platte (»Pioneer-Plakette«), die 1972 mit der Raumsonde Pioneer 10 in Richtung Jupiter geschickt wurde (Quelle: NASA; Public Domain)

Sagan und seine Kollegen hatten zweifellos ein Gefühl dafür, wie leicht man eigenes Wissen bei seinem Kommunikationspartner fälschlicherweise als selbstverständlich voraussetzt: Das Team hatte zuerst überlegt, Mann und Frau Hand in Hand darzustellen. Diese Idee war dann aber verworfen worden, denn Außerirdische hätten das Paar dann möglicherweise als einen einzigen Organismus interpretiert.

An dieser Stelle haben wir zwei gute Nachrichten für Sie:

In diesem Buch wird es an keiner Stelle mehr um die Hyperfeinstruktur von Wasserstoff gehen (yay!).

Für Sie wird es wesentlich leichter werden, Ihre Leserschaft zu recherchieren, als für das Pioneer-Team.

Wie leicht – und wie überhaupt?

Darum geht es im Rest dieses Kapitels.

Der Wissensfluch

»Unverständliche Texte sind das Ergebnis einer freien Entscheidung. […] Technikschreiber in Karohemden rächen sich damit an den Sportlertypen aus der Schule, die ihnen damals Sand ins Gesicht gekickt haben, und an den Mädchen, die ihnen Körbe gegeben haben.«6

Das schreibt Steven Pinker in seinem Buch »The Sense of Style«. Zu seiner Verteidigung muss gesagt werden, dass er selbst nicht dieser Meinung ist: Er stellt nur fest, dass Techniklaien absichtliche Unverständlichkeit oft denen unterstellen, die eigentlich die Aufgabe hätten, ihnen Technik verständlich zu machen, und daran gescheitert sind.

Pinker glaubt dagegen, dass unverständliche, mit Jargon und DBAs7 gefüllte Texte einen anderen Grund haben: Der Autor leidet unter dem Fluch des Wissens.

Doch streng genommen leidet er nicht – das ist Teil des Problems: Dass wir alle von diesem Fluch befallen sind, ist den meisten von uns die meiste Zeit über nicht bewusst.

Der Fluch besagt, dass jeder von uns insgeheim davon ausgeht, dass andere all das wissen, was wir wissen. Je jünger wir sind, desto ausgeprägter ist er: Wenn Sie einem Kleinkind zeigen, dass in einer Schachtel auf dem Tisch Bonbons sind, wird es selbstverständlich davon ausgehen, dass das jeder weiß – auch alle, die erst nach ihm den Raum betreten und die Schachtel nur verschlossen sehen.

In einer milden Ausprägung bleibt uns allen dieser Irrtum bis ins hohe Alter erhalten. Das zeigte beispielsweise eine Studie8, in der Versuchspersonen gebeten wurden, an ein bekanntes Lied zu denken und dessen Rhythmus mit der Hand zu klopfen. Eine andere Gruppe von Versuchspersonen sollte dieses Lied jeweils erraten. Keine leichte Aufgabe: Nur 3 von 120 Liedern wurden richtig geraten. Aber – und jetzt kommt der Fluch ins Spiel – die »Klopfer« schätzten zu Beginn des Experiments, dass 60 von den 120 Liedern richtig erraten werden würden!

Klar: Jeder der »Klopfer« stellte sich beim Klopfen des Lieds nicht nur den Rhythmus vor, sondern hörte im Geiste auch die anderen Instrumente, den Gesang, die Soundeffekte. Und obwohl es rational gesehen komplett unsinnig ist, anzunehmen, dass das Gegenüber diese Stimmen im Kopf ebenfalls wahrnimmt, waren die Versuchspersonen nicht in der Lage, sich von diesem Vorurteil ganz frei zu machen.

Es ist also keineswegs so, dass es umso leichter ist, ein Thema zu erklären, je mehr man selbst darüber weiß und je weniger die Leser wissen, sondern:

Je unähnlicher Sie Ihren Lesern in Ihren Fähigkeiten, Meinungen und Kenntnissen sind, desto mehr Mühe müssen Sie aufwenden, um von diesen verstanden zu werden.

Anders gesagt: Sie als Verfasser müssen also die Kluft zu Ihrem Leser überbrücken. Die Herausforderung dabei ist, diese richtig einzuschätzen. Wenn Sie so schreiben, als hielten Sie Ihren Leser tatsächlich für einen Außerirdischen, wendet er sich gelangweilt oder befremdet ab. Schreiben Sie hingegen so, als säßen Sie seit 20 Jahren mit ihm im selben Büro und würden sich alle gleichermaßen mit den neuesten Insiderwitzen aus der Kaffeeküche auskennen, hängen Sie ihn wahrscheinlich ab.

Abbildung 2-2: Je mehr Sie über ein Thema wissen, desto schwieriger wird es, darüber verständlich zu schreiben.9 Keine Ahnung zu haben, ist, wie Sie aus dem Diagramm ablesen können, aber auch keine Lösung.

Häufig wird es also schwerer, ein Thema zu erklären, je mehr man darüber weiß. Und umgekehrt: Wenn Sie nur einen ganz kleinen Wissensvorsprung vor Ihren Lesern haben, sind Ihre Erklärungen oft ganz besonders gut verständlich, weil das Wissen für Sie noch nicht selbstverständlich geworden ist und Sie Ihre eigenen Verständnisschwierigkeiten vom Anfang noch gut im Gedächtnis haben. Daher sind Lehrbücher von Studenten für Studenten – was die Verständlichkeit betrifft – häufig besonders gut.10Abbildung 2-2 illustriert diesen Effekt.

Eine häufige Manifestation des Wissensfluchs ist übrigens die Aussage: »Wenn man es einmal verstanden hat, ist es ganz einfach.« Diese gilt für jedes Gebiet – vom Fahrradfahren bis zur Quantenphysik – und nützt demjenigen, an den sie gerichtet ist, wenig bis gar nicht. Wenn Sie also einmal in Versuchung kommen, diesen Satz in den Mund zu nehmen, seien Sie alarmiert: Hier ist wahrscheinlich der Wissensfluch am Werk!

Um dem Wissensfluch Einhalt zu gebieten, sollen Sie also möglichst weit in den Kopf Ihres Gegenübers schlüpfen. Das ist ungefähr genauso schwierig, wie es klingt. Und Sie können sich sicher sein: Wenn es eine exakte und zuverlässige Methode gäbe, um sich vollständig in die Vorstellungswelt eines anderen Menschen hineinzuversetzen, würden Werbefuzzis auf der ganzen Welt Millionen dafür ausgeben.

Aber Sie müssen Ihre Leser auch gar nicht so gut verstehen, dass Sie ihre intimsten Wünsche kennen und ihnen das dringende Bedürfnis nach Duschgel mit Vanille-Orangenblüten-Aroma oder Autositzen aus dem Leder von Babykrokodilen herbeimanipulieren können. Es reicht, wenn Sie sich Mühe geben, den geistigen Abstand zu ihnen zu verringern: Je mehr Mühe Sie sich geben, desto weniger Mühe hat Ihr Leser (und das wird er Ihnen danken).

whoami: Selbstfindung

Um Ihren Abstand zur Leserin zu messen, müssen Sie erst einmal feststellen, wo Sie selbst stehen. Ein gutes Gerüst, an dem Sie sich entlanghangeln können, liefert folgender Fragebogen11:

Tabelle 2-1: Ihr Autorenprofil

Ihre Charakteristika

Erklärung und Beispiele

Auf welchem Level sind Ihre technologischen Kenntnisse?

Geben Sie sich einfach eine Schulnote von 1 bis 6. Als Vergleichsstandard können Sie zum Beispiel Ihre Kollegen (auch in anderen Bereichen) heranziehen.

In welchen einzelnen Technologien oder Spezialgebieten kennen Sie sich aus?

Beispielsweise: Python, funktionale Programmierung, Netzwerkprotokolle, Content-Management-Systeme, 3-D-Grafik …

Kommunizieren Sie für gewöhnlich direkt oder indirekt?

Welcher Satz stammt von Ihnen: »Nehmen Sie nun ein Blatt Papier und notieren Sie Ihre Antworten auf die Fragen im Autorenprofil.« oder »Wenn Sie etwas Zeit haben, möchten Sie sich vielleicht mit dem Autorenprofil ein wenig näher beschäftigen.«?

Was für Vorlieben und Abneigungen haben Sie als Leser?

Gibt es Mails von bestimmten Absendern, von denen Sie sich immer »gegen den Strich gebürstet« fühlen? Woran liegt das konkret? Auf welche Lektüre freuen Sie sich dagegen?

Welche Lesegewohnheiten haben Sie?

Überfliegen Sie zuerst die Zwischenüberschriften, oder studieren Sie einen Text von vorn bis hinten? Bevorzugen Sie Fließtext, Abbildungen, Tabellen?

Welche Einflüsse haben Ihre Meinungen zu den Themen geformt, über die Sie schreiben (wollen)?

Beispielsweise: Gespräche mit Kollegen, praktische Erfahrungen, Blogs, Vorträge auf Konferenzen, bestimmte Bücher oder Zeitschriften …

An den Antworten, die Sie auf diese Fragen gegeben haben, erkennen Sie Ihre eigenen Kenntnisse und Vorlieben. Sie sollten jedoch unbedingt darauf achten, sie nicht für selbstverständlich und allgemein bekannt anzusehen.

Halten Sie beispielsweise ein bestimmtes Betriebssystem oder eine gewisse Programmiersprache für die beste Erfindung, seit es geschnittenes Brot gibt? Das wird sich in Ihren Texten vermutlich deutlich widerspiegeln und könnte Andersdenkende abstoßen. Oder gehören die Abkürzungen Ihres Fachgebiets für Sie zum alltäglichen Wortschatz? Das kann bei Ihren Lesern anders sein.

Machen Sie sich Ihre eigenen Vorlieben bewusst!

Wenn Sie Ihren Lesern mit Ihren persönlichen Gewohnheiten auf den Keks gehen, dann bitte nur mit Absicht.

Keine Angst, Sie sollen Ihre schwer erarbeiteten Kenntnisse und Erfahrungen nicht vergessen – wir wollen Sie nicht »blitzdingsen«. Wenn Ihre Leserschaft den gleichen Hintergrund hat wie Sie, dann nutzen Sie diesen Vorteil unbedingt. Aber erst nachdem Sie einmal kritisch darüber nachgedacht haben, ob Sie tatsächlich im gleichen Rudel heulen wie Ihre Leser.

Und selbst dann teilen Ihre Leserinnen nicht unbedingt Ihre Gewohnheiten: Auch unter technischen Experten gibt es solche, die ihre Texte gern kurz und auf den Punkt haben wollen, und andere, die ausführliche Einleitungen und viele eingestreute Beispiele bevorzugen.

Wer sind also Ihre Leser? Das werden wir jetzt herausfinden.

Den Leser kennenlernen

Ein ungefähres Bild Ihres Lesers ergibt sich oft schon aus der Art des Texts, den Sie schreiben: Wenn Sie an einem Artikel für ein Technikblog arbeiten, erwarten Sie technikaffine Leserinnen, die vielleicht kurz in der Mittagspause vorbeisurfen. Wenn Sie den Text für einen Marketingflyer über das Content-Management-System Ihres Unternehmens schreiben, schweben Ihnen als Leser vielleicht Messebesucher vor, die einen Systemwechsel erwägen, und wenn Sie eine E-Mail an eine Mailingliste schreiben, kennen Sie einige der Leserinnen sicher auch persönlich.

Die Verständnislücke zu Ihren Lesern zu überbrücken, wird umso einfacher, je genauer Sie sie kennen. Daher sind wir an dieser Stelle noch nicht fertig mit der Recherche, sondern fangen erst an.

Top-down: von der Leserschaft zum Leser

Zuerst legen Sie fest, welche Zielgruppen – weiter gefasst – Ihr Text haben soll:

Beispielsweise: Blogleser, die sich für tragbare Technologien interessieren und das eine oder andere Gadget auch schon ausprobiert haben.

Oder: Inhaber kleiner Unternehmen, in denen die Unternehmenswebsite ohne Hilfe einer Agentur gepflegt wird und die sich für alternative Content-Management-Systeme interessieren.

Auch wir zwei Autoren dieses Buchs haben vor dem Schreiben überlegt, wer unsere Zielgruppen sind. Unser Ergebnis war: Entwickler und andere IT-Fachleute, die ihre Arbeit an andere ITler oder Laien kommunizieren wollen oder müssen. Und in zweiter Linie: Redakteure, Blogger und andere Schreibprofis, die auch Texte über IT schreiben wollen. (Gehören Sie zu einer davon – oder zu einer ganz anderen? Wir lernen gern dazu und freuen uns über eine Mail.)

Als Nächstes soll das Bild von der Zielgruppe farbig werden: Welche konkreten Eigenschaften haben Ihre Leser? Gehen Sie hierbei für jede Zielgruppe die folgenden Fragen durch:12

Tabelle 2-2: Das Profil Ihrer Zielgruppe.

Charakteristika Ihrer Zielgruppe

Beispiele

Wie alt sind Ihre Leser, welches Geschlecht und welche Nationalität haben sie?

Männer und Frauen zwischen 20 und 40, von denen die meisten, aber nicht alle, deutsche Muttersprachler sind.

Wie ist das soziale Umfeld Ihrer Leser?

Freundeskreise und Familien, die sich eher wenig für Technologie interessieren, sodass die Leser den Austausch online suchen.

Welche Ausbildung haben Ihre Leser? Wie viel verdienen sie? Wo stehen sie in der Unternehmenshierarchie?

Vorwiegend Studenten und Leute mit Studienabschluss oder abgeschlossener Ausbildung, die keine Führungspositionen haben, aber genug verdienen, um sich gelegentlich die neueste Technik zu kaufen.

Welche Werte sind Ihren Lesern wichtig, welche weniger wichtig?

Ausgeprägtes Gesundheitsbewusstsein, auch (weniger ausgeprägt) der Wunsch nach Wettbewerb mit anderen und Bewusstsein für Datenschutz und Privatsphäre. Eher kein Interesse an Open Source oder dem »Hacken« von Geräten und Daten.

Welche Technologien verwenden Ihre Leserinnen?

Neuere Smartphones, Fitnessuhren und -Apps.

Was löst bei Ihren Lesern starke Gefühle aus – Angst, Wut, Ungeduld, Vorfreude, Stolz?

Ungeduld beim Anblick vieler technischer Daten, deren Bedeutung ihnen unklar ist. Vorfreude auf das Testen neuer Funktionen einer neuen Hardware oder App und Stolz auf gutes Abschneiden in Online-Bestenlisten.

Welche wörtlichen Zitate könnten von Ihren Leserinnen stammen?

»Konnte den Artikel in der Mittagspause nicht ganz zu Ende lesen, es kamen schon wieder Anrufe rein.«

 

»Gibt es auch eine iOS-App dafür?«

Teil I: Zielgruppenrecherche

Wie kommen Sie nun an die Informationen, um den Fragebogen in Tabelle 2-2 auszufüllen?

Das hängt davon ab, wie viel Zeit Sie investieren können (und wollen). Für einen einmaligen, kurzen Gastbeitrag im Blog eines Bekannten möchten Sie vielleicht nicht so viel Zeit in die Zielgruppenforschung investieren wie für den Text eines Flyers, den Sie in den nächsten zwei Jahren immer und immer wieder Ihren Kunden in die Hand drücken wollen.

Mit relativ geringem Aufwand können Sie aus folgenden Quellen im Netz bereits ziemlich interessante Informationen gewinnen:

Foren und Communitys, in denen sich Ihre Zielgruppe tummelt.

Kommentarspalten von Blogs und Onlinemagazinen.

Mailinglisten, auf denen Sie vielleicht gemeinsam mit Ihren Lesern angemeldet sind.

Profile von Leuten aus Ihrer Zielgruppe auf Facebook, Xing, LinkedIn oder Twitter.

Suche nach relevanten Stichwörtern für Ihre Zielgruppe oder deren Themen auf Twitter.

Wenn Sie bloggen oder eine andere Website betreiben: Auswertung der Analytics-Daten (z.B. Google Analytics, Piwik).

In den zuerst genannten Medien können Sie Ihre Leserinnen auch einfach direkt befragen, womit wir schon zum nächsten Punkt kommen.

Teil II: Feldforschung

Noch informativer, aber auch wesentlich zeitaufwendiger ist es, die Leser direkt zu fragen. Hier kommen zum Beispiel folgende Wege in Betracht:

Befragen Sie Freunde und Familienmitglieder, von denen Sie vermuten, dass sie zu Ihrer Zielgruppe gehören könnten.

Wenn Sie bloggen oder eine Website betreiben: Können Sie eine kurze Umfrage in Ihre Seite einbauen?

Wenn Sie Gastbeiträge für Blogs oder Onlinemagazine schreiben: Fragen Sie doch mal den Blogbetreiber oder die Chefredakteurin.

Wenn Sie beruflich schreiben und Kunden Ihre Zielgruppe sind: Befragen Sie die Marketing- oder Verkaufsabteilung. Die Kollegen dort haben wahrscheinlich alles, was wir hier an Maßnahmen vorschlagen, schon längst abgearbeitet – und noch mehr.

Teil III: Mit der Ente reden

Nachdem Sie auf diesen Wegen viele Einzelheiten über Ihre Leser gesammelt haben, setzen Sie sie im nächsten Schritt zu einem konkreten Bild zusammen: einem individuellen – wenn auch erfundenen – Leser.

In der Literatur13 wird dieser erfundene Leser oft als »Persona« bezeichnet.

Was ist eine Persona?

Der Begriff der Persona14 wurde 1998 vom Berater und Softwareentwickler Alan Cooper eingeführt in einem Buch mit dem sehr schönen Titel »The Inmates Are Running the Asylum« (Die Insassen leiten die Anstalt).

Cooper hatte sich damals bereits mehr als 20 Jahre lang mit der Entwicklung von Businesssoftware beschäftigt, insbesondere mit dem Problem der Benutzerfreundlichkeit. Während eines besonders herausfordernden Projekts, so berichtet er in seinem Blogeintrag, hatte er es sich angewöhnt, auf Spaziergängen lebhaft gestikulierend imaginäre Diskussionen mit einer Nutzerin zu führen, die vage auf einer echten Nutzerin basierte, die er im Projekt kennengelernt hatte. Er fand diese eingebildeten Dialoge so hilfreich bei der Entwicklung von neuen Features und dem Benutzer-Interface, dass er diese Technik von da an in seine Standardvorgehensweise beim Design von Software aufnahm und 1998 in oben genanntem Buch beschrieb – entgegen dem Rat von Geschäftsfreunden, die es für klüger hielten, wenn er diesen Wettbewerbsvorteil für sich behalten hätte.

Personas haben also schon eine jahrzehntelange Geschichte hinter sich, in deren Verlauf sie auch oft missverstanden wurden: So weisen einige Autoren15 darauf hin, dass eine Persona, die nicht auf ordentlicher Recherche der Zielgruppe beruht, mehr schaden als nützen kann – im Sinne von gefährlichem Halbwissen.

Daher ist in diesem Kapitel die Erstellung der Persona, nach Zielgruppenrecherche und Feldforschung, erst der letzte Schritt: Die Persona soll auf möglichst soliden Daten beruhen, damit sie Ihnen wirklich hilft.

Da »Persona« nicht sehr persönlich klingt, verwenden wir lieber einen anderen Begriff:

Abbildung 2-3: Fabian (© iStock, clubfoto).

Kennen Sie das Konzept des Rubberducking16?

Wenn sich in Ihr Programm ein hartnäckiger Bug eingeschlichen hat, greifen Sie sich Ihr Quietscheentchen und schütten ihm Ihr Herz aus – so detailliert wie möglich! Wohlgemerkt, so detailliert wie möglich: Die Ente soll ganz genau und Schritt für Schritt erfahren, wo das Problem liegt. In den meisten Fällen, so werden Sie feststellen, geht Ihnen während des einseitigen Gesprächs ein Licht auf. Indem Sie Ihr Problem in Worte fassen, merken Sie, an welchen Stellen Sie falsche Annahmen getroffen oder an welcher Stelle Sie vergessen haben könnten, die Netzwerkverbindung wieder abzubauen.

Warum brauchen Sie dazu eine Ente (wahlweise auch einen Plüschelefanten oder eine Topfpflanze von robuster Konstitution)? Wenn Sie ein Problem in Worte fassen müssen, werden dabei andere Gehirnbereiche angesprochen, als wenn Sie nur still darüber nachdenken. So rutscht oft jeder Teil des Problems von selbst an seinen Platz.

Was hat nun die Ente mit Ihrem Leser zu tun? Wenn Sie einen Text schreiben, hilft es, wenn Sie eine bestimmte Leserin vor Augen haben – nicht eine abstrakte Zielgruppe. Die Leserin muss nicht alle Eigenschaften haben, die Sie weiter oben in der Analyse Ihrer Zielgruppe erkannt haben. Sie hat nur einige davon, weil sie ein Individuum ist – so wie Sie ja auch nicht der Durchschnitt aller Ruby-Programmierer oder aller Technikblogger sind. Sie picken nun also bestimmte Ausprägungen der oben genannten Eigenschaften Ihrer Zielgruppe heraus und bauen daraus eine Person, beispielsweise: Fabian, 29 Jahre alt, arbeitet im Vertrieb eines Druckerherstellers und will nach stressigen Arbeitstagen regelmäßig noch ein Sportprogramm einschieben. Er hat ein Fitnessarmband vom Discounter, mit dessen Funktion er nicht zufrieden ist: Die Synchronisation mit dem Smartphone klappt nicht. Ein teureres Armband kann er sich eigentlich nicht leisten, deswegen liest er nun Artikel zum Thema Wearables, um herauszufinden, welches ihm die beste Leistung für sein Geld verspricht, falls er sich doch zu der Investition durchringen kann.

Denken Sie beim Verfassen Ihres Texts nun daran, dass Sie für Fabian schreiben, nicht für irgendeine Zielgruppe. Damit Ihnen das leichter fällt, kann es helfen, ihn als etwas Greifbares in der Hand zu halten. Sie können sich auch einen »Fabian« aus einer Zeitschrift ausschneiden (allerdings haben sich Zeitungsschnipsel bei der Erstellung dieses Buchs als zu zweidimensional und fragil herausgestellt).

Und wenn Sie Ihren Text fertig haben, kann Fabian Ihnen immer noch beim Debuggen helfen.

Zusammenfassung

Jeder Text sollte erst einmal Folgendes sein: eine Brücke zum Leser. Und die können Sie natürlich nur bauen, wenn Sie zwei Dinge wissen: wo Sie sich befinden – und wo die Leserin sich befindet.

In diesem Kapitel haben wir gezeigt, wie Sie feststellen, von welchem Ausgangspunkt Sie selbst Ihre Texte schreiben. Und wir haben ein paar Vorschläge dazu gemacht, wie Sie Ihren Leser kennenlernen.

Schließlich haben wir das Konzept der Persona eingeführt, damit Sie beim Schreiben Ihre Leser nicht aus den Augen verlieren.

Und jetzt setzen wir das Ganze in die Praxis um!

Ran an die Tastatur: Übungen

Füllen Sie Ihr Autorenprofil aus (siehe

Tabelle 2-1

).

Erklären Sie in etwa 200 Wörtern, warum es wichtig ist, regelmäßig Backups zu machen – für folgende Leser:

–Lia aus der 4b.

–Frau Professor Kahnemann, Lehrstuhlinhaberin für Geschichte des Klassischen Altertums.

–Ihre Lebenspartnerin/Ihren Lebenspartner.

Überlegen Sie sich die Zielgruppe für einen Text, den Sie aktuell schreiben möchten oder müssen. Füllen Sie den obigen Fragebogen aus und konstruieren Sie sich dann einen Fabian. Besorgen Sie sich eine Gummiente und platzieren Sie sie auf Ihrem Schreibtisch (oder in Reichweite, wenn Sie vom Sofa aus arbeiten). Nennen Sie die Ente Fabian. Schreiben Sie den Text für ihn.