Wenn alle anderen schlafen ... - Samantha Hunter - E-Book

Wenn alle anderen schlafen ... E-Book

Samantha Hunter

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Beschreibung

Eine lustvolle Nacht und am nächsten Tag: Good-bye! So hatte Tiffany sich das vorgestellt. Aber aus der Mini-Affäre mit sexy Bodyguard Garrett wird mehr, als der Juwelierladen ihrer Eltern ausgeraubt wird! Wenn einer ihr helfen kann, die Täter zu finden, dann Garrett …

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Seitenzahl: 193

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IMPRESSUM

Wenn alle anderen schlafen ... erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2012 by Samantha Hunter Originaltitel: „Yours For The Night“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY SEXYBand 95 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Ulrike Peters-Karnia

Umschlagsmotive: sakkmesterke / Getty Images

Veröffentlicht im ePub Format in 09/2023.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751528016

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Das total normale Chaos eines Freitagabends auf San Franziscos Union Square umfing Garrett Berringer, als er über die Treppe des Westin St. Francis herunterkam. Ein warmer Novemberwind wehte durch die Stadt, und er hatte auf eine Jacke verzichtet. Leute hasteten vorbei, während er dort stand, alles in sich aufsaugte.

Ein ereignisloser, langer Flug von Philadelphia lag hinter ihm. Heute Abend war Entspannung angesagt, bevor er den Samstag auf der Hochzeit eines Freundes verbrachte. Ed war ein alter Kumpel vom College und bei Garretts Hochzeit einer der Begleiter für die Single-Mädels gewesen.

Ein Cable Car voller Touristen rollte vorbei. Quietschte mit den Rädern viel lauter auf den Schienen, als er es sich vorgestellt hatte, und kam nicht annähernd so romantisch rüber wie die Straßenbahnen, die man immer in den Kinofilmen sah. Auf dem Platz auf der anderen Straßenseite bereiteten Leute ein Kunstfestival vor. Zuschauer fanden sich ein, standen Schlange an einem Café in der Mitte des Platzes neben der Bronzestatue der Siegesgöttin Nike.

Garretts Blick fiel wie magnetisch angezogen auf zwei riesige bemalte Herzen, die zu beiden Seiten des Platzes schwebten, das eine unter einer mächtigen Palme. Die Palmen, hatte er gelesen, wuchsen ursprünglich nicht in der Stadt, sondern waren für teures Geld hertransportiert und angepflanzt worden. Die Herzen waren das schmückende Symbol der Stadt.

Direkt vor dem einen umarmte sich ein junges Paar und ließ sich dabei fotografieren. Garret machte das ein bisschen Herzschmerz. Er hatte sein Herz nicht in San Franzisco verloren, aber teils, teils hing er damit noch drüben an der Ostküste, wo Lainey, seine Frau, gestorben – oder vielmehr ermordet worden war. Sie waren sechs Jahre verheiratet gewesen, als es passierte, und nun war sie schon genauso lange tot. Eine seltsame Art Kreis, dachte er. Sie hatten jung geheiratet, eine so viel versprechende Zukunft vor sich, und von einem Moment auf den anderen war alles kaputt.

Voller Enthusiasmus hatte Lainey als Junior-Staatsanwältin ihren ersten großen Fall geleitet – einen Mordprozess gegen ein Mitglied einer lokalen Verbrechergang. Nachdem sie den Schuldspruch erwirkt hatte, wollte sie das mit Garrett und seiner Familie feiern. Der Bruder des verurteilten Mörders hatte aber vor dem Gericht gewartet, dass sie herauskam, und folgte ihr mit seinem SUV.

Staatsanwälte erhielten immer mal Drohungen, aber während des Prozesses hatte es keine gegeben. Es gab keinen Grund zur Annahme, dass sie in Gefahr schwebte. So hatte es sich Garrett tausendmal gesagt, wenn er sich den Kopf zermarterte, warum er sie an diesem Tag nicht abgeholt hatte. Zum Crash wäre es trotzdem gekommen, aber er hatte sich oft gewünscht, bei ihr gewesen zu sein.

Der Bruder des Gangmitglieds fuhr mit hoher Geschwindigkeit in die Seite ihres Autos, tötete sie so auf der Stelle. Garrett schätzte, dass er es wie einen Unfall aussehen lassen und danach flüchten wollte. Er wurde jedoch ebenfalls schwer verletzt. Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus wurde ihm der Prozess gemacht, und Garrett trat als Zeuge auf. Beide Brüder wurden am Ende zu lebenslanger Haft verurteilt.

Auf einmal, durch all die Palmen, die Leute, die bunten Herzen, bekam er etwas Heimweh nach dem Leben drüben im Osten. Eigentlich hatte er gedacht, das läge alles hinter ihm. Die kalten, dunklen Tage und …Thanksgiving. In sieben Tagen war es wieder so weit. Durch den Festtag wurde er immer brutal an Laineys Tod erinnert. Der Crash passierte einige Tage davor. Hatte er wirklich geglaubt, vor der Erinnerung fliehen zu können, indem er durchs Land reiste, die Orte wechselte?

Er wandte sich ab von dem Pärchen und den Herzen und trat nach vorn, um die Straße zu überqueren. Er hatte seinen Kummer überwunden, war froh über das, was er mit seiner jungen Frau gehabt hatte, aber manchmal fragte er sich, ob er je wieder jemand treffen würde, der so gut zu ihm passte, wie es Lainey getan hatte. Seit sechs Jahren hatte es bei keiner Frau so richtig Klick gemacht. Sex, ein paar Dates, aber kein Klick.

Als er Lainey kennenlernte, studierte er Betriebswirtschaft und im Nebenfach Strafrecht. Er hatte überlegt, auch auf Jura umzusteigen. Aber nach ihrem Tod wollte er was anderes machen. Und so hatte er gemeinsam mit seinem Bruder Jonas, der zu der Zeit gerade bei der Polizei von Philadelphia aufgehört hatte, eine eigene Security-Firma aufgebaut – Berringer Bodyguards. Lainey hatte er nicht schützen können, aber seitdem viele andere.

Garrett hatte es immer gut gefunden, dass Lainey und er ähnliche Ansichten und Ziele teilten, Ordnung und ein ruhiges Leben schätzten. Beide dachten sie pragmatisch und stritten selten. Wegen dieser Charakterzüge kam er sich jetzt richtig alt vor, obwohl er erst mal gerade sechsunddreißig war.

Seit der Beerdigung war Garrett nicht einmal länger von der Firma weg gewesen, was seine Brüder öfters anmerkten. Aber was sollte er mit mehr Freizeit? Er hatte die Wochenenden und Angelabende, machte ein bisschen was mit der Familie. Er war ein einfacher, normaler Mann.

Schlussendlich hatten sie ihm aber doch Urlaub verordnet, ob er nun wollte oder nicht. Jonas flog mit Tessa, seiner jungen Braut, in den Urlaub. Kaum zurück aus den Flitterwochen, zogen sie gleich mit Tessas Vater weiter, um Thanksgiving in Europa zu verbringen.

Garrett freute sich echt wahnsinnig für seinen Bruder, aber die Hochzeit war streckenweise schwierig für ihn gewesen. Beim Tanzen mit Tessa in ihrem tollen Kleid musste er ständig daran denken, wie er mit Lainey an ihrem großen Tag getanzt hatte. Er wusste, tief drin, dass er echt Angst hatte, nie wieder jemanden abzubekommen. Womöglich hatte er seine Chance auf Glück schon gehabt.

Gerade drauf und dran, höflich die Blumen einer Obdachlosen abzulehnen, die sie ihm anzudrehen versuchte, ließ er sich doch erweichen und kaufte das Büschel Gänseblümchen, das aussah, als hätte es schon bessere Tage gesehen. Stand dann da, sah es sich an und kam sich albern vor.

Was zum Geier machte er jetzt mit diesem Gänseblümchenstrauß?

Chance, sein jüngster Bruder, musste unbedingt an einem Überlebenstraining teilnehmen, das nur im November angeboten wurde. Ihre Eltern schwirrten in ihrem ersten Jahr als Snowbirds, wie man die Rentner im Norden nannte, gleich ab ins sonnige Florida, um dem heimischen, kalten Winter zu entfliehen. Ely brach mit einem Trupp alter Freunde vom Militär irgendwohin zu einem Wildnisurlaub auf. Also hatten sie beschlossen, die Firma bis nach Neujahr zuzumachen.

Als Garrett die Einladung zur Hochzeit bekam, schien dies das kleinere Übel, zumindest besser, als mit zu viel Freizeit in Philly herumzuhängen oder seinen Eltern nach Florida zu folgen.

Er lief ein paar Blocks weiter, rief sich ins Gedächtnis, wie ihm der Hotelportier den Weg nach Chinatown grob beschrieben hatte, und bog nach links ab. Die Gänseblümchen schlenkerten, schon fast vergessen, in seiner Hand, während er weiterging und sich über seinen Abend Gedanken machte.

Als er an ein paar Shops mit allerlei asiatischem Krimskrams vorbeikam, fiel sein Blick auf einen kleinen handgeschnitzten Gartenbrunnen, bei dem er sicher war, dass Tess ihn bestimmt gern für das Schaufenster ihres Soap & Lotion-Shops drüben in Philly haben wollte. Er passte perfekt als verspätetes Hochzeitsgeschenk. Damals hatte er nämlich nicht genau gewusst, was er kaufen sollte. Garrett wollte gerade in den Laden, da klingelte sein Smartphone.

„Garrett“, meldete er sich geistesabwesend, während er noch den Brunnen betrachtete, nach dem Preisschild suchte.

„Gar, Alter! Du bist da?“

Es war Ed, und Garrett lächelte über den vertrauten Umgangston seines Freundes. „Jep. Spaziere gerade durch Chinatown. Wie geht es dir an deinem letzten Abend als Single-Mann?“

„Bin froh, wenn er vorbei ist“, antwortete Ed. „Ich kann es kaum erwarten, dass du Isabel kennenlernst.“

„Ich freue mich drauf.“

„Hast du heute Abend schon was vor?“

„Nichts Besonderes. Nur vom Flug entspannen und abhängen.“

„Äh, hättest du Lust, zum Hochzeits-Probeessen zu kommen?“

Garrett schielte auf die Gänseblümchen, die schon anfingen, welk auszusehen. Wie sagte man elegant Nein?

Ed war sicher nur höflich, weil er allein in der Stadt war. Garrett hatte das oft mit Freunden erlebt, seit er Witwer war. Er verstand die gute Absicht, fand es aber unnötig. Es störte ihn nicht, allein zu sein. Er hatte sich mehr oder minder daran gewöhnt.

„Ist das nicht eher was für die engere Verwandtschaft?“, wich er aus.

„Naja, also das ist quasi der andere Grund für meinen Anruf. Kannst du mir einen Gefallen tun?“

„Sicher, schieß los“, erklärte sich Garrett in der Annahme bereit, es ginge um was Leichtes wie noch mehr Filme kaufen.

„Isabels Cousin, einer unserer Begleiter für die Single-Mädels, hat eine schlimme Lebensmittelvergiftung und muss ein paar Tage im Krankenhaus bleiben.“

„Das tut mir leid.“

„Danke. Aber uns fehlt jetzt ein Hochzeitsbegleiter …“

Garretts Alarmglocken schrillten eine Sekunde zu spät.

„ … und wir hofften, du könntest einspringen.“

Als ihm erst mal die Worte fehlten, füllte Ed schnell die Stille.

„Ich weiß. Ich habe dich nicht von vornherein gebeten, uns zu helfen, weil ich nicht wollte, dass du dich verpflichtet fühlst. Und ich weiß, dass du viel zu tun hast, mit deiner Firma und überhaupt.“

Garrett wusste „und überhaupt“ bezog sich darauf, dass er Witwer war.

„Ich verstehe völlig, wenn du es nicht machst, mein Freund. Bin ja froh, dass du überhaupt da bist.“

Garrett atmete tief ein und wieder aus. „Es ist nur, ich … naja, ich habe keinen Smoking. Oder so was …“

„Kein Problem. Jimmy hat etwa deine Größe, wenn ich mich richtig erinnere, und sein Smoking könnte dir wohl schnell angepasst werden, wenn wir es früh zum Schneider schaffen.“

„Ach, dann ist es ja gut“, gab er sich betont munter, wobei er sich mit einer Hand durchs Haar fuhr und wünschte, er könnte sich irgendwas einfallen lassen, um da wieder rauszukommen, aber es gelang ihm nicht.

„Du hast was gut bei mir, Gar. Isabel ist schon ausgeflippt. Ich hab ihr gesagt, dass einer der verbleibenden Hochzeitsbegleiter doch für zwei Mädels da sein könnte, aber sie war ganz aufgebracht wegen unharmonischer Bilder oder was auch immer“, dröhnte Ed, und Garrett musste lächeln.

Es fiel ihm ein, wie viel Hektik auch Lainey in den Tagen vor der Hochzeit verbreitet hatte. So Dinge, wie Bilder wirkten oder was Leute anhatten, waren wichtig, zumindest für Bräute. Er seufzte schicksalsergeben.

„Ich helfe gern. Wie komme ich da hin?“

„Ich habe einen Wagen geschickt, um dich vor dem Hotel abholen zu lassen.“

Garrett musste laut lachen über Eds typische Schnodderigkeit. „Ich werde da sein, aber dein Fahrer wird warten müssen, bis ich mich umgezogen habe. Ich bin gerade nicht wirklich passend angezogen für ein Hochzeits-Probeessen.“

„Alles ganz lässig heute Abend, mach dir darüber keinen Kopf. Steig einfach ein und komm her. Wenn du mir sagst, wo du bist, könnte ich ihn auch gleich zu dir beordern.“

„Ok, danke, Ed.“ Garrett nannte ihm noch den Namen des Shops. Es wird schon nicht so schlimm werden, versuchte er, sich gut zuzureden, während er nach dem Wagen Ausschau hielt und sich von seinem ruhigen Abend verabschiedete.

Tiffany Walker schaute auf ihre Uhr und bemühte sich, ihr Kleid nicht allzu sehr zu knittern, als sie sich verrenkte, um ihr 35-Millimeter-Objektiv auf das Hotelfenster zu richten. Die Kamera war elf Jahre alt – ein Geschenk zum Highschool-Abschluss. Zu der Zeit wollte sie noch ganz sicher Profifotografin werden. Es war ein qualitativ hochwertiger Apparat, bei dem sie sich damals ausgemalt hatte, ihn später mal für brillante, in überregionalen Magazinen erscheinende Naturaufnahmen, oder vielleicht im Pulk der Fotografen an einem Laufsteg, einzusetzen.

Dass sie damit mal den „goldenen“ Schnappschuss eines betrügenden Ehemanns in einem schäbigen Hotel in einem Viertel von San Francisco machen würde, das sie normalerweise nicht besuchte, hatte sie sich nicht ausgemalt – im Leben nicht! Dies war ihr dritter Versuch. Wenn sie danach nicht mit was ankam, das Mrs Hooper verwenden konnte, um ihren untreuen Gatten dranzukriegen, hatte ihre Kundin gedroht, sie nicht zu bezahlen. Bis jetzt hatte sie nur Fotos von Mr Hooper beim Betreten des Hotels und vom Arm einer Frau, der ihm die Tür aufhielt. Nicht gerade kompromittierend.

Das Honorar war gering. Was Tiffany jedoch mehr Sorgen machte, war der Kratzer an ihrem noch jungen Ruf als Privatdetektivin. Der Markt war hart umkämpft, und es gab Dutzende erfahrenere Detektive als sie in der Gegend. Erst vor einem Monat hatte sie ihren Online-Zertifikatskurs abgeschlossen und ihre Lizenz bekommen, und das war ihr zweiter Auftrag.

Ihre fotografischen Ambitionen hatte sie ja heruntergeschraubt, doch dies war auch nicht gerade das, was sie als Privatdetektivin machen wollte – sie wollte Fälle lösen, Morde und andere bedeutsame Verbrechen aufklären. Aber jeder musste irgendwo anfangen.

Marcus Hooper betrog seine Frau definitiv. Tiffany hatte ihn mehrmals in dieses Hotel gehen sehen und auch beobachtet, wie ihm eine Frauenhand die Tür öffnete. Aber die Frau kam nie raus. Was Tiffany wusste und was sie beweisen konnte, war nicht dasselbe. Sie hatte alle Fahrzeugtypen und Nummernschilder auf dem Parkplatz notiert, überprüft, ob welche wiederholt auftauchten und so Rückschlüsse auf die Frau im Zimmer lieferten. Aber sie musste ein Taxi genommen haben – so spekulierte Tiffany aktuell. Erfolglos. Taxiunternehmen ließen sich schwer ausspionieren und einen ganz bestimmten Taxifahrer bekam man schon gar nicht zu sprechen. Allerdings musste sie auch nicht wissen, wer die Frau war – sie musste nur Mr Hooper in einem kompromittierenden Moment erwischen.

Tiffany schaute wieder auf die Uhr und stöhnte frustriert. Das Hochzeits-Probeessen war heute Abend, und sie musste pünktlich sein. Als oben in Hoopers’ Hotelzimmer das Licht ausging, überschlug sie im Kopf, wie lange sie mit den Hochzeitsaufgaben zu tun hätte. Nicht mehr als drei Stunden.

Wenn sie Glück hatte, blieb Hooper länger, und sie konnte zurückkommen und ihren Auftrag zu Ende bringen. Vielleicht sollte sie mal langsam etwas kreativer werden, vielleicht sollte sie mal Zimmerservice spielen – obwohl, nein, so ein Etablissement hatte keinen Zimmerservice. Aber sie könnte Hooper mit einem anderen Trick locken, die Tür aufzumachen, und wenn sie dann dort stand, könnte sie das Foto schießen und weglaufen.

Es war riskant, dennoch musste sie es tun. Gute Detektive taten, was sie für ihren Auftrag tun mussten. Sie durfte nicht scheitern. Nicht noch mal.

Sie konnte es auch nicht riskieren, dass man sie fragte, warum sie zu spät zum Essen kam – oder warum sie diese Woche mehrmals zu spät zur Arbeit erschien.

Niemand wusste von ihrem neuen Beruf. Tiffany wollte allen erst davon erzählen, wenn sie sich ihres Erfolges sicher war. Da sie schon mehrfach glorreich gescheitert war, würde ihre Familie sie höchstwahrscheinlich bei diesem neuen Projekt nicht unterstützen, und sie konnte es ihnen nicht verdenken.

Ja, Tiffany führte ein Doppelleben. Tagsüber arbeitete sie im elterlichen Juweliergeschäft, verdiente ihre Miete und bewies sich als zuverlässige junge Frau. Abends lauerte sie auf dem Parkplatz des Fall Inn darauf, einen betrügenden Gatten zu fotografieren.

Nachdem sie die Kamera auf dem Autositz deponiert und den Motor angelassen hatte, verließ sie den Parkplatz in Richtung Sausalito, wo das Abendessen stattfand. Als sie kurz darauf eintraf, war sie nur ein bisschen zu spät.

Sie zog ihr Kleid glatt, nahm sich einen Champagner-Cocktail vom Tablett, das ein vorbeikommender Kellner trug, als sie den Empfangssalon betrat und nach dem Tisch Ausschau hielt, an dem sich ihre Festgesellschaft traf. Man brauchte wohl ein paar mehr spritzige Pfirsich-Drinks, um den Abend zu überstehen. Obwohl, sie würde sich nur einen genehmigen, da sie noch zu arbeiten hatte.

Vorhin wären ihre zwei Welten fast kollidiert. Eine der Angestellten, die nachmittags in Jarvis Jewelry arbeitete – dem Juweliergeschäft, das ihrer Familie gehörte und das nach ihrem Großvater, Jarvis Walker, benannt war – hatte einen privaten Notfall, weshalb Tiffany allein bedienen, die Wocheninventur machen und den Laden abschließen musste. Ihre Eltern waren über das Wochenende auf einer Einkaufsreise und hatten Tiffany die Verantwortung überlassen. Sie schaffte es dann noch gerade so, sich umzuziehen und für das Fest zurechtzumachen, ehe sie loszog, um Hooper beim Verlassen seiner Arbeitsstelle abzufangen und zum Hotel zu folgen. Zuverlässig wie ein Uhrwerk ging er dort montags, mittwochs und freitags hin. Auch wenn sie gedacht hätte, dass ein betrügender Gatte weniger berechenbar war, aber er hatte da immer seine Routine.

Natürlich hätte sie auch ihren jüngeren Bruder bitten können, sie im Laden zu vertreten, aber Nick war voll mit seinem Studium in Berkeley beschäftigt. Eines Tages würde er Jarvis übernehmen – ihren Segen hatte er –, aber im Moment war sie noch voll und ganz allein dazu in der Lage. Oder zumindest versuchte sie, das ihren Eltern zu beweisen.

Sie hatte nichts dagegen, im Laden zu arbeiten, sie brauchte das Gehalt und es nahm ihren Eltern etwas die Sorge, ihre älteste Tochter bekäme nie was auf die Reihe. Manchmal machte sich Tiffany selbst deswegen Gedanken.

Sie dachte wieder an die Hochzeit, fragte sich, warum sie überhaupt zur Probe musste. Was war so kompliziert daran, vor den Altar zu treten und fünfzehn Minuten still zu stehen, während sich ihre Freundin trauen ließ? Es war die erste Hochzeit, an der Tiffany teilnahm, und es wurde viel Tamtam gemacht, brachte aber auch Spaß. Weniger spaßig war es, mit Jimmy, Isabels Bruder, als Paar aufzutreten. Er war ein ganz netter Kerl, harmlos, echt, obwohl er immer neue Ausreden fand, sie anzufassen.

Als sie mal auf der Verlobungsparty zusammen tanzten, hatte er seine Hände schon etwa nach der Hälfte des Songs auf ihren Po hinuntergeschmuggelt. Sie hatte Kurse in Selbstverteidigung absolviert, um für eventuell anstehende Probleme bei ihren Ermittlungen gewappnet zu sein. Und heimlich nahm sie auch Schießunterricht. Einmal in der Woche fuhr sie zu einem Schießplatz, der weit genug weg war, dass ihre Familie nichts mitbekam.

Aber ob ihr das Fachkönnen half, um mit Isabels auf Tuchfühlung gehenden Bruder klarzukommen? Tiffany bezweifelte es.

Nachdem sie ihren Cocktail getrunken hatte, nahm sie ihren Platz am Tisch ein. Der Stuhl neben ihr war noch frei.

„Tiff, du hast es geschafft!“, zwitscherte Isabel, wobei sie so schnell um den Tisch flitzte, wie es ihre High Heels erlaubten. Dann umarmte sie Tiffany und hüllte sie in eine Parfümwolke ein. Isabel war seit der vierten Klasse ihre Freundin, und Tiffany freute sich wirklich für sie. Sie wünschte nur, ihre Busenfreundin hätte sie nicht ausgerechnet mit ihrem kleinen Bruder verbandelt.

Andererseits lief sie bei Jimmy aber auch keine Gefahr, ihren Vorsatz zu brechen, Männern ein Weilchen zu entsagen – sie konnte sich unmöglich vorstellen, sich in irgendeiner Art auf ihn einzulassen.

„Ich habe dir doch gesagt, dass es klappt“, antwortete Tiffany.

„Ich weiß, aber, naja, du weißt, was dir manchmal für Sachen passieren“, meinte ihre Freundin ohne jede böse Absicht und umarmte sie wieder.

Tiffany wusste es. Sie war schließlich Tiffany, die Impulsive. Tiffany, die Spontane. Sie hatte ihren Abenteurergeist immer verteidigt, ihre Spontaneität gerechtfertigt. Aber mit der Dreißig vor Augen machte selbst sie sich Gedanken, ob sie je den rechten Weg im Leben finden würde.

Sie hatte einen Hochschulabschluss in englischer Literatur, aber wollte weder unterrichten noch schreiben. Also war sie in die Welt gezogen, um ihr Glück zu finden.

Nach einer Reihe öder Jobs erhielt sie die Möglichkeit, als Flugbegleiterin zu arbeiten. Die Tätigkeit gefiel ihr, aber sie konnte die rüpelhaften Passagiere nicht ausstehen.

Dann kam die Zeit, als sie ihren eigenen Hunde-Gassi-Service startete, eine boomende Branche in der Gegend der San Francisco Bay. Aber nach einem bösen Biss wollte sie das nicht mehr weitermachen.

Als krönenden Abschluss kratzte sie all ihre Ersparnisse zusammen, um bei ihrem guten Freund Paul einzusteigen, der ein Abenteuer-Touristik-Unternehmen aufgezogen hatte. Sie wurde zur lokalen Tourenführerin. Es hörte sich nach Spaß an – bis sie sich über Nacht mit acht Touristen im Yosemite-Nationalpark verlief. Zum Glück – und dank Paul, der wusste, was zu tun war – überstanden es alle gut. Aber die Firma stand noch am Anfang, das Geschäft war noch nicht profitabel, sodass Paul ihr ihren Anteil nicht gleich auszahlen konnte, er es ihr aber hoch und heilig für später versprach. Sie vertraute ihm, dennoch war sie pleite. Sie war zwar abenteuerlustig, aber doch eher ein Mädel aus der Stadt.

Und dann war da Brice.

Alle, die sie kannten, hatten sie vor Brice gewarnt, bloß sie hatte nicht hören wollen. Er war charmant, süß, sexy – und ein Gauner. Eines Tages hatte er sie per E-Mail gefragt, ob sie mit ihm am Abend essen gehen wollte, und als sie nach Hause kam – nachdem er sie versetzt hatte –, war ihr ganzes Hab und Gut weg gewesen. Geklaut. Wie eine Weihnachtsgans hatte er sie ausgenommen. Das wäre einem ihrer fiktiven Lieblingsdetektive nie passiert. Naja, vielleicht noch Veronica Mars aus der gleichnamigen TV-Serie, der es noch schlimmer ergangen war.

Die Cops meinten, dass sie da überhaupt nichts machen könnten, weil sie ihm einen Schlüssel gegeben hatte und er quasi „legal“ bei ihr wohnte. Da sie keine Quittungen aufbewahrt und viele Sachen Jahre vorher gekauft hatte, ließ sich absolut nicht nachweisen, dass überhaupt was von dem, das er genommen hatte, ihr gehörte.

Das war ihr eine Lehre gewesen. Sie musste lernen, genauer hinzuschauen, für sich selbst verantwortlich zu sein. Als Erstes hatte sie einen verantwortungsvollen Job übernommen. Anschließend beschlossen, sich von Männern fernzuhalten, bis sie ihrem Urteilsvermögen wieder trauen konnte. Sie musste ihre Träume weiterverfolgen, wie früher, aber sie wollte es besonnener – und maßvoller – angehen. Im Laden arbeiten – vertraut, aber langweilig – und ihre Eltern glücklich machen. Wenn sie mit Jimmy auf die Hochzeit ging, machte es Isabel glücklich – und bestimmt auch Jimmy. Und sie selbst würde es glücklich machen, wenn sie endlich für Mrs Hooper dieses Foto von ihrem Mann schießen könnte.

„Wo ist eigentlich Jimmy?“, fragte sie mit Blick auf den leeren Stuhl neben sich.

„Oops, ich hatte so viel zu tun, dass ich ganz vergessen habe, es dir zu sagen. Jim liegt mit einer Lebensmittelvergiftung im Krankenhaus.“

„Das ist ja schrecklich!“

„Er wird wieder gesund, aber es ging ihm echt schlecht.“

„Demnach kann er nicht bei der Hochzeit dabei sein?“

„Nein.“

„Ähm, bin ich dann allein?“

Irgendwie machte sie das plötzlich nervöser, als für ein paar Stunden Jimmys Grabbelhände abzuwehren.

„Ich war mir unsicher, was wir machen, aber Ed sagte, er habe einen Freund in der Stadt, der für Jim einspringen kann. Er ist auf dem Weg hierher.“

„Ach. Ein Fremder?“, fragte Tiffany, vorsichtig aber neugierig.

„Er ist ein Freund von Ed aus dem College und aus Philadelphia hier. Ich habe Ed gefragt, wie er aussieht. Aber du weißt, wie die Kerle sind. Er sagte nur ‚groß‘“, erwiderte Isabel.

Tiffany lächelte. Sie wollte ja keine Spielverderberin sein. „Wenn er ein Freund von Ed ist, dann ist er bestimmt toll.“