Wenn Frauen erzählen - Luise Hakasi - E-Book

Wenn Frauen erzählen E-Book

Luise Hakasi

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Beschreibung

Geschichten, Erzählungen, Briefe, Gedanken und mehr. Von und für Frauen und Mütter. Hier schreiben Frauen, wie ihnen der Mund gewachsen ist: träumerisch, sehnsüchtig, hasserfüllt, bang, hoffnungsvoll, rückblickend, zukunftsschaudernd, (un)glücklich. Versinken Sie beim Lesen in die Welt und Gedanken von Frauen, staunen und lernen Sie, stellen Sie Vergleiche an, ziehen Sie Schlüsse, suchen und finden Sie sich selbst ...

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Luise Hakasi

Wenn Frauen erzählen

Von und für Frauen und Mütter

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Eine Frau. Eine Mutter.

Die Legende sagt, dass der Tag, an dem Gott gute Mütter schuf, ihm sich ein Bote näherte und fragte, warum er denn mit einem solchem Eifer bei der Schöpfung sei und was denn schließlich an dieser Kreation so besonders sei. Freundlich und geduldig erklärt ihm der Vater von un sallen, dass diese Frage die Rolle der Mutter haben werde und deshalb ganz besondere Pflege verdiene. Sie solle einen Kuss besitzen, der die Gabe hätte, jegliches Problem zu heilen, von Blutergüssen bis hin zu einer beendeten Liebe. Sie sollte geschickte, sanfte Hände haben, die schnell den Snack für den Sohn vorbereiteten, während sie in den Töpfen rühre, damit das Mittagessen nicht anbrenne. Die einige Grundpflegekenntnisse von Krankenschwestern besitze und gleichzeitig Ärztin der Seele sei. Die Verbände auf Körperwunden legte und Balsam auf die Wunden der verletzten Seele legte. Deren Hände streicheln konnten, aber fest genug  waren, um ein Kind bei seinen ersten schwankenden Schritten Sicherheit zu geben. Deren Hände ein unbedeutendes Stück Stoff in ein ganz besonderes Outfit für die Schulparty machen könnten.

 

Um Mutter zu sein, sollte sie über viele Augenpaare verfügen. Ein Paar, um durch geschlossene Türen zu sehen, um zu wissen, was die Kinder hinter der verschlossenen Tür machten. Ein weiteres  um zu sehen, was sie nicht wissen brauche, aber dennoch wissen müsse und, natürlich, ein paar normaler Augen um die Kinder in Schwierigkeiten liebevoll anzuschauen und zu sagen: Ich versehe ... hab keine Angst, ich liebe dich, auch ohne ein Wort zu sagen.

           

Das Modell Mutter sollte auch die Fähigkeit besitzen, ein Kinder davon zu überzeugen, ein Bad zu nehmen, die Zähne zu putzen und zu schlafen, wenn es an der Zeit ist. Ein wirklich zartes Modell, aber resistent, in der Lage Stürmen des Unglücks zu widerstehen und ihre Kinder zu schützen. Ihre eigenen Krankheiten zum Wohle ihrer Lieben zu überwinden  und eine Familie mit dem Brot der Liebe zu ernähren. Eine Frau mit der Fähigkeit zu denken und Vereinbarungen mit den vielen verschiedenen Altersgruppen zu treffen.

 

Eine Frau mit der Fähigkeit, Tränen der Sehnsucht und des Schmerzes zu vergießen, aber immer noch darauf zu bestehen, dass der Sohn aufbricht, sein Glück und größtmöglichen Fortschritt zu suchen. Eine Frau mit besonderen Tränen für Tage der Frende und der Trauer, für Stunden der Enttäuschung der Einsamkeit. Eine Frau, mit weichen Lippen, die Wiegenlieder für Babys singen könnte und immer die richtigen Worte hätte für einen reuigen Sohn, der einen Schnitzer gemacht hat. Lippen, die wissen, von Gott zu sprechen, vom Universum und von der Liebe. Lippen, die wissen Gedichte zum Lob der Schönheit einer Landschaft zu erzählen oder vom Charme des Lebens zu singen. Eine Frau. Eine Mutter.

 

Haben Sie sich wiedererkannt?

Kirchgang um 10 Uhr

Einwohner der charmanten Stadt Petersburg; dort bin ich geboren und aufgewachsen. Und mehr als das: Dort bin mit meinem Mann seit einem halben Jahrhundert verheiratet. Wir haben die einfache Gewohnheit, jeden Sonntag um 10 Uhr zur lokalen Messe zu gehen.

 

Die Feier begann nie pünktlich, immer mit einer Viertelstunde Verspätung. Manchmal lag es am Priester, manchmal an einem anderen Zelebranten oder an mehreren Personen gleichzeitig; es war immer das gleiche: Die Liturgie begann nie pünktlich.

 

Alle Gläubigen wissen, dass es um 10 Uhr losgehen soll und um 11 Uhr zuende sein sollte. Aber das tut es nicht. Alle respektieren das, wissen aber nicht, wieso. Man kommt überall zu spät, zur Kirche, zur Party, zum Meeting,  zum Abendessen im Haus von Freunden, zu geplanten Sitzungen. Man ist sich bewusst, dass fast nichts auf Zeit geht. Es sei denn Filmvorführungen oder Theatheraufführungen – ach was, selbst letztere fangen heutzutage nicht mehr pünktlich an. Falls doch, verpasst man eben einfach den Anfang der Geschichte ...

 

Zeit spielt also keine Rolle mehr? Zeit ist benutzerdefiniert und Auslegungssache? Wie peinlich ... Man könnte natürlich auch einfach auf die nächste Sitzung oder Vorstellung warten. Ein moderner Brauch oder positiven Effekt.

 

Lassen Sie Ihre Fantasie walten: Denken wir an eine Hochzeit, Braut und Bräutigam, Verwandte, Paten und Pfarrer, Zivile und Religiöse, die verweilen und einen unruhigen Blick auf die Uhr riskieren bei einer Verzögerung der Messe. Ein Power-Paar mit von Assistenten produzierter Braut-Kleidung, einer gradiosen Equipe von Top-Friseuren, renommierten Visagisten, internationalen Modesignern, versierten Pflegern, romantischen Musikern, professionell ausgerüsteten Fotografen, diszipliniert zu festgesetzter Stunde für einen feierlichen Einzug im Hauptschiff der Kirche. Stellen Sie sich mal vor, Sie müssten jetzt 15 Minuten warten ...

 

Also ich komme deshalb lieber immer ein wenig zu früh. Um auf den Anfang meiner Geschichte zurückzukehren: Ich habe mich dann immer auf die Kirchenbank gesetzt und ein wenig geschlafen ... 

Antike Altertümer

Ich bin altertümlich, na und. Ich liebe antike schwere Holzschränke, die die Kleidung vergangener Epochen bergen und so herrlich nostalgisch nach Bohnerwachs riechen. Herrliche Erbstücke mit verlängertem Leben vorangegangener Traditionen, aus denen sich Körper bekleidet haben.

 

Ich bin von damals, aber die Erinnerungen überleben. Erinnerungen, wie der unvergleichbare Geruch meines Holzherdes, der das ganze Haus heizte, meine Rückenschmerzen beseitigte, Kartoffel- und Apfelschalen röstete und mit feinem Sand auf Hochglanz poliert wurde.

 

Ich bin von damals, wie meine Mutter, die immer sagte: Mit einem sauberen Namen hast du dir nichts vorzuwerfen und brauchst nichts und niemanden zu fürchten. Ich habe unseren Namen immer sauber und ihren Ehren gehalten, denn ich habe die gleiche Meinung geerbt. Heute hat niemand mehr eine eigene Meinung, alles ist unsicher. Ich stamme aus der Zeit der Sicherheiten, aus der Zeit der Dauerhaftigkeit, aus der Zeit der Werte, des Respektes und der Hochachtung.

 

Einsamkeit erschreckt mich; damals, in der Zeite der antiken Romanzen, hatte man immer etwas zu tun, um seine Zeit auszufüllen, mit Lesen, mit Poesialben und Gänsefedern, mit Stricken und Sticken. Noble Hölzer, frische Erde, feuchte Blätter, handbestickte Leinenkissen und Deckchen unter einem uralten goldberandeten Teeservice sind Dinge für die Seele. Und genau dort habe ich sie aufbewahrt und werde es weiterhin tun.

Während ich alt werde, schaue ich mir diese Reichtümer an, mit Zartheit, Ehrfurcht und Verehrung, auch wenn das Haus langsam Staub ansetzt. Ich bin von damals, aus lauter alten Einzelheiten zusammengesetzt, nicht einmal an Hintergrundinformationen mangelt es. Ich bin wie damals, ich bin wie ein Museum; Sie können gerne vorbeischauen, aber informieren Sie sich vorher, ich habe nämlich eine Zeit, wo ich schließe. 

Auf der anderen Seite

Ich bin eine Frau von wenig Worten. Manchmal habe ich Angst, manchmal habe ich Mut. Ich mag keine Extreme; ich bevorzuge Bescheidenheit und Mittelmaß. Auch jetzt, wo ich älter werden, habe ich keine Manien entwickelt. Altwerden ist wie Kind sein. Manchmal hat man dieselben Bedürfnisse wie ein Baby, aber man schämt sich, zu bitten.

 

Draußen blüht der Flieder; das Leben wartet nicht. Im Frühling blüht er auf, im Sommer erstrahlt er und dann verblüht er, wie die Liebe. Ich mag Gott wegen diesen Schwächen. Nichts ist perfekt. Ich schreite mit ihm zusammen über die Weiden und Ebenen, bis wir beide müde sind und uns hinsetzen müssen. Gott ist hübsch, aus der Nähe angeschaut. Schön aufgrund seiner Göttlichkeit. Seine Augen sind lebendig, seine Finger kratzen nachdenklich am Bart nach einem langen ermüdenden Tag. Nach einem einzigen Blick begibt er sich wieder in die Richtung, aus der eine Bitte um Hilfe kam.

 

Auch ich bitte, scheu und verlegen. Er weiß, wie schwer es ist, ein Mensch zu sein. Ich schenke ihm Kaffee ein. Wir reden und reden, er schläft auf dem Sofa ein; ich lege eine Decke über seine Füße und Beine und gehe auch schlafen. Als ich am nächsten Tag aufwache liegt ein Zettel beim Sofa: Vielen Dank für das Schläfchen auf dem Sofa und viel Glück mit deiner neuen Liebe. Nur er weiß, wie ich mich für Richard, der neuen Nachbarn, interessiere.

 

Und plötzlich finde ich mich schön, die Traurigkeit weicht. Am liebsten möchte ich gleich mit dem Kalender losstürzen und in meiner Euphorie eine Einladung loswerden; ich bin sicher, dass Gott mir verzeihen würde. Liebe hört nie auf zu existieren, solange man nicht aufhört, sie sich vorzustellen. Und ich stelle sie mir vor ... aber ich hätte mir nie vorgestellt, dass sie auf der anderen Straßenseite wohnt ...

 

Krank vor Liebe

Aufgrund der Tatsache, mit Dr. Constantin Albert verheiratet zu sein, bescherte mir unter anderem den Vorteil, weder in Apotheke oder Krankhaus niemals in der Warteschlange stehen zu müssen. Er liebte es, öffentlich gelobt und ausgezeichnet zu werden als spezialisierter Mediziner. Ein bisschen von seinem Ruhm lassen sie auf mich abfärben; ich bin schließlich seine Ehefrau, Frau Doktor, wie sie mich alle zu nennen pflegen.

 

Ich liebte unsere Teestunden am Nachmittag und die Art, wie er mir nachschaute, wenn ich das Geschirr abräumte. Was er wohl denken mochte? Manchmal kritisierte er, wenn ich wieder Geld ausgegeben hatte, für diese feinen Porzellanmalereien, die ich so sehr liebte. Aber unser gemeinsamer Tee schmeckte einfach besser draus; feiner, eleganter, köstlicher.

 

Einmal hätte ich es fast geschafft, ihm einen sündhaft teuren Kristall-Elefanten aus den Rippen zu leiern, der so gut auf unser Esszimmer-Buffet gepasst hätte. Aber Constantin murmelte nur: Such dir etwas anderes aus. Sicherlich würde sich irgendwann eine andere Gelegenheit finden.

 

Manchmal kamen Patienten auf eine Tasse Tee oder Kaffee vorbei, offiziell um Guten Tag zu wünschen, insgeheim aber eigentlich, um stundenlag über ihre Gebrechen zu reden, über die Details ihrer Blutuntersuchungen, über Magenbeschwerden, über Migräne, kleine und größere Zipperlein, Krebs und mehr.

Constantin kümmerte sich auch um mich, wenn ich Kopfweh hatte. Ließ mich ins Bett legen, die Füße nach oben und holte mir ein Glas kühlen Pfefferminztee. Lass nur, das Abendessen bereite ich heute vor. Wie gut, einen solchen rührenden Ehemann zu haben.