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Sakyo Komatsu

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Beschreibung

Vor der Ostküste Japans versinkt eine kleine Insel im Meer. Ein Team von Wissenschaftlern geht der Sache nach. Bei ihren Untersuchungen machen sie eine schreckliche Prognose: Durch Veränderungen im Erdinneren werden die japanischen Hauptinseln über kurz oder lang im Meer versinken. Die Regierung nimmt die Warnungen der Forscher zunächst nicht weiter ernst. Erst, als die japanische Hauptstadt Tokio von einem gewaltigen Erdbeben erschüttert wird und kurz darauf auch verheerende Vulkanausbrüche und Tsunamis das Inselreich heimsuchen, erkennt die japanische Regierung den Ernst der Lage. Sofort werden Pläne ausgearbeitet, die japanische Bevölkerung zu evakuieren und sie in andere Länder umzusiedeln. Doch dann kommt die große Katastrophe schneller als die Wissenschaftler erwartet haben... WENN JAPAN VERSINKT von Sakyo Komatsu (* 28. Januar 1931 in Nishi-ku, Osaka als Minoru Komatsu; † 26. Juli 2011 in Osaka), einem der bekanntesten japanischen Science-Fiction-Schriftsteller, wurde erstmals im Jahre 1973 veröffentlicht. Der Romanerscheint als durchgesehene Neuausgabe in der Reihe APEX SCIENCE-FICTION-KLASSIKER und ist erstmals seit 1985 wieder in deutscher Sprache erhältlich.

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SAKYO KOMATSU

 

 

Wenn Japan versinkt

 

 

 

Roman

 

Apex Science-Fiction-Klassiker, Band 59

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

WENN JAPAN VERSINKT 

Der Japangraben 

Tokio 

Die Regierung 

Die Heimat-Inseln 

Das sinkende Land 

Japan versinkt 

Epilog: Der Tod des Drachen 

 

Das Buch

 

Vor der Ostküste Japans versinkt eine kleine Insel im Meer. Ein Team von Wissenschaftlern geht der Sache nach. Bei ihren Untersuchungen machen sie eine schreckliche Prognose: Durch Veränderungen im Erdinneren werden die japanischen Hauptinseln über kurz oder lang im Meer versinken. Die Regierung nimmt die Warnungen der Forscher zunächst nicht weiter ernst. Erst, als die japanische Hauptstadt Tokio von einem gewaltigen Erdbeben erschüttert wird und kurz darauf auch verheerende Vulkanausbrüche und Tsunamis das Inselreich heimsuchen, erkennt die japanische Regierung den Ernst der Lage. Sofort werden Pläne ausgearbeitet, die japanische Bevölkerung zu evakuieren und sie in andere Länder umzusiedeln. Doch dann kommt die große Katastrophe schneller als die Wissenschaftler erwartet haben...

 

Wenn Japan versinkt von Sakyo Komatsu (* 28. Januar 1931 in Nishi-ku, Osaka als Minoru Komatsu; † 26. Juli 2011 in Osaka), einem der bekanntesten japanischen Science-Fiction-Schriftsteller, wurde erstmals im Jahre 1973 veröffentlicht. 

Der Romanerscheint als durchgesehene Neuausgabe in der Reihe APEX SCIENCE-FICTION-KLASSIKER und ist erstmals seit 1985 wieder in deutscher Sprache erhältlich. 

  WENN JAPAN VERSINKT

 

 

 

 

  Der Japangraben

 

 

In der Halle vor dem hinteren Ausgang des Hauptbahnhofs von Tokio wimmelte es von Menschen wie immer. Die Klimaanlage schien kaum gegen die von den Körpern der wogenden Menge ausgehende feuchte Hitze anzukommen. Die meisten Reisenden waren auf dem Weg ans Meer oder in die Berge oder fuhren zum bevorstehenden Totenfest in ihre Heimat.

Toshio Onodera blickte mit einem Ausdruck des Widerwillens in die Runde und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß vom Kinn. Die Regenzeit im Frühjahr war kalt gewesen, und der Wetterdienst hatte einen kühlen Sommer vorausgesagt, doch dem Regen war eine heftige Hitzewelle gefolgt. Die Hitze hatte in Osaka ebenso wie in Tokio ihren Tribut gefordert, viele waren ihr zum Opfer gefallen. Und dann war der im Sommer übliche Wassermangel eingetreten.

Onodera hatte noch etwa sechs, sieben Minuten Zeit, bis sein Zug einfuhr. Da er nicht das geringste Bedürfnis verspürte, eines der überfüllten und dunstgeschwängerten Bahnhofsrestaurants aufzusuchen, wanderte er ruhelos herum, bahnte sich mit den Ellenbogen den Weg durch die schwitzende Menge. Jeder dieser schweißüberströmten Körper, die zu beiden Seiten an ihm vorbeiglitten, strahlte Hitze aus wie ein Kohlenbecken: ein kleiner, stämmiger Büroangestellter im Sonntagsstaat und mit abgetragenen Schuhen; eine nicht mehr ganz junge Frau vom Lande in auf Knielänge gekürzten Drillichhosen, unter schwerem Gepäck wankend, das Gesicht von der Hitze gerötet, die massigen Brüste in eine billige gestreifte Bluse gezwängt; ein Mädchen von noch nicht zwanzig Jahren, einen steifen Strohhut mit grell buntem Band auf dem Kopf, Schweißtropfen auf der flachen Nase...

Und während er sich so durch diese bunte Ansammlung von Menschen schob, kam ihm plötzlich zum Bewusstsein, dass sein eigener verschwitzter Körper sich in keiner Weise von den verschwitzten Körpern der anderen unterschied, wahrscheinlich vermischte sich sogar der Geruch seines Schweißes mit dem ihm noch anhaftenden Geruch des Gins, den er am vergangenen Abend getrunken hatte. Onodera schüttelte sich vor Ekel.

Als er sich vor einem Trinkbrunnen fand, beugte er sich hinab, um zu trinken. Doch dann, ohne das tröpfelnde kalte Wasser zu beachten, bückte er sich noch tiefer, starrte halboffenen Mundes auf eine Stelle an der gegenüberliegenden Wand des Trinkbrunnens. Ein schmaler Riss zog sich die Wand hinauf, in so winzigem Zickzack, dass man ihn kaum erkennen konnte. Auf der einen Seite des Risses war die Wand etwa zwei Zentimeter nach oben verschoben.

»Stimmt etwas nicht?«, hörte er eine leicht gereizte Stimme hinter sich sagen. Erschrocken nahm er schnell einen Schluck Wasser und trat vom Brunnen zurück.

»Entschuldigen Sie. Bitte sehr, Sie können...« Er versuchte, dem großen Mann hinter sich den Platz freizumachen, aber der andere ließ ihn nicht vorbei. Verblüfft schaute Onodera dem Mann in das breite Gesicht.

»Hallo!«, sagte dieser und packte Onodera mit grober Hand an der Schulter. Weiße Zähne blitzten in seinem dunklen, sonnenverbrannten Gesicht.

Onodera war einen Augenblick lang verdutzt, doch dann grinste auch er und rief: »Go! Das kann doch nicht wahr sein!«

»Kleiner Kater, was?« Rokuro Go zog die Nase kraus. »Jetzt weiß ich es: Sie haben soeben wie ein Karpfen ausgesehen, als Sie das Wasser schlürften.«

Onoderas Rechtfertigung überhörend, beugte sich der riesige Go hinab und fing an zu trinken, als wollte er den ganzen Brunnen leeren.

»Wo soll’s denn hingehen?«, fragte Go und wischte sich den nassen Mund.

»Nach Yaizu.«

»Immer noch dabei, ja?« Go senkte die Finger der rechten Hand und deutete eine Bewegung des Tauchens an.

»Stimmt. Und wo wollen Sie hin?«

»In dieselbe Richtung. Nach Hamamatsu.«

 

»Was gibt’s denn in Hamamatsu? Arbeit?«, fragte Onodera, während er in der klimatisierten Snackbar des Zuges an einem Bier nippte.

»Ja, das übliche - Bauarbeiten.« Go, der bereits sein zweites Bier austrank, verzog das Gesicht, so dass sich die sonnengebräunte Haut spannte.

»Der Superexpress?«

»Ja. Aber es gibt ein Problem nach dem andern. Die Arbeiten am Gleisbett sind gestoppt worden.«

»Was für Probleme?«

Der Zug setzte sich in Bewegung. Die Aussicht hinter dem Fenster schien zu verschwimmen und lenkte Onoderas Aufmerksamkeit auf sich. Nur einen kleinen Augenblick lang empfand er die Schönheit des staubigen Durcheinanders auf dem Bahnsteig, der von der Hitze gezeichneten Gesichter...

»Was für Probleme das sind, fragen Sie?« Go umklammerte sein Bierglas und starrte düster auf den zerfallenden Schaum. »Verschiedene. Aber es hätte keinen Sinn, jetzt schon etwas darüber zu sagen. Die Zeitungen könnten Wind davon bekommen.«

Onodera drang nicht weiter in ihn. Er goss sich ein zweites Glas Bier ein.

»Ich begreife nicht, wie die Vermessungen derart voneinander abweichen können«, murmelte Go, als redete er mit sich selbst. »Wir müssen nahezu wieder von vorn anfangen. Die Arbeit ist in vollem Gange, und plötzlich ist dann alles für die Katz.«

»Was heißt das?«

»Ach, es wird nichts weiter sein, nehme ich an. Aber Sie können mir glauben, Onodera, Japan ist derzeit sehr, sehr wacklig. Wie eine Gallertmasse... Noch ein Bier? Oder wollen wir in unser Abteil zurückgehen?« Go schaute sich in dem besetzten Speisewagen um. »Und was ist in Yaizu los? Irgendein gesunkenes Schiff oder so was? Ziemliche Arbeit bei der Hitze.«

»Gar so schlimm wird’s nicht«, entgegnete Onodera mit einem schiefen Lächeln. »Ein Schiff des Sicherheitsdienstes bringt uns nach Süden. Irgendeine Forschungsangelegenheit mit einem Tiefseetauchboot - der Wadatsumi.«

»Wohin geht denn die Reise?«

»In den Südosten von Torishime. Dort war einmal eine Insel, und die soll verschwunden sein.«

»Verschwunden? Hat es dort einen Vulkanausbruch gegeben?«

»Nein, keinen Ausbruch. Sie ist gesunken - einfach so. Eben gesunken.«

 

Als Onodera ankam, war die in Segeltuch gehüllte Wadatsumi im Hafen von Yaizu bereits auf das Achterdeck der Hokuto, eines Patrouillenbootes der Marineabwehr, verladen worden.

Professor Yukinaga erkannte Onodera am Kai und winkte ihm zu. »Hallo - es tut mir aufrichtig leid. Ich habe gehört, Sie waren auf Urlaub.«

Verwundert über das Hin und Her auf dem Schiff, schaute Onodera auf die Uhr. »Geht es denn schon los?«, fragte er, als er an Bord kam.

»Na ja, wir müssen so schnell wie möglich los«, antwortete Yukinaga und schaute hinunter zum Kai. »Wenn die Presse erst dahinterkommt, dass die Wadatsumi auf Fahrt geht, wissen Sie, dann könnte es unangenehm werden.«

 

Onodera grinste. »Es gibt eine Zeitschrift, die ist besonders fix, hab ich gehört. Soviel ich weiß, hat sie ein Wasserflugzeug gechartert.«

»Sie bauschen die ganze Geschichte nur auf.« Yukinaga zuckte mit den Schultern. Obwohl sein Spezialgebiet die Meeresgeologie war und er einen großen Teil seines Lebens auf Schiffen verbracht hatte, war seine Haut weiß, wie von der Sonne unberührt. »Wie dem auch sei. Ich glaube nicht, dass es einen Grund zur Beunruhigung gibt. Die Journalisten werden nichts erfahren, auch wenn sie dorthin fliegen.«

»Na ja, es ist wohl Sauregurkenzeit für die Zeitungsleute.«

»Es würde schon genügend Trara geben«, sagte Yukinaga mit gesenkter Stimme und kniff in dem hellen Sonnenlicht die Augen ein wenig zusammen, »wenn etwas über die Schwierigkeiten bekannt würde, die sich bei der neuen Superexpress-Strecke ergeben.«

»Ja?« Onodera war überrascht. »Sie wissen davon?«

»Ich habe etwas läuten hören.« Der Professor sprach noch immer gedämpft. »Ein Kollege von mir hatte den Auftrag, eine geheime Untersuchung durchzuführen.« Plötzlich hob Yukinaga die Hand. Auf dem betonierten Kai, über dem Schwärme von Fliegen summten, kam eine schweißüberströmte breite, stämmige Gestalt angerannt. Der Mann stieß mit dem Handkoffer, den er bei sich trug, gegen einen Poller und fiel fast zu Boden, als er auf einen der Fische trat, die über den Beton verstreut lagen, schließlich erreichte er jedoch das Schiff.

»Beeilung«, rief Yukinaga lachend. »Wir sind schon unterwegs.«

»Ohne mich?«, rief der dicke Mann entrüstet. »Wenn Sie ablegen wollen, dann bitte. Ich werde hinter Ihnen her schwimmen.«

»Das wusste ich doch.« Yukinaga streckte die Hand nach dem Koffer des Mannes aus, als dieser die Gangway heraufkam.

»Onodera, dies ist Professor Tadokoro.«

»Ah ja, Professor - Unterwasservulkane.« Onodera nickte eifrig. »Ich heiße Onodera, von der Meeresbodennutzung.«

»Eigentlich bin ich ja Geophysiker«, sagte Tadokoro, »aber ich stecke meine Nase gern in alles.« Damit wandte er sich abrupt dem Heck zu, wo unter Segeltuch die Wadatsumi vertäut lag.

Er klopfte mit der Hand kräftig gegen die Stahlverkleidung unter der Leinwand. »Das ist es also? Wissen Sie, ich habe diesen Yamashiro bei Ihnen immer wieder gebeten...«

»Nun ja, es hat eine ständige Nachfrage gegeben«, entgegnete Onodera und lächelte unbehaglich. »Die Wadatsumi 2 ist bald fertig, dann wird sich die Lage bessern.«

»Sie ist genauso konstruiert wie die Archimedes. Somit müsste sie fast 12.000 Meter tauchen können. Nicht wahr?«, sagte Tadokoro und schaute Onodera aufmerksam an. »Was für ein Unsinn, so etwas zu benutzen, um Meeresströmungen und Fischgründe zu studieren. Das ist, als nähme man Laserstrahlen, um ein Hähnchen zu zerlegen.«

»Es hat so seine Bewandtnis mit dem Boot. Je tiefer man taucht, desto kürzere Zeit darf man unten bleiben«, erwiderte Onodera und streichelte die Flanke des Tauchbootes.

»Wie oft ist sie denn schon wirklich tief getaucht?«

»Auf etwa zehntausend - viermal. Über 11.500 zweimal. Das war nicht besonders riskant, aber...«

»Und wie ist es mit dem Witjas-Tief? Wäre es eine sichere Sache, dort ganz hinunterzugehen?«

»Wenn es ein neues Tauchboot wäre meinte Onodera.

»Yukinaga?«, rief Tadokoro und wandte sich, einem plötzlichen Einfall folgend, von der Wadatsumi ab. »Kommen Sie, wir wollen uns ein wenig unterhalten.« Er legte Yukinaga den Arm um die Schulter, und beide gingen auf die Tür der Kajüte zu. Onodera blieb allein zurück.

Nachdem nun alle an Bord waren, ertönte die Sirene der Hokuto. Die Mannschaft löste die Trossen, und weiß schäumte am Heck das Wasser auf, als sich das schlanke, graublau glänzende Patrouillenboot vom Anlegeplatz entfernte. Obwohl etliche Menschen vom Kai herüberwinkten, war es doch ein nüchterner Abschied.

Sie waren noch nicht lange unterwegs, als Onodera einen kleinen Mann mit einer kalten Maiskolbenpfeife im Mund bemerkte, der vom Vorderdeck kam.

»Yuki!«, rief er. »Dich hab’ ich hier aber nicht erwartet.«

»Ich bin nur hier, um dir alles zu übergeben.« Der Kleine grinste nervös. »Ich hab’ mir ein wenig Sorgen gemacht. Na ja, wenn ich an Land geblieben wäre, hätte ich nur unter der Hitze gelitten. Ich werde dir bei den Reparaturen zur Hand gehen.«

»Soviel ich weiß, wurde die Gondel angekratzt.« Er wandte sich dem Tauchboot zu. Am Boden des Fahrzeugs war eine drehbare eiförmige Gondel befestigt. Sie war schwer, bestand aus mit Molybdän verstärktem Stahl.

»Hier an dieser Seite ist sie angeschlagen. Das Fenster hat einen feinen Riss, aber wir haben ein Ersatzfenster mit.«

Sie begannen nun, über Onoderas Aufgabe zu sprechen. Die Anforderung der Wadatsumi war, wie Yuki meinte, wahrscheinlich von Wissenschaftlern aus der Gruppe gekommen, die bereits vom Wetterdienst eingesetzt worden war, um das Sinken der Insel zu untersuchen.

»Hast du seitdem irgendetwas Neues gehört?«, fragte Onodera. »Ich dachte, diese Leute von der Meteorologie sind damit beschäftigt, die vulkanische Aktivität im Fuji- Gebiet zu untersuchen. Und nun dieser ganze Aufwand wegen einer unbewohnten Insel.«

»Nicht völlig unbewohnt«, entgegnete Yuki, auf dessen Gesicht sich Spuren von Müdigkeit zeigten. »Einige polynesische Fischer haben auf ihr die Nacht verbracht, als sie sank.«

»Ist das wahr?«, fragte Onodera überrascht. »Sind sie gerettet worden?«

»Ja. Ein japanisches Fischerboot hat zufällig an der Leeseite der Insel geankert.«

Während die Hokuto mit hoher Geschwindigkeit Südkurs hielt, führten Onodera und Yuki die Reparaturen an der Wadatsumi durch und verrichteten trotz der glühenden Hitze die notwendigen Instandhaltungsarbeiten. Hachijo-jima tauchte am Horizont auf und blieb dann hinter dem langgestreckten weißen Kielwasser des Schiffes zurück. Nun war nichts mehr vor dem Horizont zu erkennen - man sah nichts als die unendliche, leicht gewölbte Weite des Wassers.

Da ihm die Zeit lang wurde, kletterte Onodera hinauf ins Krähennest und blickte sich um. Von dem Ausguck aus wirkte die Hokuto nicht größer als ein winziger Wasserläufer auf einer ungeheuren Wasserkugel von überwältigender Ausdehnung. Hier war das Gebiet, wo das pazifische Tropenklima, getragen von Meeresströmungen, weit hinauf nach Norden reicht. Jetzt war der Bug dieses winzigen, doch auf seine Weise wild entschlossenen Schiffes auf den Hitzegürtel gerichtet und auf die Inseln jenseits des Äquators. Nach Süden...

Abgesehen von den kleinen Inseln, die wie eine Handvoll Staub über das riesige Gebiet verstreut lagen, war die Oberfläche der Erdkugel bis hinunter zum Kap Hoorn von Wasser, von nichts als Wasser bedeckt: Vom größten aller Ozeane, dessen mittlere Tiefe etwa 4.300 Meter betrug und der sich am Äquator über fast 180 Längengrade, also beinahe über die Hälfte der Erdkugel erstreckte - ein unendliches Meer, das fast die Hälfte allen Wassers der Erde enthielt und ein Drittel der Erdoberfläche bedeckte, und das, auch wenn man alle Kontinente darin unterbringen würde, immer noch über 36 Millionen Quadratkilometer groß wäre.

»Wollen Sie nicht herunterkommen?«, rief Yukinaga zu ihm hinauf und winkte mit einer Büchse. »Das Bier ist kalt. Trinken wir!« Er lehnte an der Reling und hielt gerade sein Bier an die Lippen, als Onodera unten ankam. Onodera riss die eisgekühlte Büchse auf, die ihm Yukinaga gab, und der Wind fasste den herausquellenden weißen Schaum und wehte ihn hinaus in die Gischt.

»Ob das schon Aoga-shima ist?« Yukinaga hielt die Hand über die Augen und blickte nach Osten, wo ein Haufen Wolken über dem Horizont lag. »Ich nehme es an. Bei diesem Tempo könnten wir Tori-shima noch vor Sonnenuntergang erreichen.«

»Sehen Sie dort hinüber.« Onodera wies mit der Hand. »Halten Sie das für ein Schiff?«

Gerade vor ihnen, fast genau im Süden, war eine schwarze Rauchfahne am Horizont zu erkennen. Sowie sie aufstieg, verwehte sie der Wind in einem langgezogenen Wirbel nach Nordosten.

»Das ist kein Schiff«, meinte Yukinaga, die Augen zusammenkneifen. »Das ist ein Vulkan. Das ist in der Nähe der Beyoneisu-Felsen.«

»Ist es das Myojin-Riff?«

»Nein. Myojin ist zurzeit nicht aktiv. Aber beim Smith-Riff gibt es nach mehr als fünfzig Jahren wieder Anzeichen eines vulkanischen Ausbruchs. Es liegt auf der Hand, dass sich auch irgendwo in den Beyoneisu-Felsen eine Eruption ereignen wird.«

Onodera erinnerte sich plötzlich an seine Kinderzeit - als er über den Ausbruch des Myojin-Riffs gelesen hatte. Das war 1952 gewesen. War es schon so lange her? Der Meeresgrund, von der gläsernen Fläche des Ozeans bedeckt, hatte plötzlich Feuer, Rauch und Lava emporgeschleudert. Mitten im Meer hatte das Feuer gewütet, der Rauch war direkt aus dem Wasser herausgequollen. Was für einen mächtigen Eindruck hatte damals das Zeitungsfoto auf Onodera gemacht! Ein Schiff des Wetterdienstes, die Kajyo Maru, war zerstört worden, einunddreißig Mann Besatzung waren umgekommen, als die kühle, ruhige Oberfläche des Pazifiks von einer riesigen, zerstörerischen Woge, begleitet von sengendem Rauch und Asche, aufgewühlt worden war. Noch jetzt wurde Onodera bei dem Gedanken an die Ungeheuerlichkeit dieses Ereignisses die Brust eng. Er erschauerte.

»Tori-shima hat seine Katastrophe 1886 erlebt«, sagte Yukinaga leise, die Wangen vom Wind leicht gerötet. »Genau in der Mitte der Insel explodierte ein Berg. In einem einzigen Augenblick wurden 125 Menschen, die gesamte Bevölkerung der Insel, vernichtet.«

»Es scheint in letzter Zeit eine Menge vulkanischer Aktivität zu geben«, meinte Onodera.

»Ja. Auf O-shima, Miyake-jima, Ao-shima - und jetzt ist auch vom Amagi-zan die Rede.«

»Besteht da ein Zusammenhang?«

»Eigentlich sollte es da keinen geben - so wie wir die Dinge bis jetzt beurteilt haben. Aber »Was aber?«

»Nun ja, das Auftreten vulkanischer Aktivität in einer Region hängt mit der Gebirgsbildung zusammen. Deshalb scheint jede Veränderung in der Gesamtstruktur allgemeine Auswirkungen mit sich zu bringen.«

Beide schwiegen eine Weile und blickten aufs Meer. Das Schiff setzte jetzt seinen Südkurs direkt über dem vulkanischen Fuji-Rücken fort, der sich hier auf dem Grund des Ozeans hinzog. Vom mittleren Honshu mit dem Shirama-yoma, den Hida-Bergen und dem Norikuradake ausgehend, erstreckte er sich über den Asamayama und den Fuji-san, Hakone, den Amagi-zan, die Izu-Inseln, Aoga-shima, die Beyoneisu-Felsen, Torishima und noch weiter hinunter zur Iwo-jima-Kette, bis fast an den Wendekreis des Steinbocks - ein tausend Meilen langer Gürtel aus Feuer. Auf der ganzen Strecke erhoben sich vom Grunde des Ozeans aus fast 4.000 Meter Tiefe hier und da vulkanische Bergspitzen und durchstießen die Oberfläche des Meeres. Diese verstreuten Inseln zogen sich vom Äquator in Richtung Norden bis zum feuerspeienden Kasai-Archipel hin und bildeten die eigentliche Westküste des Pazifiks, eine ungeheure unterseeische Gebirgskette, über der das Schiff jetzt entlangglitt. Sie zeigte die große geologische Falte an, die in Sibirien begann und sich über Hokkaido bis ins zentrale Honshu ausdehnte. Von dort zog sie sich, Tausende Faden tief unter dem Wasser, den Meeresboden entlang, und ihren Verlauf markierten der Fuji-Archipel, der Ogasawara-Archipel, die Marianen und die Palau-Inseln, von wo aus die Endfalte durch eine Wendung Anschluss an den Bogen von Jawa und Sumatra fand. Dieser Ring aus Feuer, diese abgesunkene Küstenlinie fiel auf ihrer pazifischen Seite zu Gräben von unvorstellbarer Tiefe ab.

Plötzlich gab es eine laute Erschütterung, als sei etwas an den Boden des Schiffes gestoßen.

»Sind wir aufgelaufen?«, fragte Onodera.

»Ich glaube nicht, dass es in dieser Gegend ein Riff gibt«, sagte Yukinaga.

Im selben Augenblick schlug ihnen, obwohl kein Geräusch zu hören war, ein starker Luftzug ins Gesicht. Dann folgte etwas, das sich wie ferner Kanonendonner anhörte.

Ein Ruf ertönte von der Brücke. Matrosen eilten über das Deck und die Gänge hinab.

»Eine Eruption!«, schrie Yuki und kam an Deck.

Das laute Grollen hielt an, und als sie zurückblickten, sahen sie graubraunen Rauch von den Beyoneisu-Felsen aufsteigen. Orangefarbene Flammen leuchteten an der Grenze zwischen dem Rauch und der Wasseroberfläche auf.

»Dr. Tadokoro!«, rief der Kapitän von der Brücke herab. »Wie ist die Lage? Sind wir in Gefahr?«

»Kein Grund zur Beunruhigung, wenn es nicht schlimmer wird als das«, antwortete Tadokoro, der an Deck erschienen war und durch ein Fernglas blickte. »Doch warnen Sie die Schiffe im umliegenden Gebiet. Wir aber sollten Zusehen, dass wir ans Ziel kommen.«

»Sehen Sie, drüben am Myojin-Riff steigt auch Rauch auf!« Yukinaga schaute durch das Fernglas, das er von Tadokoro übernommen hatte. »Das scheint aber kein allzu großer Vulkan zu sein.«

»Und die Erschütterung vorhin - kam die von einer Flutwelle?«, fragte Onodera.

»Ja. Aber von einer kleinen«, entgegnete Tadokoro.

Onodera ließ sich das Fernglas von Yukinaga geben. Orangene Flammen züngelten aus dem Meer hervor. Die Spitze des Felsens war weggesprengt worden. Um die Insel herum begann das Meer zu kochen, der braune Rauch und der weiße Dampf schienen die Flammen zu ersticken. Der Rauch stieg höher und höher in den Himmel, ein Teil breitete sich jedoch als schwere Schicht über dem Wasser aus. Glühende Geschosse und Bimsstein wühlten die See auf wie eine plötzliche Bö und peitschten das Wasser unter dem Rauchmantel zu Schaum. Und die Oberfläche des Meeres erbebte unter den fortgesetzten dumpfen Explosionen.

Während sie sich auf den Vulkan konzentrierten, hatte die Hokuto ihre Geschwindigkeit erhöht. Die Bugwelle ergoss sich über das Vorderdeck, und die Gischt brannte den Männern im Gesicht. Das Schiff erzitterte, und das laute Geräusch der Turbinen klang, wie wenn der Wind durch eine Höhle pfeift.

»Wir werden uns nicht aufhalten«, sagte der Kapitän, als er von der Brücke herunterkam. »Sobald ich Sie zum Vermessungsschiff gebracht habe, muss ich nach Torishima zurück und die Leute vom Wetterdienst aufnehmen.«

»Tori-shima?«, fragte Yukinaga überrascht. »Gibt es dort auch Anzeichen von einem Ausbruch?«

»Ich weiß es nicht. Es sollen vorbeugende Maßnahmen sein - übrigens, Sie werden hier ganz nass. Ich denke, Sie sollten lieber nach unten gehen.« Als der Kapitän wieder die Treppe zur Brücke hinaufstieg, wandte er sich noch einmal um und sagte: »Oh, was ich noch sagen wollte: Die Flutwelle vorhin scheint mit dem Unterwasserausbruch nichts zu tun zu haben. Wir haben gerade eine Warnmeldung über ein Seebeben im östlichen Teil des Ogasawara-Grabens erhalten, es ist sehr wahrscheinlich, dass es die Welle ausgelöst hat.«

Aus irgendeinem Grund hatte diese Nachricht zur Folge, dass sich Tadokoros Gesicht auffallend verfinsterte.

 

Es war sieben Uhr abends, als die Hokuto an dem verabredeten Treffpunkt achtzehn Meilen nordöstlich von Tori-shima eintraf. In diesen Breiten war die Strahlung der untergehenden Sonne noch von großer Intensität, der Meeresspiegel lag jedoch glatt und ruhig unter den sengenden Strahlen, nur hin und wieder bewegt von einer leichten Brise aus Südsüdost.

Die Wadatsumi wurde mit einem Ladekran zu Wasser gelassen und mit Hilfe von Schlepptauen zur Daito Maru 3, dem Schiff des Wetterdienstes, gezogen, wo sie wieder emporgehievt und sicher auf dem Achterdeck vertäut wurde.

Als in der Dämmerung die Arbeit beendet war, ließ die Hokuto ihre Sirene ertönen und verschwand mit voller Fahrt in Richtung Tori-shima.

Onodera überließ Yuki das Kommando über die Sicherung der Wadatsumi und begab sich vom Achterdeck der Daito Maru nach unten. In einem der Gänge öffnete sich vor ihm die Tür zur Offiziersmesse, und Yukinaga steckte den Kopf heraus.

»Onodera«, rief er, »kommen Sie herein, wir brauchen Sie hier auch.«

Onodera trat durch die Tür und erblickte etwa zehn Männer, Wissenschaftler und Forschungspersonal, die den Tisch der Messe umstanden, auf dem Seekarten und andere Papiere ausgebreitet waren.

»Die polynesischen Fischer, die auf der Insel waren, als sie sank - wo befinden die sich jetzt?«, fragte Tadokoro mit lauter Stimme. »Sind sie an Bord?«

»Wir haben gerade nach ihnen geschickt«, antwortete ein älterer Mann, jeder Zoll ein Universitätsprofessor. »Morgen werden sie von einem amerikanischen Marineboot übernommen und in ihre Heimat gebracht.«

»Ich habe den Eindruck, meine Herren...« Tadokoro richtete den Blick auf die um den Tisch versammelte Gruppe, »...dass ziemlich viel Wind um eine unbedeutende kleine Insel gemacht wird. Da ist der Wetterdienst, das Amt für Fischereiwesen, das Amt für Technologie, und alle bemühen sich darum, ein Schiff dieser Größe auszurüsten und loszuschicken. - Was für eine Insel war es überhaupt?«

»Ein Schiff des Wetterdienstes hat sie erst vor fünf oder sechs Jahren entdeckt«, antwortete ein Vertreter des Meteorologischen Dienstes. »Sie war sehr klein - nur anderthalb Kilometer von Nord nach Süd und 750 Meter von Ost nach West. Die höchste Erhebung erreichte gerade eben siebzig Meter über dem Meeresspiegel.«

Die Tür öffnete sich, und ein etwa fünfzigjähriger Mann trat ein. Er hatte unwahrscheinlich breite Schultern, und die Sonne hatte seine Haut dunkelbraun getönt. Die Arme, vom T-Shirt unbedeckt, waren kräftig und muskulös, und sein Körper roch nach Fisch und Maschinenöl. Hinter ihm betraten zögernd drei hochgewachsene Männer mit kohlrabenschwarzer Haut und verstört starrenden Augen den Raum. Zwei von ihnen trugen zerschlissene, von der Sonne ausgebleichte Buschhemden, der dritte ein zerrissenes Unterhemd, das eine dunkelbraune Farbe angenommen hatte. Die Lippen der Männer waren aufgeworfen, das Haar stand von ihren langen, schmalen Köpfen leicht gesträubt ab, wie die Haube eines Kranichs. Der älteste von ihnen hatte angegrautes Haar, Gesicht, Brust und Oberarme waren mit blauen Tätowierungen bedeckt.

Der Stämmige, der sie hereingeführt hatte, nahm seine ölverschmierte Arbeitsmütze ab, verbeugte sich höflich und stand dann unsicher und verlegen da.

»Das ist Herr Yamamoto von dem Fischerboot Suiten Maru 9, auf dem die polynesischen Fischer gerettet wurden«, erläuterte der Vertreter des Meteorologischen Dienstes. »Da er ein wenig polynesisch spricht, war sein Kapitän so freundlich, ihn mitzuschicken. Er sagt, dass diese Männer, die auf der Insel waren, als sie unterging, Fischer von der Insel Uragasu seien.«

»Wir wollen hören, was Sie uns zu sagen haben.« Todokoro gab ihnen ein Zeichen, sich zu setzen. »Ich bin sicher, dass Sie den anderen bereits alles erzählt haben, aber wir würden uns freuen, wenn wir es noch einmal hören könnten.«

»Also«, sagte der Fischer, »gestern befand sich unser Boot irgendwo nordnordöstlich vom Yamome-Felsen im nordöstlichen Teil der Ogasawara-Kette, und wir fischten. Am Nachmittag erreichte uns ein Wetterbericht mit der Warnung vor einem tropischen Gewitter. Wir bereiteten schnell unsere Abfahrt vor, aber der Motor bockte. Wir machten zwar ein bisschen Fahrt, aber es ging nur langsam voran. Das Unwetter sollte nicht allzu stark werden, aber das Ruder gehorchte nicht recht. Es musste etwas geschehen, und wir überlegten, bei welcher Insel wir Schutz suchen könnten. Wir beschlossen, lieber diese Insel ohne Namen anzulaufen, als es noch weiter bis Tori-shima zu versuchen. Wir erreichten die Insel bei Sonnenuntergang. Wir ankerten etwa 65 Meter vor der Bordseite, und alle, außer den Maschinisten, legten sich aufs Ohr. Es war eine richtig pechschwarze Nacht, bewölkt und ohne einen einzigen Stern.«

»Wie tief war es am Ankerplatz?«, fragte Yukinaga.

»Ich glaube, etwas über 15 Meter. Aus dem Funkbericht, den wir hörten, erfuhren wir, dass das Unwetter uns nur gestreift hatte und nach Osten abgezogen war. Da waren wir alle beruhigt und legten uns schlafen. Und dann - ja, warten Sie. Ich weiß, dass es schon vor drei Uhr hell zu werden begann. Vom Bug her kam plötzlich eine Bewegung, als ob das Schiff hinabgezogen würde. Ich war wach, denn ich war aufgestanden, um auf den Abort zu gehen, und es geschah gerade, als ich zurückkam. Ich hörte den Kapitän von oben rufen: Was ist los? Und die Wache rief zurück: Alles in Ordnung. Also legte ich mich wieder hin. Als ich dann aufwachte, war es nach vier Uhr. Ich hörte an Deck lautes Rufen und ging deshalb nach oben, um zu sehen, was es da gab. Sie riefen alle, dass die Insel verschwunden sei. Die Wolken hatten sich verzogen, und die Wasserfläche war ziemlich hell. Wir sahen uns um und fanden nichts mehr, nicht eine Spur von der Insel, obgleich sie doch noch am Abend vorher vor unserer Nase so wirklich und wahrhaftig dagelegen war wie nur möglich. Unser Boot schwamm einsam auf der offenen See, soweit man in jede Richtung blicken konnte. Wir trieben dahin, mit abgestelltem Motor. Irgendeiner sagte: Die Ankerkette ist gerissen.Aber in Wirklichkeit hing der Anker herab, ohne den Boden zu berühren. Dann schrie die Wache plötzlich: Da ist jemand im Wasser. Wir sahen hin und erblickten Männer, die in der Nähe des Bootes schwammen und irgendetwas riefen. Wir holten sie sofort heraus, und das hier sind sie.«

»Aha.« Tadokoro tat einen schnellen Atemzug. »Diese Männer also - sie waren in jener Nacht auf der Insel.«

»Sie behaupten es. Die Segel waren ihnen im Sturm zerrissen, und so haben sie gestern Mittag dort angelegt.«

»Ich nehme an, dass man Sie bereits mehrmals gefragt hat«, sagte Yukinaga, »aber haben Sie die Wassertiefe an der Rettungsstelle gemessen?«

»Ja. Am Boot waren es 600 Meter. Aber wir stellten später fest, dass wir mindestens anderthalb Meilen von unserem Ankerplatz in Richtung Norden abgetrieben worden waren. Der Kapitän hat gesagt, das ist das verrückteste Ding gewesen, von dem er je gehört hat. Und mit den reparierten Maschinen gewannen wir dann Fahrt und brausten auf Teufel komm raus in Richtung Süden; und unterwegs nahmen wir ständig Tiefenlotungen vor. Es waren noch nicht fünfzehn Minuten vergangen, als der Maat rief: Kapitän, das Wasser wird plötzlich ganz flach. Wir haben hier 48 Meter. - So flach ist es in diesem Gebiet aber selten, sagte der Kapitän. Kommen Sie doch her und werfen Sie einen Blick auf die Tiefenkarte, sagte der Maat. Sehen Sie? Dann drehte der Maat die Kompasspeilung um zehn Grad nach West und befahl Viertelkraft. Dann signalisierte er langsame Fahrt und hielt scharf Ausschau, während er das Schiff vorwärtsmanövrierte. Der Kapitän stand hochaufgerichtet an der Bugspitze - er hatte Lotsenerfahrung und schaute, da die Sonne mit der Zeit aufgegangen war, konzentriert auf das Wasser vor dem Schiff. War hier nun eine Insel oder nicht? murmelte er. Doch dann, ganz plötzlich, konnte selbst ich erkennen, dass die Färbung des Wassers sich zu verändern begann. Achtung, es wird flach!, brüllte der Kapitän. Kapitän, wir befinden uns jetzt genau über der Insel, rief der Maat. Wenn das so ist, dann Vorsicht, rief der Kapitän zurück, wir sind schon fast über die Insel weg. Der tiefere Teil, über den wir kurz zuvor gekommen sind, muss die kleine Bucht gewesen sein, die der Krater gebildet hat. Eine Stelle war über einhundert Meter tief. Jetzt passieren wir gerade den Gipfel am Südzipfel der Insel. Aber sogar hier beträgt die Tiefe noch zehn Meter...«

Yamamoto schloss den Mund, seine Geschichte war zu Ende. In der Messe herrschte völlige Stille.

Schließlich sprach der ältere Mann, dessen Auftreten sehr beherrscht war. Onodera hatte in ihm inzwischen einen bedeutenden Vertreter der Ozeanographie erkannt. »Und, meine Herren, während diese namenlose kleine Insel unterging, sank Tori-shima um etwa einen Meter.«

»Nun, lassen Sie uns hören, was diese Männer zu sagen haben«, sagte Tadokoro und wandte sich an die drei Polynesier. »Können Sie einigermaßen übersetzen?«

Yamamoto kratzte sich den Kopf und begann. Aber weder sein Polynesisch noch das Japanisch des alten Mannes oder das Englisch des jüngeren reichten aus, als es um Einzelheiten ging. Doch die drei Eingeborenen, Naturkinder, die sie waren, machten den Anwesenden wortreich und unter geschickter Verwendung von Gesten und Geräuschen die Umstände des Versinkens begreiflich.

Nachdem sie den Tag damit verbracht hatten, ihr beschädigtes Fahrzeug zu reparieren, hatten sich die Polynesier in einer Höhle in der Klippenwand, die auf die kleine Bucht hinabsah, schlafen gelegt. Mitten in der Nacht wurden sie von dem Geräusch der Wellen geweckt und stellten fest, dass die See bis an die Öffnung der Höhle gestiegen war.

Hatte ein Erdbeben stattgefunden? Hatten sie irgendein Grollen vernommen?

Sie antworteten, dass sie nichts dergleichen bemerkt hätten. Und als jemand fragte, wie schnell die Insel gesunken sei, beugte sich der Jüngste anstelle einer Antwort nach vorn, berührte den Boden mit den Händen und führte sie allmählich nach oben, bis sie sich in Brusthöhe befanden.

»Wie ein Unterseeboot«, meinte einer.

Überstürzt hatten sie die Spitze der Klippe erklommen und dann die höchsten Erhebungen der Insel, die nachdringende See auf den Fersen. Der Gipfel war bald zu einem Felsbrocken inmitten der schwarzen Meeresoberfläche zusammengeschrumpft und wurde bedrängt von hungrigen weißen Wellen. Bald war auch er überspült, und die drei Männer wurden weggetrieben, inmitten von Wirbeln jeglicher Größe. Vom panischen Entsetzen gepackt, glaubten sie sich bereits verloren, aber da trafen sie auf ein großes Stück Treibholz und hielten sich bis Tagesanbruch abwechselnd daran fest.

»Nun«, sagte Tadokoro, nachdem sie alles erzählt hatten, »es gibt genügend Berichte über sinkende Inseln, aber eine so große Insel... und dass sie so schnell sinkt... Nun, meine Herren, so etwas begegnet einem nicht alle Tage, nicht wahr?«

»Das ist noch längst nicht alles«, sagte der grauhaarige Ozeanograph gelassen. »Das Fischerboot hat mit einer Boje den höchsten Punkt der Insel markiert.«

»Sie haben sie gefunden?«

»Ja, wir haben sie gefunden. Und wir haben festgestellt, dass wir uns ohne Frage über der Insel befanden. Aber zu dem Zeitpunkt lag der Gipfel schon einhundert Meter unter dem Meeresspiegel. Was halten Sie davon, Tadokoro? Der gesamte Meeresgrund dieses Gebietes ist in nur zweieinhalb Tagen um etwa 170 Meter gesunken.«

 

Nach langsamer Fahrt, während der wiederholt Echolotungen vorgenommen wurden, stoppte die Daito Maru am folgenden Morgen um sieben Uhr über der versunkenen Insel. Das Meer war friedlich. Der Tanker Tatsumi Maru, der dem Institut für Meeresbodennutzung gehörte, warf seine Anker in etwa dreihundert Meter Entfernung von der Daito Maru. Er diente als Versorgungsschiff für das Tauchboot, und auf seinen Decks war alles eifrig mit Vorbereitungen beschäftigt. Ein Ladekran hob die Wadatsumi vom Deck und ließ sie langsam zu Wasser. Onodera und Yuki gingen an Bord, das heißt, sie sprangen auf das Deck des gefährlich schlingernden Tauchboots. Onodera schlüpfte durch den Einstiegschacht des Kommandoturms und ließ sich in die Gondel hinab. Dann dirigierte er nach den Anweisungen, die Yuki ihm durch die offene Luke gab, das Tauchboot geschickt hinüber zur Tatsumi Maru.

Auf Deck der Tatsumi Maru wehte die rote Flagge, die Rauchverbot anzeigte. Treibstoffgeruch lag in der Luft. Die Wadatsumi, deren weißer Rumpf auffallend modisch mit zwei roten und zwei orangefarbenen Streifen verziert war, wurde wie vorgesehen langsam in die richtige Trimmlage gebracht. Laut Plan waren drei Tauchfahrten jeweils an verschiedenen Stellen vorgesehen. Die erste sollte zweieinhalb Stunden oder, wenn es geraten schien, noch länger dauern.

Die ersten Teilnehmer waren Tadokoro und ein junger Ingenieur des Amtes für Fischereiwesen. Nachdem beide durch die Luke in die Gondel hinabgestiegen waren, gab Onodera mit hochgerecktem Daumen das Zeichen, den Greifarm zu lösen. Laut ratternd schwang der Arm aus und schob die Wadatsumi von der Längsseite des Tankers weg. Das Tauchboot schwamm frei auf den Wellen, der Kommandoturm schwankte von einer Seite zur anderen. Onodera krümmte den Zeigefinger, steckte ihn zwischen die Zähne und stieß einen grellen Pfiff aus, um mögliches Unheil von sich abzuhalten. Vom Arbeitsdeck der Tatsumi Maru ertönte ein Antwortpfiff von Yuki. Onodera begab sich durch den fast fünf Meter langen engen Einstiegschacht hinunter, ließ sich in die Gondel hinab und schloss den Lukendeckel hinter sich.

»Also, dann los«, sagte Onodera zu den beiden Männern, die voller Spannung hinter ihm saßen, während er seine letzte Routineüberprüfung des Langwellenempfängers vornahm. Er verringerte die Innenbeleuchtung, packte mit einer Hand den Steuerknüppel und presste die Luft aus den vorderen und hinteren Fluttanks. Geräuschvoll schäumte das Wasser um die Wadatsumi auf und stieg rauschend an den Beobachtungsfenstern vorbei nach oben. Yuki sah vom Deck der Tatsumi Maru den weißorangenen Kommandoturm der Wadatsumi langsam in die Wellen sinken, während von Bug und Heck Blasen aufstiegen.

Onodera warf den Motor an. Die aufwärts gerichtete Heckschraube begann sich langsam zu drehen.

»Wir gehen mit Vollgas steil neben der Insel hinunter. Etwa sechzig tief. Bitte festhalten.«

Onodera drückte den Steuerknüppel kräftig nach vorn und dann nach rechts. Die Wadatsumi tauchte, in einem Bugwinkel von etwa 15 Grad sank sie in einer Spirale nach unten. Tadokoro und der Ingenieur schauten abwechselnd auf den Fernsehschirm und durch das Fenster hinaus.

»Da ist sie«, murmelte Todokoro, seine Stimme klang fast wie ein Knurren. »Da ist sie.«

Es war inzwischen neun Uhr, doch hier unten in der Tiefe war es noch nicht so hell. Das Wasser aber war klar, und auf dem Schirm der schwenkbaren Fernsehkamera erkannte man undeutlich die aus der dunklen Tiefe aufragenden riesigen Umrisse der noch schwärzeren Landmasse der unterseeischen Insel. Nur der Berggipfel schimmerte schwach, die abschüssige Seite der Insel, die sich in tausend Faden tiefes dunkles Wasser hinabsenkte, entzog sich immer mehr dem Blick.

»Halten Sie genau darauf zu«, sagte Tadokoro und schaltete den Videorecorder ein.

Onodera bewegte den Steuerknüppel ganz vorsichtig, um den Kurs des Bootes zu korrigieren und um es zur Insel zu lenken. Vorsichtig schaltete er den Rückwärtsgang ein, und das Boot kam zum Stillstand. Er ließ ein wenig Stabilisierungsluft ab und setzte erneut zum Tauchen an, nachdem er den Bug des Schiffes um fünfzehn Grad gesenkt hatte. Als glitten Theaterkulissen in ihre Position, so tauchte verschwommen der Gipfel der namenlosen Insel am unteren Rand des Fernsehschirms auf. Der Bug des Tauchbootes war jetzt knapp dreihundert Meter davon entfernt. Professor Tadokoro drückte auf einen Knopf, und der kleine Videorecorder begann leise surrend mit der Aufzeichnung.

Onodera schaltete das Echolot ein.

»Schalten Sie es aus, sobald Sie glauben, dass es soweit ist«, sagte er und beobachtete scharf die zitternde Nadel des Echometers und den Zeiger des Tauchgeschwindigkeitsmessers. »Wir haben noch ein ganz schönes Stück vor uns.« In etwa zehn Metern Entfernung vom Hang des Berges schaltete Onodera die Maschine auf volle Fahrt zurück, und die Wadatsumi, deren Nase noch immer um 15 Grad geneigt war, schoss rückwärts wie ein Zahnkarpfen.

»Wollen wir den Abhang hinunter, Professor?«, fragte Onodera.

»He, nicht so stürmisch, wenn ich bitten darf«, ertönte Yukis Stimme von der Tatsumi Maru aus dem Funkgerät. »Wir glaubten schon, ihr kracht dagegen.«

»Versuchen Sie, den Gipfel zu umfahren«, sagte Tadokoro, »dann sehen wir den Hang hinunter.«

»Professor Tadokoro«, sagte Onodera, während er das Boot wieder vorwärts manövrierte, »obwohl sich der Meeresboden in zwei Tagen um fast 200 Meter gesenkt hat, gab es keine Flutwelle, nichts. Was meinen Sie, ist der Grund?«