Wenn wir wieder leben - Charlotte Roth - E-Book
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Wenn wir wieder leben E-Book

Charlotte Roth

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Beschreibung

Eine tragische Familiengeschichte und die Geschichte einer großen Liebe, die ins Nazi-Deutschland zurückführt. Der neue große historische Roman von der Bestseller-Autorin Charlotte Roth. Das vornehme Ostseebad Zoppot bei Danzig in den 1920er Jahren. Hier herrschen überschäumende Lebenslust und unbeschwerte Sommerfrische. Die vier Freunde Lore, Gundi, Julius und Erik erfreuen die Kurgäste mit flotten Rhythmen und eingängigen Melodien und träumen vom Durchbruch als Musiker. Bald ist ihnen tatsächlich Erfolg beschieden, auf dem Luxusschiff Wilhelm Gustloff befahren sie die Meere – und ignorieren, dass sich die Zeiten schon lange geändert haben. Gundi verliebt sich in den Sänger Tadek, aber dann überfällt Hitler Polen, und Tadek schließt sich dem Widerstand gegen die Nazi-Besatzer an: Das Ende einer großen Liebe?

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Charlotte Roth

Wenn wir wieder leben

Roman

Knaur e-books

Über dieses Buch

Eine tragische Familiengeschichte und die Geschichte einer großen Liebe, die ins Nazideutschland zurückführt

Das vornehme Ostseebad Zoppot bei Danzig in den 1920er Jahren. Hier herrschen überschäumende Lebenslust und unbeschwerte Sommerfrische.

Die vier Freunde Lore, Gundi, Julius und Erik erfreuen die Kurgäste mit flotten Rhythmen und eingängigen Melodien und träumen vom Durchbruch als Musiker.

Bald ist ihnen tatsächlich Erfolg beschieden, auf dem Luxusschiff Wilhelm Gustloff befahren sie die Meere – und ignorieren, dass sich die Zeiten schon lange geändert haben. Gundi verliebt sich in den Sänger Tadek, aber dann überfällt Hitler Polen, und Tadek schließt sich dem Widerstand gegen die Nazi-Besatzer an: Das Ende einer großen Liebe?

Inhaltsübersicht

WidmungMottoGedichtWanda1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. KapitelGundi5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. KapitelWanda17. Kapitel18. Kapitel19. KapitelGundi20. Kapitel21. Kapitel22. Kapitel23. Kapitel24. Kapitel25. Kapitel26. Kapitel27. Kapitel28. Kapitel29. KapitelWanda30. Kapitel31. Kapitel32. KapitelGundi33. Kapitel34. Kapitel35. Kapitel36. Kapitel37. Kapitel38. Kapitel39. Kapitel40. Kapitel41. Kapitel42. Kapitel43. KapitelWanda44. Kapitel45. Kapitel46. Kapitel47. KapitelGundi48. Kapitel49. Kapitel50. Kapitel51. Kapitel52. Kapitel53. Kapitel54. Kapitel55. Kapitel56. KapitelGda´nsk, Berlin57. Kapitel58. KapitelNoch ist Polen nicht verlorenGlossarLeseprobe »Grandhotel OdessaDie Stadt im Himmel«
[home]

Für dich, Omi, für dein Sopot, für dein Gdańsk.

Dein jüngster Urenkel, der mit mir in deiner Heimat war, würde sagen: »Danke so viel.«

[home]

»Maikäfer flieg,

Der Vater ist im Krieg.

Die Mutter ist in Pommerland,

Pommerland ist abgebrannt,

Maikäfer flieg.«

Kinderlied, Herkunft unbekannt

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Świt na morzu – Morgen am Meer

 

»Wenn du wiederkommst,

Weißt du, wo du mich findest.

Ich bin in der Frühe am Strand

So wie damals.

Der Wind wird wie immer sein

Und das Meer so grau, wie du es kennst.

Nur ich werde nicht mehr dieselbe sein,

Aber sorge dich nicht. Das wird niemand merken.

 

Morgen am Meer.

Gott verdamm mich – unser Morgen am Meer.

In die Stille gehüllt wie in deinen alten Mantel

Füße schwer vom Treibgut, standen wir in der Gischt.

Ich stehe noch immer und warte,

Auch wenn die Stille kein Echo mehr hat.

 

Du kommst nicht wieder,

Und niemand findet mich mehr

In der Frühe am Strand.

Vorbei ist vorbei.

So wie immer bleibt nur der Wind

Und das Meer mit seinem Vor und Zurück.

Das mit dir und mir ist lange vergessen,

Und die Welt merkt nicht, dass wir fehlen.

 

Morgen am Meer …«

Lied der Vier aus Zoppot, Herkunft umstritten

[home]

Erster Teil

Wanda

Berlin

Herbst 1963

»Espenbaum, dein Laub blickt weiß ins Dunkel.

Meiner Mutter Haar ward nimmer weiß.«

Paul Celan: »Espenbaum«

1

Die Tische in der Mensa waren wie Gesichter, fand Wanda: manche neu und aus glattem Pressspan, manche von irgendwo angeschleppt und fremd, manche alt und übersät von Narben.

An einem der Narbentische saßen sie zu dritt: Helga Landschulze, die nicht hierhergehörte, Sigi Witthuhn, die schon ein Jahr lang studierte, und Wanda, die vor vier Wochen angefangen hatte. Helga fuhr in ihrer Mittagspause die ganze Strecke zur Uni nach Dahlem, weil sie behauptete, das Geld fürs Pausenbrot sparen zu müssen. »Was verdient eine wie ich denn schon? Weniger als die Spaghettifresser in der Eisdiele. Und mein Vater missgönnt mir jedes Gramm Margarine, das ich mir auf die Stulle kratze.«

In Wahrheit, so vermutete Wanda, bestrich sich Helga ihre Brote dick mit Schmalz oder Mettwurst und verschlang sie auf dem Weg zur Universität, wo sie sich von Wanda ein Essenstablett samt Nachtisch holen ließ. Helga war immer hungrig. »Das ist so eingebrannt, von der schlechten Zeit«, sagte sie zu Wanda. Und: »Du verstehst das nicht, du kennst ja keinen Hunger.«

Damit hatte sie recht. Solch einen Hunger, wie er Helga umtrieb, kannte Wanda nicht, weshalb sie ihr das Tablett, das ihr als Studentin zustand – Erbsensuppe mit Würstchen und Milchreis mit brauner Butter –, gern überließ. Sie mochte die aus Blechkübeln ausgeteilten Gerichte sowieso nicht. Sie rochen unangenehm, waren mit einer Haut überzogen und machten ihr keinen Appetit.

Essen – das begann für Wanda mit dem Duft, der ihr daheim, in der Alboinstraße, schon im Treppenhaus entgegenschlug. Das Gänseklein auf dem Herd, das Matti behutsam rührte, die Sauerkrautsuppe mit frisch geröstetem Speck, der lange Tisch, an den sie alle sich setzten, und die weißen Teller mit der blauen Schrift, von denen sie gerade sechs besaßen, der sechste, den sie nur zu Weihnachten brauchten, war am Rand angeschlagen. Auf dem Herd standen immer Töpfe, in denen etwas vor sich hin köchelte – Holundergelee oder Hühnerbrühe und vor Weihnachten Markknochen für den Karpfen in Aspik. Es war warm, die Luft feucht vom Dampf, und vier Gesichter blickten ihr entgegen. Sie war erschöpft und froh, daheim zu sein. Die Mensa-Erbsensuppe mit der Haut konnte getrost Helga essen, Wanda dagegen freute sich auf den Abend zu Hause.

Sigi, eine Arzttochter im dritten Semester, die Wanda unter ihre Fittiche genommen hatte, schien Hunger gar nicht zu kennen. In ihrem milchfarbenen Pullover wirkte sie knochig, führte einen Löffel Erbsen zum Mund und schob dann Helga angewidert ihr Tablett hin. »Meines können Sie auch haben, wenn Ihnen so was schmeckt. Dass deutschen Studenten so ein Fraß vorgesetzt wird, ist eine Schande, aber unsere Studentenvertreter wühlen ja lieber alten Schlamm auf, statt sich um banale Bedürfnisse zu kümmern.«

»Eine wie ich kann sich’s nicht leisten, den Suppenkasper zu spielen«, sagte Helga, zog das Tablett zu sich und begann gierig, den Eintopf in sich hineinzulöffeln. »Bei uns wird gegessen, was auf den Tisch kommt, oder der Magen bleibt leer.«

»So, als würde Ihr Magen oft leer bleiben, sehen Sie aber nicht aus«, bemerkte Sigi, ließ Helgas giftigen Blick an sich abprallen und steckte sich eine Zigarette an.

Es war anstrengend, mit den beiden zusammenzusitzen, weil sie nichts gemeinsam hatten, abgesehen davon, dass sie mit Wanda befreundet waren. Wobei Helga der Meinung war, Wanda sei treulos, wenn sie Sigi als Freundin bezeichnete. Schließlich kannte sie die Arzttochter erst seit vier Wochen, ihre wirkliche Freundin – Helga – dagegen bald ihr ganzes Leben. Aber so war Wanda eben. Sie mochte Menschen und fand überall Freunde. »Deine Mutter war genauso, als sie jung war«, sagte Tante Lore. »Sie brauchte die Leute bloß anzusehen, und jeder liebte sie.«

Wandas Mutter, die Wanda und ihre Schwestern nicht Mutti, sondern Matti nannten, kam selten aus dem Haus und hatte daher kaum Gelegenheit, Freunde zu finden, aber alle Freunde von Wanda liebten sie. Sie brauchte sie nur anzusehen. »Deine Matti ist solch ein Schatz«, sagte Helga, die in der Wohnung in der Alboinstraße ein und aus ging. »Du weißt gar nicht, was für ein Glück du hast.«

Das sagte Helga oft: Wanda wisse gar nicht, was für ein Glück sie habe, weil ihre Mutter ein Schatz war und Tante Lore »auch eine ganz Liebe«, weil sie keinen Vater hatte, der die Stütze versoff und Prügel austeilte, keinen ewig bevorzugten Bruder, sondern nur zwei bescheidene Schwestern, weil sie studieren durfte, statt sich im miefigen Dampf einer Wäscherei die Beine in den Bauch zu stehen, weil jeder sie mochte, obwohl sie sich nicht halb so viel Mühe gab wie Helga.

Doch, dachte Wanda, sooft Helga das sagte, doch, ich weiß, was für ein Glück ich habe, ich spüre es jeden Tag, wenn ich aufwache und höre, wie Matti in der Küche Hagebuttentee brüht und dabei leise, fast lautlos summt. Aber ich spüre auch, dass mir etwas fehlt. Ich war gut in der Schule, meine Lehrer haben mich für ein Studium empfohlen, doch als der Direktor mich fragte, was ich gern aus mir machen würde, ist mir keine Antwort eingefallen.

»Etwas mit Musik«, hatte sie gemurmelt und sich geschämt, denn sie spielte nicht einmal Blockflöte und stammte aus keiner Musikerfamilie. In der Wohnung in der Alboinstraße gab es zwar ein Instrument, aber niemand spielte darauf. Matti und Tante Lore machten sich nichts aus Musik, doch anders als Helgas Eltern, die deren Lieblingslieder Negermusik und krankes Geheule nannten, hatten sie Wanda niemals verboten, Radio zu hören. Im Gegenteil. Sie hatten sogar gespart, um im Kaufhaus Held die Anzahlung für einen Plattenspieler zu entrichten, und Freitag für Freitag, wenn Tante Lore ihre gelbe Lohntüte nach Hause brachte, legten sie als Erstes das Geld für die Rate beiseite. Sie hatten Wanda nicht einmal gefragt, ob sie sich einen Plattenspieler wünschte, sondern nur miterlebt, was mit ihr geschah, wenn sie Musik hörte.

Was genau das war, begriff sie selbst nicht, aber es funktionierte bei so gut wie jeder Musik, selbst bei Blaskonzerten der Heilsarmee und seichten Schlagern von Connie Francis. Als wäre ihr Körper elektrisiert, jede Sehne gespannt, jede Pore geöffnet, um die Klänge einzusaugen. Bei Songs der Beatles glaubte sie, an sämtlichen Gliedern zu zucken, und bei Liedern von Édith Piaf, die in diesem Jahr verstörend jung gestorben war, wurde ihr schwindlig, weil die Musik ihr so naheging.

Padam, padam, padam.

Wilde Traurigkeit, die bis zum Umfallen tanzte.

Wanda verstand weder vom einen noch vom anderen etwas, von Tanz so wenig wie von Traurigkeit, und von Musik am allerwenigsten. Also hatte sie sich für die Studienfächer Deutsch und Geschichte entschieden und beschlossen, Lehrerin zu werden. Was fing man auch sonst mit einem Studium an? Wandas Familie kannte höchstens eine Handvoll Menschen, die studiert hatten – den Priester ihrer Gemeinde, den Hausarzt und die Lehrer, die Ari, Vera und Wanda unterrichtet hatten. Priester konnte sie nicht werden, und für ein Medizinstudium tat sie sich zu schwer mit den Naturwissenschaften.

Lehrerin dagegen schien machbar. Der Direktor hatte genickt: »Warum nicht, das Zeug dazu dürften Sie Ihren Zeugnissen nach ja besitzen. Ich hoffe, Sie wissen, was für ein Glück Sie haben, Fräulein Scharneck.«

Unter den sechzehn Abiturienten ihres Jahrgangs war Wanda das einzige Mädchen gewesen. Sie wusste, was für ein Glück sie hatte, auch wenn das Glück manchmal schwerer zu schleppen war als die lederne Mappe, die Matti und Tante Lore ihr zum Studienbeginn geschenkt hatten. »Wer hätte das gedacht?«, hatte Tante Lore gesagt. »Nach allem, was war, schafft es eine von uns an die Universität. Wir sind stolz auf dich, Wanda.«

»Bist du heute zurechtgekommen?«, unterbrach Sigi Wandas Gedankenfluss und stippte Asche auf Helgas Tablett. »Wenn nicht, frag mich ruhig. Ich erkläre dir gern, was du nicht verstanden hast.«

Sie hatten gemeinsam zum zweiten Mal ein Proseminar zur Lyrik der Heidelberger Romantik besucht. Der Professor, der es hielt, sprach mit schnarrender Stimme, marschierte mit ausladender Gestik vor dem Pult auf und ab und trug am Handgelenk zwei Uhren, um derentwillen er Wanda in der Eröffnungsveranstaltung zusammengestaucht hatte. Dass ein Professor schrie, bis er rot anlief, hatte sie nicht erwartet, und seine Gegenwart machte sie so beklommen, dass sie Mühe hatte, sich zu konzentrieren.

»Was macht ihr denn da, was so schwer zu verstehen sein soll?«, fragte Helga. »Aber ich bin euch ja sowieso zu dumm. Ladenmädchen bei Wäsche Meyer – was ist das schon?«

Sigi drückte die Zigarette aus und ignorierte Helga. »Ich fand es eigentlich nicht schwer zu verstehen«, brachte Wanda heraus. »Eher langweilig. Obwohl ich als Anfängerin so etwas nicht sagen sollte. Ich habe mich nur gefragt …«

Sie ließ den Strom der Worte versiegen und hoffte, jemand würde das Wort übernehmen und mit einem neuen Thema aufwarten. Sie tat das manchmal, Matti tat es ebenfalls, und meistens funktionierte es.

Heute nicht. Sigi hob die Augenbrauen, und Helga, die beide Griesschüsseln leer gelöffelt hatte, fragte: »Ja, was denn nun? Hat’s dir die Sprache verschlagen?«

»Nein, nein«, sagte Wanda und spielte mit dem ausgefransten Band um ihr Handgelenk – wie immer, wenn etwas sie verunsicherte. »Ich habe mich nur gefragt, was das alles mit uns zu tun hat, diese Gedichte über Mondschein und rauschende Brunnen, warum wir uns heute noch damit beschäftigen sollen. Aber ich weiß natürlich, dass es sein muss, wenn ich Deutschlehrerin werden will.«

Sigis Brauen blieben oben.

»Warum du das werden willst, weiß ich sowieso nicht«, sagte Helga. »Aber du warst ja schon immer was Besonderes. Wanda … Wer heißt denn so? Weißt du noch, in der Volksschule? Von zwanzig Mädchen in der Klasse hießen acht Helga, aber zu dir hat der Lehrer gesagt, er wusste nicht mal, dass Wanda ein Name ist.«

»Acht Helgas?«, fragte Sigi. »Ist das Ihr Ernst?«

Helga nickte. »Helga Schulze gab’s zweimal, und dazu ich als Landschulze. Mich hat nie ein Lehrer beim Namen genannt, ich war immer bloß ›eine von den Schulze-Helgas‹.« Mit einer traurigen kleinen Geste schob sie beide Tabletts beiseite und stand auf, um zu gehen. In der nächsten Bewegung hielt sie inne. »Das war ja wieder mal klar«, murmelte sie. »Sobald ich losmuss, lässt sich hier was Hübsches blicken.«

Wanda drehte sich um. An ihren Tisch waren zwei junge Männer getreten, deren Gesichter ihr vage bekannt vorkamen. Wenn sie sich recht erinnerte, saß der Kleinere, dem die überdimensionalen Ohren vom Kopf abstanden, in irgendeiner ihrer Vorlesungen. Der Größere trug kein Essenstablett vor sich her, sondern unterm Arm einen prallen Aktenordner. »Das ist ganz einfach«, sagte er.

»Was ist ganz einfach?«, entfuhr es Wanda.

»Die Antwort auf deine Frage«, sagte der Mann. »Du wunderst dich, was diese Verseschmiede mit ihren Wanderliedern und Wunderhörnern mit uns zu tun haben, und die Antwort lautet: nichts. Nichts haben die mit uns zu tun. Auch wenn deren Deutschtümelei beileibe nicht so harmlos ist, wie das Geschmachte von Nachtigallen und christlicher Erweckung uns glauben machen will.«

Sigi stöhnte. »Verschone uns. Das hier ist die Mensa. Keines deiner Versammlungslokale.«

Helga gaffte immer noch den Mann an, der Wanda so unverblümt und ohne jede Hemmung duzte. Er war groß und hatte ein kantiges Gesicht, umrahmt von ungekämmtem, zu langem Haar.

»Ich bin übrigens Manne«, sagte der Kleinere, der halb verdeckt stand. »Und der Stoffel hier neben mir ist Andras. Dass er’s nicht für nötig hält, sich vorzustellen, dürft ihr ihm nicht übel nehmen. Manieren gehören nicht zu seinen Stärken.«

»Was ja nichts Neues ist.« Sigi verdrehte die Augen. »Gibt es sonst noch etwas, oder könntet ihr so nett sein, Leine zu ziehen und uns in Ruhe essen zu lassen?«

»Du isst doch gar nicht.« Der Kleinere, der sich als Manne vorgestellt hatte, grinste und wandte sich Wanda zu, die ihn jetzt erkannte. Er war ebenfalls in dem Seminar des Professors mit den zwei Armbanduhren gewesen. »Und wo ist dein Teller? Schmeckt’s dir nicht in unserem Lukullustempel?« Er streckte ihr die Hand hin. »Herzlich willkommen an Berlins Freier Universität. Du heißt Wanda, stimmt’s?«

Als Wanda nicht reagierte, hob er die Hände. »Schon gut. Wir sind nicht halb so schlimm, wie wir aussehen, und wir machen uns auch gleich dünne.«

»Nein, nicht!«, rief Wanda. Sie fand den Jungen namens Manne nett und bewunderte, wie selbstbewusst er auftrat, obwohl er nicht älter sein konnte als sie und seiner Ohren wegen sicherlich Spott gewohnt war. Sie wollte nicht, dass die beiden gingen. Der andere – Andras – war nicht nett, aber das, was er über die Dichter der Heidelberger Romantik gesagt hatte, ließ sie nicht los. »Bitte bleiben Sie doch. Ich war nur in Gedanken.«

»Ich bleibe sowieso.« Andras knallte den Aktenordner auf den Tisch und zog sich einen Stuhl heran, dass die Beine über den Boden kreischten. Er ließ sich nieder, stützte die Ellbogen auf die Knie und das Kinn in die Hände. Die Intensität, mit der er Wanda ansah, hätte man unverschämt nennen können, und seine Augen hatten eine seltsame Farbe, Dunkelblau oder Dunkelgrau, die weder zu den schwarzen Haaren noch zu der bleichen Haut passte. »Du sitzt im Proseminar bei Raimund Krankemann mit den zwei Uhren, richtig? Achim von Arnim und Clemens Brentano, die zwei Waldvögelein, die doch nur die Natur besingen und gegen die deshalb auch niemand etwas sagen darf.«

Sein Blick bereitete ihr Unbehagen. Sie konnte nicht länger still sitzen, sondern begann, mit den Füßen zu scharren und an dem Band um ihr Handgelenk zu zupfen. Es bestand nur noch aus ein paar seidenen Fäden, und wenn sie nicht aufhörte, würde es reißen – das Band, das sie schon beinahe so lange trug, wie ihre Erinnerung zurückreichte.

»Auf das Gerede von Andras musst du nichts geben«, sagte Sigi. »Das habe ich dir doch neulich schon gesagt, dieser Politik-Zirkus ist seine Masche. Damit schmeißt er sich an jede ran, und sein Studium hat er längst vergeigt.«

Andras beachtete sie nicht, sondern schloss die Hand um Wandas Gelenk mit dem Band. »Nicht doch«, sagte er. »Wenn du das loswerden willst, besorge ich eine Schere.«

»Ich will’s nicht loswerden!«, rief Wanda.

»Das dachte ich mir.« Noch immer sah er sie unverwandt an. »Was ist das?«

»Es ist …«, begann Wanda und ließ das blaue Band los. »Es ist von meiner Mutter.«

Sie trug es fast so lange, wie sie denken konnte. Matti hatte es ihr gegeben, als sie mit Vera und ein paar Nachbarskindern im Hof Räuber und Gendarm gespielt hatte. Sie hatten aus Zweigen Pistolen gebastelt, mit denen sie aufeinander schossen. Wurde jemand getroffen, musste er sich zu Boden werfen und tot sein. Nicht für immer. Wenn er bis hundert gezählt hatte, durfte er wieder leben, aber dieses Zählen bis hundert kam Wanda vor wie eine bleischwere Ewigkeit.

Wanda mochte das Spiel nicht. Sie spielte nur mit, weil alle anderen wild darauf waren. Ständig stritten sie sich: »Du hast zu schnell gezählt, du musst noch tot sein!«, gellte es über den Hof, sobald jemand sich zu früh rührte.

Wanda war erst sechs, gerade zugezogen, und bis hundert zählen konnte sie nicht. Mit Mühe schaffte sie es bis zwanzig, das war hart genug. Bei der letzten Zahl sprang sie auf. »He, du!«, schrie einer der Spielkameraden. »So einfach wieder leben geht nicht. Wenn du nicht zählen kannst, bleibst du für immer tot!«

Sie weinte nicht oft, galt als fröhliches, umgängliches Kind, doch an diesem Tag war sie in Tränen ausgebrochen.

Matti stand in der Küche, sie hatte das Fenster zum Hof geöffnet und war mit einem Ohr bei ihren Kindern. So schnell, wie sie die zwei Stockwerke hinunter und über den Hof rannte, hätte kein Athlet sie einholen können. Um ihr Haar trug sie ein geblümtes Tuch und über Rock und Bluse eine saubere Schürze. Sie kniete sich vor Wanda aufs Pflaster und schlang die Arme um sie. Kein Kind, dachte Wanda, kein Kind auf der Welt hat eine Mutter, die so schön ist wie Matti.

Wanda wollte nicht, dass Matti mit den anderen Kindern schimpfte. Sie war doch neu hier, musste sich ihren Platz erst erkämpfen. Matti aber schimpfte nicht mit den Kindern. Sie bemerkte sie gar nicht, sondern hatte nur Augen für Wanda. »Ist ja gut, meine kleine Pirogge, mein Pischkachelche, das bekommen wir schon hin.«

»Ich will nicht tot sein, Matti. Totsein ist dunkel. So lange tot sein, bis ich zählen kann, will ich nicht.«

»Weiß ja, Piroggche, weiß ja. Wer will das schon?«

»Und wenn ich so lange tot bin, vielleicht wache ich dann gar nicht mehr auf!« Von Neuem brach Wanda in Tränen aus und begriff sich selbst nicht. Was war an dem Spiel denn so sehr zum Weinen? Was konnte ihr dabei passieren, und woher wollte sie mit ihrem warmen, hellen Leben wissen, dass Tod dunkel war?

»Schau mal her«, hatte Matti gesagt und ihr den Ärmel der Jacke zurückgestrichen. »Haben wir als Kinder auch gespielt, aber wer uns töten wollte, musste uns erst unser Lebensband abnehmen.« Nach kurzem Nesteln zog sie ein hellblaues Band aus ihrem eigenen Ärmel und schlang es lose um Wandas Handgelenk. »Dann musste er selbst bis hundert zählen und es uns wiedergeben. Wer sein Lebensband hatte, dem konnt’ keiner erzählen, er wär tot, und dir erzählt’s auch keiner mehr. Fall einfach um und spiel die Tote – du hast ja dein Band und weißt, dass du noch lebst.«

Wanda hatte auf ihr Handgelenk gestarrt und schniefend aufgeatmet.

»Ist es jetzt besser?«

Sie hatte genickt.

»Mein Nebelkind.« Nur selten nannte sie Wanda so, nur wenn sie allein waren. »Wenn du nicht mehr draußen spielen magst, komm mit mir nach drinnen. Ich koch uns einen Kakao, und die Mohnklöße sind auch gleich schön rösch.«

Aber Wanda mochte nicht nach drinnen kommen. Sie hatte Menschen gern, sie wollte hier Freunde finden, und dazu musste man eben manchmal bei einem ungeliebten Spiel mitmachen. So schlimm war das ja nicht, nicht mehr jetzt, mit ihrem blauen Band. Noch einmal schniefte sie, schüttelte den Kopf und wischte sich mit dem Handrücken die Nase trocken.

Sie brauchte sich nicht mehr zu fürchten. Als Matti gegangen war, hatte sie die Schlaufe des blauen Bandes aufgezogen und es sich mit zwei festen Knoten ums Gelenk festgezurrt. Sie mochte fünf- oder zehnmal bis zwanzig zählen müssen, während die anderen glaubten, sie wäre tot, aber sie würde dabei das blaue Band ansehen und wissen, dass sie am Leben war.

Die Knoten hatten sich am Abend nicht lösen lassen, am nächsten Tag auch nicht, und bis heute saßen sie fest. Wanda war es ganz recht gewesen, auch wenn sie längst keine Spiele auf dem Hof mehr spielte und nicht mehr daran glaubte, dass blaue Seidenbänder vorm Tod beschützten. Dennoch hatte es in all den Jahren gutgetan, das Band an ihrem Puls zu spüren. Wie eine Art Ausweis, den man vorzeigen konnte, um zu beweisen, dass man zum Leben berechtigt war.

Der Mann, der Andras hieß, strich mit einem langen Finger über die am stärksten ausgefranste Stelle. »Lebensband, ja?«

»Haben Sie das auch gespielt?«, platzte Wanda heraus.

»Du«, verbesserte Andras. »Hast du das auch gespielt. Sich zu siezen ist reaktionär – so wie die Gedichte, die der Nazi Krankemann euch lesen lässt.«

»Mir reicht es jetzt«, unterbrach Sigi, »mit deiner ewigen Wichtigtuerei. Einen alten Mann, der zum Andenken an seinen toten Freund dessen Uhr trägt, beschimpfst du als Nazi, romantische Gedichte sind dir zu reaktionär, aber mit dem Schlamm, den du aufwühlst, überschüttest du jeden. Dabei ist der genauso Vergangenheit wie die Texte von Arnim und Brentano, und hören will davon niemand mehr.«

»Deshalb muss ich’s ja jedem in die Ohren blasen«, erwiderte Andras. »Weil sie’s nicht hören wollen, aber hören müssen. Ihr hier, die ihr Lehrer werden wollt, zuerst. Ihr wollt die nächste Generation in Geschichte unterrichten und seid zu feige, eurer eigenen Geschichte ins Gesicht zu sehen?«

»Warum sollten wir dazu zu feige sein?«, entfuhr es Wanda. Sie hatte Geschichte von klein auf geliebt: Kathedralen und Burgen, die Schlössern aus Märchen glichen, Handelsstädte voll prächtiger Bürgerhäuser, Stadttore, Ritterorden und Reichstage. Als Kind hatte sie sich Bildbände in der Bücherei ausgeliehen, weil diese Bilder sie fesselten: Sie waren fremd und geheimnisvoll, doch dabei frei von Gefahr. Sie hatten nichts mit ihrem Leben zu tun und gehörten dennoch auf unergründliche Weise zu ihr.

Zumindest glaubte sie das. Wenn sie manchmal ein Zweifel, eine Art Beklemmung beschlich, wandte sie sich hastig einem anderen Thema zu.

»Die Vergangenheit ist kein Märchenwald voller blauer Blumen«, sagte Andras und schob ihr den Aktenordner hin. »Sie ist ein Friedhof voller Geister.«

»Huch«, machte Helga. »Was soll denn das jetzt?«

»Nichts«, rief Sigi. »Andras Goldfarb spielt sich auf, das ist alles.«

Helga hielt inne und musterte sie. »Schade, dass ich wegmuss«, murmelte sie. »Immer wenn’s interessant wird.«

Unwillkürlich griff Wanda nach dem Band an ihrem Handgelenk. Zugleich dachte sie: Andras Goldfarb. Der Name ist so schön.

»Der Feigling Winkler speist euch mit verklärten Glanzbildchen ab«, sagte der Mann mit dem schönen Namen. »Ich dagegen will Gräber öffnen und Leichen aus Kellern zerren. Das Vergangene ans Licht holen, weil es gar nicht vergangen ist, sondern unter der Oberfläche schwelt und auf den nächsten Ausbruch wartet.«

Für einen Augenblick schwiegen sie alle, sodass das Kreischen der Stuhlbeine, das Klappern der Bestecke und das Raunen der Gespräche sich im Hintergrund verdichtete. Dann sprach Manne: »Jetzt lass es doch gut sein, Andi«, sagte er. »Wen willst du mit der Tür, mit der du ins Haus fällst, eigentlich erschlagen?«

Andras drehte sich zu ihm um, schwieg aber weiter und begann, in dem Aktenordner zu blättern, bis er schließlich ein schmales schwarzes Büchlein hervorzog. Er schlug es auf und legte es vor Wanda hin. »Da«, sagte er. »Warum lest ihr nicht das hier, wenn euch Vergangenes umtreibt?«

Sigi wollte das Buch beiseiteschieben, aber Wanda hatte schon die Hand daraufgelegt. Ohne zu überlegen, zog sie es zu sich und begann zu lesen:

»Espenbaum, dein Laub blickt weiß ins Dunkel.

Meiner Mutter Haar ward nimmer weiß.

Löwenzahn, so grün ist die Ukraine.

Meine blonde Mutter kam nicht heim.

Regenwolke, säumst du an den Brunnen?

Meine leise Mutter weint für alle.«

Wanda jagte ein Schauder über den Rücken. Heftig stieß sie das Buch von sich. »Was ist das?«

»Paul Celan«, sagte Andras. »Ein jüdischer Dichter, dem sie in einem Zwangsarbeiterlager in der Bukowina Mutter und Vater umgebracht haben.« Er nahm das Buch zu sich und las die letzten vier Zeilen:

»Runder Stern, du schlingst die goldne Schleife.

Meiner Mutter Herz ward wund von Blei.

Eichne Tür, wer hob dich aus den Angeln?

Meine sanfte Mutter kann nicht kommen.«

Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Wanda, Matti vor sich zu sehen. Ihre Finger packten das blaue Lebensband und zerrten daran, bis der letzte Faden riss. Ihre Hand wurde steif. Wie erstarrt hing ihr Blick an dem zerfetzten Stoff.

»Wie genau sie gestorben sind, weiß er nicht«, sagte Andras. »Das habe ich gemeint: Weshalb sollen wir verblendete Romantiker lesen, wenn unsere Generation nicht einmal weiß, wer ihre Eltern umgebracht hat. Oder wen sie umgebracht haben?«

»Du liebes bisschen«, sagte Helga. »Da packt einen ja das Grauen. Ich mach lieber, dass ich zu meiner Wäsche zurückkomme, eine wie ich kann sich keinen Rausschmiss leisten.«

Sie ging, und Sigi stand ebenfalls auf. »Wir müssen in unsere Vorlesung«, sagte sie. »Und das nächste Mal sucht euch andere Opfer. Wanda ist neu, die lässt sich von diesem faulen Zauber noch beeindrucken.«

Manne boxte Andras gegen den Arm. »Na, komm schon. Das hat doch so keinen Sinn.«

Andras aber sah unverwandt Wanda an, als hinge etwas Entscheidendes davon ab, was sie als Nächstes tat.

»Nein«, hörte sie sich sagen, während ihre Finger die Enden des Bandes zusammenhielten. »Gehen Sie nicht. Sagen Sie mir, was Sie damit gemeint haben – wir wüssten nicht, wen unsere Eltern umgebracht haben.«

Er griff nach ihrer Hand und nahm ihr das blaue Band ab. »Ich bekomme das wieder zusammengeflickt«, sagte er. »Ich bin gut in solchen Sachen. Und gemeint habe ich: Unsere Generation muss den Mut aufbringen, vor ihre Eltern hinzutreten und zu fragen: Was habt ihr von 1933 bis 1945 gemacht?«

2

Wanda ging zu Fuß nach Hause. Es war kalt, es war im Nu stockdunkel, und der Weg war weit. Für gewöhnlich nahm sie den Bus, aber heute hatte sie das Gefühl, keinem Fremden gewachsen zu sein, nicht einmal dem Schaffner, der die Fahrscheine kontrollierte. In Steglitz waren noch Menschen unterwegs, die aus Büros und Geschäften nach Hause hasteten, doch in Tempelhof lagen die Straßen wie ausgestorben. Es gab kaum Lokale hier, nur die italienische Eisdiele, die schon geschlossen hatte, und ein paar Eckkneipen, aus denen das Licht trübe durch vergilbte Stores sickerte.

Regen setzte ein. Dünne, kaum spürbare Fäden, die das Schwarz schraffierten.

Nichts war Wanda vertrauter als dieses verschlafene Viertel um den Alboinplatz, der Park mit dem steinernen Stier, auf dessen Sockel sie als Kinder geklettert waren, die Reinigung und der Lebensmittelladen von Herrn Eck. Ehe sie aufs Gymnasium gewechselt war, das keine Viertelstunde Fußweg entfernt lag, hatte sie das Viertel kaum je verlassen, und wann immer sie zurückgekehrt war, hatte sie im Stillen aufgeatmet. Es war schön hier! Sie hatten ihr eigenes Zuhause, wo sie hinter sich die Tür schließen konnten, um vor allem Unheil geborgen zu sein.

Dabei gab es gar kein Unheil. Wandas Leben war glatt, geradezu ereignislos verlaufen, und dennoch hatte der Gedanke, dass diese Wohnung ihre Burg war, sie mit Wohlgefühl erfüllt. Hinter der Tür mit dem Namensschild Lehwald/Scharneck warteten die Wärme der Kachelöfen, das Licht der Küchenlampe und offene Arme. Harmonie, die Matti und Tante Lore hegten wie andere Leute ihre Zimmerpflanzen. Wenn Wanda und Vera sich gestritten hatten, hatte Matti sie beide an sich gezogen und gesagt: »Nicht in unserem Zuhause, bitte. Zank und Menschen, die uns das Grausen lehren, gibt es da draußen genug.«

Dass sie selbst sich mit ihrer Schwester stritt, hatte Wanda kein einziges Mal erlebt. Matti und Lore – das war eine Einheit, die nicht einmal Worte zu wechseln brauchte, um sich zu verstehen.

Um den Zwillingen das Streiten abzugewöhnen, hatte Matti beide an den weiß gestrichenen Küchentisch gesetzt und vor sie hingestellt, was immer in ihren Töpfen, Gläsern und Dosen zu finden war: Porzeln in Puderzucker, Karamellbonbons, dicke Weißbrotscheiben mit Birnenmus oder die allseits geliebten Mohnklöße. »Da habt ihr, nun lasst es euch schmecken. Wer Süßes im Mund hat, braucht niemandem Saures zu geben.«

Während Wanda und Vera naschten, bereitete sie schon wieder etwas Neues zu, und worüber sie gestritten hatten, geriet in Vergessenheit. Matti machte alle Süßspeisen selbst, und nichts, was es zu kaufen gab, konnte so köstlich sein.

»Warum ist Matti keine Köchin geworden?«, hatte Wanda einmal gefragt. »Bei ihr schmeckt es viel besser als bei Frau Behse in der Schulspeisung.«

Tante Lore hatte zu Matti hinübergesehen, die am Herd stand und dünne Pfannkuchen für Wandas Lieblingsgericht Komm morgen wieder ausbuk. »Menschen ändern sich«, hatte sie gesagt. »Deine Mutter hätte, als sie jung war, keinen Kochlöffel angerührt.«

»Kochen für Fremde ist kein Spaß«, hatte Matti nach kurzem Schweigen erwidert. »Hätte ich euch Kinder nicht bekommen, wäre ich bestimmt nicht aufs Kochen verfallen, aber für ihre Kinder kocht jede Mutter gern.«

Matti jedenfalls tat es. Seit sie in der Alboinstraße wohnten, war kein Tag vergangen, an dem nicht für ihre Kinder ein warmes Essen auf dem Tisch gestanden und in der Speisekammer etwas Süßes gewartet hatte.

Sie waren 1950 aus einer Behelfswohnung hierhergezogen. Dunkel erinnerte sich Wanda, wie sie ungläubig durch alle Räume gelaufen war. Sie hatte bis zu jenem Tag nur die Notunterkunft gekannt, in der sie alles mit anderen Familien hatten teilen müssen, und jetzt besaßen sie zwei Zimmer ganz für sich allein: ein Schlafzimmer für Matti und Tante Lore und ein Kinderzimmer für Wanda und ihre Schwestern, wobei Ari, die Stille, schon fünfzehn und genau genommen kein Kind mehr war. Dazu kam die Küche mit dem großen Tisch, dessen Schrunden Tante Lore weiß übermalte und an dem sie gemeinsam aßen oder ihr geliebtes Kartenspiel Remik spielten. Die Küche war das Herz der Wohnung, sie führte auf einen kleinen Balkon, auf dem Tante Lore Geranien und Gurken zum Einlegen zog. Als Krönung hatten sie sogar ihr eigenes Bad mit einem Ofen, in dem man das Wasser erhitzte, bevor man es in die emaillierte Wanne einlaufen ließ.

Wanda war eine »Frostbeule«, für sie war das Wasser, das dampfend heiß aus dem Hahn schoss, das Schönste an der ganzen Wohnung. Sie liebte es bis heute, an Winterabenden zu einem heißen Bad nach Hause zu kommen. Die Seife duftete, als wäre schon Weihnachten, die Handtücher wärmte Tante Lore auf dem bollernden Ofen, und in der Küche stand Matti und kochte ihr Tee.

»Ihr seid drei verwöhnte Gören«, pflegte Helga zu sagen und traf ins Schwarze. Wanda und ihre Schwestern wurden gehätschelt wie Prinzessinnen. Sobald es einer von ihnen im Hals kratzte, machte Matti Honigdrops und kochte Hühnerbrühe, die Tante Lore »das jüdische Allheilmittel« nannte. Hatte eine von ihnen Geburtstag, durfte sie so viele Kinder einladen, wie sie wollte, und für jeden Gast gab es Mohnklöße, Käsekuchen, Kakao mit Sahne und einen Bilderbogen zum Mit-nach-Hause-Nehmen. Bald fand sich um den Alboinplatz kein Kind mehr, das nicht bei den Scharneck-Schwestern zum Feiern eingeladen werden wollte. Vera und Wanda waren Zwillinge, doch weil Wanda kurz vor Mitternacht und Vera eine Stunde später zur Welt gekommen war, hatte jede ihren eigenen Geburtstag und es gab zwei Kinderfeste hintereinander.

»War dein Vater eigentlich ein Bonze?«, hatte Horst Pahlke aus dem Vorderhaus nach Wandas achtem Geburtstag gefragt. »Oder ’n Ami? Ich mein ja nur, weil ihr doch wohl in Geld schwimmen müsst, wenn ihr euch so was leisten könnt.«

Wandas Vater war weder ein Bonze noch ein Ami gewesen, versicherte Tante Lore. Seine Fotografie stand auf der Kredenz in der Küche, ein lächelndes Männergesicht in verblichenem Schwarz-Weiß, am Rahmen ein Trauerflor. Er war im Krieg geblieben wie so viele. Vera und Wanda hatten ihn nicht gekannt, und Ariane erinnerte sich nicht. Wanda hatte dem Bild nie viel Aufmerksamkeit geschenkt, es stand dort wie die Tischuhr, das unbenutzte Musikinstrument und die Pralinenschachtel, in der sie ihre Schlüssel aufbewahrten. An Weihnachten stellte Tante Lore eine Kerze und einen Tannenzweig davor, doch ansonsten blieb es von der Familie unbeachtet.

Helga hingegen schwärmte es regelrecht an: »Mit einem toten Vater stehst du besser da als mit manchem lebendigen. Und einen so hübschen, den würde ich tot wie lebendig nehmen.«

Weder auf Horst Pahlkes Frage noch auf Helgas Schwärmerei hatte je jemand reagiert, geschweige denn erwähnt, wer der Vater gewesen war. Kein Bonze und kein Ami, das war alles, was Wanda wusste. Es war ihr nie aufgefallen, bis jetzt, wo sie durch vom Regen schraffiertes Dunkel lief und nicht mehr sicher war, ob sie in der Wohnung in der Alboinstraße noch zu Hause war.

Aber wenn nicht dort, wo sonst?

Wo sie geboren war, hatte nie ein Mensch gefragt. Sie selbst hatte auch nichts gefragt. Es war ein Wort in ihrer Geburtsurkunde wie ihr Name, über den schließlich auch kein Mensch etwas fragte.

Scharneck, Wanda Ernestine

Geboren in Zoppot, 1. November 1944

Wo immer das war, es hatte mit ihr nichts zu tun, denn sie wohnte ja hier. In der Alboinstraße, hinter dem winzigen Laden von Herrn Eck, wo Tante Lore an der Kasse saß. Weil sie damals diese Arbeit gefunden hatte, hatten sie die Wohnung bekommen. Bei den anderen Kindern, deren Väter im Krieg geblieben waren, mussten die Mütter arbeiten gehen, und wenn die Kinder von der Schule kamen, hatten sie Wäsche zu waschen, Brote zu schmieren und Geschwister zu hüten. Matti hingegen war immer zu Hause, hatte das Essen und die Wäsche fertig und wartete, zum Fenster lauschend, dass Wanda und Vera über den Hof gerannt kamen.

Als Kind war Wanda sich reich vorgekommen. Auf dem Weg zur Schule hatten sie bei Herrn Eck hineinschauen und Tante Lore Auf Wiedersehen sagen dürfen, und Herr Eck hatte ihnen Kirschlutscher geschenkt. Tante Lore verdiente so viel, dass Matti daheimbleiben konnte, und ihre Kinder bekamen alles, was sie sich wünschten.

Dass das, was Tante Lore in gelben Lohntüten nach Hause brachte, nicht viel war, dass Matti beim Einkauf mit dem Pfennig rechnen musste, hatte Wanda erst auf dem Gymnasium begriffen. Für ihren Jahrgang wurde eine Klassenreise ins Fränkische angeboten, und Wanda durfte nicht mitfahren.

»Tut uns leid, Marjellchen. Gewünscht hätten wir’s uns für dich, aber von dem bisschen, was ich verdien’, können wir’s leider nicht bezahlen.« Es war Tante Lore, die ihr das erklärte, während Matti am Herd stand und lautlos weinte.

»Ist nicht schlimm!«, hatte Wanda gerufen, war zu Matti gelaufen und hatte die Arme um sie geschlungen. »Ich wollt’ sowieso nicht mitfahren – ist überhaupt nicht schlimm.«

Matti hatte sich umgedreht und ihre Hand an Wandas Gesicht gelegt. »Du bist was Besonderes, Piroggche. Eine wie du hätt’ Eltern verdient, die ihr all das bieten können – Reisen in fremde Länder, Abenteuer, kopfüber ins Leben.«

Bei jedem Wort hatte Wanda gespürt, was sie sich kaum je eingestand: Sie war Mattis Liebling. Ihr Nebelkind. Matti war die geborene Mutter, sie liebte und hütete all ihre Kinder, doch zwischen ihnen beiden war mehr. Wanda hatte Matti so fest gedrückt, dass die Knochen knackten. »Ich will keine anderen Eltern. Ich will keine blöde Klassenreise, die dich zum Weinen bringt. Ich will nur dich.«

Am Morgen noch hatte sie sich auf die Fahrt gefreut und mit ihren Freundinnen Pläne geschmiedet, aber als sie nachts in ihrem Bett lag, stellte sie fest, dass ihr der Gedanke ans Reisen ohnehin nicht geheuer war. Was, wenn sie zurückkam und das Leben in der Alboinstraße nicht mehr so war, wie sie es kannte? Wenn, während sie fort war, etwas passierte? Sie betete abends. Früher hatte Tante Lore mit den Mädchen »Müde bin ich, geh zur Ruh« gebetet, doch seit sie dafür zu groß waren, betete Wanda, was immer ihr einfiel. An diesem Abend betete sie: Lieber Gott, bitte mach, dass wir immer in der Alboinstraße wohnen, Matti, Tante Lore, Ari, Vera und ich, und dass alles so bleibt, wie es ist.

Als Ari volljährig geworden war, hatte sie ein Jahr lang Angst gehabt, ihre große Schwester könnte einen Mann kennenlernen und aus der Wohnung und aus ihrem Leben verschwinden. Inzwischen aber war Ari fast dreißig, noch immer zu wortkarg, um Bekanntschaften zu machen, und noch immer daheim. Sie hatte sich in der Diele eine Nische mit Bett und Regal für ihre Liebesromane eingerichtet. Wenn Matti die Leiter zum Hängeboden ausfahren wollte, um die Kiste mit dem Weihnachtsschmuck oder die Wintermäntel herunterzuholen, musste sie auf Aris Bett steigen. Aber das machte ihr nichts aus.

»Solang’s den Kindern gut geht, spielt so was für eine Mutter keine Rolle.«

So war Matti. So war die Welt, die Wanda kannte. Und jetzt lief sie durch einen schwarzen, regennassen Abend und wusste nicht mehr, auf welchen Pfeilern diese Welt stand. Als glitte ihr mit jedem Schritt der Boden unter den Füßen weg. Es war spät, viel später, als sie sonst heimkam. Das Essen würde kalt sein, die anderen waren seit Stunden zu Hause, Matti und Tante Lore bestimmt außer sich. Ari und Vera kamen nie verspätet, und wenn es bei Wanda mal der Fall war, weil sie mit Freundinnen bummeln oder ins Café ging, rief sie bei Herrn Eck im Laden an, damit er Tante Lore Bescheid gab.

Sie hätte ihn auch heute anrufen können. Vor dem Lokal war eine Telefonzelle gewesen, und Herr Eck war ein netter Mann, der sogar hinauf in die Wohnung lief, wenn nach Feierabend ein Anruf für seine Kassiererin kam. Die Ecks hatten keine Kinder. »Nach all den Jahren sind Sie für uns so etwas wie Familie«, hatte Herr Eck zu Tante Lore gesagt.

Aber Wanda hatte ihn nicht angerufen. Sie hatte in der seltsamen, düsteren Kellerkneipe gesessen, der seltsamen, düsteren Musik zugehört und sich gefragt, ob sie je wieder zu Hause anrufen würde, ob sie überhaupt noch wusste, wo ihr Zuhause war.

»Ich glaube, ich verliere den Verstand«, sagte sie zu dem Mann, der Andras hieß und sie in das Lokal geschleppt hatte. Wobei geschleppt nicht zutraf. Sie war freiwillig mit ihm gegangen.

»Hauen wir hier ab?«, hatte er gefragt, nachdem der freundliche Manne sich unter einem Vorwand verabschiedet hatte. »Ich weiß einen Laden, wo’s angenehmer zugeht. Nicht weit von hier.«

»Einen Laden?«

»Einen Club. Eine Musikkneipe. Wie’s dir lieber ist.«

»Warum soll ich mit Ihnen in eine Kneipe gehen?«

Die Frage passte nicht zu Wanda. Sie hatte ihr Leben gern unkompliziert und siezte keinen, der sie duzte.

»Weil ich mit dir reden will«, sagte Andras.

Wanda wollte das auch. Mit ihm reden. Wissen, was es mit dem Gedicht über die Mutter, die nicht mehr kommen konnte, auf sich hatte, mit den Papieren im Aktenordner und mit der Frage, die ihr im Kopf hallte: Was habt ihr von 1933 bis 1945 getan?

Zugleich hatte sie Angst. Aber aus welchem Grund sollte sie Angst davor haben, mit einem Studienkameraden in eine Kneipe zu gehen und zu reden? Schwerfällig stand sie auf. Ein höflicherer Mann hätte ihr die Tasche abgenommen oder zumindest auf sie gewartet, aber Andras Goldfarb ging einfach voran.

Der Weg zu der Kneipe war doch weiter, führte durch das gesamte Universitätsgelände, durch halb Dahlem und anschließend noch durch halb Steglitz. Unterwegs begann es zu dämmern und wurde im Nu sehr kalt. Wanda schmiegte sich tief in ihren Wintermantel, den Tante Lore gefüttert hatte. Andras dagegen, der über dem Hemd lediglich eine Art grauen Kittel trug, ließ sich nichts anmerken.

Umso überwältigender war die Wärme, die ihnen aus der Kneipe entgegenschlug. Es war ein Kellerraum, bis auf den letzten Platz vollgestopft mit Menschen, ihrem Atem, ihren Geräuschen und Gerüchen. Flüchtig dachte Wanda: Wo sollen wir hier denn noch unterkommen, es ist ja kein einziger Flecken mehr frei!

Und doch war sie längst entschlossen, unter keinen Umständen wieder zu gehen. Es war nicht die Wärme, die sie die paar Stufen hinunterzog. Es war die Musik. Ein Mann, der auf Englisch zur Gitarre sang. Im ersten Augenblick hatte sie angenommen, es müsse Rock ’n’ Roll sein, die Musik, die Helga bei sich zu Hause nicht abspielen durfte, weshalb sie ihre Platten in die Wohnung der Scharnecks schleppte. Wanda hörte Helgas Musik gern, doch es war nicht die ihre. Sie fühlte sich offen und noch immer auf der Suche, ohne das, was sie suchte, benennen zu können. Bei den Beatles glaubte sie sich dem Ziel nahe, bei Édith Piaf noch näher, aber letztlich blieb die Gewissheit: Da muss mehr sein. Etwas, das meins ist. So sehr meins, als hätte ich es gemacht.

Als sie sich durch die Tür der Kneipe zwängte und die Töne ihr wie metallene Perlen entgegenrollten, spannte sich jeder Muskel in ihrem Körper. Sie bemerkte nicht einmal, dass sie sich an Andras und einem Türsteher vorbeigedrängt hatte, und auch nicht, dass sie auf den Stufen, die in den dunklen, überfüllten Raum führten, stehen blieb. Das ist so ähnlich wie Helgas Musik, dachte sie eine Sekunde lang, und in der nächsten: Nein. Das ist anders. Es hat nichts mit Helgas Musik zu tun. Nur mit mir.

Wanda hatte in der Schule Englisch gelernt und wie in allen Fächern ordentliche Noten erzielt, begriff jedoch erst jetzt, was das Wort Fremdsprache bedeutete. Fremdheit. Eine Tür, an der sie vergeblich rüttelte. Von dem Text erschlossen sich ihr nur Bruchstücke, die sie jedoch um so heftiger wünschen ließen, das Ganze zu erfassen. Vom Regen sang der Mann, von einem harten Regen, der fallen würde, und Wanda zog die Schultern hoch, als bekäme sie die Trommelschläge dieses Regens zu spüren. Dann wieder schien der Sänger sich an ein Kind zu wenden, an sein Kind, das er mein geliebtes Kleines nannte.

Er sang von traurigen Wäldern, die er durchquerte, vom Schlund eines Friedhofs, in den er zehntausend Meilen weit eingedrungen war. Die Worte dazwischen blieben bedeutungslos. Und sie musste doch wissen, was sie bedeuteten, musste wissen, was die Musik ihr sagen wollte! Hilfe suchend drehte sie sich zu Andras um. Der stand zwei Stufen über ihr und debattierte mit dem Türsteher, zog schließlich ein Stück Papier aus der Tasche und zeigte es seinem Gegenüber. Sie sprachen Englisch, stellte Wanda verwundert fest. Im selben Atemzug fiel ihr auf, dass in dem Stimmengewirr, das gegen die Musik andrang, ebenfalls Englisch vorherrschte.

Der Mann gab Andras das Papier zurück und trat beiseite. Andras stopfte es wieder in die Tasche und wandte sich Wanda zu. »Was nicht in Ordnung?«

»Die Musik«, sagte Wanda. »Was ist das?«

»Mann aus den Staaten«, antwortete Andras. »Bob Dylan, den Namen sollte man sich merken. Er ist nicht viel älter als wir, hat gerade erst in Greenwich Village auf sich aufmerksam gemacht.«

»Greenwich Village? Wo ist das?«

»In New York«, sagte Andras. »Ein Künstlerviertel. Der Laden hier heißt so, weil sie die ganz neuen Platten, die im Village angesagt sind, nach Berlin holen. Für die G.I.s.«

»G.I.s?«

»Amerikanische Soldaten.« Er wies in den Raum, und Wanda sah, dass die Mehrzahl der Männer, die sich dort drängten, Uniformen trugen. »Das hier ist ein Club für amerikanische Soldaten.«

»Aber Sie …«, begann Wanda, »Sie sind doch kein Amerikaner?«

Er schüttelte den Kopf. »Mein Vater arbeitet für die Berlin Brigade – die amerikanische Besatzungsarmee. Als Einkäufer. Die Leute hier kennen mich. Die Probleme mit Jake gerade eben gab es nur, weil er mir nicht geglaubt hat, dass du volljährig bist.«

»Bin ich doch auch nicht!«, rief Wanda erschrocken. Sie war neunzehn, und in einer Gaststätte mit Altersbeschränkung war sie zuvor nie gewesen. Aber aus dieser hier wollte sie nicht weg. Nicht die Musik verlieren, nicht jetzt, wo sie sie gerade gefunden hatte.

Die metallische Stimme des Mannes sang von Trommlern mit brennenden Händen und von flüsternden Menschenscharen, auf die niemand hörte.

»He«, sagte Andras und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Ist ja schon gut, Jake macht keine Probleme. Ich habe behauptet, du wärst meine Cousine, und ihm irgendeinen Brief von meinem Vater gezeigt. Mein Vater ist hier so eine Art Markenname. Du kannst ganz beruhigt sein.«

Seine Hände schienen auf ihren verspannten Schultern zu brennen. »Es ist die Musik«, murmelte Wanda und starrte auf die staubbedeckten Stufen. Plötzlich fiel ihr ein, wie sie es ihm erklären konnte: »Ich verstehe nicht, was er singt, mein Englisch taugt nicht viel. Und dann wieder kommt es mir vor, als verstünde ich alles. So wie bei dem Gedicht, das Sie mir gezeigt haben. Ich weiß nicht, worum es dabei geht, aber mir ist, als wüsste ich es. Als wäre das Wissen in mir, und ich komme nicht dran.«

Hilflos gab sie auf und ließ die Arme hängen. »Komm«, sagte Andras, trat an ihr vorbei und zog sie mit sich. »Setzen wir uns.«

»Aber es ist doch nirgendwo Platz.«

»Ich finde schon einen.«

Willenlos ließ sich Wanda durch die Menge zerren. Der Raum hatte keine Fenster. Von der Lautstärke der Musik vibrierte der Boden. An der Wand standen dicht an dicht schmale Tische für höchstens zwei Gäste. Andras trat an einen, an dem ein Paar saß und sich bei den Händen hielt, das Mädchen blond, mit wassergewellten Locken, der Mann in Uniform. Sie tauschten ein paar Worte auf Englisch, dann standen die beiden auf und überließen Andras und Wanda den Tisch.

»Setz dich. Ich hole uns was zu trinken.«

»Sie können doch nicht einfach andere Leute von ihren Plätzen vertreiben.«

Andras zuckte die Schultern und legte den Aktenordner auf den Tisch, der damit zur Gänze bedeckt war. »Mark ist ein Freund. Er weiß, ich würde ihm denselben Gefallen tun.«

Damit drehte er sich um und schob sich durch die Menge zurück bis zum Tresen. Wanda, die nicht wusste, was sie sonst hätte tun sollen, setzte sich. Die Musik schien sich noch einmal zu steigern, sie ganz zu umschließen. Wieder ging es um Feuer, um eine junge Frau, die verbrannte. Den Namen des Sängers – Bob Dylan – würde Wanda nicht mehr vergessen. Vor ihr auf dem Tisch lag der Aktenordner. Sie hätte nur den Deckel heben müssen, doch bei dem Gedanken verkrampften sich ihre Finger. Wovor hatte sie Angst? Vor einem Stapel Papier, vor Worten, die sie gar nicht betrafen?

Andras kam zurück, hielt in einer Hand zwei braune Flaschen bei den Hälsen, nahm mit der anderen den Ordner vom Tisch und stellte die Flaschen ab.

»Bier?«

Er nickte. »Country Club. Malt Liquor.«

Wanda wusste nicht, ob sie Bier mochte, und hätte gern etwas Heißes getrunken. Wenn schon keinen Kakao, der ihr hier kindisch vorkam, dann eben Kaffee, Kuffelchen, wie Matti sagte, eine große Tasse, an der sie sich die Hände wärmen könnte. Als sie aufblickte, sah sie, dass Andras ebenfalls fror, die bleiche Haut über den Wangenknochen war gerötet, die Lippen zitterten. Sie erwartete, er würde noch einmal losgehen, um Gläser zu holen, doch er setzte sich ihr gegenüber, schob den Ordner unter den Tisch und trank aus der Flasche.

»Das Wissen ist in dir«, sagte er. »Du weißt, worum es in Celans Gedicht geht, du weißt noch viel mehr oder könntest es zumindest wissen. Dass du nicht drankommst, liegt daran, dass deine Eltern dir den Zugang verweigern. Sie sagen, da gibt es nichts zu finden, dreh dich um und leb brav dein kleines Leben weiter, damit es dir mal besser geht als uns. Aber dir geht es nicht besser. Auch nicht, wenn außen alles blitzblank glänzt und die Trümmer weggeräumt sind. Im Innern spürst du, dass etwas faul ist, und das wühlt in dir.«

»Jetzt reicht es«, unterbrach ihn Wanda. »Wie kommen Sie dazu, solche Dinge über mich zu behaupten? Sie kennen mich doch gar nicht, und meine Eltern schon gar nicht.«

Das Lied war zu Ende. Unwillkürlich legte Wanda die Hände umeinander, wie um etwas festzuhalten, das schon verloren war.

»Nein«, sagte Andras. »Natürlich nicht. Ich meinte ja auch nicht dich und deine Eltern im Speziellen. Sondern uns alle. Die Trümmerkinder, denen von klein auf eingetrichtert wurde: Schau nach vorn. Nur nicht zurück. Räum fleißig auf, leg einen Stein auf den andern und frag dich nicht, warum du auf einem Trümmerfeld geboren bist.«

»Das ist Unsinn«, sagte Wanda. »Natürlich wissen wir das. Wir haben es in der Schule gelernt, wir haben gehört, wie schlimm das alles war, aber damit ist es genug, denn was nützt es, sich immer weiter damit zu quälen?«

Das hatte Tante Lore gesagt. Damals, als der Krieg Schulstoff gewesen war und Wanda den Albtraum gehabt hatte: Sie war im Zug durch einen Tunnel gefahren, hatte etwas Vertrautes gespürt, aber dort, wo sie hatte aussteigen wollen, hatte der Zug nicht angehalten. Schreiend und mit aller Kraft hatte sie an den Türen gerüttelt, überzeugt, dass an der letzten Station etwas Entsetzliches auf sie wartete, doch es hatte nichts genützt. Von ihrem Geschrei, von ihrer irren Angst war sie aufgewacht, als der Zug aus der Finsternis des Tunnels in den ebenso finsteren Bahnhof hineingeschossen war und sie die Männer in den schwarzen Mänteln erkannt hatte, die an allen Ausgängen warteten und den Tod brachten.

So sehr geschrien und geweint hatte sie, dass sie keine Luft mehr bekam und zuerst gar nicht bemerkte, dass sie wach war, dass Tante Lore an ihrem Bett saß und sie in den Armen wiegte. Tante Lore. Nicht Matti. »Ist ja gut, mein Zruchelche, mein kleiner Gnussel, das ist doch alles vorbei und tut dir nichts mehr zuleide.«

Wanda aber hatte sich nicht beruhigen können. Noch heute glaubte sie, das Schluchzen zu spüren, das ihren Körper schüttelte, bis sie am Morgen entkräftet in sich zusammengesunken und eingeschlafen war. Tante Lore hatte sich bei Herrn Eck freigenommen und war in die Schule gelaufen, um Wanda von den Geschichtsstunden befreien zu lassen, bis das Thema Weltkrieg abgeschlossen war.

Am Abend informierte sie Wanda darüber. Die hatte den größten Teil des Tages verschlafen und fühlte sich wieder wohlauf. Ihr Ausbruch in der Nacht war ihr peinlich, und sie verstand nicht, wie es dazu gekommen war. Noch peinlicher war ihr Tante Lores Besuch bei ihrem Lehrer, den sie gern rückgängig gemacht hätte: »Wenn alle es lernen müssen, mag ich keine Extrawurst haben. Warum soll ich denn nicht mehr zur Geschichtsstunde gehen – nur weil ich gestern diesen dummen Traum hatte?«

Daraufhin war Tante Lore, sonst die Ausgeglichenheit in Person, aufgesprungen und hatte ihr Nähzeug zu Boden geworfen. »Weil es damit genug ist«, hatte sie hervorgestoßen, genau wie Wanda es eben zu Andras gesagt hatte. »Wir haben gelitten, wir werden immer weiter leiden, aber was wird denn wieder heil, wenn auch noch unsere Kinder leiden? Und nach denen unsere Enkel und Urenkel – soll denn nie ein Ende sein?«

Matti hatte den Kochlöffel fallen lassen, war zu ihrer Schwester gelaufen und hatte die Arme um sie geschlossen. »Nicht doch, Lorinkachen, mein Großes, jetzt beruhig dich und hock dich zum Essen. Ich hab dir deine Bohnchen geschmort, mit tüchtig Speck drin, die sollst dir nun aber auch schmecken lassen.«

Fasziniert hatte Wanda ihnen zugesehen. Sie waren sonst nie zärtlich zueinander, und die Worte klangen nach einer Geheimsprache unter Schwestern, wie Wanda und Vera sie nie gehabt hatten. Matti stimmte die Melodie an, die sie manchmal morgens in der Küche summte, und Tante Lore straffte die Schultern und machte sich los. »Das lieber nicht, das Lied schlägt mir auf den Magen, verstehst?«

Matti hatte sofort aufgehört zu summen, war zum Herd zurückgekehrt, um die Bohnen umzurühren, und sie hatten nie wieder davon gesprochen. Jetzt saß Wanda hier mit einem fremden Mann, und sobald sie aufsah, begegnete sie seinem Blick. Verhangene Augen, wie Regenhimmel. Der amerikanische Sänger begann ein neues Lied.

»Wir müssen uns weiter quälen, weil es nicht vorbei ist«, sagte Andras. »Davon, dass wir es totschweigen, geht es nicht weg. Es geht überhaupt nicht weg. Es ist immer da, in allem, was wir tun.«

3

Der Regen verdichtete sich, kam von vorn, prallte Wanda ins Gesicht. Ihre Augen tränten vom Wind, sie lief blindlings, rannte wie auf der Flucht. »Davor kann man nicht fliehen«, hatte Andras gesagt. »Es flieht mit uns überallhin.«

Schwer atmend erreichte sie das Haus Nummer 4, riss das Tor auf und ließ es hinter sich wieder zufallen. Im hohen, leeren Durchgang des Vorderhauses blieb sie stehen und lehnte sich gegen die Wand. Als Kind hatte sie hier stets sofort das Licht eingeschaltet, weil im Dunkeln bedrohliche Schatten tanzten, und auch als Erwachsene durchquerte sie den Gang noch immer, als wäre der Teufel hinter ihr her. Heute aber blieb sie im Dunkeln stehen. Gegen die Furcht, die ihr Herz umklammerte, würde das Licht nichts ausrichten. Statt wie sonst über den Hof und die Treppen des Seitenflügels hinauf zur Wohnung zu stürmen, stand sie still und lauschte ihrem Atem, während die vergangenen Stunden durch ihre Gedanken jagten.

»Deine Freundin zum Beispiel«, hatte Andras gesagt. »Die Schulze-Helga. Glaubst du, die weiß wirklich nicht, warum außer ihr noch sieben andere in der Klasse Helga hießen?«

»Wie soll sie das denn wissen?«, hatte Wanda erwidert und das Gefühl gehabt, sich mit Händen und Füßen gegen etwas zu wehren, das dennoch über ihr zusammenschlug. »Sie kann ja schlecht in den Köpfen von anderen Eltern nachsehen, warum denen der Name Helga gefiel.«

Andras beugte sich zu ihr und sprach leise, seine Stimme aufgeraut wie die des amerikanischen Sängers: »Deutsche Mutter, schenk dem Führer ein Kind«, raunte er, und sein Atem traf ihre Haut. »Helga war sein Lieblingsname.«

Erschrocken fuhr Wanda zurück. »Wessen Lieblingsname?«

»Der von Hitler«, sagte Andras. »Wenn ein Mädchen in unserem Alter Helga heißt, kannst du sicher sein, dass ihre Eltern Hundertprozentige waren und ihr den Namen wie ein Etikett verpasst haben. All die kleinen Helgas und Horsts wurden als Geschenke für den Führer gezeugt.«

»Sie meinen, Helgas Eltern …«

Wanda brach ab, und Andras nickte. »Und dann Sieglinde«, fuhr er fort. »Was meinst du denn, was für Leute Ihre Tochter Sieglinde genannt haben? Derselbe Schlag, auch wenn der ehrenwerte Dr. Witthuhn sich bedeckter hält als der vermutlich schlichtere Vater deiner Freundin Schulze-Helga. Er hat ja auch mehr zu verlieren, und er weiß, wie man’s macht. So einer ist ein wandelnder Persilschein, der wäscht alles weiß. Sein vorschnell benanntes Goldkind ruft er jetzt harmlos Sigi.«

Die Spannung, die zwischen Sigi und Andras herrschte, hatte Wanda bereits in der Mensa wahrgenommen. Die kühle, überlegene Sigi hatte gewirkt wie ein kopfloses Huhn, und sie hatte Wanda gewarnt: Das ist seine Masche, damit schmeißt er sich an jede ran. Was war zwischen ihnen vorgefallen, was hatte Andras mit Wandas Vater zu schaffen, und warum sprach er mit solcher Verachtung von ihm?

Schweigend sahen sie einander an. »Wanda ist kein germanischer Name«, sagte Andras dann.

»Nein?« Sie wollte nicht, dass er weitersprach, dass er ihr sagte, was für ein Name Wanda war.

»Wo bist du geboren?«, fragte er. »Woher stammen deine Eltern?«

»Warum fragen Sie mich das alles?«, brach es aus ihr hervor. »Warum versuchen Sie, mir mit Ihrem Gerede Angst einzujagen, warum laufen Sie mir mit Ihrem Ordner voller grausamer Gedichte hinterher, was habe ich Ihnen denn getan? Ich kenne Sie doch gar nicht. Ja, ich erinnere mich, Sie haben auf dem Einführungsabend der Studentenvertretung gesprochen, aber Sigi und ich sind früher gegangen, und wir hatten doch nichts miteinander zu tun!«

Er wirkte erschrocken. Abrupt setzte er sich auf. »Das wollte ich gar nicht. Dir Angst einjagen.« Seine Hand tastete über den Tisch. Als sie sich auf ihre legte, war Wanda nicht sicher, wen er beruhigen wollte, sie oder sich selbst. »Ihnen Angst einjagen, wenn Ihnen das lieber ist. Ich wollte mir auch nichts über Ihre Familie ausdenken, und in dem Ordner sind Unterlagen für mein Projekt. Das Buch von Celan steckte nur dazwischen, weil ich süchtig danach bin und es überallhin mitnehme. Finden Sie sein Gedicht wirklich grausam?«

»Ich finde es zum Fürchten«, antwortete Wanda. Ein paar Sekunden lang kam es ihr vor, als singe Bob Dylan mit seiner Stimme wie zerkratztes Metall die Zeilen des Gedichts:

»Espenbaum, dein Laub blickt weiß ins Dunkel.

Meiner Mutter Haar ward nimmer weiß.«

»Ich finde es zärtlich«, sagte Andras. »Und traurig. Ich glaube, Paul Celan hat seine Mutter sehr geliebt.«

»Natürlich«, entfuhr es Wanda. In den Rauchschwaden, die schwer in der Luft hingen, meinte sie auf einmal Matti zu sehen, deren Haar vorn und an den Schläfen weiß wie Staub war. Matti, die am Herd stand und sich umdrehte, wenn Wanda die Küche betrat. Sie sah das Lächeln, das über Mattis müdes Gesicht zog, und hörte sie Piroggche sagen, mein Piroggche, so leise, dass es nur für sie beide gedacht war, für Matti und Wanda. Ganz kurz ließ sie die Vorstellung zu, sie könnte Matti verlieren, erschrak zutiefst – und glaubte, endlich zu erfassen, worum es hier ging.

Löwenzahn, so grün ist die Ukraine.

Meine blonde Mutter kam nicht heim.

»Auch wenn Sie Angst haben«, sagte Andras, »bitte gehen Sie nicht weg.« Er fasste in eine Tasche seines Kittels, fischte ihr zerrissenes Lebensband heraus und zwirbelte die Fäden an den Rändern auseinander, bis das Band wieder lang genug war, um es zusammenzubinden. Er schlang es um ihr Gelenk und knotete es fest.

»Bitte nicht«, sagte er noch einmal. »Immer wollen alle gehen. Immer wollen alle nach vorn schauen, nichts mehr hören, nichts mehr sehen – aber was soll denn einer wie Celan tun? Der kann nicht gehen. Der nimmt seine tote Mutter überallhin mit. Und er kann auch nicht weiterleben, solange er nicht weiß, was geschehen ist, wie sie gestorben ist – und vor allem, warum.«

Er verstummte, wandte sich ab und sah in die auf und ab wogende Menschenmenge. Ohne es zu bemerken, hatte Wanda die Hand um seine geschlossen. »Kann ich Ihr Bier haben, wenn Sie’s nicht mögen?«, fragte er.

Wanda nickte. Andras trank aus der Flasche. »Meine Mutter ist auch gestorben«, sagte er.

»Ihre Mutter ist …« Sie wusste nicht, wie sie es ausdrücken sollte, bekam die richtigen Worte nicht heraus. »Im Krieg geblieben?«, fragte sie schließlich wie Tante Lore, wenn sie von Wandas Vater oder den gefallenen Vätern anderer Kinder sprach.

Andras schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Und dann wieder doch. Dieser Ausdruck ist interessant: im Krieg geblieben.«

»Meine Tante sagt das immer. Sie sagt: Der ist tot geblieben, wenn jemand gestorben ist.«

»Das gefällt mir«, sagte Andras. »Es redet nichts schön. Mit dem Totsein kann man ja nicht irgendwann aufhören und einfach wieder leben. Auch wenn wir das als Kinder glauben und uns am liebsten noch jahrelang in die Tasche lügen.« Er berührte das Band, das er um ihren Arm geknotet hatte. »Meine Mutter ist gestorben, als der Krieg schon acht Jahre vorbei war, aber in gewisser Weise stimmt es trotzdem. Sie ist im Krieg geblieben und der Krieg in ihr. Ein Geschwür hatte sie, das hat ihr den Magen regelrecht zerfressen, weil sie diesen Krieg nicht aus sich herausbekommen konnte.«

»Das tut mir leid«, murmelte Wanda.

Andras hielt ihre Hand fest. »Die Angst«, sagte er. »Die Wut. Die Traurigkeit. Für andere liegt das Jahre zurück. Aber für meine Mutter ist nichts davon vorbeigegangen. Die Ehe meiner Eltern hat das nicht ausgehalten. Meine Mutter fand, sie und mein Vater müssten meinetwegen zusammenbleiben, aber manchmal denke ich, sie war erleichtert, als sie sterben durfte.«

»Und Ihr Vater?«

Andras grinste verunglückt. »Der hatte mich am Hals. Und ich ihn. Wir haben uns aber leidlich zusammengerauft. Zumindest so weit, wie das zwischen zwei Kerlen mit unserer Geschichte zu machen ist.«

»Ist er denn nicht froh, Sie zu haben?« Matti flocht das unentwegt in ihre Sätze, wenn jemand den Tod ihres Mannes erwähnte, die schlechte Zeit, die Not der ersten Jahre: