Wer das Weite sucht - Tilmann Bünz - E-Book

Wer das Weite sucht E-Book

Tilmann Bünz

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Beschreibung

Im Süden Grönlands kann man im Sommer baden ...

... wenn man genügend Tran im Blut hat und den passenden Anzug aus Neopren. Geschichten über die Menschen am Rande der Welt, erzählt vom langjährigen ARD-Korrespondenten Tilmann Bünz.

Tilmann Bünz hat sich einen ganzen langen Sommer auf die Reise gemacht zu den Menschen am Rande der Welt. Wer vier Monate Zeit hat, kann sich den Luxus der allmählichen Annäherung leisten, statt alles zu überfliegen. Keine Askese, keine Strapazen auf dem Inlandseis, kein Überlebenstraining in der Tundra. Der Autor hängt am Norden, aber auch am guten Essen, und schläft im Zweifel lieber in der Kajüte als im Zelt.

Die Reise beginnt mit der ersten Wollgrasblüte in Grönland Anfang Juni. Es folgen eine Wanderung über die versteinerten Wälder auf Spitzbergen und ein Tagestrip (fast bis) zum Nordpol. Weiter geht es nach Norwegen, entlang der Küste mit dem legendären Postboot, und zurück durch den Altweibersommer in Lappland. Die Reise endet nicht überraschend - vor der eigenen Haustür im Stockholmer Schärengarten, wo sich Eisberge zu Weinbergen gewandelt haben.

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Tilmann Bünz

Wer das Weite sucht

Skandinavien für Fortgeschrittene

1. Auflage

Originalausgabe Januar 2012,

Copyright © 2012 by btb Verlag

in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Umschlaggestaltung: semper smile, München

Umschlagmotiv: © plainpicture/Naturbild

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

UB · Herstellung: BB

ISBN 978-3-641-06519-5

www.btb-verlag.de

Tilmann Bünz hat sich einen ganzen langen Sommer auf die Reise gemacht zu den Menschen am Rande der Welt. Wer vier Monate Zeit hat, kann sich den Luxus der allmählichen Annäherung leisten, statt alles zu überfliegen. Keine Askese, keine Strapazen auf dem Inlandseis, kein Überlebenstraining in der Tundra. Der Autor hängt am Norden, aber auch am guten Essen, und schläft im Zweifel lieber in der Kajüte als im Zelt.

Die Reise beginnt mit der ersten Wollgrasblüte in Grönland Anfang Juni. Es folgen eine Wanderung zum ältesten Wald der Welt auf Spitzbergen und ein Tagestrip (fast bis) zum Nordpol. Weiter geht es nach Norwegen, entlang der Küste mit dem legendären Postboot und zurück durch den Altweibersommer in Lappland. Die Reise endet nicht überraschend – vor der eigenen Haustür im Stockholmer Schärengarten, wo sich Eisberge zu Weinbergen gewandelt haben.

Tilmann Bünz berichtete für die ARD fünf Jahre lang aus Skandinavien und dem Baltikum. Bünz ist Hamburger, geboren 1957, und träumte schon als Junge davon, einmal nach Schweden zu ziehen. Ein langer Weg mit vielen Stationen: Deutsche Journalistenschule in München, Aktion Sühnezeichen Friedensdienste in Amsterdam, Evangelische Akademie Tutzing, Redakteur bei »Tagesschau« und »Tagesthemen«, Auslandseinsätze in Tokio, Washington, Bangkok, London und immer wieder Stockholm. Tilmann Bünz ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Hamburg und Spillersboda.

Tilmann Bünz bei btb

Wer die Kälte liebt. Skandinavien für Anfänger (73635)

Für Hugo Bünz * 17.11.1882† 5.5.1952

Vorwort

Der Norden ist nicht zur Besiedlung vorgesehen, sagten die Römer, weil dort kein Wein wächst. Das ändert sich gerade.

In Grönlands Süden kann man jetzt im Sommer baden. Wenn man genügend Tran im Blut hat – und den passenden Anzug aus Neopren.

Es gehört zur Komplexität des Klimawandels, dass sich nicht alle als Verlierer fühlen.

Zu den Gewinnern des Klimawandels zählen schwedische Weinbauern. Das ist kein Witz.

Den ersten schwedischen Weinberg habe ich im Herbst 1999 erstiegen. Es war ein kurzer Spaziergang. An den abfallenden Hängen des Vättern bei Gränna wuchsen die Reben in Dreierreihen, windgeschützt in Südostlage. Der Weinberg von Jonas Andersson war sehr übersichtlich und weitgehend leergeplündert.

Beim Ortstermin mit der Presse kniete der Fotograf der Lokalzeitung vor einem Rebstock. Das Objektiv war dreimal so groß wie die Handvoll Weintrauben, die daran wuchsen, und dennoch zog der Gutsbesitzer in Schaftstiefeln und Wachsjacke eine stolze Bilanz. Zwar nahmen die Raben ein Drittel der Ernte, ein weiteres Drittel hatten seine Kinder verputzt. Doch trotzdem war es für ihn der Mühe wert gewesen.

Unverdrossen stiefelte der Weinbauer mit einem voluminösen Bestimmungsbuch unterm Arm durch die Reihen seiner Reben, ließ sich neue Worte wie Pinot und Chardonnay auf der Zunge zergehen und zog sich am Ende zwei Dutzend Flaschen für den Hausgebrauch.

Heute gibt es im südlichen Schweden etwa vierzig Weinberge. Die Plantagen tausend Kilometer unterm Polarkreis gedeihen. Sie profitieren vom Nullsummenspiel der Natur. Wo es im Winter früher dunkel wird, sind die Tage im Sommer umso länger. Nur am Äquator sind die Tage und Nächte immer gleich lang.

Dies ist ein Buch über den nordischen Sommer und seine Reize. Kein Buch über die Kälte, sondern über Licht und Weite und endlose Tage.

Wo sonst in Europa gibt es freie Wildnis, aktive Vulkane, Gletscher, Rentiere in Freiheit und Wale vor der Küste? Wo sonst stellen die Tiere fast überall die Mehrheit: die Eisbären in Spitzbergen, die Schlittenhunde in Grönland, die Rentiere in Lappland – von den Mücken ganz zu schweigen.

Wo sonst käme jemand auf den surrealen Einfall, ein Mückenmuseum mit Eintritt zu betreiben. Die schwedische Inlandsbahn hält kurz vor Gällivare auf freier Strecke, vor einer Hütte mit einer gigantischen Mücke als Emblem und einer Tür, durch die einzutreten man gebeten wird. Auf der anderen Seite ist nur Landschaft. (Seit kurzem ist die Freiluftaustellung leider geschlossen, weil sich zu wenig Mücken blicken ließen. Erwünschtes Minimum seien 100 000 Mücken pro Kubikmeter, meldete die schwedische Nachrichtenagentur TT.)

Dieses Buch trägt den Untertitel »Skandinavien für Fortgeschrittene«. Es braucht eine Weile, die Welt des Nordens ganz zu entdecken.

Meine erste Begegnung mit Skandinavien in seiner mildesten Form liegt ein halbes Jahrhundert zurück. Im Alter von elf Monaten reiste ich zum ersten Mal nach Dänemark, hinten im Volkswagen Käfer meiner Eltern, verstaut in der Ablagekuhle.

Die Rapsfelder und das blaue Meer rund um Fünen waren lange meine Welt, die krabbelnden Krebse neben dem Badesteg lehrten mich, die Augen beim Tauchen auch im Salzwasser offen zu halten, mein großer Bruder versorgte die Familie mit frischen Schollen von der Langleine, die nächste Eisbude war vier Kilometer den Strand entlang in Lundeborg – ohne eine gewisse Wanderfreude gab es kein Sahneeis.

Der Bauer von Stokkebæk ließ die misstrauisch beäugte deutsche Familie für hundert Kronen auf seine halbvollen Erdbeerfelder und später im Juli dann auch an die Himbeersträucher. Der Zweite Weltkrieg und die deutsche Besetzung lagen erst fünfzehn Jahre zurück, und die Erinnerung an Demütigung und Kollaboration schmerzte.

Pfifferlinge fanden wir im Wald rund um Schloss Egeskov, und von unserer Mutter Lisi lernten wir unbeteiligt zu gucken, wenn wir eine ganz besonders pilzreiche Stelle gefunden hatten und andere Menschen in der Nähe waren.

Schon als Junge träumte ich davon, eines Tages in den Norden zu gehen und in Schweden zu leben. Als Sechzehnjähriger trampte ich dann bis hoch zum Polarkreis, nach Umeå, und nach dem Abitur fuhr ich mit der Vespa nach Norwegen.

Doch so weit ich auch fuhr: Es war immer noch Süden.

Erst als ich mir eine Karte vom Nordpol kaufte, verstand ich, dass man die Welt auch ganz anders sehen kann, von oben.

Es sollte lange dauern, bis ich den Unterschied zwischen Nordkap und Nordpol sicher beherrschte und wusste, wo die Bäreninsel liegt.

Es machte mich stutzig, wenn die altgedienten Skandinavien-Korrespondenten wie Jörgen Detlefsen (ARD), Thomas Borchert (dpa), Hannes Gamillscheg (FR) und Helmut Steuer (Handelsblatt) leuchtende Augen bekamen, wenn das Thema auf Island kam. Als gäbe es nichts Schöneres, als mit dem Allrad durch das Landesinnere Islands zu reisen, eine Gegend, zu der mir spontan der Roman »Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond« einfällt. Dort übten die US-Astronauten die erste Mondlandung, so unwirtlich ist es.

Im Internet gibt es übrigens eine riesige weltweite Gemeinde, die der NASA zutiefst misstraut und die Mondlandung der Apollo als amerikanische Propaganda abtut. Was sie besonders skeptisch stimmt, ist die wehende amerikanische Flagge auf dem Mond. Die Zweifler sagen mit einigem Recht, dass auf dem Mond kein Wind wehe.

Gut möglich, dass die US-Astronauten tatsächlich auf dem Mond waren, einige Bilder aber auf Island vorproduziert wurden. Denn die Originalaufnahmen, das musste die NASA zugeben, sind verschollen.

So hätte die NASA wenigsten Island ein Denkmal gesetzt.

Irgendwann hat es mich dann gepackt: Wenn man bei zwei Grad plus im Hochsommer mit einem störrischen Rentier am Zügel durch eine gottverlassene Ecke von Lappland wandert, kommt man zu den ewigen Fragen wie etwa: »Haben Mücken einen Sinn?« oder auch: »Muss man am Nordpol gewesen sein, um mitreden zu können?«.

Wandergeschichten fremder Leute sind an sich natürlich zum Gähnen.

»… dann brachen wir früh auf, und die Blasen drückten, und der Rucksack war schwer.«

Aber was ist, wenn die Route durch grönländische Gärten und schwedische Weinberge führt, Orte, die noch zu entdecken sind, am besten zu Fuß?

Wandern ist die beste Art der Fortbewegung, nicht nur, weil es auf Grönland und Spitzbergen nicht einmal hundert Kilometer an ausgebauten Straßen gibt. Wandern ist ein Korrektiv, weil alles andere so überschnell geworden ist. Die Entfernungen sind geschrumpft, selbst zum Nordpol kann man an einem Tag hin- und zurückfliegen. Entsprechend sind dann auch die Eindrücke.

»Vergessen wir nicht, dass eine Luftlinie eben nur eine Linie ist und kein Weg, und dass wir physiognomisch gesehen Fußgänger und Läufer geblieben sind«, schrieb einst Christoph Ransmayr in »Die Schrecken des Eises und der Finsternis«.

Man muss solche Ausflüge an den Rand der bewohnten Welt nicht mögen. Der Sommer in Europas Norden gilt als kalt, verregnet und voller Mücken, das Bier als schal und teuer und die Wurst als ungenießbar.

Tatsächlich ist der Sommer kalt, verregnet, und an Mücken herrscht auch kein Mangel.

Aber Sie werden – wie ich – immer wieder zurückkehren wollen, wenn Sie jemals eine einzige polare Erdbeere gegessen haben, die ein paar Wochen Licht rund um die Uhr ausgesetzt war. Hier wächst nur wenig, aber das Wenige hat viel Platz.

Sie werden die Ureinwohner des Nordens lieb gewinnen und ihre Gabe, sich die karge Heimat so lange schön zu gucken, bis auch die Gäste daran glauben. In ihren Liedern sind die baumlosen Berge auf einmal »goldene Kuppen«, und die grauen Gewässer werden zu »silbernen Seen«.

Die Samen kennen sich auch in unserer Welt mittlerweile gut aus und können nicht verstehen, weshalb wir selbst auf abwärtsfahrenden Rolltreppen noch in den Laufschritt verfallen.

Sie werden zurückkommen voll Respekt vor den Menschen, die oberhalb des Polarkreises an den Gestaden des Eismeers ausharren, obwohl sie in Zeiten der Globalisierung auch wegziehen könnten. Die Menschen dort hüten etwas, was noch kostbarer ist als Öl, Gas und Gold: Sie hüten die letzten Urwälder, Wale in Freiheit, Weite und Einsamkeit – all das, was sich in der »Wartehalle Mitteleuropa«, wie Sigrid Damm einmal sagte, nicht finden lässt.

Für das Wetter gibt es auf dieser Route keine Garantie. Billig sind solche Reisen auch nicht. Am Ende landen Sie möglicherweise auch in Island, der regenreichen Insel mitten im Nordatlantik, die sich nach ihrer Staatspleite mühsam wieder aufrappelt, und kaufen voll Stolz ein T-Shirt, auf dem es heißt: »Iceland. Good weather and cheap beer – what more could you want?«

Galgenhumor ist ansteckend.

Erstes Kapitel

Gärten in Grönland

Erklärt, warum Grönländer nach neuen Namen für Bienen und Brokkoli suchen und warum sie Wespen nicht vermissen.

Warum Grönland nur vier Ampeln hat.

Weshalb die Zeit der Naturvölker leider vorbei ist.

Und warum das Wort Hundeleben hier wieder seine ursprüngliche Bedeutung bekommt.

Es ist wie auf einem Frühflug der Lufthansa, lauter Männer, und alle schweigen. Die Stewardess mit ihrem blauen Käppi und dem gelben Tuch wirkt inmitten all der Herren im dunklen Goretex wie ein bunter Vogel.

Sie hat alle Aufmerksamkeit, und wer sie besonders nett bittet, bekommt Kaffee und Wasser nachgeschenkt. Ich gehe leer aus und tröste mich mit dem Blick aus dem Fenster.

Unter uns der offene Nordatlantik. Gegenwind mit sieben Windstärken, Schaumkronen auf den Wellen. Die Propellermaschine gewinnt rasch an Höhe, oben wird es ruhiger.

Isländer mögen so ein Wetter. Aus der Bordzeitung lächelt mir ein junges Mädchen entgegen, im Hintergrund ein schöner Fjord vor einem schneebedeckten Berg.

»Das ist Djúpavik: Das Wasser hat fünf Grad. An guten Tagen.«

Auf einer Landzunge westlich von Reykjavík liegt verborgen unter der Wolkendecke der Krater des erloschenen Vulkans Snæfel, der schon Jules Verne zum Einstieg ins Innere der Erde inspirierte.

Der Snæfel schweigt seit langem, dafür sind andere Vulkane wie der Hekla alle zehn Jahre fällig, hier, wo sich die Kontinente treffen, wo Amerika und Europa zusammenstoßen. Island ist geologisch gesehen noch ein Provisorium, eine junge Insel in der Pubertät, die ständig ihre Form verändert. Ist es da ein Wunder, dass jeder zweite Isländer an Elfen glaubt?

Letzte Nacht im kleinen hölzernen Gasthaus aus dem Jahr 1912 direkt neben dem isländischen Parlament roch die Dusche gerade so leicht nach Schwefel, dass mir eher Hekla und der Teufel in den Sinn kamen als faule Eier. Mit eingeseiften Haaren ist es ein Trost zu wissen, dass man in Island nie Angst haben muss, plötzlich unter einer kalten Dusche zu stehen. Wenn die Insel aus Feuer und Eis etwas im Überfluss hat, dann sind es heiße Quellen. Hier fließt sogar Wasser aus dem Heizungssystem der Hauptstadt in eine nahegelegene Bucht – und erwärmt dort ein offenes Meeresschwimmbecken.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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